Aktuelle Medizin AUSSPRACHE
Ausführung:
C) Unterhose ganz ausziehen (Wo- hin legen?)
© Rittlings auf die Toilette setzen
® Harnröhreneingang mit einem vorbereiteten, mit Desinfektionsmit- tel getränktem Tupfer von vorn nach hinten waschen.
© Lassen Sie eine kleine Harnmen- ge, welche die Harnröhre reinigt, in die Toilette fließen.
Harnstrahl stoppen! (Bei akuten In- fektionen überhaupt möglich?)
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Fragen:
C) Ist so etwas überhaupt praktika- bel? Für jeden Arzt, mindestens je- den Urologen seine eigene Wasch- anlage!
© Ist ein solches Vorgehen über- haupt notwendig? Eine reine Bakte- riurie im schlicht, wie üblich, gewon- nenen Mittelstrahlurin ohne Leuko- zyturie bei fehlender klinischer Sym- ptomatik ist nur selten pathogen.
Auch ein Eintauchnährboden kann bei der Bakteriurie im Mittelstrahl- urin oft durch Nachweis nichtsignifi- kanter Keimzahlen nachhelfen.
Bestehen dann noch Unklarheiten, wird Katheterurin gewonnen und so- wohl mikroskopisch als auch bakte- riologisch untersucht.
Die mikroskopische Untersuchung des Katheterurins ist dabei sehr wichtig und wird leider oft unter- lassen.
® Die zitierten Anweisungen zur Uringewinnung fördern meines Erachtens die Gefahr einer Verbrei- tung von Pilzinfektionen, Trichomo- naden und anderer Erreger.
Dieser Teil der zitierten Veröffentli- chung ist auch nach Meinung ande- rer Kollegen ein Unding!
Ich erbitte Stellungnahme eines Hy- gienikers.
In einer urologischen Zeitschrift kann man über derartige überspitzte und sogar gefährliche Forderun- gen lächelnd hinwegsehen, in einer allgemeinmedizinischen Zeitschrift aber nicht.
Der Allgemeinmediziner könnte glauben, er dürfte ohne eine solche Waschanlage für die Genitalregion gar keine Urine mehr untersuchen.
Weiter heißt es in dem Artikel:
„Geachtet werden sollte auch auf Trichomonaden, Candidapilze und Mykoplasmen in frischgelassenem Harn."
Im warmen Harn lassen sich zwar Trichomonaden, Sproßpilze und Hy- phen erkennen, Mykoplasmen aber wohl nicht.
Selbst deren Kulturen sind ja so klein, daß man sie mikroskopisch oft schwer erkennt.
Privatdozent Dr. med.
P. Breitwieser Facharzt für Urologie Weender Straße 80/82 3400 Göttingen
Schlußwort
Die unkontrollierte Harnabnahme führt — wie der erfahrene Urologe weiß — durch Verunreinigung des Präputiums oder der Schamlippen häufig zu falsch-positiven Befunden und damit zu einer Reihe von unnö- tigen Folgeuntersuchungen.
Daher wurde das beschriebene Ver- fahren zur Harnentnahme — das si- cher modifiziert werden kann — auf- geführt, da dieses Verfahren seit Jahrzehnten im anglo-amerikani- schen Raum üblich ist und sich bewährt hat. — Es ist vor Jahren von P. Piazolo angegeben und von C. M. Kunin modifiziert.
Daß bei der Harnabnahme die Ärzte umdenken müssen (auch die Urolo- gen) und nicht einfach kritiklos falsch-positive Befunde überneh- men oder ausschließlich zu diagno- stischen Zwecken einfach Katheter legen, war auch ein Ziel dieses Bei- trages.
Hygienische Voraussetzungen auf Toiletten sind im allgemeinen in mo- dernen Arztpraxen üblich, ein- schließlich der Möglichkeit, Unter- kleider abzulegen und sich zu wa- schen. Für diese einfachen Maßnah- men dürften keine Waschanlagen nötig sein. Im übrigen sind die bean- standeten Passagen Gegenstand von Richtlinien einiger Kassenärztli- cher Vereinigungen für niedergelas- sene Ärzte.
Die Behauptung, hygienische Maß- nahmen — Waschen des Genitales — förderten die Verbreitung von Pilzin- fektionen, Trichomonaden und von anderen Erregern, widerspricht al- len Erfahrungen vom Operationsbe- reich bis in die Arztpraxis.
Mißverständlich wurde der Satz
„zum Nachweis von Mykoplasmen"
interpretiert: Mykoplasmen sind zur Zeit nur kulturell nachweisbar.
Eine zuverlässige Mittelstrahlunter- suchung ist nur bei Einhaltung rich- tiger Abnahmebedingungen mög- lich.
Nur durch einwandfreies Sammeln des Harns ist eine sichere Unter- scheidung zwischen Harninfektion und Verunreinigung gegeben.
Dazu gehört die sorgfältige Reini- gung, gegebenenfalls Desinfektion des äußeren Genitales, da anderen- falls falsch-positive Befunde und un- nötige Folgeuntersuchungen ent- stehen.
Professor Dr. med.
Jürgen Sökeland
Direktor der Urologischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten Dortmund
Westfalendamm 403-407 4600 Dortmund 1
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2616 Heft 44 vom 30. Oktober 1980