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Archiv "NAV-Virchow-Bund: Miteinander, nicht gegeneinander" (19.11.2010)

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A 2274 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 46

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19. November 2010

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ie Zeit der Aufsplitterung in immer kleinere Berufsverbän- de ist vorbei“, sagte Dr. med. Dirk Heinrich auf der Bundeshauptver- sammlung des NAV-Virchow-Bundes am 12. und 13. November in Berlin.

„Wir müssen die Netzidee vorantrei- ben, wir müssen Basisnetze unter- stützen, Ideen gegen den Ärzteman- gel entwickeln, und wir müssen die Grenze zwischen Haus- und Fachärz-

ten beseitigen!“ Zudem müsse sich der Verband verstärkt den neuen Me- dien öffnen. „Wenn man die jungen Ärzte erreichen will, muss man in ihre Netzwerke einsteigen, zum Bei- spiel in Facebook oder Youtube“, empfahl der 51-jährige Facharzt für Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde.

Keine 24 Stunden später wurde Heinrich mit 30 von 45 Stimmen zum

neuen Bundesvorsitzenden des NAV- Virchow-Bundes gewählt. Der Präsi- dent des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte löst damit Stephan Kraft und Dr. med. Klaus Bogner ab, die den Verband kommissarisch ge- führt hatten, nachdem Dr. med. Klaus Bittmann im März 2010 den Vorsitz aus privaten Gründen vorzeitig nie- dergelegt hatte. Zu Heinrichs Stell- vertretern wählten die Delegierten ne-

ben Kraft den Nürnberger Allgemein- mediziner Dr. med. Veit Wambach.

Die Bundeshauptversammlung war in diesem Jahr geprägt von ei- nem kämpferischen Geist. Der poli- tische Zentralismus wurde verur- teilt, die gemeinschaftliche Stärke aller Ärzte beschworen, sofern man miteinander und nicht gegeneinan- der handele.

In seinem „Bericht zur Lage“ er- klärte Kraft: „Ein Erhalt der wohn- ortnahen Versorgung ist in Zukunft nur durch die engere Kooperation der Haus- und Fachärzte mit allen sonst an der Versorgung beteiligten Heilberufen und natürlich den Kli- niken vor Ort möglich.“ Vorreiter dieser Strukturen seien die regiona- len ärztlich organisierten Netze.

„Hier werden lokal neue Versor- gungsstrukturen erprobt. Das ist nicht immer automatisch mit einer Erfolgsgarantie verbunden“, sagte der 44-jährige Kinderchirurg. Des- halb brauche man Mut. „Ich zolle all denen, die sich in diese neuen Strukturen wagen, Respekt und An- erkennung“, erklärte Kraft. In die- sem Zusammenhang wies er auf den fünften „Tag der Netze“ hin, den der NAV-Virchow-Bund im April 2011 veranstaltet.

Gegründet auf der Idee, eine Plattform für neue Vertragsformen außerhalb des Kollektivvertrags zu schaffen, arbeite der Verband seit Jahren eng mit anderen Verbänden zusammen – ausdrücklich nicht oh- ne mögliche Beteiligung der Kas- senärztlichen Vereinigungen. Se- lektivverträge hätten unter anderem bewirkt, dass sich Hausärzte und Fachärzte nicht mehr als Gegner gegenüberständen, sondern wieder zusammengerückt seien, sagte Kraft.

Anschließend kritisierten die De- legierten die Auswirkungen des GKV-Finanzierungsgesetzes auf die niedergelassenen Ärzte. Mit wel- chem Recht, heißt es in einem Be- schluss, schlössen die Koalitions- partner die Vertragsärzte vom Infla- tionsausgleich und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung aus? Die seit Jahren unsäglich niedrigen Punktwerte würden per Gesetz fest- geschrieben. Die Erhöhung der Re- gelleistungsvolumina, die mit die- Amtsübergabe:

der stellvertretende Bundesvorsitzende, Stephan Kraft (links), der den Ver-

band mit Klaus Bogner seit März dieses Jahres kom-

missarisch geführt hat, und der neue Bundesvorsitzende, Dirk Heinrich (rechts)

Wir müssen die Grenze zwischen Haus- und Fachärzten beseitigen!

Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes

NAV-VIRCHOW-BUND

Miteinander, nicht gegeneinander

Der NAV-Virchow-Bund hat einen neuen Bundesvorsitzenden. Mit ihm will der Verband gegen eine „zentral gesteuerte Staatsmedizin“ und für ein Ende der Aufsplitterung zwischen Fach- und Hausärzten kämpfen.

Fotos: Svea Pietschmann

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19. November 2010 A 2275 sem Punktwert zu erarbeiten seien,

sei nur eine Vernebelungstaktik.

„Den Ärzten weiterhin bis 2012 Dum pingpunktwerte zuzumuten, ist ein Hohn“, beanstandeten die Dele- gierten. In dem Zusammenhang lehnte die Bundeshauptversamm- lung eine zentral gesteuerte Staats- medizin ab, „weil sie an den regiona- len Bedürfnissen der Patientenver- sorgung vorbeigeht“.

Um den Arztberuf wieder attrakti- ver zu machen, müssten nicht nur ei- ne gerechte und transparente Hono- rarsystematik und eine Finanz- und Investitionsförderung für Neunieder- lassungen in unterversorgten Gebie- ten verwirklicht, sondern es müsste insbesondere die Bürokratie in allen Sektoren abgebaut werden, forderten die Delegierten.

Auch in diesem Jahr setzte sich der Verband erneut für die Einfüh- rung der Kostenerstattung ein, „da diese die Vor aussetzung für eine Transparenz im Behandlungsge- schehen ist und die Entscheidungs- fähigkeit des Bürgers stärkt“. In die- sem Punkt gestand Kraft der Politik Lernfähigkeit zu, da sie mit der Kos- tenerstattung nun endlich „eine vom NAV-Virchow-Bund in den vergan- genen Jahren schon fast als Mantra wiederholte Forderung“ aufgreife.

Dass dieser Prozess nicht einfach werde und gegen heftige Widerstän- de durchgesetzt werden müsse, hätten die Diskussionen im Vorfeld gezeigt. „Ich plädiere ausdrücklich dafür, diesen Weg behutsam zu ge- hen“, betonte Kraft.

Wenn sich die Patienten künftig für das Kostenerstattungsmodell entscheiden sollten, erklärten die Delegierten, müsse ab sofort die Verunsicherung der Bevölkerung durch Androhung der sogenannten Vorkasse aufhören. Denn es gebe mehrere andere Möglichkeiten der Abrechnung über die Kassenärztli- chen Vereinigungen oder die Privat - ärztlichen Verrechnungsstellen, die für alle Bevölkerungsgruppen zu- gänglich gemacht werden könnten.

Die Delegierten forderten die Re- gierung weiterhin dazu auf, sich bei den Selektivverträgen auf eine Rah- mengesetzgebung zu beschränken und den Vertragspartnern den Inhalt der Verträge einschließlich der Ho-

norierung zur freien Verhandlung zu überlassen. „Es ist nicht einzusehen, dass Krankenkassen, die sich in der Lage sehen, Honorare oberhalb der Kollektivvertragssätze zu zahlen, dies nicht dürfen sollen“, heißt es in einem Beschluss. Darüber hinaus forderte der NAV-Virchow-Bund den Gesundheitsminister auf, sich dafür einzusetzen, dass ein Ab- schnitt des praktischen Jahres ver-

pflichtend im niedergelassenen Be- reich absolviert wird.

