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Archiv "Unspezifische Entzündungen: Zystitis" (24.04.1980)

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Aktuelle Medizin

Heft 17 vom 24. April 1980

UNSPEZIFISCHE ENTZÜNDUNGEN:

Zystitis

Wolfgang Neugebauer, Ronald Komm und Jürgen Sökeland

Aus der Urologischen Klinik der Städtischen Kliniken, Dortmund (Direktor: Professor Dr. med. Jürgen Sökeland)

Harnwegsinfektionen zählen zu den häufigsten urologi- schen Krankheitsbildern. Ne- ben generalisierten unspezifi- schen Entzündungen der Nie- ren und der ableitenden Harn- wege ist die Blase oft Ort des entzündlichen Geschehens.

Obwohl der bakterielle Befall der Blase ätiologisch an erster Stelle zu nennen ist, weist die Blase daneben auch besonde- re Reaktionsformen auf. Die häufigsten Formen der Bla- senentzündung, ihre Pathoge- nese, Diagnostik und Therapie werden in einer Übersicht dar- gestellt.

Einleitung

Die Harnblase wird — wie auch ande- re Hohlorgane — häufig von bakte- riellen Infektionen befallen. Harnbla- senentzündungen weisen eigene spezifische Reaktionsformen bei un- terschiedlicher Genese auf. Die häu- figsten Formen der Blasenentzün- dung Zystitis — die den niederge- lassenen Arzt wie auch den Kliniker immer wieder beschäftigen, sollen mit ihrer speziellen Problematik vor- gestellt werden.

Anatomie

Die Blase ist ein muskuläres Hohlor- gan, dessen Funktion als Reservoir eine kontrollierte Harnausscheidung gestattet. Der anatomische Aufbau ist einfach: Mukosa, Submukosa, Muskularis und Adventitia.

Die innere Fläche der Blase, die mit Schleimhaut ausgekleidet ist, ist in maximal gefülltem Zustand glatt, bei geringer Füllung, besonders in lee- rem Zustand, größtenteils in Falten gelegt, die im Bereich des Trigonum vesicae immer fehlen. Zwischen der, die Innenfläche auskleidenden Schleimhaut und der Muskularis ist eine Verschiebeschicht, die Submu- kosa, vorhanden, die ohne scharfe Grenze in das lockere Bindegewebe

der Muskularis übergeht. Die glatte Muskulatur der Blase besteht aus Muskelzellen, die durch Bindegewe- be zu dickeren oder dünneren Mus- kelfasern oder -bündeln und dicke- ren Strängen zusammengefaßt wird.

Diese verzweigen sich netzartig, so daß zwar verschiedene Schichten und Faserzüge der Blasenwand un- terschieden werden können, die ver- schieden gerichteten Faserzüge und -bündel oft von einer Schicht in die andere übertreten. Das Dach und die Hinterwand der Blase sind vom Peri- toneum überzogen. Als patholo- gisch-anatomisches Substrat sind bei entzündlichen Erkrankungen der Blase je nach Form der Entzündung nur einzelne Schichten (Mukosa und Submukosa bei der akuten Zystitis) oder die gesamte Blasenwand (inter- stitielle Zystitis) beteiligt. Selbst Infil- trationen des paravesikalen Gewe- bes oder des Peritonealüberzuges können vorkommen.

Klinik Akute Zystitis

Vorzugsweise werden Frauen durch aszendierende Infektionen (Darstel- lung 1) befallen, da anatomische Voraussetzungen einen Keimbefall begünstigen. Die kurze Urethra und die unmittelbare Nähe der Genital-

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Abbildung 1 (oben): Akute Zystitis; Diffuse ausgeprägte Gefäßinjektion der Blasenschleimhaut*)

