te Hiltrud Breyer. Moralische Beden- ken seien den Interessen der Industrie geopfert worden. Der Mensch wer- de durch die Patent-Richtlinie auf ein „ausschlachtbares Rohstofflager“
und zu „biologischem Material“ redu- ziert. Dies verletze die Menschen- würde. Die deutsche Sprecherin der Grünen-Fraktion Claudia Roth be- zweifelt, daß die Richtlinie die Frei- heit der Forschung und Lehre wahrt.
Genau das Gegenteil sei der Fall: Wis- senschaftliche Erkenntnisse würden durch die Patent-Richtlinie zur „Ver- fügungsmasse finanzkräftiger Kon- zerne“. Letztlich werde es eine Frage des Geldes sein, wer Zugang zu For- schungsergebnissen in diesem Be- reich erhält. „Kleinere Forschungsla- bors werden dadurch ins Hintertref- fen geraten“, warnt Roth.
Mehrere hundert Patente
Dagegen begrüßte die Europäi- sche Vereinigung der Pharmazeuti- schen Industrie das Votum. Es werde zu mehr Investitionen und der Schaf- fung von Arbeitsplätzen in Europa führen, hieß es in einer Stellungnah- me des Verbandes. Zumindest in ei- nem sind sich Gegner und Befürwor- ter der Richtlinie einig: Eine EU-wei- te Regelung ist dringend notwendig, denn Patente auf gentechnologische Erfindungen werden heute schon vom Europäischen Patentamt in München erteilt – und zwar auf der Grundlage eines Patentabkommens aus den 70er Jahren, das der wissen- schaftlichen Entwicklung schon lange nicht mehr gerecht wird. Unterzeich- ner des Abkommens sind die 15 Uni- onsländer sowie Monaco, die Schweiz und Liechtenstein.
Nach Auskunft eines Sprechers wurden vom Patentamt bereits meh- rere hundert Patente auf gentechni- sche Erfindungen erteilt, darunter auch auf gentechnisch veränderte Tie- re. So ließ sich ein US-amerikanischer Konzern eine Krebsmaus patentie- ren. Eine australische Pharma-Firma ließ in München ein Gen aus den Ei- erstöcken einer Frau patentieren, das zur Herstellung des wehenauslösen- den Medikaments „Relaxin“ verwen- det wird. Elisabeth Braun A-2044
P O L I T I K LEITARTIKEL/KOMMENTAR
(12) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 31–32, 4. August 1997
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ürzungen im Gesundheitswe- sen und dabei insbesondere in der Gesetzlichen Krankenver- sicherung seien notwendig, so tönt es von verantwortlicher Seite landauf, landab, um Beitragsstabilität in der Gesetzlichen Krankenversiche- rung zu gewährleisten und die wettbe- werbsfeindliche Höhe der Lohnne- benkosten zu senken. Die Leistungen müßten auf das medizinisch notwendi- ge Maß zurückgeführt werden – was immer darunter verstanden wird.Nicht das Wünschenswerte, sondern das Notwendige ist
Richtschnur der Spar- politik. Was aber me- dizinisch notwendig ist, was auch immer darunter verstanden wird, müsse gesichert sein.
Im übrigen seien gesundheitspolitische Notwendigkeiten das Maß aller Dinge, nicht und in keinem Fall die Arbeitsmarktpolitik und damit die Siche- rung von Arbeitsplät- zen. Es sei erfreulich, daß über das Gesund-
heitswesen Arbeitsplätze erhalten und zum Teil sogar neu geschaffen werden können, schließlich sei das Gesund- heitswesen ein potentieller Wachs- tumsmarkt, aber die primäre Aufgabe der Gesundheitspolitik sei eben eine bedarfsgerechte Gesundheitspolitik.
Arbeitsplätze zu sichern – dies sei nicht Aufgabe des Gesundheitswesens.
So weit, so gut. Und in vielen Be- reichen des Gesundheitswesens, in Krankenhäusern, in Praxen niederge- lassener Ärzte, in Apotheken, hat die Sparpolitik Wirkung gezeigt. So man- cher Arbeitsplatz wurde gestrichen.
All dies gilt aber offenbar nicht für den Kur- und Rehabereich. Die im Vorjahr beschlossenen Einschränkun- gen mit zum Teil erheblichen Auswir- kungen auf Kur- und Rehaeinrichtun- gen bis hin zu ganzen Kurorten wer- den 1998 wieder gelockert (vgl. DÄ 28–29/1997, Seite eins: „Rehabilitati- on: Korrekturen“). Der Ausgabenrah- men wird für 1998 um 450 Millionen DM und für 1999 um 900 Millionen DM angehoben. Vom Jahr 2000 an wird der für 1999 maßgebliche Grenz-
betrag entsprechend der jeweiligen Lohnentwicklung fortgeschrieben.
Wohl niemand würde an dieser auf Betreiben von Bayern und Baden- Württemberg vom Bundestag verab- schiedeten Regelung Anstoß nehmen, wenn hierfür eine überzeugende me- dizinische Begründung vorgelegt wor- den wäre. Es stimmt jedoch nachdenk- lich, daß die bayerische Sozialministe- rin Barbara Stamm als Vertreterin des Bundesrates zur Begründung für die Gesetzesinitiative des Bundesrates ausgeführt hat, daß Hintergrund für diese Gesetzesinitiati- ve die Entwicklung im Kur- und Rehabe- reich gewesen sei.
Viele Klinikbetreiber und zahlreiche Be- schäftigte in Rehabili- tationseinrichtungen stünden vor einer exi- stenzbedrohenden Si- tuation. Sie gehe des- halb davon aus, daß die beabsichtigte Lockerung der Reha- Deckelung ein positi- ves Signal sein werde.
Nachdenklich stimmt auch, daß die ent- scheidenden Ausschußberatungen im federführenden Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung stattgefunden ha- ben und daß der Gesundheitsausschuß einstimmig beschlossen hatte, von ei- ner Mitberatung abzusehen. Von In- teresse ist weiterhin, daß in den Augen der Mitglieder der SPD-Fraktion eine Erhöhung der Mittel für den Kur- und Rehabereich in dieser Größenordnung die Untergrenze des gesundheits- und arbeitsmarktpolitisch Notwendigen darstellt.
Gesundheitspolitik als Arbeits- marktpolitik? Kürzungen dort, wo we- niger Widerstand erwartet wird, Er- höhungen dann, wenn einflußreiche Kräfte wirken?
Auch die Gesundheitspolitik muß glaubwürdig bleiben. Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Es ist schon zu viel an Vertrauen verlorenge- gangen. Die Bevölkerung erwartet wie alle, die im Gesundheitswesen tätig sind, Konsistenz von Aussagen und Handeln. Nur so werden auch unbe- queme Entscheidungen verstanden und akzeptiert. Fritz Beske