• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Disease Management: Auf der Strecke bleibt die ärztliche Ethik" (16.11.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Disease Management: Auf der Strecke bleibt die ärztliche Ethik" (16.11.2001)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

E

s muss schon fast ein Masochist sein, wer sich dem rollenden Zug zur Ein- führung von Disease-Management- Programmen (DMP) entgegenstellt.

Und doch scheint es notwendig, an die alte römische Weisheit zu erinnern, wo- nach – was immer man zu tun gedenkt – es mit Bedacht und unter Berücksichti- gung der Folgen geschehen soll.

Wie ist die Situation? Gesundheitspo- litiker, unterstützt von Gesundheitsöko- nomen, Krankenkassen und einigen Ärz- teverbänden, treiben die Einführung von DMP für häufig auftretende chronische Krankheiten voran. Sie sollen das Herz- stück der Reform des Risikostrukturaus- gleichs (RSA) zwischen den Kranken- kassen sein. Die eigentlich löbliche Ab- sicht ist, den – durch falsche politische Weichenstellung – aus dem Ruder gelau- fenen Wettbewerb zwischen den Kran- kenkassen von einem Wettbewerb um gesunde, zahlungskräftige Kunden zu ei- nem Wettbewerb um kranke, behand- lungsbedürftige Patienten zu machen.

Krankenkassen, die mehr jüngere und gesündere Mitglieder versichern, sollen einen höheren Anteil in den ge- meinsamen Topf des RSA zahlen als Kassen mit einem größeren Anteil alter und kranker Versicherter. Aus diesem gemeinsamen Topf erhalten dann Kran- kenkassen, die viele Versicherte in DMP eingeschrieben haben, einen höheren Ausgleich. Das besonders Spannende für die Krankenkassen: Die Ausgleichs- zahlung ist höher als die tatsächlich ent- stehenden Behandlungskosten. Ab Ja- nuar 2007 soll durch einen umfassenden morbiditätsorientierten Finanzausgleich

der Wettbewerb zwischen den Kassen um „gute Risiken“ dauerhaft ausge- schlossen sein. Die DMP sollen von den Krankenkassen aufgelegt und vom Bun- desversicherungsamt auf ihre Eignung und Qualität geprüft und dann akkredi- tiert werden.

Für die Versicherten ist die Teilnahme an DMP grundsätzlich freiwillig. Gerech- net wird derzeit mit etwa 1,8 Millionen

Personen, die für die Programme infrage kommen, was 2,5 Prozent der Versicher- ten entspricht. Der Anteil chronisch Kranker in den Hausarztpraxen wird al- lerdings deutlich unterschätzt. Vorerst sind DMP für sieben häufige Erkrankun- gen ins Auge gefasst: Diabetes mellitus, Schlaganfall, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Asthma bronchiale und Brustkrebs.

Bei der augenfälligen Sinnhaftigkeit dieser Vorhaben scheint es notwendig, sehr genau hinzuschauen, um die damit

verbundenen gesellschaftlichen Risi- ken zu erkennen und (medizin-)ethi- sche Bedenken zu begründen. Bald er- kennt man: Es geht hier um das Mana- gen von Krankheit und nicht um die Be- handlung Kranker. Ein Kranker, der ei- nen Arzt in Anspruch nimmt, tut dies un- ter – teilweiser – Aufgabe seines Selbst- Vertrauens und unter Überwindung der Angst vor dem Fremden (Arzt), dem er sich verletzlich aussetzt. Er weiß den Arzt in ethische Gesetze eingebunden, die es dem Arzt verbieten, ihn (auch in seiner Würde) zu verletzen, selbst wenn er durch seine Erkrankung und die not- wendige Hingabe wehrlos ist. Immer geht der Auftrag vom Patienten aus.

Eine Grundlage für die ärztliche Bera- tung ist der Informationsvorsprung des Arztes gegenüber dem Patienten, was die wissenschaftlichen Fakten anbelangt. Je akuter die Krank- heitssituation und je näher am entindivi- dualisierten Krank- heitsgeschehen, etwa beim Anlegen eines koronaren Bypass oder bei einer Blind- darmoperation, desto dichter ist der Arzt in seinem Handeln an den Regeln der Wis- senschaft. Je chroni- scher die Krankheit aber, desto mehr liegt das Handeln beim Patienten und das Beraten beim Arzt.