Abbildung 4 (Mitte): Chronische Zystitis mit akutem Schub; Vermehrte Gefäßinjektion der Schleimhaut mit zwischengelegenen, blassen Schleimhautbezirken*) Abbildung 8 (unten): Interstitielle Zystitis; An der ödema- tosen Schleimhaut scharf randiges, mit weißen Fibrinbe- lägen bedecktes Ulkus*)

Abbildung 2 (oben): Hämorrhagische Zystitis; Neben der Gefäßinjektion flächige submuköse Blutungen*) Abbildung 5 (Mitte): Blasendivertikaleingang, mit ent- zündlicher, bullöser Schleimhaut

Abbildung 9 (unten): Strahlenzystitis; Über die gesamte Schleimhaut verteilte, scharf abgegrenzte, zum Teil spinnennetzartige Gefäßinjektion*)

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Abbildung 3a und 3b (oben links und rechts): Hämorrhagische Zystitis; Diffuse Gefäßinjektion mit zum Teil petechialen, zum Teil flächigen submukösen Blutungen*)

Abbildung 6 (Mitte): Cystitis granularis; Neben der ver- mehrten Gefäßinjektion stecknadelkopfgroße, mit gelbli- chem Sekret gefüllte Bläschen*)

Abbildung 7 (Mitte): Cystitis cystica; Bläschenförmige Veränderungen der Blasenschleimhaut; Golflochförmi- ges Ostium bei vesiko-renalem Reflux*)

Abbildung 10 (unten links und rechts): Strahlenzystitis; Bei diffus geröteter, ödematöser Schleimhaut unscharf begrenzte Fibrinkrusten*)

*) Die endovesikalen Aufnahmen wurden mit einer Spezial-Fotoapparatur angefertigt, siehe dazu auch die Seiten 1105 bis 1106.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 vom 24. April 1980 1099

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organe sind die Gründe, die auch das Auftreten zystitiseher Symptome nach dem Geschlechtsverkehr erklä- ren. Gelegentlich begünstigen aber auch organische Veränderungen (Meatusstenose, Urethraldivertikel) einen Harninfekt.

Beim Mann ist die Zystitis in aller Regel mit dem Vorhandensein einer obstruktiven Erkrankung (Prostata- adenom, Harnröh renstriktu r, usw .) und mit entsprechendem Restharn verbunden. Hinzu kommen iatroge- ne Ursachen wie unsachgemäße Katheterisierung, Urethrozystosko- pie, Dauerkatheterbehandlung usw.

Neurogene Ursachen sind weitere pathogenetische Gegebenheiten. Chronisch entzündliche Blasenhals- prozesse wie die chronisch bakte- rielle Prostatitis können einen aku-

100 90

80 70

ten Schub verursachen. Deszendie- rend kommen Infektionen der obe- ren Harnwege in Betracht. Schließ- lich seien noch entzündlich-über- greifende Prozesse von anderen Or- ganen, wie von Darmprozessen (Di- vertikulitis, Appendizitis, lleitis, Koli- tis) und von Prozessen im Bereich des weiblichen Genitales angeführt.

Diagnostik: Die akute Zystitis ver- läuft in der Regel ohne Fieber. Das Auftreten von Temperaturen wei~t

meistens auf eine Beteiligung paren- chymatöser Organe (Nieren, Pro- stata) hin. Starkes Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen, Blasentenesmen, Pollakisurie bis zur Inkontinenz, Unterbauch- schmerzen, Mikro- und Makro- hämaturie, eventuell massive Leuko- zyturie- Pyurie- sind eindringliche Symptome (Abbildungen 1 bis 3).

