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Archiv "Disease Management: Innovationsfieber" (18.06.2004)

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A1786 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2518. Juni 2004 P O L I T I K

KOMMENTAR

E

ine schreckliche neue Krankheit ist ausgebrochen, gegen die es bisher anscheinend keinerlei Therapie gibt.

Sogar die Medizin selbst hat sich infi- ziert. Es handelt sich um das so genann- te Innovationsfieber.

Angeblich zur Verbesserung der Ver- sorgungssituation der Patienten werden immer neue Behandlungsprogramme (DMP = Disease-Management-Program- me) von Interessentengruppen aufge- legt. Neben dem Diabetesprogramm wird uns jetzt das DMP Brustkrebs beschert. In Hessen wurde dieses DMP ausgehandelt zwischen den Krankenkas- sen und großen Krankenhäusern, die sich dann Koordinations- (in Hessen neun vorgesehen) oder Kooperationskranken- häuser (Zahl noch unbekannt) nennen dürfen und

einen gehobe- nen Behand- lungsstandard garantieren sollen, immer zum Vorteil

für die Patientinnen. Dabei ist aber der gepriesene Standard von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich definiert, was die Teilnahme an DMP an den Lan- desgrenzen besonders delikat werden lässt. Wird die Patientin nun besser in Hessen oder Bayern versorgt, kann sie sich in Hessen operieren und in Baden- Württemberg von ihrem Frauenarzt nachbetreuen lassen? Zum Standard gehört auch, dass der Leistungserbringer Fortbildung in Diagnostik, operativen Techniken und psychosozialer Betreu- ung nachweisen kann. Das klingt gut, ist wünschenswert und plausibel, aber doch abhängig vom Standort. Außerdem muss der Operateur aber noch, und das nun bundeseinheitlich, 50 (fünfzig) Brust- krebsoperationen pro Jahr nachweisen.

Sollte in Anbetracht dieser für kleine- re und auch mittlere Krankenhäuser oder sogar Belegabteilungen utopischen Zahl außer dem nicht in Zweifel zu zie- henden Wohl der Patientinnen daneben noch ein anderes Interesse bei den Ver- handlungspartnern eine Rolle spielen?

Hinreichend bekannt ist der von allen Seiten angestrebte Bettenabbau in den Krankenhäusern. Dafür hat sich jetzt eine mächtige Koalition gefunden, die zum „Vorteil des Patienten“ selbstsüch- tige Ziele verfolgen kann.

Zu maroden Krankenkassen werden nur unter der Bedingung Millionenbe- träge über den Risikostrukturausgleich

von finanzstärkeren Krankenkassen verschoben, dass DMP angeboten wer- den. Die großen Kliniken, die teilweise wegen mangelnder Auslastung Abtei- lungen schließen müssen, sagen auch nicht Nein zu einem staatlich verordne- ten Mehrzufluss an Patienten. Selbst der niedergelassene Frauenarzt hat die Möglichkeit, ein Stück des Kuchens zu bekommen, denn er kann sich bei der Nachsorge der Patientinnen in die DMP einbinden lassen. Auf der Strecke bleibt das kleine wohnortnahe Krankenhaus mit Chefarzt oder Belegarzt mit der konstruierten und nicht beweisbaren Behauptung, dass die Qualität der medi- zinischen Behandlung dort zweitklassig sei. Dieser Chefarzt oder auch Belegarzt hat auch nicht die Möglichkeit, sei- ne Arbeit mit den zertifi- zierten Ab- teilungen zu vergleichen, was er gerne täte, weil die Voraussetzung der hohen Operations- zahl pro Jahr für ihn unerfüllbar ist. Er muss die Patientinnen zur Konkurrenz weiterschicken, womit zweifellos die Großkliniken ihre Behandlungsfälle er- höhen können. Die Messlatte sollte je- doch nicht die Quantität, sondern eine überprüfbare Qualität sein.

Quantität mit Qualität gleichzuset- zen ist auch schon lange im Zusammen- hang mit der Geburtshilfe Usus und ist auch denkbar für jedes weitere defi- nierbare Krankheitsbild (warum nicht Magenkrebs, Oberschenkelhalsbruch, Herzinfarkt und andere Erkrankun- gen?). (Vor-)Programmiert ist dadurch lediglich der zunehmende Gigantismus großer und das Aussterben der kleine- ren Krankenhäuser mit ihren motivier- ten erfahrenen Ärzten. Wer möchte sich schon als Patient in die Hände eines im DMP nicht zertifizierten Arztes (was automatisch mit nicht qualifiziert gleich- gesetzt wird ) zur Behandlung begeben, insbesondere wenn die Krankenkassen dem Patienten beim Einschreiben in das DMP dazu Sonderboni gewähren?

Und nur „zum Vorteil für den Pa- tienten“ werden die großen Kranken- häuser noch größer und anonymer, die Krankenkassen mächtiger, die Doku- mentationsbögen gewaltiger und der Durchschnittsarzt, der sich diesem Trend nicht entgegenstemmt, immer dümmer. Dr. med. Klaus Hermann

Disease Management

Innovationsfieber

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