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Archiv "ACE-Hemmer Captopril: mehr als ein Antihypertonikum" (10.12.1987)

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IJ

Captopril

Kininogen

S

Angiotensin

I

Angioten-sinogen

Bradykinin

gehemmt AC-Enzym gehemmt

identisch mit

Kininase II

Prostaglandine

Kallikrein Renin

Inaktive Peptidl Angiotensin II

I

Kreislaufeffekt Kreislaufeffekt

Stoffwechseleffekt

Das Schema (nach K. Rett, München) zeigt, sehr vereinfacht, die Hemmfunktion des Cap toprils auf verschiedene vasoaktive Systeme, die zum Teil auch stoffwechselwirksam sind; AC-Enzym, identisch mit Kininase II, ist das Angiotensin-Konversions-Enzym DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Neue Entdeckungen mit Cap- topril: zwei Tage füllten sie — „new findings" — Seminare und Work- shops mit Vorträgen und Diskussio- nen beim Internationalen Kardio- vaskulären Kolloquium, das Ende Oktober in Palm Beach, Florida, stattfand. Seit nämlich der ACE- Hemmer Captopril durch seinen Einfluß auf das Renin-Angiotensin- System eindrucksvolle Erfolge bei der Behandlung der Hochdruck- krankheit hat, ist die kardiovaskulä- re Forschung neu stimuliert.

Und nicht nur sie. Ebenso sind Endokrinologen, Nephrologen und Diabetologen von den neuen Aspekten fasziniert, auf zellbiologi- scher und molekularbiologischer Ebene die Hypertonie und deren Folgen durchschauen und an den biologischen Basisfunktionen beein- flussen zu lernen.

So ging es denn auch bei diesem Kolloquium nicht vorrangig um das Medikament Captopril (in Deutsch- land Lopirin®, Squibb Pharma von Heyden). Dem Veranstalter, Squibb Corporation, USA, war an einem Zusammentreffen von Forschern und Klinikern gelegen, die ihre wis- senschaftlichen „findings" mit Cap- topril austauschen konnten. Im Mit- telpunkt standen die Entdeckungen

der letzten Jahre und Monate: loka- le gewebsständige Renin-Angioten- sin-Systeme (RAS) und deren Me- chanismen. Besonderes Interesse fanden die nephroprotektiven Be- funde der ACE-Hemmung beim in- sulinabhängigen Diabetes und bei der chronischen Niereninsuffizienz, außerdem die kardioprotektiven Ef- fekte des Captoprils nach experi- mentell herbeigeführten Ischämien.

Victor J. Dzau, Gefäß- und Atherosklerose-Spezialist, Harvard- Professor aus Boston, faßte es so zu- sammen: Das traditionelle Konzept versteht das Renin-Angiotensin-Sy- stem (RAS) als zirkulationsgebun- den. Die Komponenten werden von verschiedenen Organen sezerniert:

Renin von den Nieren, Angioten- sinogen von der Leber und das

Angiotensin-Konversions-Enzym (ACE) von der Lunge. Das Endpro- dukt dieser biochemischen Kaskade, Angiotensin II, greift als starker Va- sokonstriktor an den Blutgefäßen an und erhöht den Blutdruck. Dieser Ablauf wird durch ACE-Hemmer gedämpft (Schema).

Neuere Untersuchungen aber zeigen, daß es neben dem zirkulie- renden System lokal wirksames, ge- websständiges Renin und Angioten- sin gibt, z. B. in Lunge, Herzmus-

kel, Gehirn, Gefäßwänden, Nieren.

Der New Yorker Kardiologe John H. Laragh berichtete außerdem über Renin-Systeme, die in Ovarien, Testes, Nebennieren, Plazenta und in Prolaktin sezernierenden Zellen der menschlichen Hypophyse gefun- den wurden, deren Funktionen al- lerdings noch untersucht werden müssen.

Die neuen Kenntnisse über lo- kale Renin-Angiotensin-Systeme haben das Verständnis für die Herz- Kreislauf-Regulation verändert.

Man geht heute davon aus, daß lo- kales Gewebsangiotensin eine wich- tige Rolle für die Kontrolle des Ge- fäßwiderstandes spielt, ebenso für die Kontrolle der Funktionen des Herzens und der Nebennieren sowie für lokal begrenzte Abläufe inner- halb der Nieren. In den Wänden der Arteriolen ebenso wie der großen Arterien oder der Aorta werden, da- für sprechen die Befunde, direkte Rezeptor-Reaktionen mit lokalem Angiotensin postuliert und außer- dem auch dessen indirekter Einfluß durch vermehrt freigesetzte Kate- cholamine.