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Darstellung 1: Altersabhängige Häufigkeitsverteilung emer Pyelonephrit1s be1 beiden Geschlechtern (aus .. Pyelonephnti Hahnenklee-Sympos1on 1976)

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Der Urinstatus und die kulturelle Aufarbeitung des Harns mit Resi- stenzprüfung geben entscheidende Hinweise. Die Harngewinnung spielt insofern eine entscheidende Rolle, als Verunreinigungen Harninfektio- nen vortäuschen können. Unter an- derem haben Fehler bei der Harnge- winnung dazu geführt, daß zum Bei- spiel von interner Seite vereinzelt die Meinung besteht, ausschließlich die Blasenpunktion gewährleiste ei- nen von Verunreinigungen freien Harn. Diese Ansicht gilt vorwiegend für die bakteriologische Diagnostik, weil sich bei allen anderen Harnge- winnungsmethoden - Mittelstrahl- urin, Katheterurin - bakterielle Ver- unreinigungen nicht sicher aus- schließen lassen.

Andererseits kann man mit einer ein- fachen Keimzählung (Objektträger- kultur, zum Beispiel Uricult} bei der überwiegenden Anzahl der Fäl- le Keimverunreinigungen ausschlie- ßen oder sichern. Eine ordnungsge- mäße Harngewinnung ist aber nicht gewährleistet, wenn man dem Pa- tienten lediglich ein sauberes Harn- glas überreicht, um später einen Harn in Empfang zu nehmen, der unter völlig unkontrollierten Bedin- gungen gelassen wurde. Nach ent- sprechender Unterrichtung ist die Mittelstrahlharngewinnung beim Mann und bei der Frau das übliche Verfahren (Tabellen 1 und 2) Geachtet werden sollte auch auf Tri- chomonaden, Candidapilze und My- koplasmen in frisch gelassenem

Harn. Eine Urethrazystoskopie ist im

akuten Stadium nicht indiziert, sollte aber bei rezidivierenden Entzündun- gen durchgeführt werden. Außer- dem muß bei Frauen eine Prüfung der Harnröhrenweite zum Ausschluß von Meatusstenosen erfolgen.

Therapie: Therapeutisch ist die aku- te Zystitis gut zu behandeln. Sie neigt zur Spontanheilung, wenn ein Primärleiden anderer Genese fehlt.

Spasmolytika und Analgetika sowie eine gezielte Chemotherapie über kurze Zeit lassen die Symptome rasch verschwinden. Auch die La- borparameter normalisieren sich schnell. Allerdings sollte nach Ab-

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heilen der Entzündung auf Kontrol- len nicht verzichtet werden, um ein unbemerktes Übergehen in einen chronischen Prozeß nicht zu über- sehen.

Chronische Zystitis

Die häufigste Ursache eines chro- nisch entzündlichen Blasenprozes- ses sind wegen unzureichender Dia- gnostik übersehene zusätzliche or- ganische und funktionelle Verände- rungen, die eine Ausheilung aus- schließen. Auch die ungenügende Behandlung einer akuten Entzün- dung, sei es einer Zystitis oder Pye- lonephritis, sind zu erwähnen (Abbil- dung 4). Infravesikale Abflußhinder- nisse (Meatusstenose, Sphinkter- sklerose, Prostataadenom, Prosta- takarzinom, Harnröhrenstriktur und anderes) mit und ohne Restharnbil- dung spielen eine entscheidende Rolle. Restharnbildungen durch Bla- sendivertikel (Abbildung 5) oder durch neurogene Blasenentlee- rungsstörungen müssen ebenfalls ausgeschlossen werden. An einen vesiko-ureteralen Reflux mit funktio- nellem Restharn ist ebenfalls ätiolo- gisch zu denken. Corpora aliena so- wie parivesikale Entzündungen sind seltener Ursachen eines chroni- schen Infektes. Differentialdiagno- stisch ist auch an spezifische Ent- zündungen der ableitenden Harnwe- ge wie Tuberkulose, gelegentlich auch die Bilharziose (Gastarbeiter, Touristen), zu denken.

Die abakterielle Pyurie ist als heute seltenes, früher dagegen häufiges Krankheitsbild ungeklärter Ätiologie am Rande zu erwähnen.

