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Masern als Ursache embryofetaler
Entwicklungsstörungen
Seit Gregg's Bericht 1941 über die Rötelnembryopathie gewinnt die pränatale Virusinfektion als Ursache embryofetaler Entwicklungsstörun- gen zunehmend an Bedeutung. Die Autoren untersuchten in ihrer retro- spektiven Studie 327 Grönländerin- nen, die während ihrer Gravidität an Masern erkrankt waren. Der Schwangerschaftsverlauf all dieser Frauen konnte ausgewertet werden, 252 Kinder wurden untersucht. Das Risiko eines intrauterinen Fruchtto- des bei Infektionen im ersten Trime- non war auffallend hoch; von 20 Frauen, die während der ersten 2 Monate erkrankten, hatten 10 einen Abort, von 31 Frauen, die im 3. Mo- nat erkrankten 5. 9 Prozent von 64 Frauen, die während des ersten Tri- menons eine Maserninfektion durchmachten, bei denen die Schwangerschaft jedoch bis zum er- rechneten Geburtstermin erhalten blieb, hatten Todgeburten. Von 28 Frauen, die während der ersten 2 Graviditätsmonate erkrankten und die die Gravidität komplikationslos beendeten, hatten 4 Kinder Fehlbil- dungen. Von diesen verstarben 3 in- folge ihrer schweren Mißbildungen.
Perinatale Mortalität und Frühge- burtlichkeit waren bei allen Kindern gleich, unabhängig davon, ob sie im 1., 2. oder 3. Trimenon ihres Fetalle- bens eine Masernexposition hat- ten. Dck
Carsten Sand Jespersen, Jorgen Littauer and Uffe Sagild:
Measles as a cause of fetal defects Acta Paediatr. Scand. 367-372,1977
Morbus Hodgkin bei Geschwistern
In den Jahren 1959 bis 1973 wurden in Boston 1577 Personen mit histo- logisch gesichertem Morbus Hodg- kin erfaßt. Unter diesen befanden sich fünf Geschwisterpaare, alle un- terhalb eines Alters von 45 Jahren.
Da die statistisch zu erwartende Er- krankungshäufigkeit für Geschwi-
ster nur 0,7 betragen dürfte, haben damit Geschwister junger Erwach- sener ein siebenfach erhöhtes Risi- ko, ebenfalls an einem Morbus Hodgkin zu erkranken. Dieser Unter- schied ist statistisch signifikant. Zu- sammen mit acht weiteren, aus ver- schiedenen Gründen in der Häufig- keitsberechnung aber nicht verwer- teten Geschwisterpaaren waren zwölf von insgesamt 13 Paaren in ihrem Geschlecht übereinstimmend bei einer zu erwartenden Überein- stimmung von 6,8. Da auch dieser Unterschied statistisch signifikant ist, haben Geschwister gleichen Ge- schlechts ein erhöhtes Erkran- kungsrisiko, das in Übereinstim- mung mit Literaturangaben doppelt so groß ist wie für solche gegensätz- lichen Geschlechts. Interessanter- weise wurden keine Ehepaare mit Morbus Hodgkin gefunden, so daß für den Ehepartner, ebenfalls in Übereinstimmung mit der Literatur, das Erkrankungsrisiko wahrschein- lich nicht erhöht ist. Goe
Grufferman, S., Cole, Ph., Smith, P. G., and Lukes, R. J.:
Hodgkins Disease in Siblings, N. Engl. J. Med.
296 (1977) 248-250
Masern bei Adolescenten
Mit Einführung der Masernimpfung 1963 in den USA auf breiter Basis ging die Erkrankungshäufigkeit ein- deutig zurück. Wurden vor 1963 noch etwa 500 000 Erkrankungsfälle pro Jahr registriert, so waren es nach diesem Zeitpunkt nur noch 25 000 bis 50 000 pro Jahr. Im glei- chen Ausmaß wurde auch ein Rück- gang der Masernenzephalitis beob- achtet, das entscheidende Argu- ment für die Durchführung der Imp- fung. In letzter Zeit sind nun aber zunehmend Berichte erschienen, in denen Masernerkrankungen bei Adolescenten mitgeteilt werden, zum Teil mit atypischem und schwe- rem Verlauf, die deutlich machen, daß eine Immunisierung nicht unbe- dingt von einem lebenslangen Schutz gefolgt sein muß.
Krugman analysiert anhand der Lite- raturmitteilungen und eigener Er- fahrungen die Ursachen dieser Ma-
sernerkrankungen bei Adolescen- ten; danach sind folgende Perso- nengruppen besonders gefährdet:
• Diejenigen ohne Masernanamne- se und ohne vorangegangene Le- bendimpfung. In den USA sind etwa 35 Prozent der 1- bis 4jährigen Kin- der ohne immunologischen Schutz.
Die Kinder beziehungsweise Ado- lescenten, bei denen zur Immunisie- rung der Totimpfstoff verwendet wurde.
• Diejenigen, bei denen die Le- bendimpfung ohne oder in Kombi- nation mit Gammaglobulinen vor dem zwölften Lebensmonat durch- geführt wurde.
• Die Kinder, bei denen ein weiter abgeschwächtes Impfvirus, zum Beispiel der Schwarz-Stamm, in Kombination mit Gammaglobulinen gegeben wurde.
• Die Personen, die einen Impfstoff erhalten haben, der durch Lichtex- position oder nach Unterbrechen der Kühlkette seine Aktivität verlo- ren hat.
Daraus wird in Übereinstimmung mit dem Komitee für Infektionskrank-
heiten der Amerikanischen Akade- mie für Pädiatrie die Empfehlung abgeleitet, die Lebendimpfung erst im 15. und nicht bereits im 12. Le- bensmonat durchzuführen, das gilt auch für die Kombinationsimpfung mit dem Mumpsimpfvirus. Im Falle eines Masernausbruchs sollte die Impfung zu jedem Zeitpunkt nach dem 6. Lebensmonat bei empfängli- chen Kontaktpersonen durchgeführt werden, dann aber im 15. Lebens- monat die Revaccination erfolgen.
Die Kinder, die vor dem 13. Lebens- monat immunisiert wurden oder bei denen aus den oben angegebenen Gründen ein unvollständiger Schutz anzunehmen ist, sollten ebenfalls revacciniert werden. Bei allen ande- ren Kindern, bei denen die Lebend- impfung nach dem 13. Lebensmonat vorgenommen oder die auf natürli- chem Wege immunisiert wurden, ist eine Boosterimpfung nicht erforder- lich. Goe
Krugman, Saul: Present status of measles and rubella immunization in the United States; A medical progress report; J. Pediat. 90 (1977) 1-12
2804 Heft 47 vom 24. November 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT