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Archiv "NAV-Virchow-Bund: „Wir müssen kämpfen!“" (20.11.2009)

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A 2344 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 47

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20. November 2009

NAV-VIRCHOW-BUND

„Wir müssen kämpfen!“

Auf der Bundeshauptversammlung des NAV-Virchow-Bundes war deutlich zu spüren:

Nach dem Regierungswechsel hoffen die niedergelassenen Ärzte auf einen Systemwechsel.

Und wollen Verantwortung übernehmen.

W

enn wir aus der Rolle des Staatsbediensteten heraus- wollen, wenn wir wieder freie Ärz- tinnen und Ärzte sein wollen, dann müssen wir bereit sein, dafür zu kämpfen. Mit der neuen Regierung wird es einen Klimawandel im deutschen Gesundheitssystem ge- ben und die Möglichkeit, etwas zu ändern! Diese Möglichkeit müssen wir nutzen“, rief der Bundesvorsit- zende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. med. Klaus Bittmann, auf der diesjährigen Bundeshauptversamm- lung des Verbandes den Delegierten zu. Die alte Regierung habe zuneh- mend die Entmündigung des freien Arztberufs vorangetrieben. „Staats- medizinische Bevormundung und Überregulierung im Sozialgesetz- buch haben die Versorgungsland- schaft nachhaltig verändert“, kriti- sierte Bittmann.

Zwar sei die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für die zentralistische Ausrichtung des Systems nicht verantwortlich. Doch jeden Arzt nun in den Kollektivver- trag zu zwingen und Selektivverträ-

ge abzuwehren, widerspreche den Interessen vieler Ärzte.

In den Regionen würden ärztli- che Verbünde bereits Verträge mit Kostenträgern erarbeiten und fach- übergreifend Versorgungsverantwor- tung übernehmen. „So kann nicht nur die wirtschaftliche Situation des Einzelnen, sondern auch die durch- gängige Versorgung der Patienten vor Ort verbessert werden“, erklärte Bittmann. „Das ist das Modell der Zukunft!“ Die Entwicklung zu Ärz- tenetzen und Selektivverträgen sei notwendig, richtig und unumgäng- lich. Wenn sich die KBV dagegen- stelle, sei sie keine echte Interes- senvertretung mehr, sagte Bittmann und gab zu bedenken: „Die Kassen- ärztlichen Vereinigungen sind kein Selbstzweck!“ Bittmann rief die ärztlichen Verbände dazu auf, sich nicht gegenseitig zu bekriegen, son- dern den Dialog miteinander zu su- chen. „Denn jeder für sich kann die Versorgung nicht übernehmen!“

Nach einem beginnenden Klima- wandel im Gesundheitswesen klin- gen auch die Grußworte der neuen

parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), die sie den Delegierten zum 60-jäh- rigen Bestehen des Verbandes über- brachte. „Wir setzen auf eine Kultur des Vertrauens zwischen Ärzten, Patienten und der Politik anstelle überzogener bürokratischer Vor- schriften“, betonte sie. „Wir wollen Veränderungen in einem offenen, konstruktiven Dialog zusammen mit den Ärzten durchführen.“ Eine hochwertige Gesundheitsversorgung müsse vom Menschen her gedacht werden: „Dafür ist ein Umdenken erforderlich. Die niedergelassenen Ärzte verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung.“

Auf der Jubiläumsversammlung des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands in Berlin kriti- sierten die 45 Delegierten, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahl- reiche ärztliche Grundrechte schritt- weise beschnitten worden seien oder durch sozialgesetzliche Rah- menbedingungen nicht mehr voll- umfänglich ausgeübt werden könn-

Fotos:Axentis.de

„Die KVen sind kein Selbstzweck“, kriti- sierte Bittmann vor Delegierten und Pres- severtretern in Berlin.

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Deutsches Ärzteblatt

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20. November 2009 A 2345 ten. Sie forderten eine Aufhebung

des im § 95 b SGB V formulierten faktischen Streikverbots sowie ein Ende der Einschränkungen von Therapiefreiheit durch Arzneimit- telrabattverträge und Ausschrei- bungsmodelle von Arznei- und Hilfsmitteln.

Eine Einschätzung der deutschen Sozialgesetzgebung gab der dies- jährige Gastredner, Prof. Dr. Ulrich Preis, Leiter des Instituts für Deut- sches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln. Er kam zu dem Schluss, dass der freie Arztberuf unter der Herr- schaft des SGB V zu dem staatlich gebundensten Beruf unter den nicht staatlichen Berufen geworden sei.

