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Ärztliche Sterbehilfe im Spannungsfeld von Medizin, Ethik und Recht

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Bayerisches Ärzteblatt 10/2004 627

Medizinethik

Durch die neue Tötungsmentalität in Hol- land infolge Legalisierung der aktiven Sterbe- hilfe und der sich damit zunehmend ein- schleichenden gesellschaftlichen Akzeptanz wird die mit dieser Praxis idealisierte „Frei- heit zum Tode“ letztlich zu einer „Unfreiheit zum Leben“ pervertiert. Hierbei geraten zwangsläufig mehr und mehr Menschen, die trotz psychischer oder organischer Leiden und unheilbarer Krankheit weiterleben oder ihre moribunden Angehörigen am Leben las- sen wollen, in einen Rechtfertigungszwang.

Wenn wir auf der einen Seite die Praxis der Sterbehilfe in den Niederlanden sehen und die Umfragen nach Forderung einer Legali- sierung der aktiven Sterbehilfe in der deut- schen Bevölkerung ernst nehmen, auf der an- deren Seite aber das Leid schwerstkranker und sterbender Mitmenschen vermindern wollen, müssen wir eine gute Antwort darauf finden: Diese Antwort ist die Palliativmedi- zin. Palliativmedizin ist in der Lage, durch ei- ne multimodale und interdisziplinäre Betreu- ung Leiden umfassend zu lindern. Im Vor- dergrund steht der Mensch in seiner Ganz- heitlichkeit mit physischen, psychischen und geistig-seelischen Problemen und Nöten so- wie die Achtung der Menschenwürde im Le- ben, Sterben und danach. Die moderne Palli- ativmedizin bietet „aktive Lebenshilfe“ und damit eine echte Alternative zur aktiven Ster- behilfe.

Da Befragungsstudien von terminal kranken und sterbenden Patienten belegen, dass eine adäquate Symptombehandlung und mensch- liche Zuwendung die Patientenwünsche nach frühzeitiger Beendigung ihres ansonsten un- erträglichen Lebens zurückdrängt, müssen aus medizin-ethischer Sicht eine flächende- ckende palliativmedizinische Versorgung, aber auch Aus-, Fort- und Weiterbildung in Palliativmedizin bei Studierenden, Ärzten und Pflegenden auf das Nachhaltigste gefor- dert und gefördert werden.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Fuat S. Oduncu, M.A., European Master in Bioethics, Medizinische Klinik – Innenstadt, Abteilung Hämatologie und Onkologie der Universität München, Ziemssenstraße 1, 80336 München,

E-Mail: Fuat.Oduncu@gmx.de und „EXIT“ vorbehalten bleiben, sondern

ausdrücklich auch Ärzten ethisch und stan- desrechtlich erlaubt sein müsse.

Am 10. September 2003 wurde vom Schwei- zer Europaratabgeordneten Dick Marty ein Antrag zur Legalisierung von Euthanasie nach holländischem Vorbild für alle 45 Mit- gliedsstaaten des Europarats zur Abstimmung vorgelegt, die zuletzt im April 2004 vertagt wurde.

Neue Aktualität haben die Fragen der Sterbe- hilfe hierzulande durch den Beschluss des XII. Senats des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2003 gewonnen. Mit dem Beschluss wurden Fragen der Verbindlichkeit und Reichweite einer Patientenverfügung (PV) für die behandelnden Ärzte und Betreuer so- wie Fragen der Zulässigkeit und der Grenzen so genannter passiver und indirekter Sterbe- hilfe aufgeworfen.

Aktuellen Umfragen zufolge spricht sich der Großteil der Deutschen (64 bis 80 %) für die aktive Sterbehilfe aus. In diesem Spannungs- feld von Medizin, Ethik und Recht in der Sterbehilfedebatte hat die Bundesärztekam- mer (BÄK) am 7. Mai 2004 ihre „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung“ von 1998 neu gefasst. Darin bekräftigt die BÄK ihre ablehnende Haltung zur aktiven Sterbehilfe und zum assistierten Suizid und stellt statt- dessen wie schon im Jahren 1998 und 1999 die Betreuung und Hilfe todkranker Men- schen in Form von palliativmedizinischer Versorgung sowie eine erneute Stärkung der PV in den Vordergrund.

Durch die Legalisierung der Euthanasie-Pra- xis in Holland (2001) und Belgien (2002) wird zunehmend auch hierzulande die Frage nach einer Lockerung der Tötungsverbote diskutiert. Nach Studienlage wurden in Hol- land bei Vorliegen eines „unheilbaren und un- erträglichen Leidens“ aktive Sterbehilfe (Eu- thanasie) bei 2300 (im Jahre 1990), 3200 (1995) und 3500 (2001) Menschen, eine Bei- hilfe zum Suizid bei jeweils 400, 400 und 300 Fällen durchgeführt. Hinzu kommt die Zahl von jährlich ca. 900 bis 1000 Tötungen ohne eigenes Verlangen, die auf das Urteil von An- gehörigen und Ärzten hin erfolgten, die bei diesen Tötungen von einem „lebensunwerten und für sich belastenden Leben“ ausgingen.

Aus diesem Grund verfassen immer mehr holländische Patienten und gesunde Bürger Patientenverfügungen („CredoCards“, zurzeit über 11 000 Menschen mit CredoCards), in denen sie explizit dokumentieren, dass sie nicht euthanasiert werden möchten.

Im amerikanischen Bundesstaat Oregon wur- de 1997 der „Death With Dignity Act“ zur Legalisierung des ärztlich unterstützten Sui- zids durch Rezeptierung tödlicher Medika- mente verabschiedet. Im Zeitraum von 1997 bis 2002 ist nicht nur die Zahl der Rezeptie- rungen, sondern auch die Zahl der Selbsttö- tungen stetig angestiegen, die im Jahre 2002 bei 38 lag (insgesamt 129 ärztlich unterstütze Selbsttötungen im Zeitraum von 1998 bis 2002).

Nach kontroversen Debatten hat nun auch die Schweizerische Akademie der Medizini- schen Wissenschaften (SAMW) ihr bisheri- ges striktes Verbot von 1995 verlassen und plädiert nun für eine Liberalisierung und Le- galisierung des ärztlich assistierten Suizids bei kranken und alten Menschen. Die SAMW fordert, dass Sterbehilfe nicht mehr nur Laienorganisationen wie „DIGNITAS“

Ärztliche Sterbehilfe im Spannungsfeld von Medizin, Ethik und Recht

Dr. Fuat S. Oduncu

Internethinweise– Veröffentlichungen der Zentralen Ethikkomission bei der Bundesärz- tekammer (BÄK), sowie Empfehlungen, Leit- linien, Grundsätze der BÄK finden sich auf der Homepage der BÄK:

www.bundesaerztekammer.de.

Links zu sämtlichen medizinethischen Institu- ten in Deutschland und zu Datenbanken für medizinethische Literatur sowie zur Arbeit der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) finden sich auf der Homepage der AEM:

www.aem-online.de oder auch auf der Ho- mepage der Professur für Ethik in der Medi- zin der Universität Erlangen-Nürnberg:

www.gesch.med.uni-erlangen.de.

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