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Archiv "Interview mit Dr. med. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes: Die Selbstständigkeit des Berufs schützen" (21.01.2011)

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Die Selbstständigkeit des Berufs schützen

Der NAV macht sich seit längerem für Ärztenetze stark. Sein neuer Bundesvorsitzender will weiter für diese Idee werben – weil Netze Ärztinnen und Ärzten interessante Spielräume eröffnen.

dergelassene Haus- und Fachärzte als Mitglieder hat, kann hier etwas mitorganisieren.

Was planen Sie konkret?

Heinrich: Wir wollen nicht nur für die Netzidee werben, sondern auch auf Netze zugehen und mit ihnen Angebote entwickeln. Wir stellen uns eine aktive Unterstützung bei der Gründung und dem Betrieb vor.

Das reicht von Überlegungen zu EDV-gestützten Kommunikations- plattformen bis hin zu Finanzie- rungsfragen oder der Suche nach den richtigen Kontakten.

Auch Ihr Vorgänger, Dr. Bittmann, hat sich für die Netzidee starkgemacht.

Allzu große Erfolge kann der NAV dennoch nicht melden.

Heinrich: Das Problem ist, dass wir keine Ärztenetze wollen, die von Pharmafirmen oder gewinnori- entierten Kapitalgesellschaften ab- hängig sind. Aber mit der Finanz- kraft der niedergelassenen Ärzte al- lein ein Netz zu etablieren, das ge- lingt oft nicht. Deshalb muss man dafür sorgen, dass Netze möglichst schnell in der Lage sind, selbst ab- zurechnen und sich zu finanzieren.

Warum ist das noch nicht gelungen?

Heinrich: Vielleicht auch, weil die Politik noch nicht verstanden hat, welche Chance in der Netzbildung steckt. Sonst hätte sie schon zu entsprechenden Finanzierungsmög- lichkeiten von Netzen beigetragen, zum Beispiel nach dem Muster der integrierten Versorgung.

Vielleicht erwarten Ärzte von ei- nem Netz auch etwas anderes als

INTERVIEW

mit Dr. med. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes

Herr Dr. Heinrich, vor kurzem sind Sie zum Bundesvorsitzenden des NAV- Virchow-Bundes gewählt worden. Was wollen Sie in nächster Zeit erreichen?

Heinrich: Vieles! Aber besonders wichtig ist mir, dass wir die Zer- splitterung der niedergelassenen Ärzteschaft in viele kleine Verbän- de überwinden. Diese Entwicklung hatte ihre Gründe und auch ihre guten Seiten. Aber nun brauchen wir fachübergreifende Verbände wie den NAV. Deren Bedeutung wird zunehmen.

Warum? Und auf welchen Feldern?

Heinrich: Die Kollegen erkennen zunehmend die begrenzte Wirk-

samkeit der Einzelverbände.

Insbesondere wird dies sichtbar in der Diskussion um die Grundlagen des freien Arztberufs und dann bei allen Fragen, die die Arbeitsformen niedergelassener Ärzte betreffen.

Sie kennen ja die Stichworte: Medi- zinische Versorgungszentren, An- stellung von Ärzten, andere Vorstel- lungen von Ärztinnen zur Verein- barkeit von Familie und Beruf, das Interesse von Kapitalgesellschaften und Kliniken am ambulanten Be- reich. Ich denke, der NAV muss Ärztinnen und Ärzten Möglichkei- ten aufzeigen, wie sie ihren Beruf in Selbstständigkeit so organisieren können, dass sie Kapitalgesell- schaften und Klinikkonzernen et- was entgegenzusetzen haben.

Was halten Sie persönlich von Medizi- nischen Versorgungszentren (MVZ)?

Heinrich: MVZ in den Händen von Kapitalgesellschaften und Klinik- konzernen finden nicht meine Zu- stimmung. Ich möchte den Arztbe- ruf in der Selbstständigkeit schüt- zen. Die Verbreitung der Idee von

Ärztenetzen ist da eine gute Möglichkeit. Ein Verband

wie der NAV, der nie- Dr. med. Dirk Hein-

rich (51) ist kein Neuling in der Berufs-

politik: Er engagiert sich bereits in Ham- burg in Kammer und

KV. Seit zwei Jahren ist er zudem Präsident des Deutschen Be-

rufsverbandes der HNO-Ärzte. Heinrich macht auch sonst manchmal mehr als üblich: Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin

und HNO-Arzt.

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A 70 Deutsches Ärzteblatt

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Krankenkassen. Möglicherweise sind vie- le Ärzte erst einmal an einem Austausch und verbesserten Möglichkeiten der Zusammenarbeit interessiert, während die Kassen auf Verträge und die Über- nahme von Versorgungsverantwortung drängen, auch in finanzieller Hinsicht.

