Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 48⏐⏐1. Dezember 2006 A3229
P O L I T I K
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s gibt Menschen, die entschei- den sich für einen Mann, den sie mit anderen teilen müssen – so wie die Delegierten des NAV- Virchow-Bundes. Am 18. Novem- ber wählten sie Dr. med. Klaus Bitt- mann (63) zum Bundesvorsitzen- den; wohl wissend, dass er weiterals hauptamtlicher Vorstand der Ärz- tegenossenschaft Schleswig-Hol- stein und als Vorstandsmitglied im Bundesverband der Ärztegenossen- schaften tätig sein wird.
Drei Funktionen auf einmal in unruhigen Zeiten für die Ärzte? „Ich versuche es“, erklärt Bittmann im Gespräch mit dem Deutschen Ärz- teblatt knapp. Er setzt damit etwas um, was er sowieso für zukunfts- weisend hält: neue, bisher unge- wohnte Allianzen und Kooperatio- nen einzugehen. Ein erster Schritt in
diese Richtung war im Mai die Gründung der Allianz Deutscher Ärzteverbände, deren Mitglied der NAV neben Hartmannbund, Medi Deutschland, Berufsverband Deut- scher Internisten, Bundesverband der Ärztegenossenschaften und Ge- meinschaft Fachärztlicher Berufs-
verbände ist. Man arbeite derzeit an einem Konzept zu einer Vertrags- werkstatt, berichtet Bittmann. Ein erster Baustein sollen von allen ak- zeptierte Spielregeln für den Wett- bewerb sein; Verträge zulasten Drit- ter dürften zum Beispiel nicht ge- schlossen werden.
Ein anderes Projekt ist ein Hand- buch mit umfassenden Informatio- nen zum Ausstieg aus der kas- senärztlichen Versorgung. Der Bun- desverband der Ärztegenossen- schaften, Medi Deutschland und die
Freie Ärzteschaft wollen es ge- meinsam herausgeben. Denn Zulas- sungsrückgaben müssen gut geplant werden, räumt Bittmann ein: „Ich kann nicht eine Gruppe Ärzte in die Zulassungsrückgabe führen, und dann gibt es kein Geld.“
Erfolgreiche ärztliche Interessen- vertretung hält er in Zukunft nur für möglich, wenn man Kräfte bün- delt. Als Vorbild nennt er die Posi- tionierung des Marburger Bundes als kämpferische Ärztegewerk- schaft: „Für die niedergelassenen Ärzte ist es sinnvoll, sich auf einen ähnlichen Weg zu machen.“ Ein großer Verband der Niedergelasse- nen? „Kein Schreckgespenst“, be- tont Bittmann. Nur wer überzeu- gend agiere und Gestaltungswillen erkennen lasse, dem trauten es die Ärzte zu, ihre Interessen im Ver- tragsgeschäft zu vertreten.
Die integrierte Versorgung sei beispielsweise ein Angebot, „das im Kern der Vernunft folgt und weiter wachsen wird“. Allerdings ohne die KVen, die als Vertragspartner nicht zugelassen sind. Deshalb werden vermehrt Genossenschaften und Verbände ins Vertragsgeschäft ein- steigen – „gegen Bezahlung und realistischerweise in kleinen Schrit- ten“, betont Bittmann. Ein Befür- worter der Ausgrenzung der KVen ist er bei aller Kritik an ihnen nicht:
„Ich möchte, dass sie im Vertragsge- schäft alles können dürfen.“ Aber das werde die Politik wohl kaum er- möglichen, weil sie kein Interesse habe, die KVen zu stärken. I Sabine Rieser
Erfolgreiche Interessenvertretung durch Bündelung der Kräfte
Der neu gewählte Repräsentant des NAV-Virchow-Bundes über zukünftige Allianzen ärztlicher Verbände und über neue Aufgaben im Vertragsgeschäft
DAS GESPRÄCH
Klaus Bittmann, NAV-Bundesvorsitzender
„Nur durch das Verschicken von Festschriften wecken wir kein Vertrauen; wir müssen glaub- würdig vertreten, dass wir etwas gestalten wollen
für die Ärzte.“ Fotos:Georg J.Lopata