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Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012: Das neue Abgabenrechtsmittelverfahren / Stefan Wiesinger

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(1)

I

NSTITUT FÜR

F

INANZRECHT

,

S

TEUERRECHT UND

S

TEUERPOLITIK

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Laws (LL.M.)

im Masterstudium

Steuerwissenschaften

V

ERWALTUNGSGERICHTSBARKEITS

-N

OVELLE

2012

Das neue Abgabenrechtsmittelverfahren

Beurteiler:

Univ.-Prof. Dr. Walter Summersberger

November 2015

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

(3)

Inhaltsverzeichnis III

Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ... II Inhaltsverzeichnis ... III Abbildungsverzeichnis ... VI Abkürzungsverzeichnis / Glossar ... VII

1 Einleitung ... 1

1.1 Einführung in das Thema ... 1

1.2 Vorgehensweise ... 3

2 Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ... 4

2.1 Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich ... 4

2.1.1 Gründung des VwGH ... 4

2.1.2 Etablierung der UVS in den Ländern und Gründung des UFS ... 5

2.1.3 Österreich Konvent ... 8

2.1.4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ... 9

2.2 Ziele der Reform ... 10

3 Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren . 12 3.1 Verfassungsgesetzliche Grundlagen ... 12

3.2 Bundesgesetzliche Grundlagen ... 14

4 Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren ... 17

4.1 Überblick über inhaltliche Änderungen ... 17

4.2 Terminologische Änderungen ... 19

4.3 Graphische Übersicht der Verfahrensabläufe im Abgabenverfahren vor bzw nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ... 20

4.3.1 Der administrative Instanzenzug vor 1.1.2014 ... 20

4.3.2 Die zweistufige Finanzgerichtsbarkeit ab 1.1.2014 ... 20

5 Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde ... 21

5.1 Einbringung der Beschwerde aus Sicht des Beschwerdeführers ... 21

5.1.1 Allgemeines ... 21

5.1.2 Beschwerdelegitimation... 21

(4)

Inhaltsverzeichnis IV

5.1.4 Einbringungsort ... 24

5.1.5 Materielle Voraussetzungen der Bescheidbeschwerde ... 25

5.1.6 Wirkung, Verzicht und Zurücknahme der Bescheidbeschwerde ... 26

5.2 Reaktion der Behörde auf die Bescheidbeschwerde... 27

5.2.1 Allgemeines ... 27

5.2.2 Zulässigkeitsprüfung ... 28

5.2.3 Beschwerdevorentscheidung als Regelfall ... 29

5.2.4 Ausnahmen von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ... 32

5.3 Einbringung des Vorlageantrages aus Sicht des Beschwerdeführers ... 33

5.3.1 Antragslegitimation ... 33

5.3.2 Vorlageantragesfrist ... 34

5.3.3 Materielle Voraussetzungen des Vorlageantrages ... 34

5.3.4 Wirkung, Verzicht und Zurücknahme des Vorlageantrages ... 35

5.4 Reaktion der Abgabenbehörde auf den Vorlageantrag ... 35

5.4.1 Allgemeines ... 35

5.4.2 Zulässigkeitsprüfung ... 35

5.4.3 Vorlage der Beschwerde und der Akten an das BFG ... 36

5.4.4 Verständigung des Beschwerdeführers ... 38

6 Neuerungen im Verfahren vor dem BFG ... 39

6.1 Allgemeines ... 39

6.2 Überblick über die Organisation und die Zuständigkeit des BFG ... 40

6.2.1 Organisation des BFG ... 40

6.2.2 Zuständigkeiten des BFG ... 42

6.3 Das finanzgerichtliche Ermittlungsverfahren ... 44

6.3.1 Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ... 44

6.3.2 Rechte und Pflichten des VwG... 45

6.3.3 Rechte und Pflichten der Abgabenbehörde ... 47

6.3.4 Rechte und Pflichten des Beschwerdeführers ... 49

6.4 Entscheidungsfindung ... 50

(5)

Inhaltsverzeichnis V

6.4.2 Mündliche Verhandlung ... 52

6.5 Entscheidungsformen ... 54

6.5.1 Überblick ... 54

6.5.2 Beschluss gem § 278 BAO ... 54

6.5.3 Erkenntnis gem § 279 BAO ... 57

6.6 Maßnahmenbeschwerde ... 59

6.7 Säumnisbeschwerde ... 60

7 Neuerungen im Verfahren vor dem VwGH ... 63

7.1 Allgemeines ... 63

7.2 Revision und außerordentliche Revision an den VwGH ... 63

7.3 Einbringung der Revision ... 64

7.3.1 Zulässigkeit der Revision... 64

7.3.2 Revisionslegitimation ... 64

7.3.3 Revisionsfrist ... 65

7.3.4 Einbringung der Revision ... 66

7.3.5 Materielle Voraussetzungen der Revision ... 67

7.3.6 Wirkung, Verzicht und Zurücknahme der Revision... 68

7.3.7 Prüfung durch das VwG und Vorlage an den VwGH ... 70

7.4 Einbringung der außerordentlichen Revision ... 72

7.4.1 Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ... 72

7.4.2 Revisionslegitimation ... 73

7.4.3 Revisionsfrist der außerordentlichen Revision ... 73

7.4.4 Einbringung der außerordentlichen Revision ... 73

7.4.5 Materielle Voraussetzungen der außerordentlichen Revision ... 73

7.4.6 Wirkung der außerordentlichen Revision ... 74

7.4.7 Prüfung durch das Verwaltungsgericht und Vorlage an den VwGH ... 74

7.5 Verzicht und Zurückziehung der Revision ... 75

8 Fazit ... 76

Literaturverzeichnis ... 79 Inhaltsverzeichnis

(6)

Abbildungsverzeichnis VI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Terminologische Änderungen ... 19 Abbildung 2: Der administrative Instanzenzug vor 1.1.2014 ... 20 Abbildung 3: Die zweistufige Finanzgerichtsbarkeit ab 1.1.2014 ... 20

(7)

Abkürzungsverzeichnis / Glossar VII

Abkürzungsverzeichnis / Glossar

AbgÄG Abgabenänderungsgesetz Abs Absatz aF alte Fassung Art Artikel AsylGH Asylgerichtshof

AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991

AVOG Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010

AW aufschiebende Wirkung

BAO Bundesabgabenordnung

BFG Bundesfinanzgericht

BGBl Bundesgesetzblatt

BlgNR Beilage, -n zu den stenographischen Protokollen des

National-rates BM Bundesminister BMF Bundesministerium für Finanzen B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BVwG Bundesverwaltungsgericht BVwGG Bundesverwaltungsgerichtsgesetz bzw beziehungsweise dh das heißt

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention

ErläutRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage

EuGH Europäischer Gerichtshof

f und der, die folgende

ff und die folgenden

FJ „Finanzjournal“

FLAG Familienlastenausgleichsgesetz 1967

Fn Fußnote

F-VG Finanz-Verfassungsgesetz 1948

(8)

Abkürzungsverzeichnis / Glossar VIII

gem gemäß

GRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Hrsg Herausgeber

hM herrschende Meinung

idF in der Fassung

idR in der Regel

iSd im Sinne der/des

iVm in Verbindung mit

Lfg Lieferung

lit littera

LVwG Landesverwaltungsgericht

nF neue Fassung

OGH Oberster Gerichtshof

ÖJZ „Österreichische Juristen-Zeitung“

ÖStZ „Österreichische Steuer-Zeitung“

ÖStZB „Die finanzrechtlichen Erkenntnisse des VwGH, VfGH, EuGH

und BFG, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung“

ÖVwBl „Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Blätter“

RFG „Recht & Finanzen für Gemeinden“

Rs Rechtssache

Rz Randziffer

sog so genannt, -e, -er, -es

TS Teilstrich

ua unter anderem

UFS Unabhängiger Finanzsenat

UFSG UFS-Gesetz

UVS Unabhängige Verwaltungssenate

VfGH Verfassungsgerichtshof

VfGG Verfassungsgerichtshofgesetz 1953

vgl vergleiche

VwG Verwaltungsgericht

(9)

Abkürzungsverzeichnis / Glossar IX VwGG Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 VwGH Verwaltungsgerichtshof VwGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz WKG Wirtschaftskammergesetz 1988 Z Ziffer ZollR-DG Zollrechts-Durchführungsgesetz

ZÖR „Zeitschrift für öffentliches Recht“

ZPO Zivilprozessordnung

ZUV „Zeitschrift der unabhängigen Verwaltungssenate“

(10)

Einleitung 1

1 Einleitung

1.1 Einführung in das Thema

Die mit 1.1.2014 in Kraft getretene Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 führte zu einer grundlegenden Reform der österreichischen Verwaltung.1 Die Abschaffung von rund 120 (Sonder-) Behörden und die Etablierung einer zwei-stufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit – an Stelle des bisherigen administrativen Instanzenzuges2 – stellt wohl eine der gravierendsten Veränderungen des ös-terreichischen Rechtsschutzsystems dar.3 Neben den bisherigen Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS) und einer Vielzahl an Sonderbehörden, wurde auch der bis zum 31.12.2013 bestehende Unabhängige Finanzsenat (UFS) zu einem „echten“ Verwaltungsgericht.4

Das in den ErläutRV titulierte und in Art 129 B-VG verwirklichte „9+2 Modell“5

umfasst neben den neun Landesverwaltungsge-richten (LVwG) in den jeweiligen Bundesländern, zwei Bundesverwaltungsge-richte, in Form des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) und des Bundesfinanz-gerichts (BFG).6 Während die LVwG im Wesentlichen die Agenden der UVS übernehmen, tritt das BFG7 an die Stelle des UFS und das Bundesverwal-tungsgericht übernimmt die Aufgabenbereiche des Asylgerichtshofs (AsylGH).8

1

Vgl Hauser, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts3, 2014, 3; Merzo, Das

Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen im Überblick, ecolex 2013, 464; Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012: Überblick über die mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 492.

2

Alle administrativen Instanzenzüge wurden per Verfassungsgesetz abgeschafft. Lediglich im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde besteht weiterhin die Möglichkeit einen innergemeindlichen Instanzenzug zu beschreiten, sofern dieser nicht durch einfaches Gesetz ausgeschlossen werden kann, vgl Art 118 Abs 4 B-VG; Altenburger/Kneihs, Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH4, 2014, 1.

3

Vgl Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 1;

Ryda/Langheinrich, Der langersehnte Abschluss der Integration im abgabenbehördlichen

Rechtsmittelverfahren, FJ 2012, 234; Schmelz, Revolution im Verwaltungsrechtsschutz: Zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, Revision an den VwGH und andere Neuigkeiten, ecolex 2013, 584.

4

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 3.

5

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 11.

6

Vgl Art 129 B-VG.

7

Es werden somit die Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechts vom BFG übernommen, vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick, ÖJZ 2013, 759.

8 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

(11)

Einleitung 2

Durch die Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und der verfahrensrechtlichen Anpassung der BAO im Rahmen des Finanzverwaltungs-gerichtsbarkeitsgesetzes 2012 (FVwGG 2012) ergeben sich auch Änderungen im Bereich des Abgabenrechts. Neben der zuvor erwähnten Umwandlung des UFS in das BFG, kommt es hinsichtlich des Verfahrens in der BAO zu einer Vielzahl an terminologischen Adaptierungen.9 Darüber hinaus bedeutet die Um-strukturierung für den Abgabepflichtigen einen veränderten Verfahrensweg des Rechtsschutzes und eine Kappung des administrativen Instanzenzuges.10 Ge-langte bislang der Abgabepflichtige mit seinem Rechtsmittel gegen eine Ent-scheidung einer Verwaltungsbehörde (Finanzamt, Zollamt) idR wieder vor eine Verwaltungsbehörde, so wird der Rechtsschutz ab 1.1.2014 durch eine zweistu-fige Verwaltungsgerichtsbarkeit gewährleistet.11 Der Verfahrensweg führt dem-nach dem-nach der erstinstanzlichen Abgabenbehörde zu einem Verwaltungsgericht, welches dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vorgelagert ist.12

Der neu strukturierte Verfahrensweg soll neben einer Verfahrensbeschleuni-gung und einem verstärkten Bürgerservice auch eine Entlastung des VwGH bewirken, da nur noch Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung dem VwGH vorgelegt werden.13 In Folge dessen wird sich auch sein Aufgabengebiet än-dern. Demnach wird primäre Aufgabe des VwGH die Wahrung einer einheitli-chen Rechtsprechung der ihm untergeordneten Instanzen werden. Aspekte der Einzelfallgerechtigkeit sollen indes in den Hintergrund rücken.14

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die grundlegenden Änderungen im Bereich der BAO, die mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und der Umsetzung des FVwGG 2012 geschaffen wurden,

9

Übersicht über die terminologischen Änderungen in der BAO siehe Kapitel 4.2.

10 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

ÖJZ 2013, 757.

11

Vgl Ryda/Langheinrich, Der langersehnte Abschluss der Integration im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren, FJ 2012, 234.

12

Vgl Merzo, Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen im Überblick, ecolex 2013, 464.

13

Vgl Art 133 Abs 4 B-VG; Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 7. Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, entscheidet das Verwaltungsgericht (LVwG oder BFG). Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision. Siehe hierzu Kapitel 7.2.

14

Vgl Kahl in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 435; Staringer in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 37.

(12)

Einleitung 3

stellen. Vor diesem Hintergrund werden Neuerungen im Verfahren vor dem BFG im Vergleich zum bisherigen Verfahren vor dem UFS aufgezeigt. Deswei-teren werden Änderungen im Verfahren vor dem VwGH ausgearbeitet, die sich insbesondere auf die Zulässigkeit der Revision bzw außerordentlichen Revision beziehen.

1.2 Vorgehensweise

Im ersten Kapitel erfolgt eine Einführung in das Thema, die mit einer Zielset-zung der Arbeit schließt. Der zweite Abschnitt soll die Hintergründe, die für die Umsetzung dieser tiefgreifenden Veränderung in der österreichischen Verwal-tungspraxis maßgeblich waren, aufzeigen. Zum besseren Verständnis für die jahrelange Forderung nach einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgt ein kurzer Rückblick in die Vergangenheit, um die historische Entwicklung der Diskussion über die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform aufzeigen zu können. Darüber hin-aus werden die in den Materien hin-ausgegebenen Zielsetzungen des Gesetzge-bers näher untersucht.

Im dritten Kapitel wendet sich der Fokus auf die abgabenrechtlich beachtlichen Rechtsgrundlagen. Es werden verfassungs- und bundesgesetzliche Regelun-gen für die neu anzuwendende Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bereich des Ab-gabenrechts dargestellt, um einen Überblick über die zahlreichen neuerlasse-nen Gesetze bzw Gesetzesanpassungen zu bekommen. Der vierte Abschnitt stellt einen Überblick über den Kernbereich der Arbeit – der Änderungen des neuen Abgabenrechtsmittels – dar. Zuerst werden die wesentlichen inhaltlichen Neuerungen und die terminologischen Adaptierungen, die sich durch die neue mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben, veranschaulicht. Anschlie-ßend erfolgt eine graphische Darstellung der Änderungen im Verfahrensablauf, welche detailliert in den Kapiteln 5 bis 7 ausgearbeitet sind. Die Ausführungen in den drei Kapiteln erfolgen analog zu den drei Instanzen des abgabenrechtli-chen Verfahrensweges. Während in Kapitel 5 die Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde ausgearbeitet werden, befassen sich Kapitel 6 und 7 mit den Änderungen im Verfahren vor dem BFG bzw dem VwGH. Den Abschluss der Arbeit bilden die Schlussbemerkungen.

