AKTUELLE POLITIK
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
N
ach der Ankündigung des Bundesministeriums für Ge- sundheit soll versucht wer- den, die von der Bundesärztekam- mer seit mehreren Jahren geforderte Aktualisierung des Gebührenver- zeichnisses zur Amtlichen Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ) in ei- nem ersten großen Teilschritt noch in diesem Jahr in das Verordnungs- verfahren einzubringen. Es ist beab- sichtigt, die Novelle Anfang 1993 in Kraft treten zu lassen.Das zur Zeit geltende Leistungs- verzeichnis ist seit der Novelle im Jahr 1982 fast unverändert geblie- ben. Mit der zum 1. Juli 1988 in Kraft getretenen 3. Änderungsverordnung zur GOA sind lediglich einige neuar- tige Leistungen aus dem Verzeichnis analoger Bewertungen der Bundes- ärztekammer in die GOA übernom- men und im Zuge der Reform der Amtlichen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) der Abschnitt Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie neu gestaltet worden.
Bereits damals hatte der für die GOÄ zuständige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zugesagt, nahtlos eine Aktualisierung des Lei- stungsverzeichnisses anzuschließen.
Dabei wurde eine schrittweise Aktua- lisierung in Aussicht gestellt, da eine Gesamtnovelle aus der damaligen Sicht zu viel Zeit in Anspruch ge- nommen hätte.
Gewählt für den ersten Schritt wurden die Kapitel „Grundleistun- gen und allgemeine Leistungen",
„Intensivmedizin", „Geburtshilfe und Gynäkologie", „Augenheilkun- de", „HNO-Heilkunde", „Urologie",
„Chirurgie/Orthopädie", „Laborato- riumsuntersuchungen", „Strahlen- diagnostik, Kontrastmitteleinbrin- gungen, Anwendung radioaktiver Stoffe, Strahlentherapie, Magnet- feld-Resonanz-Tomographie" sowie gegebenenfalls auch Leistungen der
„Naturheilkunde".
Die Bundesärztekammer hatte bereits im Jahr 1985 mit ihrer Stel- lungnahme zum Erfahrungsbericht der Bundesregierung zur GOA '82 ei- ne Vielzahl von Anderungs- und Er- gänzungswünschen angemeldet. Auf- grund der Ankündigung des Bundes- arbeitsministers im Jahr 1988 hat die Bundesärztekammer die relevanten
Berufsverbände und Fachgesellschaf- ten gebeten, die aus ihrer Sicht not- wendigen Änderungen und Weiter- entwicklungen mitzuteilen. In einer Vielzahl von Beratungen des von der Gebührenordnungskommission der Bundesärztekammer eingesetzten Arbeitsausschusses und der Gebüh- renordnungsgremien wurden die ein- gegangenen Vorschläge geprüft und in einem Konzept zusammengefaßt.
Die abgeschlossenen Kapitel wurden dem Bundesarbeitsministerium im Laufe des Jahres 1989 bis zum Früh- jahr 1990 insgesamt zugeleitet.
Die Bundesärztekammer hat sich intensiv darum bemüht, nach diesen umfangreichen Vorarbeiten die Novellierung eines Teils des Lei- stungsverzeichnisses noch in der Le- gislaturperiode 1986/90 in das Ver- ordnungsverfahren einzubringen.
Dies ist gescheitert, weil das Bundes- arbeitsministerium aufgrund vom Verband der Privaten Krankenversi- cherung e.V. (PKV) zur Verfügung gestellter Abrechnungsdaten eine zu starke Ausgabendynamik der neu eingebrachten Leistungen befürchte- te und vor allem als Kompensation auf einer Abwertung insbesondere der ärztlichen Leistungen mit hohem Sachkostenanteil bestand. Die hier- gegen gerichteten erheblichen Ein- wände und Proteste der Arzteschaft führten zu einer unerfreulichen Dis- kussion. Die notwendige Zeit für die Einbringung einer Verordnung noch in der alten (11.) Legislaturperiode war damit vertan.
Kostenneutralität nicht zu machen
Die Bundesärztekammer hat ih- re Position, wonach eine Weiterent- wicklung des Leistungsverzeichnisses mit der Einführung neuer und not-
wendigerweise auch kostenintensive- rer Leistungen nicht kostenneutral durchgeführt werden kann, stets be- tont — nach Wechsel der Zuständig- keit des Ministeriums auch gegen- über der Bundesgesundheitsministe- rin Gerda Hasselfeldt.
Vereinbart wurde eine Zusam- menarbeit bei der Beurteilung der fi- nanziellen Auswirkungen der Bun- desärztekammer-Vorschläge unter Hinzuziehung der Beratungsgesell- schaft für angewandte Systemfor- schung (BASYS), Augsburg. BASYS hatte noch im Auftrag des Bundesar- beitsministeriums ein Gutachten über die finanziellen Auswirkungen der Vorschläge der Bundesärzte- kammer erstellt und im März 1991 in endgültiger Fassung vorgelegt (im September zugestellt).
Beratung mit Sachverständigen
Ergebnis der Berechnungen war, daß die Vorschläge zu Ausgabenstei- gerungen in Höhe von rund 20 Pro- zent führen sollen.
Von September 1991 bis Januar 1992 wurde in 14 Beratungen, ge- meinsam mit den Sachverständigen der Fachgebiete, eine Analyse der Kostenauswirkungen vorgenommen Dabei wurden die Umschlüsselungs- annahmen des Instituts BASYS in einer großen Zahl von Fällen korri- giert.
In der Beurteilung durch die Fachvertreter wurde besonders kri- tisch angemerkt, daß eine direkte Auseinandersetzung mit den von BASYS für die Erstellung von Alter- nativvorschlägen beauftragten Gut- achtern
nicht möglich war.
Die Bun- desärztekammer hat sich in einer ausführlichen Stellungnahme einge- hend mit dem Gutachten auseinan-GOÄ-Novelle:
Vor der Entscheidung
Inflationsausgleich und Aktualisierung überfällig
Dt. Ärztebl. 89, Heft 19, 8. Mai 1992 (19) A1-1691
Weiterbildung: Diskussionsfähige Vorlage für den 95. Deutschen Ärztetag in Köln
dergesetzt. Daraufhin wurde durch das Bundesministerium für Gesund- heit eine erneute Berechnung in Auftrag gegeben, die jedoch noch nicht vorliegt.
In der politischen Diskussion gibt es insoweit Übereinstimmung, als die Anpassung des Leistungsver- zeichnisses an den medizinischen Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung überfällig ist und des- wegen unverzüglich auf den Weg ge- bracht werden muß. Einvernehmen besteht auch bei der Notwendigkeit, die ärztlichen Grundleistungen strukturell höher zu bewerten und krankenhaustypische Leistungen ei- ner Neubewertung zu unterziehen.
Die hier dargestellte Genese ei- ner Novellierung von Teilen des Lei- stungsverzeichnisses der GOA un- terstreicht die Schwierigkeiten, unter denen heute Änderungen der Ge- bührenordnungen leiden. Insbeson- dere der wachsende politische Druck von Beihilfeträgern und der privater Krankenversicherung (PKV) auf die Wahrung der Kosten- und Ausga- benneutralität erschwert jede Bemü- hung um eine sinnvolle Weiterent- wicklung des Leistungsverzeichnis- ses. Kaum ein anderer Beruf hat bei der Weiterentwicklung und Anpas- sung seiner Honorare und Vergütun- gen mit solchen Problemen zu kämp- fen!
Bedingt durch den langen Zeit- ablauf kann aus der Sicht der Ärzte- schaft jetzt nicht lediglich eine Mo- dernisierung des Leistungsverzeich- nisses zur Diskussion stehen. Es muß vielmehr auch ein Inflationsaus- gleich durch Punktwertanhebung vorgenommen werden. Die Brutto- lohn- und -gehaltssummen sind seit der letzten Anpassung des Punkt- wertes im Jahr 1988 erneut um weit über 20 Prozent angestiegen. Ärzte haben in dieser Zeit vergleichbare Ausgabensteigerungen hinnehmen müssen, die durch eine (überfällige) GOÄ-Novelle berücksichtigt werden müssen.