Umso mehr bestimmen jetzt die individu- ellen Möglichkeiten des Patienten, seine Lebensgeschichte, sein privates und be- rufliches Beziehungsumfeld, seine eige- nen Strategien zur Krankheitsbewälti- gung, oft gar seine philosophischen und religiösen Grundhaltungen den Umgang mit der Krankheit. Patientenvertreter be- tonen, sie hätten nicht eine Krankheit, sondern sie seien die Krankheit. Die Krankheit wird zu einem Teil der Persön- lichkeit. Das Umgehen mit der Krank- heit, das „um die Erkrankung herum ge- hen“ (Klaus Dörner, Der gute Arzt), hat T H E M E N D E R Z E I T

A

A3016 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001

Disease Management

Auf der Strecke bleibt die ärztliche Ethik

Der Arzt ist ethisch zuerst dem Wohl des einzel- nen Menschen verpflichtet, der Hilfe sucht.

Bei Disease-Management-Programmen beauftragt nicht mehr der Patient den einzelnen Arzt, sondern die Gesellschaft nimmt die Ärzteschaft in Anspruch,

bestimmte Ziele zu erreichen. Die Freiheit des Patienten im Umgang mit seiner Krankheit geht dabei verloren.

Gernot Rüter

Foto: Peter

(2)

eine ganz individuelle, für den jeweiligen Kranken einzigartige Form. Der Patient muss sich damit auseinander setzen, dass die Erkrankung ein Teil seines Selbst und eine Wiederherstellung des Status quo ante nicht möglich ist. Gadamer be- schreibt Gesundheit als das „selbstver- gessene Weggegebensein an die privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Le- bensbezüge“ (Über die Verborgenheit der Gesundheit, 1996). Der Prozess des Gesundens liegt also in dem Vermögen, Krankheit, Behinderung und Fehlerhaf- tigkeit in das eigene Leben zu integrieren.

Bei Disease-Management-Program- men beauftragt nicht mehr der Patient einen bestimmten Arzt, er möge sich um ihn kümmern, sondern die Gesellschaft nimmt die Ärzteschaft als Ganzes in An- spruch, bestimmte Ziele bei den Kran- ken der Gesellschaft zu erreichen. Nach Marcus Siebolds hat die Ärzteschaft in einem modernen Staat das gesellschaftli- che Mandat, sich um die irrationalen Po- tenziale der Gesellschaft zu kümmern (Krankheit, Siechtum, Sucht, Alter und Tod). Voraussetzung hierfür ist aber un- ter anderem die „Autonomie von Insti- tutionen“, wie Krankenkassen, Parteien, Wirtschaftsverbänden (Siebolds: „Pro- fessionalitätstheorie und hausärztliche Identität“, in: Der Hausarzt 10, 2000).

Diese Autonomie wird weggenommen und durch Vorgaben eben jener Institu- tionen ersetzt. Es ist folgerichtig, dass bei der Formulierung,

Akkreditierung und Kon- trolle der geplanten DMP den ärztlichen Körper- schaften allenfalls ein Anhörungsrecht einge- räumt werden soll. Der Patient verliert vollkom- men seinen Status als

Auftraggeber, als handelndes Subjekt, er wird zum zweiten Objekt degradiert, nämlich der Ärzte, die ihrerseits Objek- te der Krankenkassen sind.

Ohne weiteres geht man davon aus, dass das, was – primär ökonomisch – gut für die Gesellschaft (Kostenreduktion durch optimiertes Management chroni- scher Krankheiten) ist, automatisch für den Einzelnen gut sei. Dies kann der Fall sein, muss es aber nicht. Große Verbre- chen der Menschheitsgeschichte sind be- gangen worden, weil man dem formu- lierten Wohl des Ganzen das Schicksal

des Einzelnen opferte (Euthanasie, Zwangssterilisation, aktive Sterbehilfe).

Die Freiheit des einzelnen Patienten im Umgang mit seiner Krankheit, die sa- lutogenetischen Möglichkeiten, seinen Selbstwert trotz Krankheit und Behin- derung durch Finden eines eigenen Weges – zusammen mit seinem Arzt – wiederzuerlangen, gehen durch DMP vollkommen verloren. An der ethischen Problematik ändert sich auch dadurch nichts, dass es für den Patienten freiwil- lig ist, sich in solche Programme einzu- schreiben. Denn die Gesellschaft wird Mittel und Wege finden, so viel Druck (Verlockung, Überredung, Sanktionie- rung, Bestrafung) auszuüben, dass das gewünschte Verhalten erreicht wird.