Diagnostik: Die chronische Zystitis kann nur diskrete klinische Sympto- me aufweisen. Intermittierende Dys- urien, Pollakisurie, Nykturie, Mikro- und Makrohämaturien lassen an ei- nen chronischen Infekt denken. Die diagnostischen Parameter sind prin- zipiell dieselben wie bei der akuten Zystitis. Urinstatus und kulturelle Aufarbeitung des Urins dienen als Basisuntersuchung. Die Restharn- bestimmung und die Zwei- bezie- hungsweise Dreigläserprobe seien

Tabellen 1 und 2: Anweisungen für die Patienten zur Gewinnung von Mittelstrahlurin

..,... Männer

Lesen Sie diese Instruktionen vor dem Wasserlassen!

Fragen Sie, wenn Sie etwas nicht verstehen!

Nur durch richtiges Sammeln des Harns ist eine sichere Unterschei- dung zwischen Harnwegsentzündungen und Verunreinigungen mög- lich.

Vorbereitung:

0

Das Glied ist mit Wasser und Seife zu waschen, die Vorhaut über die Eichel zurückzustreifen, anschließend abtrocknen.

f) Hände mit Seife waschen und mit Einmalhandtuch abtrocknen.

Ausführung:

0

Unterhose ganz herunterstreifen.

f) Mit gespreizten Beinen über der Toilette stehen.

f) Vorhaut über die Eichel zurückstreifen.

8

Harnröhrenöffnung mit einem Desinfektionsmittel säubern. Nicht abtrocknen, gebrauchte Tupfer in die Toilette fallen lassen.

0

Lassen Sie eine kleine Urinmenge, welche die Harnröhre reinigt, in die Toilette fließen. Harnstrahl stoppen!

0

Sammetbehälter von außen anfassen und unter die Harnröhren- öffnung halten, ohne die Behälterinnenseite zu berühren.

G

Sammetbehälter ins Labor geben bzw. abgeben.

..,.. Frauen

Lesen Sie diese Instruktionen vor dem Wasserlassen!

Fragen Sie, wenn Sie etwas nicht verstehen!

Nur durch richtiges Sammeln des Harns ist eine sichere Unterschei- dung zwischen Harnwegsentzündungen und Verunreinigungen mög- lich.

Vorbereitung:

O

Genitale mit Wasser und Seife ausgiebig waschen (Bidet). Ab- trocknen.

f) Hände mit Wasser und Seife waschen und mit Einmalhandtuch abtrocknen.

Ausführung:

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Unterhose ganz ausziehen.

f) Rittlings auf die Toilette setzen.

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Beine möglichst weit spreizen. Diese Stellung wird bis zur Beendi- gung des Sammelos beibehalten. Mit der linken Hand die Scham- lippen spreizen. Diese während der ganzen Sammetperiode gespreizt halten.

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Harnröhreneingang mit einem vorbereiteten, mit Desinfektions- mittel getränkten Tupfer von vorn nach hinten waschen.

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Lassen Sie eine kleine Harnmenge, welche die Harnröhre reinigt, in die Toilette fließen. Harnstrahl stoppen!

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Lassen Sie jetzt den weiteren Harnstrahl in den Sammetbehälter fließen. Außen anfassen, die Behälteröffnung nicht mit dem Kör- per berühren.

G

Sammetbehälter ins Labor geben bzw. abgeben.

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 17 vom 24. April1980 1101

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Dazwischen rektale Prostatapalpation und Gewinnung von Exprimat

3. Glas V 10-30 ml

Darstellung 2: Drei-Gläser-Probe (aus Urologie Alken;Sökeland, Thieme-Verlag 1978)

+ Hauptmenge des Blasenurins bis auf geringen Rest 2. Glas

als einfache diagnostische Hilfsmit- tel erwähnt (Darstellung 2).

Primäre Ursachen im Bereich der Nieren und ableitenden Harnwege sowie im infravesikalen Bereich müssen durch eine urologische Untersuchung — Urogramm, Ure- th rog ramm, Miktionszystourethro- g ramm, Bougie ä boule usw. — abge- klärt werden. Die Urethrozystosko- pie mit retrograder Sondierung ist bei nicht eindeutigen Röntgenbe- funden erforderlich.