Renate Hess,
Bundesärztekammer, Köln
Am 19. Juni 1991 begannen die Vorbereitungen für die Ausarbei- tung einer neuen Musterweiterbil- dungsordnung im Ausschuß „Arztli- ehe Weiterbildung" der Bundesärz- tekammer, nachdem der 94. Deut- sche Ärztetag in Hamburg eine erste Diskussion geführt hatte.
Jetzt, knapp elf Monate später, ist dieses 284 Schreibmaschinensei- ten umfassende Werk fertiggestellt.
Der am 12. Mai in Köln beginnende 95. Deutsche Ärztetag hat eine zu- mindest diskussionsfähige Vorlage.
Zunächst wurden Grundlinien festgelegt und ein genauer Zeitplan aufgestellt, nach welchem in acht Etappen die Diskussion mit den Be- teiligten und Interessierten ablaufen sollte, damit der Vorstand der Bun- desärztekammer am 10. April 1992 der Ärztetagsvorlage den letzten Schliff geben konnte.
Über 40 Gespräche mit wissen- schaftlichen Gesellschaften und Be- rufsverbänden sind geführt worden, mehr als 1600 Briefe sind zu lesen und zu bewerten gewesen, nahezu 20 Präsentationen der Überlegungen des Weiterbildungsausschusses und des Vorstandes der Bundesärzte- kammer sind auf Verbands- und Kammerebene in den verschiedenen Bundesländern abgehalten worden.
Diese Verfahrensweise wurde gewählt, um ein höchstmögliches Maß an Transparenz und Mitwir- kungsmöglichkeit aller Sachverstän- digen und Interessierten zu gewähr- leisten.
Bildungsordnung oder auch Regelung der Berufsausübung?
Die Erfahrungen der letzten Wochen bestätigen die Richtigkeit des Vorgehens. Bis auf eine haben alle Ärztekammern signalisiert, daß sie das Konzept grundsätzlich akzep- tieren, was nicht ausschließt, daß die eine oder andere mehr oder weniger gewichtige Änderung vorgenommen wird.
Zu Beginn der Ärztetagsdebatte zu diesem Thema soll es zunächst ei-
ne Aussprache über die Grundsätze und die berufspolitische Bedeutung der Weiterbildungsordnung geben;
mehrere Meinungen über ihre heuti- ge und künftige Funktion haben sich nämlich in den letzten Wochen und Monaten herausgebildet. Ist sie nur eine Bildungsordnung oder nicht doch mittlerweile mehr, etwa eine Berufsausübungs-Regelungsordnung und ein Instrument der Qualitätssi- cherung ärztlicher Berufsausübung?
Erst wenn hierüber und über weitere Grundsatzfragen eine Mei- nungsbildung stattgefunden hat, soll die Detaildiskussion der Paragra- phen des allgemeinen Teils und der vorgeschlagenen Bezeichnungen im speziellen Teil folgen.
Neue Gebiete, Teilgebiete und Bereiche
Der Ärztetag kann durch Dis- kussion und Abstimmungen eine neue Musterweiterbildungsordnung verabschieden, wenn er es will. Die Vorlage des Vorstandes ist so ausdif- ferenziert, daß der Wunsch nach zu- sätzlichen Einführungen von Be- zeichnungen nur sehr gering ausge- prägt sein dürfte. Eher wird die Re- duktion von Neueinführungen von Bezeichnungen gewünscht werden.
Mit Absicht haben die Weiterbil- dungsgremien fast alle aus der Ent- wicklung der medizinischen Wissen- schaft und dem Versorgungsauftrag der Bevölkerung begründeten An- träge in den Entwurf aufgenommen, um die Entscheidung dem Ärztetag zu überlassen. Ausgenommen wur- den nur solche Vorschläge, die in der Vorbereitungsphase nicht mehr aus- reichend diskutiert werden konnten oder bei denen ein einigermaßen sta- biler Konsens unter den Sachver- ständigen und Beteiligten nicht zu erreichen war.
Welche neuen Gebiets-, Teilge- biets-, (Schwerpunkts-) und Be- reichsbezeichnungen sollen nach der Vorstellung des Vorstandes der Bundesärztekammer diskutiert wer- den?
I
Inflationsausgleicherforderlich!
A1-1692 (20) Dt. Ärztebl. 89, Heft 19, 8. Mai 1992