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Archiv "Arzneimittelpackungen als Kostenfaktor" (29.09.1977)

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DEUTSCHE S

ÄRZTE BLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Heft 39 vom 29. September 1977

Arzneimittelpackungen als Kostenfaktor

Hans-Joachim Cramer

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In Zusammenhang mit der Diskussion um die sogenann- te Kostenexpansion im Ge- sundheitswesen wird die Größe der Arzneimittelpak kungen kontrovers erörtert.

Es wird gelegentlich der Ver- dacht geäußert, daß die phar mazeutische Industrie zur Er- zielung eines größeren Um- . satzes Kleinpackungen von Medikamenten aus dem Han- del zieht, um den Arzt zur Ver- ordnung der größeren Pak- kungen zu zwingen, obwohl deren Inhalt die Menge über- schreitet, die zur Heilung des jeweiligen Patienten erforder- lich ist.

Der Bundesverband der Pharmazeu- tischen Industrie und die Spitzen- verbände der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) haben Anfang 1977 Gespräche über die Fragen aufgenommen, ob eine Normierung und Anpassung der Packungsgrö- ßen an die therapeutischen Erfor- dernisse erforderlich ist und wie diese Normierung gegebenenfalls erfolgen sollte. Zur Unterstützung ihrer These, daß die Industrie durch die Herausnahme von kleinen Pak- kungsgrößen die Ärzte zwingt, zu große Packungen zu verordnen, ha- ben die Spitzenverbände der GKV eine Liste mit insgesamt rund 150 Kleinpackungen vorgelegt, die in den Jahren 1975 und 1976 angeblich aus dem Handel gezogen worden sein sollen. Die pharmazeutische In- dustrie hat diese Liste überprüft und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: Bei zwei Fünftel der an- gegebenen Packungen wurde weder 1975 noch 1976 ein Umsatz festge- stellt; daher liegt die Annahme nahe, daß diese Packungen bereits zu ei- nem früheren Zeitpunkt aus dem Handel genommen worden sind.

Von den verbliebenen 86 Packungs- größen wurden 50 im Jahre 1975 und 36 im Jahre 1976 aus dem Han- del gezogen 1 ).

Die minimale Marktbedeutung der gestrichenen Packungsgrößen zeigt, daß die Nachfrage nach ihnen gering war und erwähnenswerte Mehrumsätze der Hersteller als Folge der Streichung ebensowenig zu erwarten waren wie eine ins Ge- wicht fallende Mehrbelastung der Krankenkassen.

1) Bayer AG, Marktforschung.

2) Hoechst AG, Marktforschung.

Trend zu größeren Verordnungen Die geringe Marktbedeutung der in Tabelle 1 erfaßten zurückgezogenen Kleinpackungen kann als ein Indiz für den Trend zur Verordnung von größeren Packungen gewertet wer- den. Dieser Trend ist jedoch nicht auf die Bundesrepublik Deutschland allein beschränkt, in der die pharma- zeutische Industrie ihre Produkte in abgabefertigen Packungen anbietet, sondern auch in solchen Ländern, in denen der Apotheker aus Großpak- kungen die jeweilige Menge von Einzeldosen entnimmt (auseinzelt), die der Arzt seinem Patienten indivi- duell verordnet. Auseinzeln auf- grund ärztlicher Verordnung ist üb- lich in Großbritannien, Kanada und den USA. Bei einem Vergleich der bei den führenden 30 Produkten (für Kanada Werte nur für die führenden 20 vorhanden) 1971 und 1975 ärzt- lich verordneten Einzeldosen ergibt sich folgende Entwicklung 2). Die je Verordnung abgegebene Menge war bei den untersuchten Produkten 1975:

Land größer kleiner gleich als 1971

D 90%

GB 72%

USA 96%

CDN 89%

(Als nicht vergleichbar, da 1971 noch nicht auf dem Markt, mußten bei dem Vergleich ausgeschieden werden für D und GB je ein und für USA und CDN je zwei Produkte).

Für die USA liegt außerdem ein Index der Entwicklung der pro Ver-

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Arzneimittelpackungen

ordnung abgegebenen Einzeldosen eines Arzneimittels vor 3). Von der Basis 1960 = 100 stieg dieser Index auf 156,2 im Jahr 1975, d. h. die amerikanischen Ärzte verordneten 1975 im Durchschnitt pro Medika- ment eine um mehr als die Hälfte größere Menge als 1960.

