A K T U E L L
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000 AA3217
Studie „Depression 2000“
Häufig nicht erkannt
D
ie Mehrzahl der als depressiv dia- gnostizierten Patienten wird in der hausärztlichen Primärversorgung nach den allgemeinen Qualitätsstandards in der Depressionstherapie behandelt – wenn sie überhaupt erkannt werden.Denn rund 40 Prozent der in Allge- meinarztpraxen versorgten Betroffenen erhalten keine depressionsspezifische Therapie. Vor allem weil sie nicht als depressiv oder therapiebedürftig ange- sehen werden. Das ist das Ergebnis der bundesweiten Depressions-Screening- Studie „Depression 2000“, durchge- führt vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (München) und dem Insti- tut für klinische Psychologie und Psy- chotherapie der Universität Dresden.
In circa 400 Allgemeinarztpraxen un- tersuchte die Querschnittsstudie Dia-
gnosehäufigkeit und Therapiegewohn- heiten bei Depressionen. Als Datenba- sis dienten Fragebögen von 14 758 Stu- dienteilnehmern. 1 593 der Patienten (10,9 Prozent der Gesamtstichprobe) erfüllten die Kriterien einer Depressi- on gemäß ICD-10. Bei 74 Prozent die- ser Fälle nahmen die Ärzte zumindest eine unterschwellige psychische Stö- rung an. Bei 885 Patienten (56 Prozent) wurde eine Depression diagnostiziert;
bei 296 Patienten (19 Prozent) eine
„andere psychische Störung“.
B
ei den meisten (81 Prozent) der als depressiv richtig erkannten Pati- enten sahen die Ärzte eine medika- mentöse Therapie als indiziert an; bei 70,1 Prozent Beratung, Gespräche und Krisenintervention beziehungsweise Psychotherapie (20,8 Prozent). An Me- dikamenten wurden vor allem Antide- pressiva (58,2 Prozent), pflanzliche Mittel (36,4 Prozent) und Hypnotika/Sedativa (23,8 Prozent) verschrieben.
Trizyklische Antidepressiva (31,9 Pro- zent) setzten die Allgemeinärzte be- sonders bei Patienten mit einer län- geren Krankheitsvorgeschichte ein. Se- rotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI), noradrenerge und spezifische serotonerge Antidepressiva (NaSSA) sowie Serotonin- und Noradrenerge Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wur- den bevorzugt bei neu Diagnostizierten eingesetzt.
S
tudienleiter Prof. Dr. med. Hans-Ul- rich Wittchen (München) beklagte, dass Depressionen oft bagatellisiert und Patienten, insbesondere jüngere Männer, nicht ernst genommen wür- den. Erschwerend für die Erkennung sei, dass viele nicht initial über die typischen Beschwerden wie Niederge- schlagenheit und Interessenverlust kla- gen. Die Patienten gaben dagegen Energieverlust und Schlafstörungen an. Hier sollte der Hausarzt hellhörigwerden. Petra Bühring
Akut
Patientenberatung
291 Ideen für Modellprojekte
Eine Jury wählt derzeit förderungswürdige Kon- zepte aus.
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ie Spitzenverbände der Krankenkassen müssen sich bei der Vergabe von zehn Millionen DM jährlich für modellhafte Einrichtungen der Verbraucher- und Patienten- beratung zwischen 291 Kon- zepten entscheiden. Um einen Teil der Fördergelder bewer- ben sich ärztliche Organisa- tionen: die Ärztekammern Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern sowie die Lan- desärztekammer Sachsen ge- meinsam mit der dortigen Apothekerkammer. Weitere ärztliche Institutionen haben im Verbund mit anderen Or- ganisationen Anträge gestellt.Würden alle Konzepte ge- nehmigt, müssten die Kran- kenkassen 93 Millionen DM jährlich an Fördergeldern be- reitstellen. Die Entscheidung
soll im Februar nächsten Jah- res fallen. Der Jury gehören außer Vertretern der Spitzen- verbände gesetzlicher Kran- kenkassen vier Mitglieder an:
die Bundestagsabgeordneten Monika Knoche (Bündnis 90/
Die Grünen) und Ulf Fink (CDU), Prof. Rolf Rosen-
brock vom Wissenschaftszen- trum Berlin für Sozialfor- schung und Prof. Jürgen Frei- herr von Troschke von der Abteilung für medizinische Soziologie der Universität Freiburg. Weitere Informatio- nen im Internet unter der Adresse www.g-k-v.com
Gesundheitsforschung
Milliarden- Programm
Bundesregierung legt För- derprogramm auf.
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as Kabinett hat ein Pro- gramm für Gesundheits- forschung beschlossen, das von den Bundesministerien für Gesundheit und For- schung getragen wird. Bis 2004 werden 1,1 Milliarden DM zur Verfügung gestellt.Damit sollen die Forschung im Gesundheitswesen und die Zusammenarbeit von Wirt- schaft und Wissenschaft ver- bessert sowie die Position Deutschlands in der interna- tionalen Forschungslandschaft gestärkt werden. Schwer- punkte sind die Erforschung von Krankheitsursachen, Ge- nomforschung und Gen- technik, Suchtforschung, Er- nährung und Umwelt, Me- dizintechnik und Telematik, die patientenorientierte kli- nische Forschung, Frauenge- sundheits- und Pflegefor- schung.
Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, Dr. med.
Ulrich Oesingmann (zweiter von rechts), hat Bundeskanzler Ger- hard Schröder bei einem Besuch gemeinsam mit den Vizepräsi- denten Dr. Klaus E. Böhm, Kaspar Kraemer und Dr. Klaus Heilgeist die Situation und die Wünsche der Freien Berufe vorgetragen.
Der Kanzler bestätigte den Freiberuflern, dass sie eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion wahrnehmen und als Selbststän- dige für die Kultur der Unternehmungen einen wesentlichen Bei- trag leisten. Dr. Oesingmann sprach insbesondere die Sorgen der Ärzte um die Budgetierung der Gesundheitsleistungen an.
Foto: Oelschner