(13)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 4

2 Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012

2.1 Historische Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Öster-reich

2.1.1 Gründung des VwGH

Bis zum in Kraft treten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 war die österreichische Rechtsschutztradition von der einstufigen nachprüfenden Ver-waltungsgerichtsbarkeit geprägt.15 Ihre Entstehungsgeschichte ist eine lange und geht bis in die Herrschaft des Kaisers Franz Josef I. zurück.16 Bereits in der Dezemberverfassung 1867 war der Verwaltungsgerichtshof erstmalig verfas-sungsmäßig als einstufige nachprüfende Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgese-hen.17 Als er seine Tätigkeit neun Jahre später, am 2. Juli 1876, aufnahm, wur-de ihm die historische Aufgabe zu teil, das vollständige Gebiet wur-der öffentlichen Verwaltung erstmals zu durchdringen und als zuständiges Höchstgericht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu fungieren.18 Die Entscheidungen des VwGH, die bereits unmittelbar nach seiner Tätigkeitsaufnahme öffentlich zugänglich waren, wurden systematisch behandelt und dienten somit als wissenschaftliche Grund-lage des österreichischen Verwaltungsrechts. Fortan trug der VwGH mit seiner Judikatur maßgeblich zur Entwicklung des österreichischen Rechtsstaates bei und ist neben dem VfGH und dem OGH eines von drei Höchstgerichten in Ös-terreich.19

Charakteristisch für dieses System der nachprüfenden Kontrolle war die einge-schränkte Überprüfung der angefochtenen Verwaltungsakte auf ihre Rechtmä-ßigkeit. Der VwGH konnte im kassatorisch ausgestalteten System einen in Be-schwerde gezogenen Verwaltungsakt bloß als rechtswidrig aufheben bzw ihn

15

Vgl Fischer, Die Einführung von Verwaltungsgerichten in den Ländern, ZVR 2012, 426.

16

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 15.

17

Vgl Gesetz vom 22. Oktober 1875, betreffend die Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes, RGBl 1876/36; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 15.

18

Vgl Olechowski in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 17.

19

Vgl Olechowski in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 17.

(14)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 5

für rechtswidrig erklären.20 Folglich hatten die Verwaltungsbehörden die Sach-entscheidungen zu treffen, wenn auch mit bindender Wirkung an die Rechtsan-sicht des Höchstgerichts.21 Eine weitere bezeichnende Eigenschaft des VwGH bezüglich der Überprüfung von behördlichen Entscheidungen liegt in der Ver-wehrung einer vollen Kognitionsbefugnis22.23 Der VwGH entscheidet bloß auf Grundlage jenes Sachverhaltes, der von der Verwaltungsbehörde ermittelt wur-de.24 Es steht im lediglich zu, die getroffene Sachverhaltsfeststellung als unzu-reichend zu beanstanden bzw zu prüfen, ob Verfahrensvorschriften – bei-spielsweise Parteiengehör – bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhal-tes verletzt wurden.25

2.1.2 Etablierung der UVS in den Ländern und Gründung des UFS

Die im vorigen Kapitel beschriebene Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dem VwGH als einstufiges nachprüfendes Höchstgericht wurde mit der B-VG-Novelle BGBl 685/1988 reformiert. Im 6. Hauptstück der österreichischen Bundesverfassung wurde in den Art 129a und 129b B-VG aF durch die Schaffung der unabhängi-gen Verwaltungssenate in den Ländern26 (UVS) ein entscheidender Anstoß für den Weg hin zu einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit verankert.27 Die damals neuartigen Rechtschutzeinrichtungen der UVS waren nach dem Wort-laut des Art 129 B-VG aF neben dem Verwaltungsgerichtshof „zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen“.28

20

Vgl Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 1.

21

Lediglich im Falle einer Säumnisbeschwerde stand dem VwGH eine meritorische Entscheidungskompetenz zu, vgl Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 1.

22

Darunter wird die (mögliche) Kompetenz eines Gerichtes verstanden, einen bestimmten tatsächlichen Sachverhalt festzustellen und rechtlich über ihn zu entscheiden.

23 Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit – Wesen und Wandel, ZÖR 2012, 64 f. 24

Vgl § 115 BAO.

25

Vgl Ringhofer in Lehne/Loebenstein/Schimetschek (Hrsg), Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit – Festschrift zum 100jährigen Bestehen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes, 1976, 351; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 1.

26

Vgl BGBl 1988/685.

27 Vgl Pabel, Die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich – Grundlagen und

Stand der Reform, RFG 2012, 160; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 7.

28

Die Bedeutung dieses im Verfassungsrang verankerten Satzes ist weitreichend, da er eine deutliche Abgrenzung zwischen den UVS und anderen weisungsfrei gestellten

(15)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 6

Auslöser für die Installation der UVS war der Europäische Gerichtshof für Men-schenrechte (EGMR) und dessen Interpretation von Art 6 EMRK.29 Die An-wendbarkeit des in Art 6 EMRK niedergeschriebenen Rechts auf ein faires Ver-fahren30 wurde vom EGMR in seiner Auslegung über Streitigkeiten von „civil rights“31 über das herkömmliche Verständnis des Zivilrechts ausgeweitet.32 Das heißt, dass der EGMR zunehmend Ansprüche, die nach kontinental-europäischem Verständnis dem Bereich des öffentlichen Rechts zuzuordnen sind, als „civil rights“ beurteilte und dem Anwendungsbereich des Art 6 EMRK unterwarf.33 Im Hinblick auf die österreichische Rechtsordnung hatte die weite Auslegung zur Folge, dass auch verwaltungsbehördliche Fragen vom Anwen-dungsbereich des Art 6 EMRK umfasst wurden. Es stellte sich somit die Frage, ob die seinerzeit ausgestaltete Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar mit Art 6 EMRK war, denn nach Art 6 EMRK hat jedermann ein Recht auf eine Entschei-dung eines Tribunals in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten und der

Rechtschutzeinrichtungen, wie beispielsweise den Kollegialbehörden mit richterlichen Einschlag gem § 133 Z 4 B-VG aF, vornimmt. Die UVS waren somit als allgemeine Rechtsschutzinstanz angelegt und nicht nur für eingeschränkte Materien zuständig. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit § 129a Abs 3 iVm Art 89 B-VG aF eine Annäherung der UVS an ordentliche Gerichte, da sie zum einen den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung zu beachten hatten und zum anderen bei Bedenken gegen den Verstoß der Verfassungsmäßigkeit eines von ihnen anzuwendenden Gesetzes oder gegen die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung den Verfassungsgerichtshof anzurufen hatten, vgl Art 89 B-VG aF; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 2.

29

Vgl Fischer, Die Einführung von Verwaltungsgerichten in den Ländern, ZVR 2012, 427.

30 Nach dem Wortlaut des Art 6 Abs 1 EMRK hat „jede Person ein Recht darauf, daß über

Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde“.

31

Unter dem Begriff „civil rights“ werden „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ verstanden, vgl Rath-Kathrein in Pernthaler (Hrsg), Unabhängige Verwaltungssenate und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1993, 46. Steuersachen werden hingegen nicht vom Begriff der „civil rights“ erfasst, vgl Steiner, Grundzüge der Verfassung und Verwaltung, 2014, 73.

32

Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10, 2013, Rz 646; Pabel,

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012: Überblick über die mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 492.

33

Vgl Rath-Kathrein in Pernthaler (Hrsg), Unabhängige Verwaltungssenate und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1993, 45.

(16)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 7

bunalqualität wird lediglich dann entsprochen, wenn bestimmte organisatorische Anforderungen wie Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfüllt werden.34 Dar-über hinaus muss aber auch die Befugnis vorhanden sein, bindende, durch-setzbare Entscheidungen treffen zu können.35 Hier lag eine grundlegende Prob-lematik des österreichischen Rechtsschutzes, da der VwGH, eingebettet im System der nachprüfenden Kontrolle, womöglich nicht mit ausreichender Ent-scheidungsbefugnis ausgestattet war, um die Tribunalqualität des Art 6 EMRK erfüllen zu können.36 Der Gesetzgeber reagierte in Folge dessen mit der B-VG-Novelle BGBl 685/1988 auf die Rechtsunsicherheit und schaffte mit den UVS Behörden, die den Anforderungen des Art 6 EMRK entsprachen.37

Trotz der 23 Jahre lang tätigen UVS, die vielfach auch als „Erfolgsgeschichte“38

tituliert wurde, war die Errichtung dieser Instanzen nicht der ganz große „Wurf“, da sich der VwGH vor dem immer größer werdenden Andrang an Beschwerden nicht mehr retten konnte.39 Hauptgrund für die Überlastung des VwGH waren die ausufernden Angelegenheiten des Asylrechts, welche im Jahr 1996 bereits 60% der eingelangten Fälle beim VwGH betrafen.40 Eine Reaktion des Gesetz-gebers erfolgte durch die Verfassungsnovelle 1997, die einen zusätzlichen UVS, den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS), schaffte.

