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5.2 Reaktion der Behörde auf die Bescheidbeschwerde

5.2.3 Beschwerdevorentscheidung als Regelfall

Bis zum Inkrafttreten des FVwGG 2012 lag das Absprechen über die Beru-fungsvorentscheidung im Ermessen der Abgabenbehörde.176 Seit der neu gel-tenden Rechtslage idF des FVwGG 2012 ist die Abgabenbehörde, die den an-gefochtenen Bescheid erlassen hat, jedoch dazu verpflichtet, nach Durchfüh-rung etwaig noch erforderlicher Ermittlungen über eine Bescheidbeschwerde mit einem als Beschwerdevorentscheidung bezeichnenden Bescheid abzuspre-chen.177 Bis zur Entscheidung mittels Beschwerdevorentscheidung stehen der

171 Vgl § 260 Abs 2 BAO. Insbesondere in den Fällen des § 93 Abs 4 BAO oder bei einer Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, werden Beschwerden vor Beginn der Frist eingebracht. Zum Inhalt des § 93 Abs 4 BAO siehe Fn 212.

172 Formelle Mängel liegen nach § 85 Abs 2 BAO etwa bei Fehlen einer Unterschrift oder Formgebrechen vor.

173 Inhaltliche Mängel liegen nach § 85 Abs 2 BAO dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen.

174 Vgl § 85 Abs 2 BAO. Eine Erklärung der Zurücknahme hat von der Abgabenbehörde mittels Beschwerdevorentscheidung zu erfolgen, vgl § 263 Abs 1 lit b BAO.

175 Vgl § 245 Abs 5 iVm Abs 3 BAO bzw § 245 Abs 4 iVm Abs 3 BAO.

176 Vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 4. § 276 Abs 1 BAO aF enthielt eine „Kann-Bestimmung“.

177 Vgl § 262 Abs 1 BAO. Zu den Ausnahmen von der Pflicht der Abgabenbehörde, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen siehe sogleich Kapitel 5.2.4.

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Abgabenbehörde allerdings wie bisher die Mittel der §§ 293 bis 303 BAO zur Verfügung.178

Hinsichtlich des Inhalts der Beschwerdevorentscheidung ist festzuhalten, dass die meritorische Entscheidungsbefugnis der Abgabenbehörde unverändert blieb, dh die Abgabenbehörde kann den angefochtenen Bescheid in jede Rich-tung abändern, ihn aufheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abweisen, wenn die Bescheidbeschwerde zulässig179 und fristgerecht180 einge-bracht wurde und darüber hinaus weder als zurückgenommen181 noch als ge-genstandslos182 erklärt worden ist. Eine Sachentscheidung der Abgabenbehör-de ist jedoch nur in jenen Fällen möglich, in Abgabenbehör-denen keine formale Erledigung erfolgt. Neu ist, dass auch formale Erledigungen der Bescheidbeschwerde mit-tels Beschwerdevorentscheidung zulässig sind. Während Abgabenbehörden bis 1.1.2014 Bescheide sui generis bei Berufungen mit Formalerledigungen183 er-lassen mussten, erfolgt nunmehr eine Formalerledigung mittels Beschwerde-vorentscheidung.184 Dies soll nach den ErläutRV in Anlehnung an die §§ 64a Abs 1 und 66 Abs 4 AVG der Beschleunigung des Rechtsmittelverfahrens die-nen, da die Formalerledigungen nun Gegenstand der bisherigen Beschwerde-vorentscheidung sind und nicht mit einer erneuten Beschwerde angefochten werden müssen.185

Desweiteren änderte sich mit dem FVwGG 2012 auch die Regelung über die Gegenstandsloserklärung von Beschwerden (bzw vormals Berufungen). Bisher konnten zurückgenommene Berufungen186 und Berufungen gegen Bescheide,

178 Vgl Fellner/Peperkorn, in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 19.

179 Vgl § 263 Abs 1 lit a iVm § 260 Abs 1 lit a BAO.

180 Vgl § 263 Abs 1 lit a iVm § 260 Abs 1 lit b BAO.

181 Vgl § 263 Abs 1 lit b iVm § 85 Abs 2 und § 86a Abs 1 BAO.

182 Vgl § 263 Abs 1 lit b iVm § 256 Abs 3 und § 261 BAO.

183 Derartige Formalerledigungen betrafen Berufungen, die verspätet oder unzulässig zurückgewiesen wurden, deren Ersuchen im Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen wurde und somit die Berufung als zurückgenommen erklärt wurde oder wenn dem Berufungsbegehren entsprochen wurde bzw zurückgenommen wurde, da der Bescheid, der an die Stelle des angefochtenen Bescheides trat, als gegenstandlos erklärt worden war, vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 6.

184 Vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 6.

185 Vgl ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP, 18; Urtz, Übersicht über das neue verwaltungsgerichtliche Verfahren nach der BAO, ÖStZ 2014, 3.

186 Vgl § 256 Abs 3 BAO aF.

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welche später durch Bescheide ersetzt wurden, die dem Berufungsbegehren Rechnung trugen187, als gegenstandslos erklärt werden.188 Nunmehr kann ne-ben den terminologisch adaptierten bisherigen Regelungen189 eine Gegens-tandsloserklärung auch erfolgen, wenn dem Beschwerdebegehren in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid nachge-kommen wird.190 Das bedeutet, der nachfolgend ergehende Bescheid muss nicht mehr an die Stelle des angefochtenen Bescheides treten, sondern kann auch bloß hinzutreten.191 Während unter abändernden Bescheide insbesondere Berichtigungsbescheide gem §§ 293, 293a und 293b bzw Änderungsbescheide gem § 295a BAO subsumiert werden, stellen die auf die §§ 299 und 303 BAO gestützten Bescheide typische Aufhebungsbescheide dar.192

Ferner regelt § 261 Abs 2 BAO den Fall der Gegenstandsloserklärung, bei dem der Bescheidbeschwerde gegen einen aufhebenden Bescheid gem § 299 Abs 1 oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder ver-fügenden Bescheid (§ 307 BAO) entsprochen wird. Der Bescheid, der den auf-gehobenen Bescheid ersetzt hat193 – bzw in den Fällen des § 307 BAO eine gegen die Sachentscheidung gerichtete Bescheidbeschwerde – ist mit Be-schwerdevorentscheidung oder mit Beschluss als gegenstandslos zu erklä-ren.194 In der Rechtslage vor dem FVwGG 2012 waren die Berufungen gegen diese Bescheide als unzulässig zurückzuweisen.195

Die Wirkung der Beschwerdevorentscheidung blieb im Vergleich zur Rechtslage vor dem FVwGG 2012 – hinsichtlich der Sachentscheidungen – unverändert.196

§ 263 Abs 3 BAO normiert, dass eine Beschwerdevorentscheidung bei

187 Vgl § 274 zweiter Satz BAO aF.

188 Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 7.

189 Vgl § 256 Abs 3 BAO bzw § 261 Abs 1 lit a BAO.

190 Vgl § 261 Abs 1 lit b BAO.

191 Vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 7.

192 Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 218.

193 Vgl § 299 Abs 2 BAO.

194 Vgl § 261 Abs 2 BAO.

195 Vgl Lenneis in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 2014, 7.

196 Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 224.

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schen Entscheidungen wie ein Erkenntnis iSd § 279 BAO wirkt.197 Hingegen wurde im selben Passus festgehalten, dass bei Formalerledigungen die Wir-kung der Beschwerdevorentscheidung, der eines Beschlusses iSd § 278 BAO gleicht.198

5.2.4 Ausnahmen von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung