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Archiv "Unspezifische Entzündungen:" (09.08.1979)

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UNSPEZIFISCHE ENTZÜNDUNGEN:

Koronariitis

Wilhelm Doerr

Aus dem Pathologischen Institut der Universität Heidelberg (Direktor: Professor Dr. Wilhelm Doerr)

Entzündliche Erkrankungen der Herzkranzgefäße treten entweder im Rahmen einer generalisierenden Angiitis oder isoliert auf. Im ersten Fall erscheinen sie unter dem kli- nischen Bild der koronaren Herzkrankheit und sind einer Therapie grundsätzlich zu- gänglich. Im zweiten Fall gibt es keine Therapie, denn der Kranke stirbt plötzlich, scheinbar aus voller Gesund- heit. Eine Koronariitis kann stenosierend-obturativ, sie kann auch. disruptiv-aneurys- matisch verlaufen. Es gibt lei- der keine zuverlässigen Indi- zien, welche den Arzt recht- zeitig auf die richtige Fährte bringen würden.

Unter den Erkrankungen der Koro- nargefäße spielt die entzündliche Läsion der Gefäßwände eine kleine, aber interessante Rolle. Koronariell- entzündliche Veränderungen wer- den in aller Regel vom Pathologen entdeckt. Sie betreffen Koronararte- rien und -venen, gelegentlich beide gleichzeitig. Entzündliche Ostium- stenosen sollen jetzt außer Betracht bleiben. Die Verständigung zwi- schen Klinik und Pathologie ist des- halb nicht immer ganz einfach, weil der Entzündungsbegriff unter- schiedlich gesehen wird. Die Klinik denkt ätiologisch, der Pathoanatom phänomenologisch. Die außeror- dentliche Bereicherung der klinisch- diagnostischen Möglichkeiten durch das Repertoire immunolo- gisch-serologischer Reaktionen fin- det deshalb in vielen Fällen nicht die erwartete Antwort seitens des Pa- thologen, weil die Monotonie der morphologischen Symptomatik ei- ner kausalen Differenzierung kaum zugänglich ist. Mit anderen Worten:

Was der Form nach gleich ist, kann dem Wesen nach verschieden sein (Letterer 1959)*).

Für den Arzt bedeutet Entzündung eine Defensivreaktion, die so gut wie immer durch einen „Entzündungs- reiz" mikrobieller (infektiöser) Natur hervorgerufen wird. Für den Patho- logen ist Entzündung eine Stoff- wechselstörung mit dem Ziele, das

durch Einwirkung des seiner Natur nach ganz verschiedenen Entzün- dungsreizes verlorengegangene ge- webliche Gleichgewicht wiederher- zustellen! So verstanden, ist Entzün- dung „parenterale Verdauung", das heißt Stoffumsatz im Gewebe des Entzündungsfeldes (Rössle 1923).

Diese Stoffwechselstörung freilich unterscheidet sich von anderen Pa- ra-Trophien (Aschoff 1936) durch ih- re Schnelligkeit, ihre Gewalt und den Charakter der Gefahr (Virchow 1854).

Das für die morphologische Diagno- stik essentielle Merkmal einer eini- germaßen akuten Entzündung ist das Exsudat (Doerr und Quadbeck 1973). Letterer sieht die Bedingun- gen für eine Exsudatbildung am be- sten erfüllt, wenn sein Histion befal- len ist. Letzteres ist eine gedachte gewebliche Einheit. Sie besteht aus den Zellen des Schauplatzes, der In- terzellularsubstanz, den Fibrillen, aber auch der terminalen Blut- und Lymphbahn und dem vegetativ-ner- valen Terminalretikulum.

Soweit wäre alles verständlich. Al- lein, es gibt eine ganze Reihe von Problemen, die ich der Einfachheit halber in zwei Hauptgruppen bünde- le. Die eine Gruppe betrifft die Be-

") Die Gesamtliteratur ist in den Sonderdruk- ken aufgeführt, die vom Verfasser bezogen werden können.

2033

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Koronariitis

sonderheiten der geweblichen Or- ganisation des Standortes „Gefäß- wand", die andere die ebenso erre- genden wie leidigen Beziehungen zur Arteriosklerose.

A) Wenn das „Histion" der Arterien- und Venenwand anders aussieht als im Niemandsland des Mesenchymes schlechthin und wenn das Exsudat als solches nicht voll erkennbar wird, wie soll dann eine Angiitis dia- gnostiziert werden? Man muß sich folgendes klarmachen: Jedes Organ und jedes Gewebes reagiert auf ei- nen Reiz mit seinen Mitteln und Möglichkeiten. Das bedeutet doch wohl, daß man im Grundsatz mit dem Vorkommen entzündlicher Re- aktionen des gefäßwandeigenen Ge- webes rechnen muß, auch ohne Vollbild eines Histions und natürlich auch dann, wenn das Exsudat nicht ohne weiteres und als solches sicht- bar gemacht und verstanden werden kann. Es braucht also nicht frei auf Oberflächen oder in Gewebespalten zu liegen, es kann auch inter- und vielleicht intrazellulär auftreten, ja

es kann sich um Freisetzung bis da- to gebunden gewesenen Gewebe- und Zellwassers handeln. Ob man dann von „Ex- oder von Insudat" (W.

W. Meyer 1952) sprechen will („wer schwitzt welche Stoffe in welche Richtung?"), ist eine subalterne Fra- ge. Eines aber ist unverkennbar: Ein Exsudat wirkt zell- und gewebe- feindlich, jedenfalls in Stunden und Tagen. Ein Exsudat hat eine aktuelle

„sauere" Reaktion (pH<7), es be- sitzt proteolytische Fermente und toxische Intermediärstoffe. Es kommt zur „Desmolyse" und zur

„Entparenchymisierung", das heißt zur Lösung vorhanden gewesener Texturen und zur Nekrose der am meisten betroffenen Zellterritorien.

Für die Gefäßwand liegen die Folgen so: Die Verquellung des subendo- thelialen Bindegewebes, zum Bei- spiel einer Koronararterienintima, erzeugt eine Diskontinuität des En- dothels. Es sickert „ein Tröpfchen"

Gewebesaft in die Endothellücke.

So entsteht eine Störung am Rand- blutstrom, hierdurch werden Throm- bozyten agglomeriert, jene setzen

„Plättchenstoffe" frei, diese vermit- teln eine stereotype Reaktion des in- timalen Bindegewebes. Wer die Vor- gänge der Entzündung, welche oft ein proteusartiges Bild präsentieren (Bock 1954), verstehen will, muß die Grubersche Regel intus haben. Die- se lautet: Entzündliche Erkrankun- gen der Wände großer Schlagadern (Aorta, Pulmonalis, Carotides, !Ha- cae) beginnen außen, das heißt sie entstehen über die Vasa vasorum.

Entzündliche Erkrankungen kleiner Schlagadern beginnen innen (G. B.

Gruber 1926). Die Regel gilt für alle hämatogen inszenierten Arteriitiden.

Venen erkranken (hämatogen) im- mer von innen her.

B) Die weit größere Schwierigkeit sehe ich darin, daß man die nosolo- gische Stellung bestimmter Reaktio- nen der Gefäßwände nicht genauer kennt.

Der verstorbene schweizerische Pa- thologe Ambrosius v. Albertini hatte bei plötzlich verstorbenen Soldaten der eidgenössischen Armee, also

Abbildung 1 (links): Herz, 45jähriger Mann, Ansicht von dorsal, Aneurysma des absteigenden Astes der Arteria coronaria dextra. Hypersensitivity angiitis nach Ato- phan-Mißbrauch. Beobachtung 1953, Charlottenburg- Westend

Abbildung 2 (oben): Querschnitt durch den abstei- genden Ast der Arteria coronaria sinistra, 26jähriger Mann, juvenile sogenannte maligne Koronarsklerose.

SN 19/79. Paraffin, El.-v. Gieson, Photogramm, Vergr. 1:12

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Abbildung 4: Schnitt durch die linke Kammerwand, 29jähriger Mann, septische Phlebitis coronaria, protra- hierte Sepsis. Paraffin, Masson-Goldner, Photogramm, Vergr. 1:58 (SN 803/71)

Abbildung 6: 70jähriger Mann, „entzündliche Arterio- sklerose", sogenannte rheumatiforme Arteriitis. Koro- nararterienquerschnitt. Extramuraler Koronararterien- stamm. „Knopfförmige" Koronarstenose, alte Intimapro- liferate. Paraffin, Masson-Goldner, Elastica, Photo- gramm, Vergr. 1:160 (SN 727/71)

Abbildung 3: Schnitt durch linke Herzkammerwand, 46jährige Frau, Rheumatyp der obliterativen End- arteriitis; vorwiegend Befall der kleineren Koronararte- rienverzweigungen. Sogenannte Endarteriitis verrucosa.

Paraffin, Masson-Goldner, Photogramm, Vergr. 1:65.

(SN 33/79)

Abbildung 5: Querschnitt durch das obere Drittel des absteigenden Astes der Arteria coronaria sinistra; 44jäh- rige Frau; rheumatische Perivaskulitis bei alter Myokar- ditis, disruptive Koronararterienerkrankung, zylinder- mantelförmiges Aneurysma dissecans, akute verschluß- wertige Stenose. Paraffin, Masson-Goldner, Photo- gramm, Vergr. 1:3,8 (SN 1136/77)

jungen Männern, eine akute steno- sierende Intimaproliferation mit Ödemnekrosen (der Proliferate) ge- funden und von Arteriitis stenosans coronariae gesprochen (1938). We- nig später erklärte sein Landsmann Bernhard Walthard (1942), es han- dele sich gar nicht um eine „ent- zündliche" Koronararterienerkran- kung, sondern um eine besondere Form der Koronarsklerose. Wer hat- te recht? Natürlich hatten beide recht, denn es gibt Gefäßsklerosen entzündlicher Histogenese. Wie man also die Phänomene ansprechen will, ist weniger eine Frage des Wis- sens, sondern des methodischen Standpunktes. Selbstverständlich

kann man die von v. Albertini mar- kierten Sonderformen der Koronar- sklerose als Ausdruck einer serösen Entzündung Rössles verstehen, aber ebenso selbstverständlich darf man von einer Sonderform tödlicher Ge- fäßsklerosen sprechen. Die deut- schen Pathologen Meessen (1941), Wg. Rotter (1949), Erich Müller (1949), Heinrich Bredt (1949) haben den Befund v. Albertinis voll bestä- tigt, ich selbst habe ihn erstmals 1942 bei einer kriegsärztlichen Ta- gung in Bordeaux demonstriert, sehr viel später (1964) als „juvenile Koronarsklerose" bezeichnet. Was ursächlich eine Rolle spielt, ist im Augenblick nicht klar. Die juvenile

oder maligne Koronarsklerose ist wohl das gleiche wie diejenige Skle- roseform, die von Benditt und Ben- ditt (1973) als Ausdruck einer mono- klonalen Wucherung der glattmus- kulären Langhanszellen der Intima—

vielörtlich und gleichzeitig — inter- pretiert wurde.

Dies ist leider nicht alles, was klä- rend und erklärend gesagt werden muß. Jäger (1932, 1933) aus der Leipziger Schule von Hueck hatte ausgebrannte Formen der v. Wini- warter-Buergerschen Krankheit und der Periarteriitis nodosa als „ent- zündliche Sklerose" bezeichnet. v.

Albertini hatte zugestimmt (1944).>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 9. August 1979 2035

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Koronariitis

Wir hatten stets den Standpunkt ver- treten, daß die in England von J. B.

Duguid beschriebene Sklerose mit überschießender Fibrininkorpora- tion das gleiche sei. Mit anderen Worten: Es gibt zwei Generalformen der Arteriosklerose, eine banale und eine juvenile (maligne). Und im For- menkreis der banalen arteriosklero- tischen Veränderungen gibt es eine

„Gangart" mit betonter Fibrin-lnsu- dation. Die maligne Arteriosklerose und die „fibrinreiche" (Jäger-v.-Al- bertini-Duguidsche) sind entzündli- cher Natur. Erstere ist eine seröse (Quellungsnekrose), letztere eine fi- brinöse (lnsudationsfolge).

Entzündliche Koronarerkrankungen können Koronararterien und Koro- narvenen betreffen. Während die Folgen der Koronararteriitis auf den Nenner der Koronarinsuffizienz zu bringen sind, wird die Phlebitis co- ronaria als eigenständiges Phäno- men nicht beobachtet. Sie tritt im Rahmen septischer Allgemeiner- krankungen, gelegentlich bei Thromboendocarditis lenta oder mycotica auf.

Folgende Beispiele sollen einen Begriff von den häufigeren Verän- derungen vermitteln:

Fall 1: Ein 45jähriger Mann litt seit Monaten an starken rheumatischen Beschwerden in Nacken und Schul- ter. Er nahm (1953) völlig unkontrol- liert über viele Wochen fortlaufend Atophan. Es entwickelte sich eine

„hypersensitivity angiitis" unter dem Bild der Periarteriitis nodosa. Der Kranke starb an einer Rupturblutung der Arteria renalis dextra. Bei der Autopsie (Charigttenburg-Westend) fand ich ein Aneurysma des Ramus interventricularis posterior (der Ar- teria coronaria dextra; Abbildung 1).

Das Vollbild eines Myokardinfarktes war noch nicht entstanden, wohl aber ein hypoxischer Innenschicht- schaden der dorsobasalen Kammer- wand links.

Fall 2: Ein 26jähriger Mann erlitt im Alter von 20 Jahren einen ersten Herzinfarkt; zwei Monate vor dem Tode synkopaler Herzstillstand, Re-

animation erfolgreich; keine Koro- narangiographie, jedoch Katheter- untersuchung. Auf 25 Prozent (!) eingeschränkte Ventrikelejektions- fraktion. Jetzt plötzlicher Tod im Kammerflimmern. Die Sektion (SN 19/79) ergab eine polytope Angio- dysplasie mit hypoplasiogener Isth- musstenose der Aorta und einer Hy- poplasie des mittleren und unteren Drittels des Ramus interventricularis anterior (d. Arteria coronaria sini- stra). Es fand sich eine alle Koronar- arterienstämme, aber auch die Caro- tides betreffende, unterschiedlich starke, teilweise obliterative „ent- zündliche Arteriosklerose", und zwar im Sinne juveniler maligner Ko- ronarsklerose (v. Albertini; Abbil- dung 2).

Fall 3: Bei einer 46jährigen Frau war in den Jahren nach einer im 26. Le- bensjahr aufgetretenen Eklampsie ein hirnatrophischer Prozeß ent- standen. Die nach und nach geistig zunehmend reduzierte Kranke lebte in ihrer Familie und befand sich in gutem Allgemeinzüstand. Sie starb einigermaßen überraschend an ei- nem Herzinfarkt. Die Sektion (SN 33/

79) zeigte eine alte rekurrierende und vernarbende Endocarditis val- vulae mitralis und eine generalisie- rende Endarteriitis obliterans. Am Herzen (Abbildung 3) fand sich eine Erkrankung der feineren Koronarar- terienzweige. Es liegt der „Rheuma- typ" der Herz-Gefäß-Erkrankungen vor (v. Albertini 1963), das heißt es fand sich neben der Endocarditis verrucosa eine Endarteriitis verruco- sa. Auf deren Bedeutung hatte F. W.

Zahn einst (1878) aufmerksam ge- macht. Die Folge ist die Organisa- tion von Fibrinwarzen, also eine ex- zentrisch-stenosierende Duguid- sche Sklerose.

Fall 4: Die Beobachtung möge als Beispiel einer Phlebitis coronaria septica verstanden werden (SN 803/

71). Bei einem 29jährigen Manne wurde ein Aneurysma der Hirn- grundarterien operativ entfernt. Lei- der entstand eine eitrige Leptome- ningitis mit subduralem Empyem. Es entwickelte sich eine Sepsis mit pro- trahiertem Verlauf. Dabei kam es zu einer nichtabszedierenden poly-

topen Phlebitis cardiaca mit mächti- gem intramyokardialem Ödem. Tat- sächlich starb der Kranke nicht am Hirndruck, sondern an der Herzin- suffizienz. Er hatte übrigens neben den phlebitischen Veränderungen eine juvenile, freilich nur mäßig star- ke Koronarsklerose. Im patholo- gisch-anatomischen Herzbefund standen die phlebitischen Verände- rungen ganz im Vordergrund. Über deren formale Pathogenese sind wir ungenügend unterrichtet (Abbil- dung 4).

Fall 5: Eine 44jährige Kranken- schwester, verheiratet, Mutter zwei- er Kinder, verstarb in Minuten- schnelle, im Kreise der Familie am Frühstückstisch. Vor Jahren eine Strumektomie und eine Appendek- tomie. Keine Raucheranamnese, keine Kontrazeptiva, kein Diabetes mellitus, keine Fettstoffwechselstö- rungen. Die auf Wunsch des Haus- arztes vorgenommene Obduktion (SN 1136/77) ergab eine disruptive Erkrankung der Arteria coronaria si- nistra: Der absteigende Ast der Arte- ria coronaria sinistra zeigte vier Zen- timeter jenseits des Ostiums ein An- eurysma dissecans mit zylinderman- telförmiger Blutung zwischen Ad- ventitia und Media. Es entstand ein akuter Koronarverschluß durch Tamponade der Lichtung durch die losgerissene gekrempelte Intima.

Mikroskopisch fand sich eine rheu- matische Perivaskulitis (Abbildung 5) bei alter Myokarditis. Man muß annehmen, daß zwei Faktoren zu- sammentrafen, eine konstitutionelle Mediaschwäche und eine akziden- teile entzündliche Desintegration.

Fall 6: Ein 701/2 Jahre alter Mann (SN 727/71) litt jahrzehntelang an einer zentripetal fortschreitenden „ent- zündlichen Arteriosklerose" und starb unter dem Bild einer „ausge- brannten" v.-Winiwarter-Buerger- schen Krankheit. Er war ein starker Zigarettenraucher, erlitt zwei Jahre vor dem Tode eine linksseitige He- miparese, hatte mehrere ältere gliös-mesenchymale Erweichungs- herde der rechten Parietookzi pital- Region und starb nach Resektion ei- nes partiell dissezierenden Aneurys- mas der Bauchaorta im kardiogenen

(5)

Schock, also an den Folgen einer hypoxischen Schädigung des Myo- kards. Die Koronararterien zeigten das klassische Bild (Abbildung 6) ei- ner rheumatiformen Arteriitis. Be- sonders im subepikardialen Fett- gewebe, an der Basis des Herzens, zwischen Aorta und Pulmonalis, fan- den sich großzellige entzündliche Infiltrate (Doerr 1972), die für einen Rheumatismus charakteri- stisch sind.

Zusammenfassung

Selbstverständlich gibt es viele an- dere schlagende Beispiele für eine entzündliche Erkrankung der Koro- nargefäße. Schoenmackers (1963) hat eine Zusammenstellung in mei- nem Buche mit W. Bargmann (Das Herz des Menschen) gebracht. In meiner Kieler Zeit hatte ich ein Schlüsselgutachten für das Sozial- gericht Itzehoe (S 6 — V 216/60) be- treffend eine granulomatöse Endar- teriitis der Coronaria sinistra zu er- statten. Ihr Träger, ein 39jähriger Mann, hatte nach als Wehrdienstbe- schädigung anerkanntem Kälte- trauma der Füße mit einer über viele Jahre gehenden Osteomyelitis der Mittelfußknochen nach Amputation im Lisfrancschen Gelenk eine End- arteriitis obliterans erworben. Der Fall kam im Institut für Rechtsmedi- zin in Hamburg (SN 668/59) zur Be- obachtung. Die lückenlose Kenntnis der Vorgeschichte (Brückensympto- me) erlaubte (ausnahmsweise) die Annahme eines ursächlichen Zu- sammenhangs zwischen Erfrierung, chronischer Osteomyelitis und v.- Winiwarter-Buergerscher Krankheit (Doerr 1964). Derlei ist sehr selten, und ich würde mich gutachtlich nur äußern wollen bei genauer Kenntnis aller Zusammenhänge und etwa vor- handener histologischer Präparate.

