242
ARS MEDICI 6 ■2010S T U D I E R E F E R I E R T
Patienten mit einer stabilen koro- naren Herzkrankheit (KHK) und normaler Ventrikelfunktion können von ACE-Hemmern profitieren — als Ergänzung zur Standardtherapie.
Ob dies auch für Angiotensin-II- Rezeptorantagonisten gilt, lässt sich mangels zuverlässiger Stu - diendaten nicht sagen.
A N N A L S O F I N T E R N A L M E D I C I N E
ACE-Hemmer und alternativ auch An- giotensin-II-Antagonisten haben ihre Wirksamkeit bei Patienten sowohl mit Herzinsuffizienz als auch mit Herz - infarkt und ventrikulärer Dysfunktion unter Beweis gestellt. Ob dies auch für KHK-Patienten mit erhaltener Ventrikel- funktion gilt, war bis her weniger klar.
In den vor mehreren Jahren durch - geführten Reviews sind neuere Studien mit ACE-Hemmern nicht berücksichtigt und die Kombinationstherapie aus ACE- Hem mer plus Angiotensin-II-Antagonist wurde systematisch überhaupt nicht un - tersucht. Jetzt hat eine US-amerikani- sche Arbeitsgruppe die zurzeit vorhan- denen Daten in einem neuen Review analysiert. Die Autoren interessierten sich vor allem für folgende Fragen:
1. Welchen Nutzen bringt es Patienten mit stabiler KHK, wenn sie zusätz-
lich zur Standardtherapie (v.a. Beta- blocker, Statine, Aspirin®) mit ACE- Hemmern und Angiotensin-II-Ant - agonisten behandelt werden?
2. Wie ist eine Kombination aus ACE- Hemmer und Angiotensin-II-Ant ago - nist gegenüber der jeweiligen Mono- therapie zu bewerten?
Zwei Reviewer bewerteten unabhängig voneinander die einschlägigen Studien nach gewissen Standardkriterien. Dazu gehörten unter anderem eine Mindest- zahl von Patienten, ein wenigstens nach einem halben Jahr erfolgtes Follow-up und mindestens ein vordefinierter Out- come-Parameter (z.B. Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität, Myokard - infarkt, Schlaganfall). Zur Klärung der Frage nach Risiken und Nebenwirkun- gen wurden auch Beobachtungsstudien zugelassen, wenn sie bestimmte Krite- rien erfüllten, wie etwa den Einschluss von mehr als 1000 Patienten und den exakten Ausweis von vordefinierten Nebenwirkungen (z.B. Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen, Hypo tonie, Synkope, Husten).
Insgesamt kamen 41 Studien in die Aus- wertung, darunter 9 randomisierte und kontrollierte Studien, 2 nicht randomi- sierte Vergleichsstudien sowie 6 syste- matische Reviews.
Auch Diabetiker profitieren
Die Analyse erbrachte im Wesentlichen folgende Erkenntnisse: ACE-Hemmer reduzieren das relative Risiko für die Gesamtmortalität, für nicht tödlichen In- farkt und für Schlaganfall. Das gilt auch für stabile KHK-Patienten, die an einer peripheren Gefässkrankheit, einer zere-bro vaskulären Krankheit oder an Diabe- tes mellitus mit Endorganschäden litten.
Hingegen gelang es nicht, den Nutzen von Angiotensin-II-Antagonisten in die- ser Indikation zu sichern, schlicht des- halb, weil es an geeigneten Studien man- gelt, die den heute geforderten Qualitäts- standards genügen. Nur eine einzige randomisierte und kontrollierte Studie hoher Qualität konnten die Autoren aus- findig machen, wobei ausschliesslich Pa- tienten rekrutiert wurden, die zuvor ACE-Hemmer nicht vertragen hatten.
Keine Vorteile scheint die Kombinations- therapie aus ACE-Hemmer und Angio- tensin-II-Antagonist zu bringen. Eine einzige Studie mit mittlerem Evidenz- grad zeigte, dass hinsichtlich der End- punkte Gesamtmortalität, kardiovasku- läre Mortalität, Myokardinfarkt und Schlaganfall die Kombination nicht bes- ser abschnitt als ein ACE-Hemmer allein, stattdessen wurden vermehrt Nebenwir- kungen wie etwa Hypotonie und Synko- pen registriert.
Die meisten Patienten hatten in den Stu- dien Plättchenaggregationshemmer und Lipidsenker erhalten, etwa jeder Zweite nahm ausserdem Betablocker ein. Die Basistherapie mit diesen Medikamenten beeinflusste den Wirkungsgrad der ACE- Hemmer nicht nennenswert, jedoch bestand eine Ausnahme: ACE-Hemmer scheinen etwas wirk sa mer bei Patienten zu sein, bei denen keine Plättchenhem- mer eingesetzt werden. Ob das mit einer Interaktion zwischen Acetylsalicylsäure
ACE-Hemmer können auch bei stabiler KHK helfen
Für Angiotensin-II-Antagonisten ist die Wirksamkeit dagegen nicht belegt
Merksätze
■
ACE-Hemmer können KHK-Patienten mit normaler Ventrikelfunktion helfen, wenn sie zusätzlich zur Standardtherapie ver - abreicht werden.
■
Dasselbe lässt sich mangels geeigneter Studien von Angiotensin-II-Antagonisten derzeit nicht sagen.
■
Eine Kombination aus der beiden Substan-
zen bringt keine Wirksamkeitsvorteile,
aber vermehrt Nebenwirkungen.
ARS MEDICI 6 ■2010
243
S T U D I E R E F E R I E R T
und ACE-Hemmer zu tun hat, ist unklar.
Mit Blick auf die unterschiedlichen ACE- Hemmer zeigte sich, dass die als gewebe- spezifisch geltenden Vertreter, wie etwa Perindopril, Ramipril oder Trandolapril, keine bessere Kardioprotektion lieferten als die serum spezi fischen ACE-Hem- mer, wie beispielsweise Enalapril.
Nebenwirkungen
oft unvollständig erhoben
Die Studienautoren betonen auch die Grenzen ihrer Studie: «Wir konnten nurdie publizierten Daten auswerten und solche, die uns von den Studienautoren zur Verfügung gestellt wurden. Es war nicht möglich, allfällige Publikationsbias hinsichtlich der Outcome-Parameter ein- zuschätzen.» An den meisten Studien nahmen in erster Linie 60- bis 70-jährige Männer teil, was die Resultate nicht ohne Weiteres generalisierbar mache, meinen die Autoren. Zudem bemängeln sie, dass Nebenwirkungen oft inkon - sistent und unvollständig angegeben wurden.
William L. Baker et al.: Systematic review: comparative effective- ness of angiotensin-converting enzyme inhibitors or angioten- sin II-receptor blockers for ischemic heart disease. Annals of Internal Medicine 2009; 151, 1861—1871.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Uwe Beise