A 1416 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 29–30|
22. Juli 2013KOMMENTAR
Rudolf Henke, Erster Vorsitzender des Marburger Bundes
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in Blick in die Ärztestatistik der Bundesärztekammer offenbart, wie stark wir inzwischen auf zugewan- derte Ärztinnen und Ärzte angewiesen sind: 28 310 ausländische Ärztinnen und Ärzte waren Ende 2012 in Deutschland in der medizinischen Ver- sorgung tätig – so viele wie noch nie zuvor. Besonders groß ist der Anteil der ausländischen Kollegen in den Kran- kenhäusern, die gegenüber 2011 einen Zuwachs von 15,1 Prozent verzeichne- ten. Die meisten ausländischen Ärztekommen aus Osteuropa zu uns. Die wirtschaftliche Lage, die Arbeitsbedin- gungen und die Einkommensmöglich- keiten sind dort oft schlechter. Auch der gute Ruf unserer ärztlichen Versor- gung und Weiterbildung ist ein Grund für die meist jungen Kollegen, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen.
In vielen Fällen haben aber auch kommerzielle Agenturen ihre Hände im Spiel. Sie vermitteln den ausländischen Ärzten ein falsches Bild von der Kran- kenhausrealität, die sie hier erwartet.
Grundlegende Bedingungen für eine ärztliche Tätigkeit in Deutschland, vor allem adäquate Deutschkenntnisse, werden verschwiegen. Manche Ärzte zahlen mehrere Tausend Euro Vermitt- lungsgebühren und erleben danach ein Desaster, weil sie sprachlich und fach- lich nicht zurechtkommen. Auch des- halb hat der Marburger Bund (MB) eine Diskussion über die Notwendigkeit ein- heitlicher Standards in der Beurteilung von Deutschkenntnissen ausländischer Ärzte angestoßen. Wie wir aus Rück- meldungen unserer Mitglieder wissen, sind die Sprachkenntnisse ausländi- scher Ärzte leider in vielen Fällen nicht ausreichend, so dass es zu Verständi- gungsschwierigkeiten kommt. Ein Pro- blem dabei ist vor allem die mangelnde Kenntnis gängiger deutscher Begriffe aus dem Krankenhausalltag.
Dies belegen ebenfalls die Erfahrun- gen in Rheinland-Pfalz mit den bun- desweit einzigen Sprachprüfungen ei- ner Landesärztekammer. Die bisheri- gen Prüfungen ausländischer Ärzte zeigten, dass auch Inhaber eines allge- meinsprachlichen Zertifikats der Stufe B2 oder C1 des Europäischen Refe- renzrahmens für Sprachen oft nicht in der Lage sind, ausreichend mit einem Patienten zu kommunizieren, so die Bi- lanz der Kammer nach neun Monaten fachbezogener Sprachprüfungen.
Wie wir aus eigenen Recherchen wissen, akzeptieren viele Bundesländer allgemeinsprachliche Nachweise der Niveaustufe B2 auch dann, wenn es sich um weithin unbekannte Anbieter handelt. Zuweilen genügt auch eine mündliche Vorsprache bei der Appro- bationsbehörde. Nur zwei Bundeslän- der führen zusätzlich noch eine mündli- che Fachsprachenprüfung in ärztlicher Kommunikation durch. Ein Bundesland verlangt ausschließlich eine mündliche Fachsprachenprüfung. Diese unter- schiedlichen Verfahrensweisen in den Ländern führen dazu, dass uneinheitli- che und vielerorts mangelhafte Sprach- kenntnisse ausländischer Ärzte Zweifel an der Patientensicherheit hervorrufen.
Für ausländische Ärzte ist diese Praxis zudem sehr verwirrend. Ärzte, die gu- ten Willens sind und an vielen Stellen dringend für die Versorgung gebraucht werden, werden so abgeschreckt.
Deshalb hat der MB die Gesund- heitsminister der Länder vor ihrer jüngs- ten Tagung aufgefordert, sich auf ein- heitliche Regelungen für die Überprü- fung der Sprachkenntnisse ausländi- scher Ärzte zu einigen. Zur Erteilung ei- ner Berufserlaubnis oder einer Approba- tion muss eine anerkannte allgemein- sprachliche Prüfung vorliegen, die nicht länger als drei Jahre zurückliegt und mindestens die Niveaustufe B2 abbildet.
Notwendig ist daher die Erstellung einer Liste mit anerkannten allgemeinsprach- lichen Prüfungen. Für den Klinikalltag ist aber auch eine fachsprachliche Kompe- tenz erforderlich. Die Antragsteller soll- ten zusätzlich das Bestehen einer aner- kannten Fachsprachenprüfung Medizin nachweisen müssen, die nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Auch hier sollte eine Liste mit anerkannten Fach- sprachenprüfungen und Vorbereitungs- kursen vorliegen, die in jeder Approbati- onsbehörde eingesehen werden kann.
Solche Prüfungen sind keine Schi- kane, sondern praktizierter Patienten- und Kollegenschutz. Wir müssen darauf achten, dass Verständigungsprobleme nicht zu Fehlern führen. Die Patienten haben ein Recht darauf, ihren Arzt zu verstehen. Und auch die Kollegen sind darauf angewiesen, dass die Kommu- nikation funktioniert und jeder Arzt im Krankenhaus nach entsprechender Ein- arbeitung in der Lage ist, einen Arzt- brief zu schreiben oder wichtige Doku- mentationspflichten zu erledigen.
Es dürfen keine Kommunikationshür- den entstehen – weder im therapeuti- schen Bündnis mit den Patienten noch im fachlichen Kontakt mit den Kollegen.
Wir wissen, dass die Ärzte, die erfolg- reich hier arbeiten wollen, uns für diese Unterstützung dankbar sind – keiner wird glücklich, wenn die Sprachqualifi- kation nicht den Erwartungen ent- spricht, die hier mit der Arbeit verknüpft sind. Die Kollegen aus dem Ausland können sich auf den MB als ihren Part- ner im Arztberuf verlassen. Vor allem bei verwaltungsrechtlichen Fragen sind die zuwandernden Ärzte auf Unterstützung angewiesen. Wir geben diese Hilfe ger- ne, weil wir die ausländischen Kollegen in den Kliniken und Praxen brauchen, weil sie uns willkommen sind. Wir soll- ten sie mit offenen Armen, aber auch mit klaren Erwartungen empfangen.
AUSLÄNDISCHE ÄRZTE