Dieses Konzept stützt sich auch auf das Wissen über Captopril:

Trotz dessen relativ niedriger Halb- wertszeit im Plasma wirkt es gegen Bluthochdruck bis zu 24 Stunden.

Dies läßt sich nur durch den lokalen Effekt im Gewebe erklären. Manche Kliniker wissen es bereits aus Erfah- rung: Es kann genügen, Captopril zur Hochdrucktherapie nur einmal täglich einzunehmen anstatt zweimal wegen der niedrigen Plasma-Halb- wertszeit.

Die Erforschung der lokalen Renin-Angiotensin-Systeme ermit- telt zugleich auch Unterschiede zwi- schen dem Captopril und den inzwi- schen entwickelten ACE-Hemmern.

Als biochemischen Vorteil für eine gute Gewebsverteilung stellten die Wissenschaftler in Florida die Sulf- hydril-Gruppe des Captoprils her- aus. Aber auch die Fähigkeit des Captoprils, nach Ischämie des Herz- muskels die zerstörerischen freien Radikale einzufangen oder nach Ischämie den koronaren Blutfluß zu erhöhen, wird der SH-Gruppe zuge- schrieben, die andere ACE-Hem- mer nicht tragen.

ACE-Hemmer Captopril:

mehr als ein Antihypertonikum

A-3462 (56) Dt. Ärztebl. 84, Heft 50, 10. Dezember 1987

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Schutz des Herzens vor den Fol- gen des Hochdrucks — das ist ein Ziel, dem zur Zeit eine energische Forschungsarbeit gilt. Neue Anstö- ße gibt es, seit überzeugende Stu- dien erwiesen haben, daß Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ei- ne deutlich höhere Überlebenschan- ce haben, wenn sie ACE-Hemmer einnehmen. Als eigenständiger Risi- kofaktor für die schlechte Prognose der Herzinsuffizienz gilt Hypertro- phie des linken Ventrikels. Physiolo- gen, Pharmakologen, Biochemiker und Molekularbiologen arbeiten an der Aufklärung dieser Vorgänge, um so mehr, als medikamentöse Re- gression der Hypertrophie beobach- tet wird. Was spielt sich ab in den Zellen des Hochdruckherzens?

Was Captopril im Gewebe bewirken kann Richard N. Re, Hochdruckfor- scher in New Orleans, der schon 1982 über die Renin-Synthese in Kulturen mit arteriellen Muskelzel- len publiziert hat, stellte Studien vor, die das abnorme Zellwachstum im Myokard und in der Arterien- wand als Folge des Bluthochdrucks untersucht haben. Bei derartiger kardiovaskulärer Hypertrophie und Hyperplasie wurde auch eine gestei- gerte proto-onkogene Aktivität fest- gestellt. Diese Befunde, so betonte Richard Re, lassen einen Zusam- menhang zwischen der zellulären Biosynthese der RAS-Komponen- ten und dem Zellwachstum in kar- diovaskulärem Gewebe vermuten.

Diese Vermutung wird gestützt durch ACE-Hemmer, die eine Re- gression der hochdruck-induzierten Linksherz-Hypertrophie und Arte- rien-Hyperplasie herbeiführen kön- nen. Eine faszinierende Hypothese.

Randall Mark Zusman, Hoch- druckspezialist und Harvard-Profes- sor in Boston, wies auf die Zusam- menhänge mit anderen vasoaktiven Systemen hin. Beispielsweise sind als eine der Antworten auf Captopril die Gewebskinine erhöht. Der Me- chanismus: Das Enzym, das aus An- giotensin I das hochaktive Angioten- sin II abspaltet, nämlich das Angio- tensin-Konversions-Enzym (ACE)

ist identisch mit der Kininase II (sie- he Schema), die den Abbau von Bradykinin bewirkt.

Kinine wirken vasodilatierend und stimulieren zugleich die Biosyn- these von Prostaglandin E2 und Pro- stazyklin, beide Vasodilatatoren, Prostazyklin zusätzlich ein Hemmer der Aggregation von Blutplättchen.

