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Archiv "Krisenmanagement: „Eine Beule in der Seele“" (16.01.2004)

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egen eines Personenschadens im Gleisbereich verzögert sich die Weiterfahrt.“ Viele Zugrei- sende kennen die Durchsage, die so oder so ähnlich statistisch dreimal täg- lich aus deutschen Bahnhofslautspre- chern dröhnt. Fahrgäste müssen allen- falls mit langen Wartezeiten rechnen.

Ärzten, Sanitätern und Feuerwehrleu- ten dagegen bietet sich am Unfallort nicht selten ein Bild des Grauens. Frank Waterstraat ist Feuerwehr-

mann, Pfarrer und Seelsorger.

Er weiß, was solche Einsätze bei Rettern anrichten können.

Für ihn geht die Arbeit erst dann richtig los, wenn nichts mehr zu retten ist. Dann hilft er denen, die selbst zum Helfen gekommen sind und nun die Bilder von zerfetzten Körpern, Blut und Zerstörung nicht mehr aus dem Kopf bekom- men. Gerade junge Retter sei- en oft überrascht, wie der reale Tod aussehen kann. „Da kann man sich schnell eine derbe Beule in der Seele holen“, warnt Waterstraat. Wichtig sei

der zeitnahe „Zugriff“ vor Ort. Dann sei die Sache meist nach „zwei bis drei Ge- sprächen durch“. Nützlich sind nach Einschätzung Waterstraats aber auch Präventionsprogramme für Beschäftig- te. Seminare und Beratungen im Vorfeld könnten im Ernstfall helfen, traumati- sche Ereignisse besser zu bewältigen.

Die Notwendigkeit professioneller Hilfe bei traumatischen Erlebnissen wie Unfällen, Katastrophen, aber auch Gewalterfahrungen ist in Deutschland mittlerweile unumstritten. So haben sich inzwischen in allen Bundesländern zahlreiche Kriseninterventionsteams und Einsatznachsorgedienste herausge- bildet. Befriedigend ist die Situation

dennoch nicht. Denn es fehlt an Ab- stimmung und Koordination der beste- henden Angebote. Gerade für den Fall schwerer Unglücke sind die vorhande- nen Programme weder flächendeckend noch ausreichend vernetzt. So kritisiert die Zentralstelle für Zivilschutz, dass es sich bei den Hilfsangeboten um „Insel- Lösungen“ der unterschiedlichen An- bieter wie etwa Kirchen oder notfall- psychologischer Firmen handele. Da-

durch drohten insbesondere bei größe- ren Katastrophen Versorgungslücken und Reibungsverluste.

Eine bundesweite Vernetzung der In- itiativen fordert auch Feuerwehrseel- sorger Waterstraat. Er beteiligt sich des- halb an einem Expertenzirkel der Bun- desanstalt für Arbeitsschutz und Ar- beitsmedizin. Die Gruppe will die viel- fältigen Angebote des Präventions- und Krisenmanagements erfassen und be- werten. Der so genannte Initiativkreis setzt sich aus Sozialpartnern, Sozialversi- cherungsträgern sowie Vertretern von Bundes- und Länderbehörden zusam- men. Man wolle, so die etwas vage Ziel- setzung des Gremiums, „Handlungs-

empfehlungen“ für sektorübergreifende Konzepte erarbeiten. Mit auf der Agen- da steht, geprüfte Qualitätsstandards für die psychosoziale Betreuung zu schaf- fen. Zudem will man sich für eine wis- senschaftliche Evaluation der Präventi- on und Nachsorge stark machen.

Mit in dem Gremium sitzt Fritzi Wiessmann von der Unfallkasse Post und Telekom. Ein von ihr erarbeitetes Notfallkonzept könnte beispielgebend sein für weitere Initiativen. Zu ihrer Zielgruppe gehören vor allem Opfer von Gewalt am Arbeitsplatz. Wiess- manns „Notfallkoffer“ beinhaltet Prä- ventionsprogramme sowie eine profes- sionelle Intervention unmittelbar nach dem kritischen Ereignis. Längerfristig angelegte Rehabilitationsmaßnahmen sollen das Opfer in das normale Leben zurückführen. Die Unfallkasse über- nimmt in der Regel fünf Gespräche mit Traumatherapeuten. Bei Bedarf wür- den aber bis zu 20 Einheiten fi- nanziert. Für eine zeitnahe Versorgung hat Wiessmann ei- nen Therapeutenpool aufge- baut. Die Helfer stehen kurz- fristig zur Verfügung. Dafür werden sie mit einem erhöhten Honorar entschädigt.

Bedarf an Hilfsangeboten für traumatisierte Opfer von Gewalt im Beruf ist zweifellos vorhanden. Mit am meisten betroffen sind Ärzte. Exper- ten schätzen, dass statistisch jeder zweite von ihnen in sei- nem Berufsleben mit Angrif- fen durch Patienten rechnen muss. Besonders gefährdet sei- en Psychiater, so Prof. Dr. med. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Hamburg. Alarmierend sind auch die Zahlen im Einzelhandel. Dort wurden 1999 fast 1 000 Personen durch Über- griffe schwer verletzt. Barbara Weiß- gerber von der Bundesanstalt für Ar- beitsschutz und Arbeitsmedizin sieht es als ureigenste Aufgabe ihrer Instituti- on, Hilfsangebote für die Opfer zu ent- wickeln und zu koordinieren. Für Be- schäftigte sei gemäß Arbeitsschutzge- setz Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu gewährleisten. Bis Ende des Jahres will der Initiativkreis erste Er- gebnisse vorlegen. Samir Rabbata P O L I T I K

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A82 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 316. Januar 2004

Krisenmanagement

„Eine Beule in der Seele“

Wer beruflich mit Katastrophen und Gewalt konfrontiert wird, braucht mitunter professionelle Hilfe. Experten wollen nun bestehende Versorgungslücken schließen.

Feuerwehrseelsorger helfen denen, die das Erlebte nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

Foto:dpa

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