Eine weitere Behörde wurde 2002 mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz 2002 installiert. Nach dem Vorbild der UVS errichtete man den

34

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012: Überblick über die mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 492.

35 Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit – Wesen und Wandel, ZÖR 2012, 72. 36

Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10, 2013, Rz 646; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 3. Auch der EuGH hat die UVS als vorlageberechtigte Gerichte iSd Art 234 EG-Vertrag anerkannt, vgl EuGH, Urteil vom 12.06.2003, Rs C-316/01, CELEX Nr 62001J0316.

37

Obwohl die UVS Behörden sind, haben sie nach dem Verständnis des Art 6 EMRK Tribunalqualität, da sie durch ihre verfassungsrechtlich abgesicherte Unabhängigkeit nicht in den Weisungszusammenhang eingebunden sind, der ein entscheidendes Merkmal der Verwaltungsorganisation bildet, vgl Olechowski in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 17; Gamper, Staat und Verfassung3, 2014, 182 f.

38

Vgl Öhlinger, Abschied von den UVS, ZUV 2012, 51.

39

Vgl Lehne, Ein Notschrei des Verwaltungsgerichtshofes, der nicht unbeachtet verhallen darf, 1996, 3 ff.

40

Vgl Olechowski in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 32.

(17)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 8

Unabhängigen Finanzsenat (UFS) für das Finanzrecht.41 Dies geschah ua vor dem Hintergrund der Tendenz zu einer gerichtsförmigen Kontrolle auf Ebene des Unionsrechts (Art 47 GRC). Die Rechtschutzgewährleistung des Art 47 GRC geht über die Anforderungen des Art 6 EMRK hinaus und umfasst neben den „civil rights“ jegliche Streitigkeiten.42

Demnach musste auch im Finanzrecht eine gerichtsförmige Kontrolle durch ein Gericht iSd Rechts der Europäischen Union gewährleistet werden.43 Mit der Gründung des UFS wurde dieser europä-ischen Vorgabe entsprochen.

2.1.3 Österreich Konvent

Einen weiteren wichtigen Schritt für die Umsetzung einer zweistufigen Verwal-tungsgerichtsbarkeit setzte der Österreich Konvent, der am 2. Mai 2003 ins Le-ben gerufen wurde. Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen in der Ausarbei-tung einer grundlegenden Staats- und Verfassungsreform, die Eckpunkte für eine effizientere Verwaltung schaffen sollte.44 Von diesem Ziel getrieben, tagte der Österreich-Konvent zwei Jahre lang und sprach sich für ein „9+1 Modell“ aus, das aus neun LVwG und einem BVwG erster Instanz bestehen sollte.45 Eine unmittelbare und umfassende Umsetzung dieses Reformvorhabens fand zu diesem Zeitpunkt noch nicht statt, dennoch bildeten die Vorschläge des Ös-terreich Konvents die Grundlage für eine beim Bundeskanzleramt organisierte Expertengruppe.46 Deren erster Bericht enthielt eine Bereinigung der Verfas-sung und Vorschläge für die Umsetzung einer zweistufigen Verwaltungsge-richtsbarkeit.47 Im Gegensatz zur Verfassungsbereinigung, die mit der Novelle BGBl I 2/2008 verwirklicht wurde, scheiterte die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst noch an dem dafür notwendigen

41

Vgl Olechowski in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 32 f.

42

Vgl Fn 31.

43

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012: Überblick über die mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 493.

44

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 7; nähere Details und Berichte siehe auch unter www.konvent.gv.at.

45

Vgl Jabloner in Olechowski (Hrsg), Der Wert der Verfassung – Werte in der Verfassung, 2005, 53; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 4.

46

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 7.

47

Vgl Eberhard, Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, ÖVwBl 2012, 2; Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 7.

(18)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 9

schen Konsens.48 Stattdessen erfolgte die Umwandlung des Unabhängigen Bundesasylsenates in einen Asylgerichtshof (AsylGH), der Entscheidungen er-lassen konnte, welche nicht mehr dem VwGH vorgelegt werden konnten.49 Der AsylGH war nunmehr für Berufungen und Säumnisbeschwerden in Asylangele-genheiten zuständig.50

2.1.4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012

Nach jahrelangen Forderungen nach einer mehrstufigen Verwaltungsgerichts-barkeit und dem Scheitern der ausgearbeiteten Vorschläge des Österreich Konvents, wurde im Jahr 2012 die österreichische Bundesverfassung mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geändert und 136 Jahre nach Auf-nahme der Tätigkeit des VwGH die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich etabliert.51 Die Implementierung der zweistufigen Gerichtsbarkeit im österreichischen Rechtssystem führte zu einer Abschaffung von rund 120 (Son-der-) Behörden.52 Darüber hinaus wurden die UVS und der UFS mit 1.1.2014 zu einem „echten“ Verwaltungsgericht umfunktioniert.53

Das in den ErläutRV titu-lierte und in Art 129 B-VG verwirklichte „9+2 Modell“54

umfasst neben den neun LVwG in den jeweiligen Bundesländern, zwei Bundesverwaltungsgerichte, in Form des BVwG und des BFG.55 Während die LVwG im Wesentlichen die Agenden der UVS übernahmen, trat das BFG56 an die Stelle des UFS und das BVwG übernahm die Aufgabenbereiche des AsylGH.57 Durch die Umstrukturie-rung entscheiden ab 1.1.2014 nunmehr an Stelle der Bundes- und

48

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 7.

49

Vgl Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 2013, 4;

Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 2014, 5.

Zur näheren gesetzlichen Ausgestaltung des AsylGH siehe Art 129c bis Art 129f B-VG aF.

50

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 15.

51

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 15 f.

52

Vgl Ryda/Langheinrich, Der langersehnte Abschluss der Integration im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren, FJ 2012, 234.

53

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 3.

54

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 11.

55

Vgl Art 129 B-VG.

56

Es werden somit die Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechts vom BFG übernommen, vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick, ÖJZ 2013, 759.

57 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

(19)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 10

hörden die Verwaltungsrichter/Innen, die mit sämtlichen verfassungsrechtlichen Richterrechten ausgestattet sind. Dadurch soll eine europarechtliche Lücke ge-schlossen werden und zugleich die Rechtsstaatlichkeit novelliert werden. 58

2.2 Ziele der Reform

Im Vorblatt der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 kommen folgende Absichten des Gesetzesantrages zum Ausdruck, die durch Inkrafttreten dieser Novelle erreicht werden sollen:

„Das Regierungsprogramm der Bundesregierung für die 24. Gesetzgebungspe-riode sieht im Kapitel ‘Leistungsfähiger Staat‘ die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Zweck dieses Vorhabens ist der Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne der Verfahrensbeschleunigung und eines ver-stärkten Bürgerservice sowie die Entlastung des VwGH.“59

Die ausgegebenen Ziele in den ErläutRV 1618 umfassen demnach drei Kern-themen, die im Vergleich zum bisherigen administrativen Instanzenzug kosten-deckend umgesetzt werden sollen.60 Demnach wünscht sich der Gesetzgeber durch die Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit den Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne der Verfahrensbeschleunigung. Dies soll vor allem durch die Verpflichtung der VwG, innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Beschwerde eine Entscheidung treffen zu müssen, erreicht wer-den. Halten sich die VwG nicht an diese Frist, bzw an die vom Materiengesetz-geber abweichende Frist, so hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit einen Fristsetzungsantrag beim VwGH zu stellen.61

Desweiteren soll die Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zu einem verstärkten Bürgerservice führen. Inwieweit dies mit der Umgestaltung des Rechtsschutzsystems geschaffen werden soll, geht jedoch nicht aus den ErläutRV 1618 hervor.62 Das dritte normierte Ziel des Gesetzgebers betrifft die

58

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 16. Zu den Zielen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 siehe Kapitel 2.2.