Es gibt verschiedene Ursachen für den Trend zu größeren Verord- nungsmengen, deren jeweiliger quantitativer Anteil an diesem Trend sich indessen schlecht bestimmen läßt. Gründe für größere Packungen sind:

Zunahme der chronischen Er- krankungen, die eine Dauertherapie erforderlich machen;

> die von der Packungsgröße un- abhängige Rezeptgebühr; wenn dem Patienten statt zehn Kleinpak- kungen eine Großpackung mit ins- gesamt gleichem Inhalt verordnet wird, muß er die Rezeptgebühr nicht zehnmal, sondern nur einmal be- zahlen 4);

> wirtschaftlichere Verordnungen, weil Großpackungen relativ billiger sind als Kleinpackungen;

> Vermeidung zusätzlicher Wege für den Patienten zur Erlangung von Erneuerungsrezepten;

> Vorratshaltung. Der Patient möchte eine Reserve von Medika- menten zur Behandlung rasch vor- übergehender, aber häufiger Be- schwerden (z. B. Erkältungen, Kopf- schmerzen, Sportverletzungen, Ver- brennungen) anlegen.

Unverbrauchte Arzneimittel In Zusammenhang mit den Pak- kungsgrößen wird auch die Frage der in den Haushalten angesammel- ten Arzneimittel diskutiert, deren Einnahme nicht mehr vorgesehen ist. Unter Berufung auf Berechnun- gen des Bundesverbandes der Be- triebskrankenkassen, Essen, wird dabei der Wert der so jährlich ent- stehenden Arzneimittelreste auf zwei Milliarden DM beziffert. Die Be- rechnung des Kassenverbandes hat folgenden Wortlaut: „Der Schaden, der den Krankenkassen in der Bun- desrepublik in einem Jahr durch nicht benutzte Arzneimittel entsteht, kann auf 2 Milliarden Mark ge- schätzt werden, wenn etwa jede fünfte Tablette nicht eingenommen wird. Dabei ist schon berücksichtigt, daß der Arzt den Bedarf nicht im voraus genau berechnen kann, so daß ein Verlust von etwa einer hal- ben Milliarde als unvermeidlich hin- genommen werden muß. Die Ge- samtkosten für Arznei- und Heilmit-

tel beliefen sich im Jahre 1975 auf rund 11,6 Milliarden Mark')."

Selbst wenn man einmal außer Be- tracht läßt, daß die Ausgaben für

„Arzneien, Heil- und Hilfsmittel aus Apotheken" 1975 lediglich 8,9 Mil- liarden DM betrugen, ist die Berech- nungsbasis der Summe 2 Milliarden DM sicher zu schmal, um sie als wis- senschaftlich gesicherte Grundlage der Erörterung zu wählen. Eine zu- verlässige Aussage über den Wert der nicht mehr zum Verbrauch be- stimmten Arzneimittelreste, die in Haushalten lagern, wäre nur auf der Grundlage der Überprüfung der Hausapotheken einer repräsentati- ven Anzahl von Haushalten möglich.

Eine derartige Untersuchung liegt für die Bundesrepublik Deutschland nicht vor. Es liegen lediglich Unter- suchungen über die Verbrauchsge- wohnheiten vor. Eine Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Infratest, München, ergibt dieses Bild). Zum Zeitpunkt der Befragung im Oktober 1975 gab eine repräsen- tative Anzahl von Bundesbürgern auf die Frage nach dem Verbleib der zuletzt vom Arzt verordneten Medi- kamente folgende Auskünfte:

ganz eingenommen 45%

teilweise eingenommen 47%

nicht selbst eingenommen 5%

keine Angaben 3%

Total 100%

Die Gruppe, die die Arzneimittel noch nicht vollständig verbraucht hatte, gab folgende Gründe dafür an (s. Tabelle 2):

3) Medical Marketing & Media 9/1976 4) Eine preisunabhängige Abgabegebühr von

einer DM pro verordnetes Präparat gilt in der Bundesrepublik Deutschland zwar erst seit 1. Juli 1977, doch wirkte sich die bisheri- ge Rezeptgebühr von 20 Prozent des Prei- ses der pro Rezeptblatt verordneten Präpa- rate, maximal aber 2,50 DM in der Praxis als Festgebühr aus, da der Durchschnittswert der pro Rezept abgegebenen Präparate etwa 20 DM beträgt und damit der Maximal- satz von 2,50 DM in der Regel zu zahlen war.

5) Die Betriebskrankenkasse, 4/1976, S. 103.

6) Mehrthemenbefragung Arzneimittelsicher- heit, Infratest, München, 1975.