Chronisch entzündliche Blasenpro- zesse können das Bild der Cystitis cystica beziehungsweise granularis hervorrufen (Abbildungen 6 und 7).

Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Primärleiden. Dabei ist bei chronischen Infektionen der Nieren und oberen Harnwege eine resi- stenzgerechte Stoßbehandlung über 10 bis 14 Tage üblich. Eine Langzeit- therapie über 6 Monate anschlie- ßend ist bei gehäuften Rezidiven an- gezeigt. Bei isolierter chronischer

Zystitis ist eine resistenzgerechte Langzeittherapie mit Antibiotika oder Chemotherapeutika unerläß- lich anzustreben.

Interstitielle Zystitis

Die interstitielle Zystitis, die auch UI- cus simplex vesicae, Hunnersches Ulkus oder submuköse Fibrose ge- nannt wird, kommt vorwiegend bei Frauen zwischen dem 4. und 5. Le- bensjahrzehnt vor. Ätiologisch wer- den Autoimmunmechanismen, Ver- änderungen der Lymphwege nach durchgemachten Genitalaffektionen oder abdominoperinealen Operatio- nen sowie neurovegetative und psy- chosomatische Komponenten dis- kutiert. Eine Infektionspathogenese scheint ausgeschlossen.

Pathologisch-anatomisch findet sich eine Fibrose der tiefen Blasen- wandschichten mit ödematösen Ver- änderungen und Anämie der Blasen- schleimhaut, ferner Ulzerationen der Blasenwand mit Schleimhautrissen.

Diagnostik: Die Symptomatik ist ein- drucksvoll. Bei jahrelanger Ana- mnesedauer ist ein zunehmender Verlust der Blasenkapazität zu ver- zeichnen. Daraus resultiert eine quä- lende Pollakisurie mit Nykturie bis zur Inkontinenz. Bei Überdehnung der Blase kommt es zu Schleimhaut- rissen mit Hämaturie. Das Urinsedi- ment ist uncharakteristisch. Eine Leukozyturie fehlt meistens, eine Mi- krohämaturie ist häufiger nachzu- weisen. Die bakteriologischen Un- tersuchungen bringen ohne Sekun- därinfektion keinen Befund. Eine Tuberkulose sollte immer ausge- schlossen werden. Urographisch sind die oberen Harnwege in der Re- gel unauffällig, der Blasenschatten verkleinert. In Spätstadien kommt es zum vesiko-ureteralen oder vesiko- renalen Reflux. Entscheidend für die Diagnose ist der zystoskopische Be- fund. Die blasse, leicht ödematöse Schleimhaut zeigt ausgestanzte Ul- zera und Schleimhauteinrisse (Ab- bildung 8). Dieser typische Befund kann jedoch fehlen. Bei Ausdehnen der Blase kommt es sehr häufig zu diffusen venösen Blutungen.

1102 Heft 17 vom 24. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Therapie: Eine einheitliche Therapie der interstitiellen Zystitis gibt es nicht. Die Behandlung muß sich nach den in der Regel fehlgeschla- genen Versuchen richten. Als aus- sichtsreich hat sich Instillations- und endoskopische Infiltrationsbehand- lung erwiesen. In schweren Fällen ist die supravesikale Harnableitung nicht zu umgehen.

Radiogene Zystitis

Die Strahlenzystitis kann auftreten bei Bestrahlungen im kleinen Bek- ken, das heißt bei Genitalkarzino- men der Frau, Rektumkarzinomen, Blasen- und Prostatakarzinomen.

Prädisponierend sind Diabetes mel- litus, Arteriosklerose und Harnwegs- infekte anzusehen (Abbildung 9).

