Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 28–2916. Juli 2007 A2075
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in aktuelles Forschungspro- jekt an der Universität Osna- brück beschäftigt sich mit der Frage, ob die Implementierung von Medi- zinischen Versorgungszentren (MVZ) zu einer Verbesserung der ambulan- ten Patientenversorgung im Ver- gleich zum traditionellen Versor- gungssystem (Einzel- oder Gemein- schaftspraxis) führt. Anhand eines Fragebogens haben die Probanden zahlreiche Aspekte aus den Berei- chen Potenzial-, Prozess- und Ergeb- nisqualität bewertet, gewichtet und mit dem traditionellen Versorgungs- system verglichen. Der Fragebogen umfasste dabei folgende Themenbe- reiche: Arbeitstätigkeit, Infrastruktur und Ausstattung, organisatorische Abläufe, Arbeitszeit, Weiter- und Fort- bildung, Gründe für eine Beschäfti- gung im MVZ sowie abschließende Fragen.Bei der Gewichtung und Bewer- tung der Aspekte der Potenzialqua-
lität nimmt die ausreichende me- dizinische Geräteausstattung den höchsten Rang ein. Nachfolgend wurden von der Mehrheit der Ärzte die Aspekte „Fortbildungsangebo- te“ und „Unterstützung bei Fortbil- dung durch das MVZ“ als wichtig und zutreffend eingestuft.
Potenzialqualität
Trotz einer überwiegend positiven Bewertung wird von den oben ge- nannten elementaren Voraussetzun- gen für eine optimale Patientenver- sorgung von einem Teil der Ärzte das EDV-System als kaum oder als nicht ausgereift beziehungsweise nicht ausreichend für die ambulante Behandlung angesehen. Ob aus ärztlicher Sicht in MVZ eine Ver- besserung der Potenzialqualität er- reicht wird, soll der Vergleich mit der medizinischen Einrichtung, in der die Ärzte vorher tätig waren, er- geben (Grafik 1).
Bis auf die Aspekte „raumklimati- sche Bedingungen“ und „Existenz von Sozialräumen“ weisen alle ande- ren Aspekte der Potenzialqualität in MVZ eine positive Tendenz zur Ver- besserung auf. Bei den Ergebnissen ist insbesondere die Unterstützung des ärztlichen Personals bei der Nut- zung des Weiter- und Fortbildungs- angebots durch das MVZ hervorzu- heben. Im Bereich der infrastruk- turellen Ausstattung der MVZ wer- den besonders die medizinische Ge- räteausstattung, die E-Patientenakte und das Mobiliar im Vergleich zu an- deren medizinischen Einrichtungen als deutlich besser beurteilt.
Prozessqualität
Die Aspekte der Prozessqualität, de- ren Wichtigkeit besonders hoch ein- gestuft wird, zielen auf die Zusam- menarbeit zwischen den Beteiligten im MVZ ab. Im Einzelnen sind dies die Aspekte „angenehmes Arbeits- klima“, „Abstimmung des Perso- nals“ und „medizinisch sinnvolle Zusammenarbeit“.
Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten in MVZ, ausge- drückt durch das angenehme Ar- beitsklima, die Abstimmung des Personals, die medizinisch sinnvol- le Zusammenarbeit und strukturier- te Arbeitsabläufe, erfährt durch die Betroffenen mit großer Mehrheit
MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN
Für gut befunden
Ärzte, die in Medizinischen Versorgungszentren tätig sind, schätzen das Arbeitsklima und sehen die Versorgung im Vergleich zum traditionellen System verbessert.
GRAFIK 1
Potenzialqualität in MVZ aus Ärztesicht
Ausreichende Geräteausstattung Ausgereiftes EDV-System Existenz eines EDV-Netzwerks Existenz einer E-Patientenakte Beleuchtung am Arbeitsplatz Durchführung von Reparaturen Raumklimatische Bedingungen Existenz von Sozialräumen Gestaltung der Möbel Besetzung vorhandener Stellen Fortbildungsmöglichkeiten Unterstützung bei Fortbildung
–40 % –20 % 0 % 20 % 40 %
schlechter deutlich schlechter besser deutlich besser
3 % 15 % 31 % 10 %
13 % 13 % 13 % 4 %
5 % 7 %
10 % 5 % 7 %
4 %
10 % 15 %
13 % 9 %
14 % 14 % 10 %
14 % 17 % 17 % 19 %
27 % 19 %
16 % 4 % 8 %
7 %
18 % 12%
16 % 20 %
10 % 7 %
3 % 7 % 11 % 7 %
8 %
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eine weitgehende beziehungsweise volle Zustimmung. Die patienten- bezogenen Aspekte (Beteiligung am Behandlungsprozess, umfassende Patienteninformation, angemessene Wartezeiten) werden vom ärztlichen Personal in den MVZ als weitge- hend beziehungsweise voll erfüllt bewertet.