Tabelle 1: Übersicht über die 1975 und 1976 zurückgezogenen Arz- neimittelpackungen

1975 1976

Umsatz und Marktanteile der zurückgezogenen Packungen

10 Mio. DM 0,16% 6 Mio. DM 0,09%

Gesamtmarkt öffentliche

Apotheken 6,1 Mrd. DM 100% 6,6 Mrd. DM 100%

(vorstehende Werte zu Apothekeneinkaufspreisen ohne Mehrwertsteuer)

Arzneimittelkosten

der GKV 8,9 Mrd. DM 9,6 Mrd. DM

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Tabelle 2: Gründe des Nichtkonsums von Arzneimitteln

Einnahme dauert noch an, da Verordnung erst kurz zurückliegt:

Bezogen auf Gesamtheit aller Befragten:

Zwischen- summe 28 Prozent (16 Prozent)

Vorrat für ähnliche Fälle anlegen:

Für andere Personen benötigt:

16 Prozent

2 Prozent

( 9 Prozent)

( 1 Prozent)

Hilft nicht/

Unverträglichkeit: 2 Prozent 1 Prozent)

26 Prozent

Durch Hinweise in Gebrauchsanleitung

abgeschreckt: 1 Prozent ( 0,3 Prozent) Nehme meist weniger

als verordnet: 9 Prozent ( 5 Prozent) Beschwerden haben

schon aufgehört: 28 Prozent (15 Prozent)

21 Prozent Mehr verordnet

als benötigt: 3 Prozent ( 2 Prozent) Zu große Packung: 13 Prozent ( 7 Prozent)

9 Prozent Sonstiges/

keine Angaben: 15 Prozent ( 8 Prozent) 117 Prozent (64 Prozent)

(Mehrfachnennungen)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzneimittelpackungen

Die Befragung ergibt, läßt man Mehrfachnennungen und Subjekti- vität der Angaben einmal außer Be- tracht, daß 45 Prozent ihre Arznei- mittel vollständig verbrauchen, bei 26 Prozent der vollständige Ver- brauch möglich ist, bei 21 Prozent medizinische Gründe beziehungs- weise bei 9 Prozent zu große Pak- kungen oder Verordnungen zum nicht vollständigen Gebrauch führ- ten: Die Dunkelziffer beträgt 8 Pro- zent. Der Wert der nicht verbrauch- ten Arzneimittel läßt sich aus dieser Untersuchung nicht ableiten.

Versuche, Menge und Wert der un- verbrauchten Arzneimittel in Haus- halten zu bestimmen, sind in der

DDR unternommen worden. Eine Untersuchung ergab, daß eine Wo- che nach der Verordnung von Medi- kamenten 100 neue Patienten etwa ein Drittel der ihnen verordneten Arzneimenge nicht verbraucht hat- ten Zehn Prozent der verordneten Medikamente waren überhaupt noch nicht gebraucht worden').

Bei einer Überprüfung von 431 Haushalten in der DDR wurden je Haushalt im Durchschnitt 23 Arznei- mittel gefunden, von denen 50 Pro- zent zu weniger als die Hälfte aufge- braucht und 30 Prozent noch nicht angebrochen worden waren. Je Haushaltsmitglied wurden unver- brauchte Arzneimittel im Wert von

12,20 Mark festgestellt. Nicht ermit- telt werden konnte, inwieweit eine Verwendung dieser Medikamente von den Besitzern noch vorgesehen war-8).

In diesem Zusammenhang muß be- rücksichtigt werden, daß ökonomi- sche Überlegungen der pharmazeu- tischen Industrie bei der Gestaltung der Packungsgrößen in der DDR mit einer zentralen Planung und Len- kung von Bedarf und Produktion nicht in Betracht kommen dürften.

Als wesentliche Gründe für das Ent- stehen von Arzneimittelresten kön- nen angesehen werden:

a) die ärztliche Verordnung und b) die Einnahmedisziplin der Pa- tienten.

Zu a): Nur im seltenen Idealfall wird die Menge der verordneten Einzel- dosen exakt mit dem objektiven/

subjektiven Bedarf übereinstimmen, da die Dauer der therapierten Be- schwerden nicht objektivierbar und zumeist von der individuellen Kon- stitution des Patienten abhängig ist.

Zu b): Viele Patienten halten sich nicht an die Einnahmevorschriften des Arztes. Jeder zweite aus einer Klinik entlassene Patient befolgte den medikamentösen Therapieplan entweder falsch oder absichtlich nicht. 35 Prozent der Patienten ver- standen offensichtlich die Anwei- sungen des Arztes nicht, weitere 15 Prozent wichen bewußt davon ab. Je mehr Medikamente verordnet wor- den waren, desto mehr Einnahme- fehler wurden festgestellt 9).

Anschrift des Verfassers:

Hans-Joachim Cramer Karlstraße 21

6000 Frankfurt am Main

K. Taubert, Dt. Gesundh.-Wesen 30 (1975), S. 1699

8) K. Taubert, Dt. Gesundh.-Wesen 31 (1976), S. 2342

9) Medical Tribune, Dt. Ausgabe 49 (1976)

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