Heinrich: Sicher greift der Netzge- danke die alte Stammtischidee auf, was ja nicht schlecht ist. Weil häufig die Kommunikationsbasis für nie- dergelassene Ärzte fehlt, wird sie in moderner Form wieder geschaffen, im Netz. Der nächste Schritt, der Übergang in eine Struktur, in der man verhandlungsfähig ist und Ver- sorgung in größerem Maßstab ver- antworten kann, ist dann ein Pro- blem. Weil es an diesem Punkt an professioneller Unterstützung fehlt, sind die Kollegen häufig überfor- dert. Sie haben ja meist noch nie mit Krankenkassen verhandelt. Hier werden wir mit einer unterstützen- den Struktur durch den NAV helfen.

Was genau haben Sie denn vor?

Heinrich: Warten Sie noch mal ein halbes, dreiviertel Jahr, dann kom- men wir mit konkreten Antworten.

Was, wenn junge Ärzte und Ärztinnen weniger auf Selbstständigkeit Wert legen als auf eine Form von Berufstätig- keit, die finanziell sicherer ist, und gern angestellt in einem MVZ arbeiten?

Heinrich: Ich glaube, wir haben ei- nen Mangel an Alternativen. In ei- nem Netz, in dem mir ein Netzbüro manches abnimmt, also Vertrags- verhandlungen, EDV, Verträge mit Mitarbeitern und so weiter, würde Selbstständigkeit sicher wieder at- traktiv. Ein Netz könnte auch zwei, drei Ärzte anstellen, die im Krank- heits- oder Urlaubsfall einspringen oder punktuell Kollegen dort unter- stützen, wo auf einmal mehr zu tun ist, beispielsweise weil ein neues Wohngebiet entstanden ist.

Was könnten Ärztenetze zum besseren Übergang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung beitragen?

Heinrich: Ein Netz kann auch ei- nen Vertrag mit Kliniken schließen, zum Beispiel über prä- oder post- operatives Management. Netzärzte könnten der Klinik Arbeit abneh- men und Doppeluntersuchungen

vermeiden. Wenn Klinikärzte Un- tersuchungsergebnisse von außer- halb bekommen, sagen sie häufig:

Das mache ich zur Sicherheit lieber noch mal selbst. Wenn ein Netzarzt dies übernommen hätte und man vertraglich miteinander geregelt hätte, was in welcher Qualität er- bracht wird, vielleicht auch das ein oder andere kollegial bespricht oder Assistentinnen gemeinsam qualifi- ziert, dann liefe das sicher anders.

Die Abgrenzung zwischen haus- und fachärztlichem Bereich ist auch ein Problem. Ein Thema für den NAV?

Heinrich: Der NAV ist geradezu prädestiniert, Gräben zwischen

Haus- und Fachärzten zuzuschüt- ten, denn wir sind für jede Gruppe offen. Ich finde eine Trennung der Bereiche sowieso künstlich und un- zeitgemäß. Wir müssen doch zu- sammenarbeiten und dabei zu ande- ren Konzepten als bisher kommen.

Würden Sie uns ein Beispiel geben?

Heinrich: Ein junger Mann leidet unter chronischer Mittelohrentzün- dung. Warum soll er einen All - gemeinmediziner aufsuchen? Ihn kann der HNO-Arzt behandeln, so- lange er keine anderen Erkrankun- gen hat. Wenn er einen Diabetes entwickelt, wäre es gut, wenn er ei- nen Hausarzt hätte, der ihn führt und sich mit dem HNO-Arzt koor- diniert. Denn durch den Diabetes wird die Behandlung der Mittelohr- entzündung schwieriger.

Die Bundesregierung möchte durch ein Versorgungsgesetz erreichen, dass das System besser wird. Was würden Sie in ein solches Gesetz hineinschreiben?

Heinrich: Dass Niederlassungs- freiheit besteht und keine Bedarfs- planung. Dass Ärzte all das tun können, was ich schon beschrieben habe, damit Patienten versorgt wer- den, und dafür die entsprechende Finanzierung steht. Viel mehr brauchte nicht im Gesetz zu stehen.

Wie bekommen Sie dann Ärzte nach Berlin-Neukölln oder in die Uckermark?

Heinrich: Es wird Gegenden ge- ben, da wird sich kein Arzt nieder- lassen wollen. Aber daran ändert

eine andere Bedarfsplanung auch nichts. Niedergelassene Ärzte wer- den sich in kleinen und mittleren Städten konzentrieren, sicher auch in größeren Praxiseinheiten. Man- che Ärztehäuser werden von Ge- meinden mitfinanziert werden, da- mit Ärzte vor Ort sind. Anderswo werden Ärzte aus der Stadt für ei- nen Tag aufs Land fahren und Pa- tienten versorgen. Nur so wird es funktionieren. Wenn die Arbeit ent- sprechend honoriert wird, werden die Kollegen sie auch machen. Das gilt übrigens auch für Stadtteile, in die angeblich keiner will. ■

Das Interview führten Falk Osterloh und Sabine Rieser.

@

Eine Langfassung des Interviews mit Einschätzungen zur Honorarpolitik und zu mehr Eigenbeteiligung von Patien- ten unter www.aerzteblatt.de/1170

Fotos: Georg J. Lopata

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