Zusman meinte, man solle bei der Neuentwicklung von ACE-Hem- mern nicht nur deren Einfluß auf die Renin-Angiotensin-Kaskade des Plasmas im Auge haben, sondern auch die Wirksamkeit auf andere va- soaktive Systeme berücksichtigen.

Aus verschiedenen experimen- tellen Studien weiß man, daß die ge- websständigen Renin-Angiotensin- Systeme , z. B. in den Koronarwän- den und im Herzmuskel, durch Ischämie aktiviert werden. Es liegt daher nahe, überschießende Aktivi- tät abzubremsen, also ACE-Hem- mer gegen Angina pectoris und nach einem Myokardinfarkt einzusetzen.

Über entsprechende Untersuchun- gen wurde während des Kolloqui- ums diskutiert:

Es gelingt tatsächlich, den koro- naren Durchfluß bei Ischämie durch ACE-Hemmer zu erhöhen, das Aus- maß eines Infarktes zu reduzieren, bedrohliche ventrikuläre Arrhyth- mien während der Reperfusionspha- se zu unterdrücken und eine Dilata- tion des linken Ventrikels nach ei- nem Infarkt zu verhindern. Neben dem nützlichen Einfluß auf die vaso- aktiven Systeme wurde hier auch die Fähigkeit des Captoprils hervorge- hoben, freie Radikale unschädlich zu machen, die im zerstörten Gewe- be eines ischämischen Herzmuskels bei der Reperfusion gefunden wer- den.

Die meisten Untersuchungen, die solch vielversprechende Ziele verfolgen, sind allerdings noch im experimentellen Stadium. Es ist noch viel zu tun, sagte auch Joel Morganroth, kardiologischer For- scher aus Philadelphia. Er meinte z. B. die ungeklärten elektrophysio- logischen Effekte der ACE-Hem- mer, als er über den Rückgang ven- trikulärer Arrhythmien durch Cap- topril und die damit verbundene hö- here Überlebenschance bei Herzin- suffizienz sprach.

Nephroprotektion beim Diabetes

Das zweite große Thema des Kolloquiums war die Nephroprotek- tion durch ACE-Hemmung beim Diabetes und bei chronischer Nie- reninsuffizienz. Captopril, so konnte Hans-Henrik Parving, Dänemark, vorweisen, senkt bei insulinpflichti- gen Diabetikern die Albuminurie, ohne die glomeruläre Filtrationsrate zu beeinträchtigen.

Die insulinpflichtigen Diabeti- ker entwickeln ihren Hochdruck zu- sammen mit einer diabetischen Nephropathie. Bei dieser Art des re- nalen Hochdrucks ist der intraglo- meruläre Druck erhöht und schädigt zunehmend das Glomerulum. Das Captopril, das die efferenten Arte- riolen dilatiert , stoppt diesen fatalen Prozeß. Den gleichen nephroprotek- tiven Effekt der ACE-Hemmer teil- te der Nephrologe Leopold Raij, Universität von Minnesota in Min- neapolis, für die chronische Nieren- Insuffizienz mit.

Über die „findings" mit Cap- topril der Münchener Forschergrup- pe Diabetes referierte Professor Günther J. Dietze beim Kolloquium in Florida. Die Münchner führten kürzlich den vielbeachteten Nach- weis, wie Captopril die Stoffwech- sellage des nicht-insulin-abhängigen Diabetikers verbessert: Die ver- mehrten Gewebskinine (siehe Sche- ma) verbessern die Glukose-Auf- nahme in die Skelettmuskulatur.

So herrschte denn Einigkeit:

Die ACE-Hemmer sollten den Pa- tienten mit chronischer Niereninsuf- fizienz und Hochdruck, den Typ-I- Diabetikern mit Nephropathie, mit oder ohne Hochdruck, und den Typ- II-Diabetikern mit Hochdruck zugu- te kommen

Dazu Professor Dietze, Mün- chen: Wegen des ungünstigen Ein- flusses der vorrangig empfohlenen Antihypertonika , nämlich der Diure- tika und Betablocker, auf die Gluko- setoleranz, wird eine frühzeitige und effektive antihypertensive Therapie beim nicht-insulin-abhängigen Dia- betes

noch immer unterbewertet. Al- so

auch beim Diabetes: Die ACE- Hemmer verändern die Konzepte.

H. E. Roemer-Hoffmann Dt. Ärztebl. 84, Heft 50, 10. Dezember 1987 (59) A-3465

Referenzen

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