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Zu erwähnen ist, dass die dritte verfassungsrechtlich verankerte Entschei-dungskompetenz des VwG447 die Säumnisbeschwerde darstellt. Darunter ver-steht man eine Beschwerde, die sich gegen die Verletzung der Entscheidungs-pflicht einer Verwaltungsbehörde richtet. Bisher wurde dieses Rechtsmittel als Devolutionsantrag bezeichnet. Die im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestim-mungen waren in den §§ 311 und 311a BAO aF geregelt.448 Telos der Säum-nisbeschwerde ist damit wie beim bisherigen Devolutionsantrag der Rechts-schutz vor behördlicher Inaktivität.449 Jeder Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat,450 steht somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Mög-lichkeit offen, dann eine Beschwerde beim VwG zu erheben, wenn dem

444 Vgl Kneihs/Urtz, Verwaltungsgerichtliche Verfahren, 2013, 85; Unger, Zuständigkeitsfragen bei Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO, taxlex 2014, 32 f.

445 Vgl Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 90;

Kneihs/Urtz, Verwaltungsgerichtliche Verfahren, 2013, 85.

446 Zu den Zuständigkeitsfragen bei Maßnahmenbeschwerden siehe insbesondere Unger, Zuständigkeitsfragen bei Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO, taxlex 2014, 32 ff.

Weitere Ausführungen zu den Bestimmungen des § 283 BAO siehe beispielsweise Kneihs/Urtz, Verwaltungsgerichtliche Verfahren, 2013, 85 ff oder Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 90 ff.

447 Vgl Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG.

448 Vgl §§ 284 bis 286 BAO nF vs. § 311 ff BAO aF.

449 Vgl Ritz, BAO5, 2014, § 284 Rz 1 iVm Ritz, BAO4, 2011, § 311 Rz 1.

450 Vgl § 284 Abs 1 letzter Satz BAO. Diese Bestimmung ist vor allem im Mehrparteienverfahren bedeutsam, vgl Ritz, BAO5, 2014, § 284 Rz 6. Im Falle einer Abgabenerklärung zur Feststellung der Einkünfte (§ 188 BAO) gem § 43 EStG kommen somit all jene in Betracht, die in dieser Abgabenerklärung als Beteiligte ausgewiesen sind, vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, 2001 (11. Lfg), § 311 Rz 20.

Neuerungen im Verfahren vor dem BFG 61

pflichtigen Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten bekanntgegeben werden.451

Liegt hinsichtlich der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde eine Formal-erledigung452 vor, hat das VwG mit Beschluss abzusprechen.453 Dies kommt im Falle einer Zurückweisung als unzulässig insbesondere dann in Betracht, wenn die Beschwerde von einem nicht Beschwerdelegitimierten eingebracht wur-de,454 die Beschwerde zu früh – also vor Ablauf der Sechsmonatsfrist – einge-bracht wurde455 oder wenn die Entscheidungspflicht erloschen ist bzw über-haupt keine Entscheidungspflicht besteht.456 Entscheidet das VwG nicht mit Beschluss, liegt also keine Formalerledigung vor, gelten die bisherigen Bestim-mungen des § 311 Abs 3 BAO aF, dh, das VwG hat der Abgabenbehörde auf-zutragen, binnen einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säum-nisbeschwerde zu entscheiden und gegebenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.457 Wie auch bereits beim Devolutionsantrag gel-ten die Bestimmungen über die Möglichkeit der einmaligen Verlängerung der Dreimonatsfrist.458 Ebenfalls ident sind die Regelungen über den Zeitpunkt des Übergangs der Entscheidungszuständigkeit von der Abgabenbehörde an das VwG.459 Demnach geht die Zuständigkeit zur Entscheidung entweder nach Ab-lauf der Dreimonatsfrist oder nach Mitteilung der Abgabenbehörde (vor AbAb-lauf

451 Vgl § 284 Abs 1 BAO. Die Bekanntgabe richtet sich nach § 97 BAO. Die Sechsmonatsfrist entspricht dem bisherigen § 311 Abs 2 erster Satz BAO. Demnach ist für den Fristbeginn der Zeitpunkt des Einlagens der Anbringen oder der Zeitpunkt nach dem Eintritt zur Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides maßgeblich, vgl § 284 Abs 1 BAO; Ritz, BAO5, 2014, § 284 Rz 4.

452 Zu den drei Tatbeständen der Formalerledigung siehe bereits Kapitel 6.5.2.

453 Vgl § 284 Abs 7 lit b iVm § 256 Abs 1 und Abs 3 BAO; § 284 Abs 7 lit b iVm § 260 Abs 1 lit a BAO.

454 Vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, 2001 (11. Lfg), § 311 Rz 27.

455 Vgl VwGH 25.9.2002, 97/13/0058.

456 Vgl VwGH 22.6.2001, 2000/13/0178. Ein Erlöschen der Entscheidungspflicht liegt beispielsweise vor, wenn der maßgebende Antrag weitergeleitet wurde, vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 254.

457 Vgl § 284 Abs 2 BAO, der inhaltlich mit § 311 Abs 3 aF übereinstimmt.

458 Vgl § 284 Abs 2 letzter Satz BAO entspricht inhaltlich dem bisherigen § 311 Abs 3 letzter Satz BAO.

459 Vgl § 284 Abs 3 BAO, der inhaltlich mit § 311 Abs 4 BAO aF übereinstimmt.

Neuerungen im Verfahren vor dem BFG 62

dieser Frist), dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt, auf das VwG über.460

Im Falle des Übergangs der Zuständigkeit an das VwG gibt es zwei mögliche Szenarien.461 Zum einen hat das VwG die Säumnisbeschwerde mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung über die Bekanntgabe des Bescheides nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.462 Zum anderen obliegt dem Gericht die ausständige Entscheidung in der Sache selbst. Dabei kann das VwG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung ein-zelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auf-tragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgeleg-ten Rechtsanschauung unter Setzung einer Frist von bis zu acht Wochen zu erlassen.463 Erlässt die Abgabenbehörde den Bescheid nicht bis zur festgesetz-ten Frist, so obliegt dem VwG die Entscheidung in der Sache selbst.464 Die Ent-scheidung ist mit Revision beim VwGH anfechtbar.465

460 Vgl § 284 Abs 3 BAO.

461 Vgl Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, 2013, 100.

462 Vgl § 284 Abs 4 BAO. Dabei ist von einem objektiven Verschuldensbegriff auszugehen und nicht von einem Verschulden des betreffenden Organwalters im subjektiven Sinn, vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 254. Beispielsweise liegt ein solches Verschulden vor, wenn die Behörde nicht aufgrund schuldhaften Verhaltens einer Partei oder wegen unüberwindlichen Hindernissen an der Entscheidung gehindert war, vgl VwGH 16.12.1998, 98/03/0091. Eine Überlastung der Behörde oder Komplexität der Materie begründen hingegen kein Verschulden, vgl Ritz, BAO5, 2014, § 284 Rz 15.

463 Vgl § 284 Abs 5 BAO.

464 Vgl § 284 Abs 5 letzter Satz BAO.

465 Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 2013, 255. Bedingung ist, dass die Voraussetzungen für die Revision erfüllt sind, vgl hierzu Kapitel 7.1 und 7.2.

Neuerungen im Verfahren vor dem VwGH 63

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