Wir haben eine Reihe von Vertretern sogenannter Koronariitis kennenge- lernt. Die Formenkreise „Koronar- sklerose" und „Koronariitis" über- lappen nicht unerheblich. Die mali- gne juvenile Koronarsklerose (Abbil- dung 2) kann als Arteriitis stenosans coronariae v. Albertini gelten, die exzentrisch-stenosierende fibrinrei- che Koronariitis (Abbildung 6) als

„entzündliche Sklerose" im Sinne von Jäger. Die Fälle unserer Abbil- dungen 3 und 4 repräsentieren „de- finierte" banale entzündliche Angio- pathien, wie man sie immer wieder auch in anderen Organen beobach- ten kann. Die Fälle unserer Abbil- dungen 1 und 5 zeigen imposante Vorkommnisse entzündlich-disrup- tiver Koronarangiopathien, die — hi- storisch gesehen — bei der Namen- gebung Periarteriitis nodosa (Kuss- maul-Maier 1866) Pate gestanden haben.

Die Debatte um das Wesen der Arte- riitiden hat in den letzten Jahren in zweifacher Hinsicht eine Bereiche- rung gefunden, einmal durch Klä- rung etwaiger Beziehungen zum Im- munkomplex der Hepatitis-B-Anti- gene, zum anderen durch die Kennt- nis der Thrombozytenfaktoren.

Jüngst hat Michalak (1978) bei un- ausgewählten Fällen von Periarterii- tis nodosa Hepatitis-B-surface-Anti- gen, Immunglobulinpräzipitate und Komplement C 19 in den fibrinoiden Abscheidungen der Arterienwände dargestellt. Wir haben in unseren Fällen keine Beziehungen zwischen Koronariitis und Hepatitis B gefun- den, jedoch selbstverständlich be- dacht und danach gesucht. Ich könnte mir denken, daß die positive Immunfluoreszenz-Histologie einen konkomitanten, nicht einen patho- genetischen Schlüsselbefund dar- stellt.

Dagegen möchte ich glauben, daß die Beobachtungen von Baumgart- ner (1977), Baumgartner und Studer (1978) und Oversohl (1978) geeignet sind, die nosologische Stellung der Arteriitiden in anderem Lichte er- scheinen zu lassen: Endotheldefek- te würden durch Thrombozytenra- sen abgedeckt; diese setzen einen

„Faktor", einen hormonähnlichen hitzestabilen Glykoproteinkörper mit einem Molekulargewicht von 13 000, frei; jener induziert eine Pro- liferation der glattmuskulären Zellen des intimalen Mesenchymschwam- mes; diese kann zu obturativen Inti- mawucherungen führen, die durch- aus wie konventionelle entzündliche Endangiopathien aussehen. Jede Steigerung der Blutplättchenaggre-

gation könne eine stenosierende In- timaverdickung hervorrufen. Notori- sches Zigarettenrauchen, rezidivier- te Katecholamineffekte, Steigerung des CO-Gehaltes im Blute verur- sachten eine exzessive Agglutinabi- lität der Thrombozyten. Gleichzeitig vorhandene Endothelschäden seien die Ursache, die Inszenierung kom- plizierter Gefäßumbauten (Doerr 1978) die Folge.