59

ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP, 1.

60

Vgl ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP, 5.

61 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

ÖJZ 2013, 760.

62

(20)

Hintergründe der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 11

Entlastung des VwGH. Dies soll vor allem durch die Schaffung eines neuen visionszulassungsmodells bewerkstelligt werden. Mit der Anlehnung an das Re-visionszulassungsmodell der Zivilprozessordnung63 soll die Anrufbarkeit des VwG eingeschränkt werden64, da das VwG in einem ersten Schritt in seiner Entscheidung mittels Beschluss oder Erkenntnis anzuführen hat, ob überhaupt eine Revision an den VwGH zulässig ist.65

63

Vgl §§ 500 ff ZPO.

64

Vgl Ennöckl/Wessely, Das Administrativverfahren der VwG, ecolex 2013, 590.

65

(21)

Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren 12

3 Überblick

über

die

Rechtsgrundlagen

im

Abgabenrechtsmittelverfahren

Für die Umsetzung einer der tiefgreifendsten Reformen in der bisherigen öster-reichischen Rechtsschutztradition bedurfte es einer Reihe von neuzuerlasse-nenden Gesetzen bzw zahlreicher Gesetzesanpassungen. Im Nachfolgenden soll eine zusammenfassende Darstellung der wesentlichsten verfassungs- und bundesgesetzlichen Änderungen einen Überblick über die neuen Gesetzes-grundlagen und ihre Strukturen schaffen. Dabei liegt der Fokus auf Bestimmun-gen, die sich auf das Abgabenrechtsmittelverfahren beziehen.

3.1 Verfassungsgesetzliche Grundlagen

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die neue Verwaltungsgerichtsbar-keitsreform schaffte die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012.66 Im Rah-men dieser Novelle kam es zu einer Änderung der Bundesverfassung.67 Dabei wurde das weiterhin bestehende Siebente Hauptstück, welches verfassungs-rechtliche Bestimmungen über Garantien der Verfassung und Verwaltung ent-hält, neu gegliedert.68

Nunmehr enthält das Siebente Hauptstück zwei Teile (Teil A und Teil B). Wäh-rend Teil A, die „Verwaltungsgerichtsbarkeit“, mit den Art 129 bis Art 136 B-VG das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (VwG) und jenes vor dem VwGH regelt, wurde im zweiten Teil B die „Verfassungsgerichtsbarkeit“ mit den Art 137 bis 148 B-VG neu verankert.69 Die bisherige Gliederung des Siebenten Haupt-stücks mit Teil A „Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern“ (Art 129a bis Art 129b B-VG), Teil B „Asylgerichtshof“ (Art 129c bis Art 129f B-VG), Teil C „Verwaltungsgerichtshof“ (Art 130 bis Art 136 B-VG), sowie Teil D „Verfas-sungsgerichtshof“ (Art 137 bis 148 B-VG) gehört somit der Vergangenheit an.

66 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

ÖJZ 2013, 758.

67

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 15.

68

Vgl Pabel, Verwaltungsgerichtsbarkeit NEU, 2013, 8.

69

Vgl Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 2;

Ehrke-Rabel, Einführung einer Finanzgerichtsbarkeit: Paradigmenwechsel? taxlex 2014, 5; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 98 ff.

(22)

Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren 13

Inhaltlich wird im Teil A des Siebenten Hauptstücks in Art 129 B-VG das ein-gangs erwähnte „9+2 Modell“ normiert.70

Der bisherige administrative Instan-zenzug wurde somit abgeschafft und eine Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz geschaffen.71 In jedem Bundesland wird ein Verwaltungsgericht (LVwG) installiert. Auf Bundesebene besteht neben einem zu bezeichnenden Verwal-tungsgericht des Bundes (VwG) ein besonderes VerwalVerwal-tungsgericht für Finan-zen (BFG).72 Die Entscheidungsbefugnisse sämtlicher Verwaltungsgerichte sind im darauffolgenden Art 130 B-VG allgemein geregelt. Demnach erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (sog „Bescheidbeschwerde“)73

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrikgeit (sog „Maßnahmenbeschwerde“)74

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbe-hörde (sog „Säumnisbeschwerde“)75

Anschließend verteilt Art 131 B-VG diese Zuständigkeiten nach dem Modell der Generalklausel, welches die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder begründet, mit taxativen Ausnahmen, welche zugunsten des Zuständigkeitsbe-reichs der Verwaltungsgerichte des Bundes normiert wurden.76 Das bedeutet, die Zuständigkeit der neun LVwG ist immer dann gegeben, wenn das B-VG selbst kein anderes Gericht (BFG oder BVG) für zuständig normiert.77

In Abgabensachen hält Art 131 Abs 3 B-VG fest, dass das BFG über Bescheid-, Maßnahmen- und Säumnisbeschwerden iSd Art 130 Abs 1 Z 1 bis 3 B-VG in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben erkennt, wenn eine Besorgung von

70

Siehe bereits Kapitel 1.1.

71

Vgl Unger in Larcher (Hrsg), Handbuch Verwaltungsgerichte, 2013, 185.

72

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 3. 73 Vgl Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG. 74 Vgl Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG. 75 Vgl Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG. 76

Vgl ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP, 15; Fischer, Die Einführung von Verwaltungsgerichten in den Ländern, ZVR 2012, 428. Art 131 Abs 2 B-VG normiert den Zuständigkeitsbereich des BVG. Art 131 Abs 3 B-VG regelt den Zuständigkeitsbereich des BFG, siehe diesbezüglich auch den nächsten Absatz.

77

(23)

Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren 14

den Abgaben- und Finanzstrafbehörden des Bundes erfolgt.78 Einzig ausge-nommen von den öffentlichen Abgaben sind Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden.79 Desweiteren hat das BFG auch über die Be-schwerden (iSd Art 130 Abs 1 Z 1 bis 3 B-VG) des Finanzstrafrechts, sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten zu erkennen.80 Die Zustän-digkeit der LVwG erstreckt sich auf alle übrigen Fälle. Sie entscheiden somit über Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben.81 Der nächste Art (Art 132 B-VG) regelt die Beschwerdelegitimation.82 Während Art 133 B-VG die Zuständigkeiten des VwGH normiert, trifft Art 134 B-VG Regelungen über die Organisation der Verwaltungsgerichte und des VwGH. Die letzten drei Art (Art 135, 135a und 136 B-VG) regeln zum einen Grundaussagen zur Entschei-dungsfindung der Verwaltungsgerichte bzw die Zuständigkeit zur Regelung der Organisation der Verwaltungsgerichte zwischen Bund und Ländern.83

Eine ausführliche Darstellung zu den Verfahren vor dem BFG bzw dem VwGH erfolgen in Kapitel 6 und 7. Ausführungen zu der Organisation der LVwG und des BVwG würden über die Ziele der vorliegenden Arbeit hinausschießen und werden daher im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt. Ebenso würde eine Behandlung der Verfassungsgerichtsbarkeit den Rahmen der vorliegenden Ar-beit sprengen.

3.2 Bundesgesetzliche Grundlagen

Neben der verfassungsrechtlichen Neuordnung bedurfte es zur Umsetzung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit zudem auch einfachgesetzlicher Änderun-gen. Die wichtigsten Maßnahmen hierfür schaffte das Verwaltungsgerichtsbar-keits-Ausführungsgesetz 2013 mit den gesetzlichen Ausführungen über das

78 Vgl Art 131 Abs 3 B-VG. 79 Vgl Art 131 Abs 3 B-VG. 80

Wiederrum mit der Bedingung, dass die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden, vgl Art 131 Abs 3 B-VG.

81

Vgl Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 3.

82

Für lediglich der Übersicht dienende Zwecke sei nur die strukturierte Eingliederung in der österreichischen Bundesverfassung erwähnt. Eine detaillierte inhaltliche Ausführung über die Beschwerdelegitimation erfolgt für Abgabesachen, welche in der BAO geregelt sind, in Kapitel 5.1.2.