Der Arzt ist ethisch zuerst dem Wohl des einzelnen Menschen verpflichtet, und zwar am meisten dem, dem es am schlechtesten geht und der sich am we- nigsten selbst helfen kann, bei dem es sich am wenigsten lohnt, der am wenig- sten begehrenswert ist (Dörner). Er ist viel weniger dem Allgemeinwohl der Gesellschaft im Umgang mit ihren Kran- ken verpflichtet.

Auch dieser Grundsatz wird durch DMP stark gefährdet: Wenn der Arzt von der Gesellschaft beauftragt wird, bestimmte Zielvorgaben bei seinen Pa- tienten zu erreichen, dann ist es nur lo- gisch, ihn auch danach zu honorieren, wie gut er dieses Ziel erreicht. Resultat

ist die Unterscheidung der Patienten in gute oder schlechte Kunden durch den Arzt. Der gute Kunde ist der mit guten Chancen, das von außen vorgegebene – und nicht zwischen Patient und Arzt for- mulierte – Ziel und damit ein gutes Ho- norar zu erreichen. Schlechte Kunden mit wenig Aussicht, das Ziel zu errei- chen, bleiben am Rande. Dem Ein- wand, eine Honorierung nach Zielerrei- chungsgrad sei (noch) nicht Gegenstand der Überlegungen, sei mit der Feststel- lung begegnet, dass die Kassen an den Kassenärztlichen Vereinigungen vorbei

Verträge mit einzelnen Ärzten oder Arztgruppen abschließen werden und – bei mangelnder Ergebnisqualität – auch wieder kündigen können.

Das gesellschaftliche Ziel, auf der Ebene der Krankenkassen einen Wett- bewerb um Kranke anstatt um Gesunde zu entfachen, wird also auf der ärztlichen Ebene konterkariert. Ähnliche Effekte kann man nach Einführung von Fallpau- schalen (DRGs) als Honorierungsgrund- lage in den Krankenhäusern erwarten.

Neben der ethischen Bewertung von DMP ist deren methodische Erarbei- tung bedenklich. Grundsätzlich sind da- bei zwei Stränge des therapeutischen Konzepts in DMP zu trennen: Die kon- krete Behandlung soll einerseits der be- sten verfügbaren Evidenz folgen, nie- dergelegt etwa in Leitlinien; andererseits sind Regeln zu formulieren, bei welchen krankheitsbedingten Indikatoren der Patient an wen zur weiteren oder korri- gierenden Behandlung zu vermitteln sei.

Zahlreiche Institutionen der Ärzte bemühen sich seit Jahren um die Formu- lierung und Implementierung von Leitli- nien zur wissenschaftlich abgesicherten Behandlung von Krankheiten. Hieraus ließen sich schon erfolgreiche struktu- rierte Behandlungsprogramme ableiten.

Über Sinn und Qualität der Leitlinien, die Chancen ihrer Verbreitung und ihrer Anwendung in einer konkreten Patien- ten-Arzt-Angehörigen-Situation sind Tausende Seiten voll geschrieben wor- den. Möglichst zugrunde gelegt werden immer die Regeln evidenzbasierter Me- dizin. David Sackett formuliert: „Die Anwendung von evidenzbasierter Medi- zin (bei Entscheidungen über die Be- handlung konkreter Patienten) bedeutet die Integration individueller klinischer Erfahrung mit der besten verfügbaren Evidenz aus systematischer Forschung.“

(Sackett et al. 1996 BMJ 312: 71–72 Evi- dence-based medicine: What it is and what it isn’t) Bei der Formulierung von Leitlinien geht oft die klinische Erfah- rung, die innere Evidenz oder das, was sich zwischen Patient und Arzt erzählen und auslegen lässt (die narrative Kom- ponente), zugunsten äußerer, zählbarer und messbarer Evidenz verloren. Studi- en mit guter äußerer Evidenz, das heißt randomisierte, doppelblinde, kontrol- lierte Studien, sind so teuer, dass sie fast nur noch von Pharmariesen mit der Aus- T H E M E N D E R Z E I T

A

A3018 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001

Der Patient verliert vollkommen seinen Status als Auftraggeber, als handelndes Subjekt, er wird zum

zweiten Objekt degradiert, nämlich der Ärzte, die ihrerseits Objekte

der Krankenkassen sind.