Wie man sieht, ist das Bild der ent- zündlichen Angiopathie durchaus nicht notwendigerweise mit der Vor- stellung von der ursächlichen Be- deutung einer mikrobiellen bezie- hungsweise der durch eine solche induzierten Antigen-Antikörper-Re- aktion zu assoziieren. Die „Entzün- dung" als Gewebebild kann sich auch anderer ursächlicher Mecha- nismen bedienen. Die Forschung der letzten Jahre hat also neue Aspekte freigegeben. Die Patholo- gen können sich bestätigt fühlen. Es ist so gekommen, wie sie es immer angenommen hatten, aber die Pro- blematik ist nicht einfacher gewor- den. Auch die Therapie müßte nach neuen Wegen suchen. Wenn es ge- lingen sollte, die Endothelien zu sta- bilisieren, deren Vulnerabilität zu re- duzieren, die Entstehung größe- rer Endotheldefekte zu vermeiden, könnten stärker stenosierende For- men der Arteriosklerose, insbeson- dere aber Endangiitiden wahr- scheinlich gar nicht erst entstehen.

Leitsätze

• Generalisierende und nekrotisie- rende entzündliche Gefäßerkran- kungen (Zeek 1952) können auch den Koronargefäßapparat betreffen.

fp

Entzündliche Erkrankungen der Herzkranzgefäße machen etwa fünf Prozent aller „Koronarfälle" (Fälle mit Koronarsklerose) aus.

(;) Die Abgrenzung der Arteriitis co- ronaria von bestimmten Gangarten der Koronarsklerose ist nicht ein- fach. Fälle und Formen sogenannter juveniler (maligner) Koronarsklerose können als Ausdruck einer „serösen Entzündung", fibrinreiche exzen-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 9. August 1979 2037

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Isaacs und Lindenmann fanden 1957, daß mit Influenzaviren inku- bierte Zellen ein Glykoproteid pro- duzierten, welches die Virusvermeh- rung inhibierte: Interferon. Interfero- ne werden von Fibroblasten, Lym- phozyten und Granulozyten gebil- det, wenn durch Virus-RNA oder synthetische RNA das entsprechen- de Gen dereprimiert wird. In Tierver- suchen waren Virusinfektionen nach Gabe von Interferon-Antiserum, also nach Ausschaltung der Interferon- wirkung, signifikant schwerer als bei entsprechenden Kontrollen; Interfe- ron spielt somit in der normalen In- fektabwehr eine wesentliche Rolle.

Erst in jüngster Zeit konnten aus Zellkulturen menschlicher Leukozy- ten genügend große Mengen Inter- feron gewonnen werden, um die Wirkung am Menschen zu prüfen.

Bei chronisch-aggressiver Hepatitis sanken unter Interferontherapie 6 Parameter der floriden Virusinfek-

Patienten mit einer chronischen Pankreasinsuffizienz sind auf eine exogene Zufuhr von Verdauungsfer- menten angewiesen, bei einem Teil bleibt trotz ausreichender Substitu- tion die Steatorrhö unbeeinflußt.

Man hat hierfür eine Inaktivierung von Lipase und Trypsin durch Säure und Pepsin im Magen verantwortlich gemacht.

Bei sechs Patienten mit einer fortge- schrittenen exkretorischen Pankre- asinsuffizienz wurden die postpran- dialen Konzentrationen an Trypsin und Lipase im Duodenum nach ora- ler Gabe von Pankreatin allein oder in Kombination mit einem Antazi- dum oder mit Cimetidin gemessen.

Als Vergleich diente ein dünndarm- lösliches Fermentpräparat.

Die höchsten Konzentrationen wur- den bei einer Kombination von Ci- metidin und Pankreatin gemessen.

tion innerhalb von 10 bis 14 Tagen deutlich und stiegen nach Absetzen der Therapie wieder deutlich an;

wurde die Interferontherapie erst nach 4 bis 5 Monaten abgesetzt, so stiegen die erwähnten Parameter nicht wieder an.

Bei immunsupprimierten Tumorpa- tienten hat Interferon einen hochsi- gnifikanten therapeutischen Effekt auf Auftreten und Verlauf von Her- pes-zoster-Infektionen. 28 Patienten mit Osteosarkom erhielten 1 Monat vor und 17 Monate nach operativer Entfernung des Tumors Interferon.

Überlebensdauer und Metastasen- häufigkeit waren in der behandelten Gruppe etwa doppelt so günstig wie in einer Kontrollgruppe. Die Thera- pie mit Interferon erscheint damit aussichtsreich. Dck

Tamm, I.; Sehgal, P.: Interferons, Am. J. Med.

