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GOA Novelle Mit zweierlei Maß
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it unterschiedlicher Elle mißt die Bundesregie- rung, wenn es um die Anpassung der Gebühren von Selbständigen und Angehörigen der freien Berufe geht. Dies ist um so weniger gerechtfertigt, als in den meisten Betrieben der frei- en Berufe die Entwicklung der Betriebsausgaben infolge der ho- hen Personalkostenintensität der Dienstleistungsbetriebe seit eh und je gleichgerichtet ist.Ein aktuelles Beispiel, wie hier seitens der Bundesregierung mit unterschiedlichem Maß ge- messen wird: Die Rechtsanwälte, Sachverständige, ehrenamtlichen Richter und Zeugen wurden dank des zum 1. Juli 1994 in Kraft ge- tretenen Kostenrechtsänderungs- gesetzes '94 mit beachtlichen An- hebungen der Gebühren und Ent- schädigungssätzen „bedient", wo- hingegen der Ärzteschaft offenbar eine weitere Nullrunde zugemutet werden soll. Dabei ist die Aus- gangslage, im Hinblick auf die Ge- bührenordnung, bei Rechtsanwäl- ten und privat behandelnden Ärz- ten fast gleich. Die letzte Erhö- hung der Gebühren und Entschä- digungssätze für Rechtsanwälte, Sachverständige, ehrenamtliche Richter und Zeugen erfolgte zum 1. Januar 1987, während die letzte
GOA-Novelle und eine leichte Punktwertanhebung (von 10 auf 11 Pfennige) zum 1. Juli 1988 in Kraft trat.
Man muß sich schon wun- dem, wie sich die gelernte Juri- stin, Bundesjustizministerin Sabi- ne Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), für die (Wähler-)Klientel der Rechtsanwälte und Sachver- ständigen in die Bresche wirft. Sie lobte die Erhöhung der Fest-, Rahmen- und Wertgebühren für Rechtsanwälte um 16,5 Prozent (Gerichtsgebühren: rund 25 Pro- zent; Gerichtsvollziehergebühren:
+ knapp 20 Prozent) als einen längst fälligen Schritt, „der drin- gend notwendig" sei, „wenn man die seither eingetretene Preis- und Einkommensentwicklung berück- sichtigt".
Die Ärzteschaft muß es als ei- nen Verstoß gegen das Gerechtig- keits- und Gleichheitsprinzip wer- ten, wenn die Rechtsanwälte, Ge- richtsvollzieher, Sachverständigen und Zeugen einen notwendigen Ausgleich für die inzwischen ein- getretene Kostensituation erhal- ten, dies aber den Ärzten und Zahnärzten vorenthalten werden soll.
Die Vierte Novelle zur Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte ist kurzfristig am 8. Juli von der
Tagesordnung des Plenums des Bundesrates abgesetzt und auf ei- ne (noch nicht anberaumte) Son- dersitzung der Länderkammer auf den 2. September erneut verscho- ben worden. Hintergrund sind die anhaltenden Querschüsse vor al- lem der SPD-regierten Länder, aber auch einzelner B-Länder, die am liebsten den Punktwert ganz einfrieren wollen oder allenfalls um 0,3 Pfennige ( = 2,7 Prozent)
„erhöhen" wollen, dafür aber die ärztlich-technischen Leistungen in den Gebührenabschnitten A, E und 0 um rund 20 Prozent absen- ken und auf den 1,5fachen Ver- vielfacher begrenzen wollen. Noch stehen auch weiterreichende For- derungen, initiiert durch Nord- rhein-Westfälen, im Raum:
Gleichschaltung der privatärztli- chen mit den vertragsärztlichen Gebührenordnungen.
Es dürfen Wetten darüber abgeschlossen werden, ob das ganze GOÄ-Novellierungsprojekt in dieser Legislaturperiode ent- gültig stirbt oder aber ein partei- enübergreifender Deal erfolgt, um den kostendämpfungspolitischen Hickhack zum Schutze der öffent- lichen und privaten Kassen (Bei- hilfestellen; private Krankenversi- cherung) kurz vor der Wahl noch durchzudrücken. HC
Herzklappen Wuppertaler Nothelfer
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n der Herzklappen-Affäre ist nun die Staatsanwaltschaft Wuppertal tätig. Nach einer ersten Polizeiaktion erläuterte der federführende Staatsanwalt, erst eine genaue Prüfung der beschlag- nahmten Unterlagen werde zei- gen, ob sich ein hinreichender Tatverdacht ergebe. Gleichwohl sprach derselbe Staatsanwalt so- gleich von einem „Sumpf von Preisabsprachen der Hersteller, Steuerhinterziehung und Betrug".Die Methode ist bekannt. Je- ne Wuppertaler Staatswanwalt- schaft hat bereits früher bei Er-
mittlungen gegen Kassenärzte ge- zeigt, wie flott sie erste Ermitt- lungen in Vorverurteilungen um- zusetzen vermag. Die großmäuli- gen Pauschalverurteilungen stan- den zwar in keinem rechten Ver- hältnis zu den späteren tatsächli- chen Ermittlungen und echten Urteilen. Doch die Propaganda, die Kassenärzteschaft sei ein Sumpf von Abrechnungsbetrug, blieb hängen.
Den Kassenverbänden, insbe- sondere den Ersatzkassenverbän- den, kommt das neuerliche Ein- schreiten der Staatsanwaltschaft
gelegen. Die Ersatzkassenverbän- de, die einzelne Verdachtsfälle um politischer Vorteile willen hochgespielt hatten, waren schließ- lich um Beweise verlegen. Die Wuppertaler Nothelfer könnten sie aus der Beweisnot befreien.
Ob die Ersatzkassenverbände freilich gut daran tun, sich des Wuppertaler Bundesgenossen zu rühmen, steht dahin. Sie haben mit ihren pauschalen Vorverurtei- lungen von Chefärzten und Klini- ken leichtfertig Vertrauensscha- den angerichtet. Der könnte jetzt nur noch vergrößert werden. NJ Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 33, 19. August 1994 (1) A-2137