(3)

T H E M E N D E R Z E I T

A

A3020 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001

sicht auf gute Gewinne aufgelegt werden können. Fragestellung, Ein- und Aus- schlusskriterien und die Veröffentli- chungsmodalitäten der Studien lassen daher oft eine unmittelbare Anwendung am Patienten fragwürdig erscheinen.

Bei Umfang und Erneuerungsge- schwindigkeit des medizinischen Wissens ist der Veröffentlichungstag einer Leitli- nie oft gleichzeitig ihr Verfallsdatum.

Derzeit ist unter dem Zeitdruck, mit dem DMP eingeführt werden sollen, eine hektische Aktivität zu beobachten, mit der ärztliche Institutionen Leitlinien, Orientierungshilfen, Handlungsanwei- sungen und Ähnliches zusammenschu- stern, um von den Krankenkassen mit ihren DMP nicht völlig überrannt zu wer- den. Erkennbar ist das Bemühen aufsei- ten der Ärzteschaft, den zu erwartenden medizinökonomisch dominierten Kas- senprogrammen etwas entgegenzuset- zen, das enger am Wohl des Kranken ori- entiert ist. Es soll, so auch Äußerungen der Bundesärztekammer, nicht verges- sen werden, dass das Auflegen von DMP und das Einschreiben der Patienten in die Programme für die Krankenkassen viel Geld aus dem RSA bedeutet.

Wer also weiß, dass die Entwicklung einer einzigen guten Leitlinie zwei bis drei Jahre benötigt, dem kann um die Qualität der DMP bange sein, die schon Anfang 2002 zur Akkreditierung einge- reicht werden sollen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,

ökonomische Ziele seien den Kassen wichtiger als die Versorgungsqualität.

Noch viel unklarer ist die Aufgabenverteilung des evidenzbasierten Handelns auf die ärztlichen Speziali- sierungsebenen. Hat man bei manchen Krankheiten

noch ganz gute prädiktive Parameter, welche die Ergebnisqualität der Arzt-Pa- tient-Angehörigen-Interaktion abschät- zen lassen, wie etwa den HbA1C-Wert des Diabetikers oder den FEV1-Wert des Asthmatikers, so sind bei anderen Er- krankungen solche Parameter viel schwieriger festzustellen. Genannt seien hier nur Patienten mit Rückenschmer- zen, mit Herzinsuffizienz, Depression oder Angina pectoris. Allen biologischen Parametern ist eine große Varianz zu Ei- gen. Man kann eben nicht – auch wenn

man es immer wieder versucht – die ISO- Normen industriellen Qualitätsmanage- ments auf die Behandlung kranker Men- schen (nicht Krankheiten = diseases) übertragen. In der bisherigen Überwei- sungspraxis von Haus- zu Fachärzten spielen „weiche“ beziehungsrelevante Faktoren eine große Rolle (Patienten- und/oder Arzt-/Angehörigenbesorgnis, Patientenwünsche, unterschiedliches Stehvermögen und Geduld bei Pati-

ent/Arzt/Angehörigen). Ein strukturier- tes, vorgegebenes Weiterverweisungs- schema in DMP mag eine gute Auswir- kung auf die „Zielparameter“ haben, es bedeutet aber immer auch äußeren Ein- griff in die Arzt-Patienten-Beziehung mit Enttäuschung, Beschämung, Entmu- tigung, Protesthaltung und Verweige- rung. Trotz verbesserter Zielparameter kann die individuelle Gesundheit da- durch Schaden nehmen.

Disease-Management-Programme sind ethisch nicht vertretbar und metho- disch fragwürdig. Es ist an der Zeit, ein- zusehen, dass die Gesetze des Marktes im Gesundheitswesen, wo es um die sor- gende, wissenschaftlich abgesicherte Behandlung kranker Einzelindividuen geht, keine Gültigkeit haben. Der Ver- such, die Märkte auszu- weiten und Kunden zu ak- quirieren, führt zu einer Pathologisierung der Ge- sellschaft (Risikofakto- renkonzept, Früherken- nung mit Behandlung von Gesunden, angebliche Versorgungsdefizite bei diversen Krankheiten, Anti-Aging, IGEL-Katalog). Eine eige- ne Preisgestaltung ist nicht möglich. Der Versuch, den Absatz an Gesundheitslei- stungen zu steigern, führt zu schädigen- der Überdiagnostik und Übertherapie (Röntgenuntersuchungen).