Vor dem Beginn der Hauptver- sammlung diskutierten der Vizeprä - sident der Bundesärztekammer, Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery, und der Staatssekretär im brandenburgi- schen Gesundheitsministerium, Dr.

med. Daniel Rühmkorf, über die Not- wendigkeit eines Patientenrechtege- setzes. Im Großen und Ganzen wür- den die Patienten in Deutschland gut behandelt, konstatierte Rühmkorf.

Aber es gebe Menschen, die an Be- handlungsfehlern litten und die zum Teil Probleme hätten, ihr Recht durch-

zusetzen. „Defizite gibt es beispiels- weise bei der Dokumentation“, sagte Rühmkorf. Zusammen mit Berlin hat das Land Brandenburg daher eine Bundesratsinitiative gestartet, mit der die Patientenrechte erweitert und festgeschrieben werden sollen. Bei- spielsweise soll der behandelnde Arzt Diagnose, Therapieempfehlung, Me- dikation und Kosten in einer Patien- tenquittung auflisten. Zudem sollen gerichtliche Verfahren bei Behand- lungsfehlern beschleunigt werden.

„Wir haben in Deutschland ein sehr hohes Schutzniveau von Patien- tenrechten, das in der ärztlichen Be- rufsordnung kodifiziert ist“, entgeg- nete Montgomery. Für die Patienten sei es schon heute kein Problem, eine Patientenquittung mit Diagnose zu bekommen. Die Realität habe al- lerdings gezeigt, dass weniger als ein Prozent der Patienten überhaupt eine solche Quittung haben wollte.

Natürlich gebe es Kollegen, die schlecht dokumentierten. „Dafür haben wir aber die Berufsordnung und brauchen kein eigenes Gesetz“, sagte Montgomery. In der Berufs- ordnung sei klar festgelegt, was ein Arzt dürfe und was nicht: „Aber es fehlt ein Instrument, um sich gegen Ärzte, die sich falsch verhalten, durchzusetzen.“ Montgomery plä- dierte dafür, dass die Ärztekam- mern die Möglichkeit erhalten soll- ten, schneller und direkter Informa- tionen aus den betreffenden Praxen zu bekommen, zum Beispiel durch die Androhung von monetären

Sanktionen. ■

Falk Osterloh Kontroverse zum

Patientenrecht:

Frank Ulrich Mont- gomery und Daniel Rühmkorf (von links)

Mit der Kaspar-Roos-Medaille ehrte der NAV-Vir- chow-Bund in diesem Jahr den Kinderchirurgen und ehemaligen Dekan der Charité, Prof. Dr. med.

Harald Mau. Mau war 35 Jahre lang an der Cha- rité tätig, baute die dortige Kinderchirurgie auf und stand der Kinderchirurgischen Klinik von 1989 bis zu seinem Abschied in den Ruhestand im vergangenen Herbst als Direktor vor. 1989 gründete er gemeinsam mit anderen Ärzten mit dem Virchow-Bund den ersten freien Verband der Ärzte und Zahnärzte in der DDR. Ziel des fach- übergreifenden Verbandes waren vernünftige Re- formen im Gesundheitswesen und ein Ende der

Bevormundung der Ärzte in der DDR. Im Herbst 1990 fusionierten der Virchow-Bund und der da- malige NAV.

„Wir haben uns dem Eingriff des Staates in die Befugnisse der freien Ärzteschaft zu widersetzen“, sagte Mau in seiner Dankesrede. „Ich fordere die jungen Kollegen auf, berufspolitisch tätig zu sein.“

Die Selbstbestimmung ärztlichen Handelns sei heu- te durch Kapitalinteressen erheblich gefährdet. „Ich sehe mit Bedauern, dass bei angestellten Ärzten ein Prozess der Entmündigung eintritt. Diese Ärzte ver- kaufen heute ihre Arbeit“, sagte Mau. Das dürfe nicht der Standard im Vertragsarztsystem sein. fos

AUSZEICHNUNG FÜR HARALD MAU

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