Man unterscheidet die Früh- und Spätreaktion, die nicht unbedingt voneinander gefolgt sein müssen.

Als Frühreaktion bezeichnet man die Schleimhautreizung, die während oder unmittelbar nach der Bestrah- lung auftritt und die praktisch bei allen Patienten in Kauf genommen werden muß. Es werden je nach Schweregrad drei Stadien unter- schieden. Die Spätreaktion tritt nach einer symptomfreien Latenzzeit von mindestens drei Monaten auf. Als anatomisches Substrat sind die subepithelialen und vaskulären An- teile betroffen, deren Schädigung auch das Ausmaß der Strahlenfolge bestimmt.

Diagnostik: Die Diagnostik stellt auf die Anamnese ab. Häufig sind Polla- kisurie und Dysruie als Frühreak- tion. Im Urinsediment findet sich ei- ne Leukozyturie, gelegentlich eine Mikrohämaturie. Bakteriologisch sind erst bei Komplikationen in der Spätreaktion Ergebnisse zu erwar- ten. Das Urogramm zeigt meist un- auffällige obere Harnwege. Stauun- gen im juxtavesikalen Bereich oder vesikorenaler Reflux deuten auf eine schwere Blasenwandschädigung hin. Bei der Zystoskopie können in- krustierende (Abbildung 10) pseudo- tumoröse und ulzeröse Formen ge- funden werden. Bei Blutungen ist

eine Spontanhämostase nicht mehr gewährleistet, so daß es zu Blasen- tamponaden kommen kann.

Therapie: Die beste Therapie be- steht in der sorgfältigen Überwa- chung der Patienten während der Bestrahlung und in der Vermeidung zu hoher Einzeldosen. Bei zusätzli- cher bakterieller Zystitis muß die Be- strahlung ausgesetzt werden.

Das Auftreten zystitischer Sympto- me ohne bakteriellen Befund kann symptomatisch mit Spasmolytika behandelt werden. Neuerdings be- steht die Möglichkeit, durch ein lös- liches Cu-Zn-Metallprotein (Orgo- tein) die Symptomatik zu coupieren.

Erste Berichte sprechen für sehr günstige Resultate. Die Behandlung muß durch den Urologen zusammen mit dem Strahlentherapeuten erfol- gen, da neben der intramuskulären Applikation auch endoskopische Techniken angewandt werden müssen.

Bei der Spätreaktion bekommt die Instillation von Chemotherapeutika, Lokalanästhetika und Kortison Be- deutung. Es handelt sich um eine Mixtur, die nach Eingabe in die Bla- se etwa eine Stunde wirken muß.

Auch diese Instillationsbehandlung kann nur vom Urologen ausgeführt werden.

Kommt es zur Ausbildung einer ra- diogenen Schrumpfblase, muß die supravesikale Harnableitung in Be- tracht gezogen werden.

Zusammenfassung

Die Diagnostik und Therapie der ver- schiedenen Formen der Zystitis er- folgt anfangs meist durch den Haus- arzt. Heilt eine akute Zystitis nicht kurzfristig aus, ist eine korrekte bak- teriologische Abklärung und resi- stenzgerechte Behandlung erforder- lich.

Ist ein Therapieerfolg trotz entspre- chender diagnostischer und thera- peutischer Maßnahmen nicht zu ver- zeichnen, sollten Spezialuntersu- chungen durch den Urologen erfol-

gen. Die in der Arbeit genannten or- ganpathologischen Veränderungen müssen aufgedeckt und entspre- chend behandelt werden.

Die interdisziplinäre Zusammenar- beit in der Behandlung problemati- scher Patienten hat die Kurz- und Langzeitergebnisse deutlich verbes- sert.

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Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Wolfgang Neugebauer Dr. med. Ronald Komm

Professor Dr. med. Jürgen Sökeland Urologische Klinik

der Städtischen Krankenanstalten Dortmund

Westfalendamm 403-407 4600 Dortmund 1

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