Es war ein fataler Fehler, in dieses Sy- stem Wettbewerbselemente unter den Versicherern einzuführen. Denn das muss- te zu einem Wettbewerb um den Einzah- lenden zuungunsten des Leistungsbe- dürftigen führen. Das eben ist unethisch, denn die Ethik verlangt eine Hinwen-

dung zum Bedürftigsten. Folgen des Wettbewerbs um den zahlungskräftigen Einzahler sind repräsentative Kassen- paläste, Call-Center, ein Netz von Zweig- stellen, groteske Werbeprogramme der gesetzlichen Krankenkassen. Alles Geld hierfür ist den Kranken verloren und den Ärzten, die sich um sie bemühen.

Der logische Ausweg wäre der Null- wettbewerb unter den Kassen, das heißt:

eine Einheitskrankenkasse auf Länder- ebene. Ein Risikostruk- turausgleich erübrigt sich dann. Länderbezo- gen sollte die Kranken- versicherung sein, um regionale Unterschiede der Wirtschafts- kraft, damit auch der Kostenseite (Löh- ne, Immobilien, Lebenshaltungskosten) zu berücksichtigen. Ein solcher Schritt könnte die Verwaltungskosten wesent- lich verringern (1999 gab es 564 Kran- kenkassen in Deutschland). Als Ver- tragspartner stünde dieser Kasse eine kassenärztliche Vereinigung auf Län- derebene gegenüber mit ausgewogenen

„Machtverhältnissen“ zwischen beiden, analog den Vertragspartnern der Wirt- schaft. Die Honorarsysteme müssten un- ter Maßgabe des Notwendigen und Wirtschaftlichen so gestaltet werden, dass der Arzt ein Entgelt erhält, das sei- ner Arbeitszeit, seiner Verantwortung und seiner akademischen Aus-, Weiter- und Fortbildung gerecht wird.

Die Qualität der medizinischen Lei- stung obliegt den Ärzten in ständiger Auseinandersetzung mit den Patienten.

Zuerst ist hier der einzelne Patient ge- meint, der zu seinem jeweiligen Arzt in eine Beziehung tritt. Der Arzt ist den Gesetzen der Beziehungs- und Hand- lungsethik und seinem ärztlichen Ge- wissen unterworfen. Disease-Manage- ment-Programme mit ihrer Umkehrung der Auftragslage, mit ihrer Bevorzu- gung des Allgemeinwohls vor dem indi- viduellen Wohl und dem Verlust der Pa- tientenautonomie sind als unethisch zu verwerfen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 3016–3020 [Heft 46]

Dr. med. Gernot Rüter Facharzt für Allgemeinmedizin Blumenstraße 11

71726 Benningen/Neckar

Es war ein fataler Fehler, in dieses System Wettbewerbselemente unter den

Versicherern einzuführen.

Disease-Manage- ment-Programme

sind ethisch nicht vertretbar und methodisch

fragwürdig.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Erhalt der freien Wahl des Arztes, Zahnarztes und Apothekers sowie der Krankenversicherung sei unabdingbare Voraussetzung für das Gesundheitswe- sen, betonen die Heilberufe

Dass es sich für die notfallpsycho- logische Betreuung bewährt hat, davon ist auch Traumatherapeut Georg Pieper überzeugt.. Allerdings seien Psychotherapeuten dabei ge- wesen,

Da aber Kinder und Jugendliche mit Ausnahme von Asthmakranken an den Disease-Management-Programmen nicht teilnehmen können, könnte am Ende für deren Behandlung nicht

Die sind erst in Arbeit, wenn auch ein- zelne Gruppierungen von sich aus leitlinienartige Vorstellungen offe- rieren, um ihren Anspruch mitbe- stimmen zu können, zu

> Welche Arroganz herrscht in einem Land, wenn Kritik und konstruktive Vorschläge nicht zur Kenntnis genom- men und echte Innovationen nicht an- gepackt werden?. >

AOK-Chef Ahrens erläuterte lediglich, dass die Ortskran- kenkassen pro Jahr und DMP-Teilneh- mer rund 100 Euro an Mehrausgaben für den Arzt veranschlagen.. Für die Or-

Und nur „zum Vorteil für den Pa- tienten“ werden die großen Kranken- häuser noch größer und anonymer, die Krankenkassen mächtiger, die Doku- mentationsbögen gewaltiger und

W enn wir für die Disease-Manage- ment-Programme (DMP) keine di- gitale Zukunft schaffen, haben DMP keine allzu lange Zukunft mehr“, warnte Bernhard Brautmeier, Geschäftsführer