66 (1979) 3, Virology Laboratory, The Rockefel- ler University, New York 10021

Die Ergebnisse der Autoren zeigen, daß eine Steatorrhö auf hohe intrazi- bale Gaben von Pankreatin gut an- spricht. Die zusätzliche Gabe eines Antazidums ist in der Regel nicht erforderlich. Säureresistente dünn- darmlösliche Präparate sind nur bei den Patienten erforderlich, bei de- nen postprandial niedrige pH-Werte im Magen vorliegen.

Bei Patienten, wo die Steatorrhö nicht auf die übliche Enzymsubstitu- tion anspricht und bei denen die Durchfälle persistieren, sollte ein Versuch einer Kombination von Ci- metidin und Pankreatin gemacht werden.

Regan, P. T.; Malagelada, J.-R.; DiMagno, E.

P.; Glanzman, S. L.; Liang, V.; Go, W.: Compa- rative Effects of antacids, cimetidine and en- teric coating an the therapeutic response to oral enzymes in severe pancreatic insufficien- cy, N. Engl. J. Med. 297 (1978) 854-858, Gas- troenterology Unit, Mayo Clinic and Mayo Foundation, Rochester, MN 55901

trisch-stenosierende I nti maorgani- sate als „ausgebrannte Endarteriitis obliterans" verstanden werden.

Die Phlebitis coronaria entsteht septisch-metastatisch oder durch lokales Trauma nach eingreifender Diagnostik (extrem selten).

Die Kenntnis der Reaktionskette:

Endotheldefekt Thrombozytenag- glomeration Freisetzung des Plättchenfaktors Intimaprolifera- tion hat einen neuen Aspekt in Skle- roselehre und Entzündungsdebatte gebracht. Danach ist „Entzündung"

nicht durchaus „Infektionsfolge"

oder Folge einer Autoaggression.

Damit hängt es zusammen, daß die klinische Diagnose der Koronariitis vor großen Schwierigkeiten steht.

Das Wissen um die Existenz ei- ner Koronariitis ist vielleicht geeig- net, einer aktiveren Therapie eine Chance einzuräumen. Je jünger ein

„Koronarpatient", um so dringlicher ist der Versuch einer „entzündungs- hemmenden" Therapie, ohne Rück- sicht auf theoretische Bedenken.

Literatur

Albertini, A. v.: Die Bedeutung entzündlicher Erkrankungen der Koronararterien für die Pa- thogenese der Koronarsklerose, Schweiz. Z.

Path. 1 (1938) 163 — Baumgartner, H. R., and Studer, A.: Smooth muscle cell proliferation and imigration after removat of arterial en- dothelium in rabbits, in: G. Schettler, E.

Stange, W. R. Wissler: Atherosclerosis, it is reversible?, Berlin/Heidelberg/New York:

Springer 1978 — Benditt, E. P., and Benditt, J.

M.: Evidence for a monocional origin of human atherosclerotic plaques, proc. nat. Acad. Scie.

(Wash.) 70 (1973) 1753 — Doerr, W.: Arterio- scierosis without end, Virchows Archiv, A, 380:91 (1978) — Jäger, E.: Zur pathologischen Anatomie der Thrombangiitis obliterans bei ju- veniler Extremitätengangrän, Virchows Archiv 284 (1932) 526 und 284 (1932) 584 — Letterer, E.: Allgemeine Pathologie. Stuttgart: Thieme 1959 — Oversohl, K.: Frühzeitige Arterio- sklerose bei erhöhter Thrombozytenaggrega- tion. Münch. med. Wschr. 119 (1978) 1415 — Walthard, B.: Die Koronarsklerose der Jugend- lichen, Schweiz. med. Wschr. 72 (1942) 1261 — Zeek, P. M.: Periarteriitis nodosa: A critical review, Am. J. clin. Path. 22 (1952) 777.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Wilhelm Doerr Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 220/221 Postfach 10 43 40

6900 Heidelberg 1

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