83

Nähere Ausführungen zu Art 136 B-VG, den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens und dem Verfahren für Bundesabgaben siehe Kapitel 3.2.

(24)

Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren 15

Verfahrensrecht der neuen Verwaltungsgerichte84 und dem Übergangsrecht85, sowie der Adaptierung einer Vielzahl an Rechtsvorschriften, wie beispielsweise dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), dem Verwaltungsge-richtshofgesetz (VwGG) und dem VerfassungsgeVerwaltungsge-richtshofgesetz (VfGG).86 Daneben wurde mit dem Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) die Or-ganisation des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) geregelt, der mit 1.1.2014 die wesentlichen Agenden des AsylGH übernimmt.87 Für die Umsetzung ein-fachgesetzlicher Änderungen im Bereich des Abgabenrechts schaffte das FVwGG 2012 Abhilfe.88 Es erfolgte für die Gewährleistung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Abgabesachen eine Anpassung der BAO, des Finanzstrafrechts und des ZollR-DG.89

Im Vergleich zwischen der gesetzlichen Regelung des allgemeinen Verwal-tungsverfahrens und dem Verfahren für Bundesabgaben, die vor dem BFG ent-schieden werden, bestehen grundsätzliche Unterschiede. Art 136 B-VG regelt, dass Verfahren vor den Verwaltungsgerichten durch ein besonderes Bundes-gesetz einheitlich geregelt werden, während das Verfahren vor dem BFG nicht durch eigene Bundesgesetze, sondern nur durch Bundesgesetz geregelt wird.90 Die BAO, als Bundesgesetz iSd Art 136 Abs 3 zweiter Satz B-VG, normiert in § 2a BAO, dass die Bestimmungen der BAO im Verfahren vor den VwG sinn-gemäß, soweit die belangte Abgabenbehörde die BAO anzuwenden hat, gel-ten.91 Somit bleibt das Rechtsschutzverfahren für Angelegenheiten der Bun-desabgaben in der gesetzlichen Strukturierung unberührt, mit der einzigen Än-derung, dass das Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) an die Stelle des UFSG

84

Vgl VerwaltungsgerichtsverfahrensG (VwGVG).

85

Vgl Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbK-ÜG).

86 Vgl Lehofer, „Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

ÖJZ 2013, 758. Zur Komplettierung der geänderten bzw angepassten Gesetze durch das Verwaltungsgerichtsbarkeit-Ausführungsgesetz 2013 sind noch zu nennen: Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz, das Zustellgesetz, das Finanzstrafgesetz, die Exekutionsordnung, das Bundesministeriengesetz 1986, das Amtshaftungsgesetz, das Organhaftpflichtgesetz und das Bundesgesetzblattgesetz.

87

Vgl BGBl I 10/2013.

88

Vgl BGBl I 14/2013.

89

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 19.

90

Vgl Art 136 Abs 2 iVm Abs 3 B-VG; Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 5.

91

(25)

Überblick über die Rechtsgrundlagen im Abgabenrechtsmittelverfahren 16

tritt. Der Aufbau und die Organisation des BFG sind somit im BFGG – bisher war der Aufbau und die Organisation des UFS im UFSG geregelt – enthalten.92

Die Regelungen über das Verfahren selbst vor dem BFG, sowie gesetzliche Ausführungen zu den Rechtsmitteln und dem Verfahren in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben, bleiben jedoch weiterhin in der BAO gere-gelt.93

In den nachfolgenden Kapiteln wird das Beschwerdeverfahren beim Finanzamt, das Verfahren vor dem BFG und das Revisionsverfahren vor dem VwGH näher dargestellt. Die hierfür relevanten verfassungs- und bundesgesetzlichen Grund-lagen bilden das B-VG, die BAO und das VwGG.

92

Vgl Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 5.

93

Vgl Ehrke-Rabel, Einführung einer Finanzgerichtsbarkeit: Paradigmenwechsel? taxlex 2014, 5; Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 3.

(26)

Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren 17

4 Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren

4.1 Überblick über inhaltliche Änderungen

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kommt es durch die Umsetzung der Ver-waltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und des FVwGG 2012 ua zu Änderun-gen im Abgabenrechtsmittelverfahren.94 Neben der Umwandlung des UFS in das BFG, bedeutet die Umstrukturierung für den Abgabepflichtigen eine Kap-pung des administrativen Instanzenzuges.95 Gelangte bislang der Abgabepflich-tige mit seinem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung einer Verwaltungsbe-hörde (Finanzamt, Zollamt) idR wieder vor eine VerwaltungsbeVerwaltungsbe-hörde, so wird der Rechtsschutz ab 1.1.2014 durch eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbar-keit gewährleistet.96 Der Verfahrensweg führt demnach nach der erstinstanzli-chen Abgabenbehörde zu einem Verwaltungsgericht, welches dem VwGH noch vorgelagert ist.97

Die Umsetzung der Verwaltungsreform bringt neben zahlreichen terminologi-schen Änderungen (siehe Kapitel 4.2) auch einige inhaltliche Neuerungen im Abgabenrechtsmittelverfahren mit sich, die in den Kapiteln 5 bis 7 ausführlich thematisiert werden:

 Die Abgabenbehörde darf nicht mehr nach freiem Ermessen über eine Fristverlängerung der Beschwerdefrist entscheiden. § 245 Abs 3 BAO regelt nunmehr, dass dem Antrag auf Fristverlängerung stattzugeben ist, wenn „berücksichtigungswürdige Gründe“ vorliegen.98

94

Vgl bereits Kapitel 1.1 sowie Kapitel 2.1.4.

95 Vgl Lehofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit neu“ – die wichtigsten Änderungen im Überblick,

ÖJZ 2013, 757.

96

Vgl Ryda/Langheinrich, Der langersehnte Abschluss der Integration im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren, FJ 2012, 234.

97

Vgl Merzo, Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen im Überblick, ecolex 2013, 464. Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 5.1.3.

98

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 4.

(27)

Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren 18

 Die einmonatige Beschwerdefrist beginnt erst mit der Zustellung des Au-ßenprüfungsberichts gem § 150 BAO an den Beschwerdeführer zu lau-fen.99

 Die Abgabenbehörde erster Instanz hat eine zwingende Berufungsvor-entscheidung zu erlassen (Ausnahmen sind in § 262 Abs 2 bis 4 BAO geregelt100) und kann nicht mehr im Ermessen darüber entscheiden.101

 Wegfall der zweiten Berufungsvorentscheidung. Die Abgabenbehörde verliert ab Stellung des Vorlageantrages bzw in den Fällen, in denen kei-ne Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist (nach den Vorausset-zungen des § 262 Abs 2 bis 4 BAO), ab Einbringung der Bescheidbe-schwerde die Verfahrensherrschaft und die Entscheidungsbefugnis.102

 Die Beschwerdevorentscheidung umfasst im Gegensatz zur Berufungs-vorentscheidung auch Formalerledigungen des Rechtsmittels.103

 Neuregelung des Rechtsschutzes gegen unmittelbare Befehls- und

Zwangsgewalt (sog Maßnahmenbeschwerde gem § 283 BAO).104

 Neuregelung des Rechtsschutzes gegen die Untätigkeit des Finanzamts (sog Säumnisbeschwerde gem § 284 BAO).105

 Systemwechsel im Verfahren vor dem VwGH. Die bis 31.12.2013 beste-hende Möglichkeit der Ablehnung von Beschwerden wurde durch die Einführung eines Revisionszulassungsmodells ersetzt (in Anlehnung an das Verfahren vor dem OGH).106 Die Revision an den VwGH ist nur mehr

99

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 5. Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 5.1.3.

100

Die Ausnahmen des § 262 Abs 2 bis 4 BAO gelten allerdings nicht im Zoll- und Verbrauchsteuerrecht, vgl § 85d ZollR-DG; Ritz, BAO5, 2014, § 262 Rz 13.

101

Vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 4. Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 5.2.3 sowie 5.2.4.

102

Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 5.2.1.