Bei der weiteren Betrachtung sind die Aspekte „Erledigung der Arbeit in der regelmäßigen Arbeitszeit“ und
„ungestörte Erledigung der Doku- mentation“ hervorzuheben. Circa ein Drittel des ärztlichen Personals kann die anfallende Arbeit in der vorgese- henen Zeit kaum beziehungsweise nicht erledigen, und sogar über die Hälfte der Ärzte ist in der normalen Arbeitszeit nicht beziehungsweise kaum in der Lage, bestimmte Tätig- keiten (zum Beispiel Dokumentatio- nen) ungestört durchzuführen. Bei der Prozessqualität werden deutliche Verbesserungen insbesondere bei den Aspekten des Themenbereichs
„Qualität der Behandlung“ herausge- stellt (Grafik 2).
Bei den Ergebnissen der Aspek- te „medizinisch sinnvolle Zusam- menarbeit“ und „Vermeidung von
unnötigen Doppeluntersuchungen“
zeigen sich erste Erfolge hinsicht- lich der Intentionen des Gesetzge- bers. Die Aspekte „Rücksichtnahme anderer Berufsgruppen auf meine Arbeitszeit“, „Erledigung der Arbeit in der regelmäßigen Arbeitszeit“
weisen eine deutliche und der Aspekt „ungestörte Erledigung der Dokumentation“ eine leichte Ver- besserung auf.
Ergebnisqualität
Trotz einiger Defizite, besonders in den Themenbereichen „Infrastruktur und Ausstattung“, „Organisatorische Abläufe“ und „Arbeitszeit“, ist den meisten Aspekten weitgehend oder voll zugestimmt worden beziehungs- weise eine Verbesserung im Ver- gleich zur vorherigen Tätigkeit fest- gestellt worden. Die als besonders wichtig eingestuften Aspekte schnei- den bei der Bewertung und dem Ver- gleich durch die Ärzte am besten ab.
Dies spiegelt sich auch in dem Er- gebnis des Aspekts „MVZ führen zu einer Verbesserung der ambulanten Patientenversorgung“ wider. Dem- nach sehen 92 Prozent der Befragten in der Implementierung von MVZ
eine Verbesserung der ambulanten Patientenversorgung.
Motivation für eine Tätigkeit im MVZ
Im Rahmen einer motivationsbezo- genen Betrachtung gaben die Ärzte an, welche Gründe für die Aufnahme einer Tätigkeit im MVZ ausschlag- gebend waren. Wichtigster Grund ist dabei die „Vereinbarkeit von Familie beziehungsweise Freizeit und Be- ruf“, weil innerhalb einer ärztlichen Gemeinschaft eher die Möglichkeit zu einer individuellen, flexibleren Arbeitszeitgestaltung besteht. Eben- so sind die Entlastung von Bürokra- tie und die Vermeidung des finanzi- ellen Risikos der Freiberuflichkeit von den befragten Ärzten Gründe für einen Wechsel in ein MVZ.
Die Ergebnisse der Ärztebefra- gung zeigen, dass MVZ vielverspre- chende Tendenzen zu einer Verbes- serung der ambulanten Patienten- versorgung aufweisen. Bei nahezu allen zu bewertenden Aspekten lässt sich die Tendenz in Richtung einer Verbesserung der Dienstleistungs- qualität durch MVZ ablesen. n Dr. Hendrik Schulte, Dr. Carsten Schulz GRAFIK 2
Prozessqualität in MVZ aus Ärztesicht
Angenehmes Arbeitsklima Beteiligung der Patienten am Behandlungsprozess Medizinisch sinnvolle Zusammenarbeit Angemessene Behandlungsgeschwindigkeit Umfassende Patienteninformation Vermeidung von Doppeluntersuchungen Angemessene Wartezeiten für Patienten Strukturierte Arbeitsabläufe Existenz regelmäßig fachübergreifender Dienstbesp.
Besprechungen steigern Behandlungsqualität Behandlung ausschließlich im MVZ Existenz schriftlich fixierter Behandlungsabläufe Abstimmung des Personals Rücksicht auf eigene Arbeitszeit Erledigung der Arbeit in regelmäßiger Arbeitszeit Ungestörte Erledigung der Dokumentation
–40 % –20 % 0 % 20 % 40 %
schlechter deutlich schlechter besser deutlich besser
5 % 27 % 15 %
5 % 14 %
10 % 5 % 9 % 7 % 5 % 30 % 19 %
22 % 24 % 21 % 20 % 20 % 11 %
14 % 4 % 6 % 6 %
9 % 8 %
3 % 9 % 16 %
13 % 21 % 17 % 4 %
7 % 10 %
3 %
6 % 7 % 26 % 9 %
12 % 23 %
4 % 6 % 11 %
9 %
3 % 14 % 21 %