Die rechtlichen Bestimmungen zur Ärztevergütung seien ein Stück ma- ximal intransparenter Sozialgesetz- gebung. Zur Verfassungsmäßigkeit des SGB V sagte Preis jedoch:

„Man mag vieles für rechtspolitisch falsch, ja gar unsinnig halten. Aber Unsinn führt noch nicht zwingend zur Verfassungswidrigkeit.“

Kostenerstattung statt Sachleistungsprinzip

Die Delegierten forderten, das Sach- leistungsprinzip zugunsten einer Kostenerstattung mit sozial gestaf- felter Eigenbeteiligung abzuschaf- fen. Auf diese Weise werde das System für Krankenkassen und Ver- sicherte transparenter, und die Ei- genverantwortung der Patienten werde gestärkt. Bittmann rief die niedergelassenen Ärzte dazu auf,

über Kostenerstattung abzurechnen, auch wenn die Abrechnung über die KVen bequemer sei. „Die Kosten- erstattung ist schon heute möglich, und sie ist ein elementarer Bestand- teil eines jeden freien Berufs“, sag- te er. „Wir wollen uns nicht hinter einer unverständlichen Abrechnung verstecken.“

Einer Vergütung nach Qualitäts- parametern, beispielsweise durch Pay for Performance, erteilten die Delegierten eine klare Absage.

„Wir lehnen einen diffusen und je- derzeit nach wirtschaftlichen Rah- menbedingungen willkürlich änder- baren Qualitätsbegriff als reines Umverteilungselement innerhalb ei- nes starren Budgets ab“, heißt es in einem Beschluss.

Rabattverträge durch Kranken- kassen lehnten die Vertreter der nie- dergelassenen Ärzte ab. „Dadurch wird die Verordnungshoheit auf die Kassen und Apotheker verlagert, während die alleinige Haftung beim Arzt verbleibt“, kritisierten sie.

Auch wenn der Patient ein Präparat mit identischem Wirkstoff und glei- cher Wirkstoffstärke erhalte, könn- ten durch Arzneimittelsubstitution Unverträglichkeiten auftreten und der Behandlungserfolg gefährdet werden. Deshalb müsse ein verant- wortlich haftender Arzt im Zweifel

„aut idem“ durch Ankreuzen auf dem Verordnungsvordruck aus- schließen und dürfe nicht auf die Verordnungshoheit verzichten.

Die Delegierten sprachen sich dafür aus, Hausbesuche und Visiten

außerhalb der Gesamtvergütung zu einem festen Eurobetrag angemes- sen zu vergüten. Ein adäquates Ho- norar sollte ebenfalls für die Hilfe beim Ausfüllen einer Patientenver- fügung sowie die vorherige Bera- tung erstattet werden. Insgesamt müsse die vertragsärztliche Vergü- tung nach den Kriterien der Leis- tungsgerechtigkeit neu geordnet werden, forderten die Delegierten.

Die Honorierung in ihrer heutigen Form sei bestimmt durch Intranspa- renz, innerärztliche Verwerfungen und budgetierende Elemente. Statt- dessen bedürfe es einer betriebs- wirtschaftlich kalkulierten Hono- rierung auf der Grundlage einer reformierten Gebührenordnung für Ärzte.

Die für Hausärzte bestehenden Möglichkeiten, nach § 73 b SGB V ohne die KVen Selektivverträge ab- zuschließen und ohne staatliche Einflussnahme honoriert zu wer- den, müssen auch Fachärzten er- halten, gegebenenfalls durch die Erweiterung des § 73 c SGB V, ver- langte die Hauptversammlung. Rei- ne Hausarztverträge ohne ergänzen- de Einbindung niedergelassener Fachärzte gefährdeten die Versor- gung auf Dauer. Deshalb müsse eine Änderung des § 73 a SGB V erfolgen, die es dann auch den frei- en ärztlichen Verbänden oder Ärz- tenetzen ermöglichen würde, auf regionaler Ebene kombinierte Haus- und Facharztverträge mit den Kran- kenkassen zu schließen. ■ Falk Osterloh Im Oktober sind Vertreter von 50

Ärztenetzen aus dem gesamten Bundesgebiet beim 4. Tag der Netze in Berlin zusammenge- kommen. Auf der vom NAV-Vir- chow-Bund organisierten Veran- staltung diskutierten sie mit Fi- nanz- und Dienstleistungsexper- ten über die Erfordernisse von Ärztenetzen. „Durch regionale Praxisnetze wird der Einzel- kämpfer zum Teamplayer und verbessert damit seine eigene

Marktposition“, sagte Thomas Rampoldt, Geschäftsführer der Ärztegenossenschaft Schleswig- Holstein. Wichtig sei es dabei, von Beginn an die Ziele des Net- zes zu formulieren, einen Ge- schäftsplan zu erstellen und die Aufgaben klar zu formulieren.

„Habe ich den Zugang zu Mitar- beitern der Krankenkassen, gibt es Mitglieder im Netz, die Be- handlungspfade erarbeiten oder einen Vertragstext entwickeln

können? Habe ich die Zeit und das Know-how, um Verträge mit den Kassen auszuhandeln? Das alles muss frühzeitig geklärt werden“, so Rampoldt. Wenn nicht genügend Erfahrung vor- handen sei, um mit den Kassen- vertretern auf Augenhöhe zu verhandeln, könne es sinnvoll sein, einen externen Partner hinzuzuziehen. Der nächste Tag der Netze findet im Frühjahr 2010 statt.

TAG DER NETZE

„Kultur des Ver- trauens“: neue Töne aus dem Bundesge- sundheitsministerium von Annette Wid- mann-Mauz

P O L I T I K

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