103 Beispielsweise die Zurückweisung einer Beschwerde, vgl Tanzer/Unger, BAO 2014/2015 –

Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung4, 2014, 210. Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 5.2.3.

104

Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 6.6.

105

Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 6.7.

106 Vgl Tanzer/Unger, BAO 2014/2015 – Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung4

, 2014, 205.

(28)

Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren 19

zulässig, wenn eine „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ vor-liegt.107

4.2 Terminologische Änderungen

Die Umstellung des administrativen Instanzenzugs zu einer zweistufigen Ver-waltungsgerichtsbarkeit bringt mehrere terminologische Änderungen mit sich. Die nachfolgende Tabelle stellt einen Überblick über die terminologischen Neu-erungen im Bereich des Rechtsmittelverfahrens in der BAO dar:

Geänderte Terminologie

Rechtsbegriffe bis 31.12.2013 Rechtsbegriffe ab 1.1.2014

Berufung Beschwerde

Berufungswerber Beschwerdeführer

Berufungsentscheidung Erkenntnis (oder Beschluss)

Berufungsvorentscheidung Beschwerdevorentscheidung

Zweite Berufungsvorentscheidung Entfällt

Berufungszinsen Beschwerdezinsen

Abgabenbehörde erster Instanz (= Finanzamt oder Zollamt)

Abgabenbehörde

(= Finanzamt, Zollamt oder BMF) Abgabenbehörde zweiter Instanz

(= UFS) Verwaltungsgericht (= BFG)

Devolutionsantrag Säumnisbeschwerde

VwGH-Beschwerde Revision

Säumnisbeschwerde an den VwGH Fristsetzungsantrag an den VwGH

Referent Berichterstatter

Vorsitzender Senatsvorsitzender

Berufungssenat Senat

107

Vgl Ennöckl/Wessely, Das Administrativverfahren der VwG, ecolex 2013, 590 f. Detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 7.

Abbildung 1: Terminologische Änderungen

(in Anlehnung an: Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 4.)

(29)

Übersicht über das neue Abgabenrechtsmittelverfahren 20

4.3 Graphische Übersicht der Verfahrensabläufe im Abgabenverfahren vor bzw nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012

4.3.1 Der administrative Instanzenzug vor 1.1.2014

4.3.2 Die zweistufige Finanzgerichtsbarkeit ab 1.1.2014 Bescheid

Beschwerde

Beschwerde-vorentscheidung

BFG Vorlageantrag

Verwaltungsgerichtshof

Revision ao. Revision

Abbildung 2: Der administrative Instanzenzug vor 1.1.2014

(in Anlehnung an: Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 8)

Abbildung 3: Die zweistufige Finanzgerichtsbarkeit ab 1.1.2014

(in Anlehnung an: Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 8) Bescheid Berufung Berufungs-vorentscheidung UFS 1. Vorlageantrag 2. Berufungs-vorentscheidung 2. Vorlageantrag Verwaltungsgerichtshof

(30)

Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde 21

5 Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde

5.1 Einbringung der Beschwerde aus Sicht des Beschwerdeführers

5.1.1 Allgemeines

Mit 1.1.2014 tritt an die Stelle der Berufung das Rechtsmittel der Bescheidbe-schwerde. Ab diesem Zeitpunkt können von den Abgabenbehörden erlassene Bescheide nur mit Bescheidbeschwerde gem § 243 BAO bekämpft werden.108 Neben der Änderung der Bezeichnung des Rechtsmittels gibt es auch materiel-le Änderungen, die im Detail liegen und in den nachfolgenden Kapiteln 5.1.2 bis 5.1.6 dargestellt werden. Im Wesentlichen blieben die inhaltlichen Vorausset-zungen der Bescheidbeschwerde jedoch unverändert.109

5.1.2 Beschwerdelegitimation

Wie auch bereits vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist jeder befugt, das Rechtsmittel einzubringen, an den der anzufechtende Bescheid er-gangen ist.110 Damit sind jene Personen (Personenvereinigung bzw Personen-gemeinschaft) gemeint, die im Spruch des anzufechtenden Bescheides genannt sind.111 Darüber hinaus ist weitere Voraussetzung für die Beschwerdelegitimati-on, dass der Bescheid gem § 97 BAO auch wirksam gegenüber der betreffen-den Person bekannt gegeben worbetreffen-den ist.112 Ebenso unverändert blieb die Ein-bringung des Rechtsmittels gegen Feststellungsbescheide und Grundsteuer-messbescheide. Jedem, gegen den die Bescheide gem § 191 Abs 3, 4 und 5 BAO bzw § 194 Abs 5 BAO wirken, kommt die Befugnis zur Einbringung der Bescheidbeschwerde zu.113

108

Vgl Grill/Peperkorn, Das neue Rechtsmittelverfahren aus der Sicht des Abgabepflichtigen, taxlex 2014, 9.

109

Vgl Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 9.

110 Vgl § 246 Abs 1 BAO. 111 Vgl § 93 Abs 2 BAO. 112 Vgl Ritz, BAO5, 2014, § 246 Rz 2. 113 Vgl § 246 Abs 2 BAO.

(31)

Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde 22

Für Haftungspflichtige, gegen die sich ein Haftungsbescheid richtet, besteht weiterhin die Möglichkeit neben der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungs-bescheid, sich auch gegenüber dem Abgabenanspruch zur Wehr zu setzen.114 Denn es besteht unverändert die Möglichkeit des Beitritts zu einer Beschwerde, die sich gegen jemand anderen richtet. Beitrittsberechtigt sind Abgabepflichtige, die als Gesamtschuldner oder Haftungspflichtige für den Abgabengegenstand des angefochtenen Bescheides in Frage kommen. Neu ist ab 1.1.2014 die Form der Beitrittserklärung. Während bis zum 31.12.2013 lediglich schriftliche Beitrittserklärungen zulässig waren, kann nunmehr auch eine mündliche Erklä-rung erfolgen, die jedoch gem § 87 Abs 1 iVm § 85 Abs 3 lit a BAO in einer Niederschrift festzuhalten ist.115 Die Beigetretenen haben einen Anspruch auf die gleichen Rechte, die dem Beschwerdeführer zustehen.116

Bringt eine nicht legitimierte Person (Personenvereinigung bzw Personenge-meinschaft) eine Beschwerde bei der Abgabenbehörde ein, hat die Abgaben-behörde die Bescheidbeschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung als un-zulässig zurückzuweisen.117

5.1.3 Beschwerdefrist

Die Beschwerdefrist beträgt unverändert einen Monat und beginnt grundsätzlich am Tag der Bekanntgabe des Bescheides118 zu laufen.119 In den Fällen in jenen der Bescheid eine Ankündigung enthält, dass noch eine Begründung zum

114

Vgl § 248 BAO. Wurde dem Haftungspflichtigen der Abgabenanspruch noch nicht zur Kenntnis gebracht und beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des Abgabenanspruches, so gelten sinngemäß die Regelungen über die Hemmung des Fristenlaufs gem § 245 Abs 2, 4 und 5 BAO, vgl § 248 letzter Satz BAO. § 245 Abs 5 BAO stellt dabei die einzige Neuerung im Hinblick auf die Vorschrift des § 248 BAO dar. Durch das FVwGG 2012 wurde mit dem Verweis auf die sinngemäße Anwendung des § 245 Abs 3 und Abs 4 BAO geregelt, dass bei Anträgen auf Verlängerung der Beschwerden oder Vorlageanträge betreffend Mängelbehebungsfristen auch die fristhemmende W irkung zukommt, vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 208 bzw 210.

115

Vgl § 258 Abs 1 BAO; Grill/Peperkorn, Das neue Rechtsmittelverfahren aus der Sicht des Abgabepflichtigen, taxlex 2014, 9; Koran, Bundesabgabenordnung, 2014, 296.

116

Beispielsweise das Recht der Erweiterung des Beschwerdebegehrens, Akteneinsicht, Parteigehör, Stellung eines Beweisantrages oder Vorlageantrages, vgl Ritz, BAO5, 2014, § 257 Rz 15; VwGH 28.6.1995, 93/16/0030; 10.12.1997, 95/13/0078.

117

Vgl § 260 Abs 1 lit a BAO.

118

Vgl § 109 iVm § 97 BAO. Bei schriftlichen Bescheiden mit dem Tag der Zustellung, vgl § 97 Abs 1 lit a BAO.

119

(32)

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scheid ergehen wird120 bzw ein Bescheid einen Verweis auf einen Bericht ent-hält121, sowie bei den in § 93 Abs 4 BAO122 normierten Tatbeständen, beginnt die Beschwerdefrist nicht bzw nur verspätet zu laufen.123 Trotz noch nicht lau-fender Beschwerdefrist ist der Beschwerdeführer berechtigt, eine Bescheidbe-schwerde zu erheben.124 Wird in einem Bescheid eine andere als die einmona-tige Beschwerdefrist festgelegt, so ist eine abweichende längere Frist für den Abgabepflichtigen maßgeblich. Bei einer kürzer festgelegten Frist kommt weiter die gesetzliche Ein-Monats-Frist zur Anwendung.125

Im Vergleich zur Rechtslage idF vor dem FVwGG 2012 unterscheiden sich die Regelungen über die Beschwerdefrist in drei Punkten von der vormaligen Beru-fungsfrist.126

 Die sinngemäße Anwendung des § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO127 gilt nunmehr auch für Bescheide, die auf das Ergebnis eines Außenprü-fungsberichts gem § 150 BAO verweisen.128 Daher beginnt die Be-schwerdefrist vor Zustellung des Außenprüfungsberichts bzw vor einer Mitteilung, dass ein solcher Bericht noch zugestellt wird, nicht zu lau-fen.129

 Die Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde über die (erforderli-chenfalls auch wiederholte) Verlängerung der Beschwerdefrist wurde

120

Vgl § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO. § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO regelt den Beginn des Fristenlaufs der Beschwerdefrist bei fehlenden Begründungen im Bescheid. Die Frist beginnt bei einer Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, erst mit der Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, zu laufen.

121

Vgl § 245 Abs 1 letzter Satz BAO. Diese Bestimmung regelt die sinngemäße Anwendung des in Fn 120 beschriebenen Fristenlaufs bei Bescheiden mit einer Ankündigung auf eine Begründung, wenn ein Bescheid einen Verweis auf einen Bericht enthält. Zu den inhaltlichen Neuerung des § 245 Abs 1 letzter Satz BAO siehe sogleich nächster Absatz.

122

Darunter fällt neben der fehlenden Rechtsmittelbelehrung im Bescheid, die fehlende Angabe der Beschwerdefrist, sowie der Fall, dass die Erhebung eines Rechtsmittels unrechtmäßig als unzulässig erklärt wurde.

123

Vgl Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 11.

124

Denn § 260 Abs 2 BAO normiert, dass eine Bescheidbeschwerde nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden darf, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

125

Vgl 93 Abs 5 BAO.

126

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 207; Tan-zer/Unger, BAO 2014/2015 – Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung4, 2014, 208.

127

Vgl Fn 120.

128

Vgl § 245 Abs 1 letzter Satz BAO.

129

(33)

Neuerungen im Verfahren bei der Abgabenbehörde 24

zumindest legistisch abgeschaffen.130 Demnach hat die Abgabenbehörde die Beschwerdefrist dann zu verlängern, wenn „berücksichtigungswürdi-ge Gründe“ vorliegen. Bei der Auslegung des nicht näher definierten Ge-setzeswortlauts der „berücksichtigungswürdigen Gründe“ besteht aller-dings weiterhin ein gewisser Entscheidungsspielraum.131 Eine erfolgrei-che Beschwerdefristverlängerung setzt wie bisher einen Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist voraus.132 Wird dem Antrag nicht stattgegeben, so kann der Abgabepflichtige den abgewiesenen oder rückgewiesenen Be-scheid nicht abgesondert anfechten, da dieser BeBe-scheid eine verfahrens-leitende Verfügung iSd §§ 94 und 244 BAO darstellt.133

 Anträge auf Verlängerung einer Mängelbehebungsfrist, die Mängel einer Bescheid-, Maßnahmen-, Säumnisbeschwerde oder eines Vorlageantra-ges betreffen, haben nunmehr durch die sinngemäße Anwendung der Abs 3 und 4 des § 245 BAO ebenfalls fristhemmende Wirkung.134 Die Regelungen über die Hemmung des Fristenlaufs nach § 245 Abs 4 BAO blieben im Vergleich zur Rechtslage idF vor dem FVwGG 2012 unverän-dert.135

5.1.4 Einbringungsort

Die Bestimmung über den Einbringungsort einer Bescheidbeschwerde wurde – ungeachtet der terminologischen Anpassungen – unverändert belassen. Dem-nach ist die Bescheidbeschwerde bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.136 Ändert sich die Zuständigkeit der Abgabenbehörde, so kann die Bescheidbeschwerde auch bei der neu

130

Vgl § 245 Abs 3 BAO. Das Wort „kann“ wurde durch die Wortfolge „ist auf Antrag von der

Abgabenbehörde“ ersetzt.

131

Vgl Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 4 f.

132

Vgl VwGH 8.9.2009, 2009/17/0110.

133

Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 208.

134

Vgl § 245 Abs 5 BAO.

135

Demnach beginnt die Hemmung mit dem Tag, an dem der Antrag auf Fristverlängerung eingebracht wurde und endet idR mit dem Tag, an dem die Entscheidung über die Fristverlängerung getroffen wurde. Wie auch bisher kann die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft, vgl § 245 Abs 4 BAO.

136

(34)

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gen Behörde eingebracht werden.137 Im Falle der fristgerechten Einbringung beim Verwaltungsgericht, gilt die Einbringung ebenfalls als rechtzeitig. Das Verwaltungsgericht hat die eingebrachte Bescheidbeschwerde unverzüglich an die Abgabenbehörde weiterzuleiten.138

Die Regelung über die Einbringung einer Beschwerde, die keine oder unrichtige Angaben über die Abgabenbehörde, bei der die Bescheidbeschwerde einzu-bringen ist, enthält, besteht weiterhin unverändert. Die Beschwerde ist demnach richtig eingebracht, wenn sie bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid aus-gefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wird.139

5.1.5 Materielle Voraussetzungen der Bescheidbeschwerde

Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Bescheidbeschwerde kam es lediglich zu einer terminologischen Änderung. Die Bescheidbeschwerde tritt an die Stelle der Berufung. Die inhaltlichen Bestandteile haben sich im Vergleich zur alten Rechtslage nicht geändert und sind weiterhin in § 250 Abs 1 lit a bis lit d BAO geregelt. Demnach ist wie bisher die Bezeichnung des Bescheides, ge-gen den sich die Bescheidbeschwerde richtet, notwendig.140 Dafür bedarf es keiner bestimmten Schriftform, sondern es muss vielmehr der Inhalt der Be-scheidbeschwerde Aufschluss darüber geben, wogegen sie sich richtet.141 Desweiteren muss in der Bescheidbeschwerde angeführt werden, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird142 und es muss erklärt werden, welche Änderungen beantragt werden.143 Darüber hinaus hat die Bescheidbeschwerde eine Begründung zu enthalten, die der Abgabenbehörde die Gründe des Be-schwerdeführers aufzeigt, weshalb er die Bescheidbeschwerde für gerechtfer-tigt144 und erfolgversprechend145 hält.146

137

Vgl § 249 Abs 1 zweiter Satz BAO.

138

Vgl § 249 Abs 1 letzter Satz BAO.

139

Vgl § 93 Abs 6 BAO.

140

Vgl § 250 Abs 1 lit a BAO.

141

Vgl VwGH 28.1.1998, 96/13/0081 ÖStZB 1998, 585; 21.9.2006, 2006/15/0042 ÖStZB 2007, 169.

142

Vgl § 250 Abs 1 lit b BAO. Anfechtbar ist lediglich der Spruch eines Bescheides oder ein Teil davon, da nur dieser rechtskräftig ist, vgl beispielsweise VwGH 21.6.1977, 2183, 2184/75 ÖStZB 1978, 69.

143

Vgl § 250 Abs 1 lit c BAO.

144

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