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Archiv "Screening nach Darmkrebs: Schlußwort" (05.02.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Screening nach Darmkrebs

welches eine weit höhere Emp- findlichkeit als der Haemoccult- Test aufzuweisen scheint. Ohne näher auf die sehr interessanten Ergebnisse einzugehen, sei fol- gendes festgestellt: Bei Ade- nomen mit einem Durchmesser von mehr als zwei Zentimeter fiel der Haemoccult-Test bei 17 Pro- zent der Fälle positiv aus, bei asymptomatischen kolorektalen Karzinomen nur in 43 Prozent.

Wenn man noch berücksichtigt, daß etwa 70 Prozent aller Patien- ten mit positivem Haemoccult- Test vorher bereits Blut im Stuhl gesehen haben, so muß man sich fragen, ob der Test als Screening-

Methode überhaupt Wert hat.

2. Für jeden, der die Statistiken über die Lokalisation der Dick- darmkarzinome kennt, ist uner- klärlich, wieso 70 Prozent der

„aufgespürten kolorektalen Karzi- nome" oberhalb der sogenannten Rektoskopiegrenze lagen!

Im Hinblick auf eine Frühdiagnose des kolorektalen Karzinoms soll- te es möglich gemacht werden, die Koloskopie (oder zumindest die Rekto-Sigmoendoskopie) als Screening-U ntersuchungsmetho- de einzubeziehen. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Patienten mit einem erhöhten Risiko für das kolorektale Karzinom einer en- doskopischen Untersuchung zu- geführt werden müssen.

Literatur beim Verfasser:

Dr. med. S. Athanasiadis Proktologische Abteilung St. Joseph-Hospital Laar Ahrstraße 100

4100 Duisburg 12

Schlußwort

1. Zu der Leserzuschrift von Prof. Krokowski

Im Rahmen der Krebsfrüherken- nungs-Untersuchung, also bei wiederholter Anwendung des Stuhlbluttestes bei beschwerde- freien Personen, werden etwa ein

bis zwei Prozent positive Test- ergebnisse registriert. Ein Such- test ist kein diagnostischer Test.

Das heißt, nur etwa fünf bis zehn Prozent der positiven Suchtests in diesem Programm sind durch ein kolorektales Karzinom verursacht.

Dieser Tatbestand ist in Tabelle 5 meines Erachtens eindeutig dar- gestellt (die präkanzerösen gro- ßen Adenome werden bisher lei- der nicht erfaßt). Das Mißverständ- nis, daß mit unserer Krebsfrüher- kennungs-Untersuchung (bei der zudem weniger als 30 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Män- ner teilnehmen) fünf bis zehn Pro- zent aller kolorektalen Karzinome erkannt werden", sollte aus Tabel- le 5 nicht entstehen können.

Daß die Zahl der gefundenen Kar- zinome bezogen auf die Gesamt- zahl der im Krebsfrüherkennungs- Programm getesteten Gesunden natürlich sehr klein ist, ergibt sich aus der Inzidenz von Darmkrebs, die in der Altersgruppe der über 45jährigen etwa 1 bis 3 pro 1000 beträgt. Bei der bisherigen mittle- ren Fünf-Jahres-Heilungschance von etwa 40 Prozent nach Opera- tion von Patienten, deren Darm- krebs nach Auftreten von Be- schwerden diagnostiziert wurde, sterben in unserem Land jährlich 23 000 Personen an Darmkrebs (mehr als doppelt so viele wie im Straßenverkehr). Bei den rund 24 Millionen Menschen, die älter als 45 Jahre sind, läßt sich demnach eine jährliche Neuerkrankungsra- te (= Inzidenz) von etwa 38 000 vermuten (ein Krebsregister gibt es bei uns leider nicht). In diesen Zahlen sehe ich kein Argument gegen, sondern für die jährliche Anwendung des Suchtestes nach Darmkrebs bei noch beschwer- defreien Personen.

Daß noch kein genügend großes Kollektiv lange genug, das heißt mindestens zehn Jahre lang jähr- lich getestet wurde, um statistisch eindeutiges Zahlenmaterial zu lie- fern, sollte kein Hindernis sein, dieses Screening durchzuführen.

Denn der Nutzen für den einzel- nen Patienten steht außer Frage.

Auch ergibt die Analyse weiterer Auswertungen des Stuhlblut- testes im Rahmen der Krebsfrüh- erkennungs-Untersuchung 1983 die Schlußfolgerung, daß dieses Screening „tatsächlich darin ef- fektiv ist, Fälle von kolorektalem Krebs aus der wiederholt teilneh- menden Bevölkerungsgruppe zu entfernen" (Robra, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versor- gung). Wir sind also auf dem rich- tigen Wege.

2. Zu der Leserzuschrift von Dr. Athanasiadis

Die Feststellung, daß der Nach- weis von okkultem Blut im Stuhl bei beschwerdefreien Personen Darmkrebs aufspüren kann, ist nicht „übertrieben", sondern ent- weder richtig oder falsch. Daß sie

richtig ist, weiß jeder, der diesen Suchtest anwendet — was in der Klinik von Dr. A. zugegebenerwei- se nicht geschieht. Die Patienten einer koloproktologisch-chirurgi- schen Abteilung sind ein speziel- les, bereits ausgelesenes Patien- tengut, für das andere Regeln gel- ten mögen.

Für die Sensitivität ist entschei- dend, daß drei aufeinanderfolgen- de Stühle getestet werden (wegen der intermittierenden bzw. wech- selnden Menge der Blutspuren im Stuhl). Daher haben auch genaue- ste Testmethoden bei Neoplasien eine eingeschränkte Sensitivität, wenn nur eine einzige Stuhlprobe getestet wird — wie in den zitierten Veröffentlichungen berichtet. Ei- ne solche Verkürzung der Testpe- riode oder andere willkürliche Veränderungen des standardisier- ten Screening-Verfahrens sind nicht erlaubt.

Daß die Angabe von sichtbarem Blut im Stuhl seitens der Patien- ten den Nachweis von diesen lan- ge vorausgehenden, okkulten Blutspuren nicht ersetzen kann, ist evident und in Feldstudien be- wiesen. Wohin uns das Warten auf die Patientenangabe von sichtba- rem Blut im Stuhl bringt, zeigen 336 (66) Heft 6 vom 5. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Screening nach Darmkrebs

die bisherigen durchschnittlichen Heilungschancen bei Darmkrebs.

Man kann eben nicht auf dieses Symptom warten, wenn man die- se Heilungschancen verbessern, das heißt Früherkennung betrei- ben will. Wenn wir Darmkrebs im noch beschwerdefreien Stadium diagnostizieren wollen, müssen wir logischerweise beschwerde- freie Personen untersuchen. Lei- der können nicht alle beschwer- defreien Erwachsenen ab 45 Jah- ren periodisch untersucht wer- den. Der Suchtest auf okkultes Blut im Stuhl identifiziert jene kleine Gruppe, die unbedingt un- tersucht werden muß. Es gibt kei- ne Alternative zu diesem Scree- ning.

Die hohe Koloskopie als „einzige Methode zur Früherkennung" ist meines Erachtens eine utopische Forderung, jedenfalls heutzutage.

Die Einführung der starren Rekto- sigmoidoskopie in das Krebsfrüh- erkennungs-Programm ist sicher nicht weniger problematisch. Da diese Endoskopie des Enddarms bei niedergelassenen Ärzten be- reits weit verbreitet ist, ist dies wohl ein Grund dafür, daß wir in unserer Klinik bei den meist vor- untersuchten Patienten relativ wenig Rektumkarzinome diagno- stizieren. Ob das Stuhlbluttesten beim Follow-up von operierten Patienten einen Platz hat, wäre zu prüfen (ich habe es nicht behaup- tet). Jedenfalls ist diese Anwen- dung etwas anderes als das jähr- liche, vorsorgliche Testen bei sich gesund fühlenden Personen. Und nur darum geht es beim Problem des Screening nach Darmkrebs.

Druckfehlerberichtigung:

Ein Druckfehler ist in meiner Ta- belle 6 zu berichtigen: Die bei 40 000 getesteten DKD-Patienten aufgespürten 315 großen Adeno- me bedeuten 7.9 (nicht 5.4) pro Tausend Getesteter.

Dr. med. Reinhard Gnauck Fachbereich Gastroenterologie Deutsche Klinik für Diagnostik Aukammallee 33

6200 Wiesbaden

Die so einfache und überall durchzuführende Methode wie der Haemoccult-Test hat inzwi- schen in den USA und auch in Ka- nada zu einer lebhaften Diskus- sion geführt (siehe zum Beispiel Ahlquist, D. A.; McGill, D. B. et al.:

N. Engl. J. Med. 312 [1985]

1422-1448; Neugut, A. I.; Eddy, D.

M.; Kolata, G.: Science 229 [1985]

1186-1188; Simon, J. B.: Canad.

Med. Assoc. J. 133 [1985] 647), ebenso wie in Deutschen Tages- zeitungen, zum Beispiel in der FAZ vom 11.9. 1985. Strittig sind die Sensitivität, das heißt letztlich die richtig positiven Ergebnisse, gegenüber der Sensibilität, das heißt letztlich die richtig negati- ven Ergebnisse. Dazu sind Aussa- gen — wie allen Beteiligten be- kannt — im Grunde nur möglich bei Kenntnis der Prävalenz des Kolonkarzinoms zum Beispiel in einer Durchschnittsbevölkerung oder in der Sprechstunde eines Gastroenterologen bei verdächti- ger Anamnese. Wegen der prakti- schen Bedeutung des Themas be- handeln wir diese Diskussion mit dem nachfolgenden Brief und ei- nem allgemeinen Schlußwort nochmals abschließend.

Rudolf Gross

Stellungnahme III

Zur Frage der sachlich richtigen Einordnung des Tests auf okkul- tes Blut in der ärztlichen Öffent- lichkeit verweise ich auf Band 21 der Wissenschaftlichen Reihe des Zentralinstitutes für die Kassen- ärztliche Versorgung.

Auf Seite 17 findet man darin eine kurzgefaßte Würdigung der kolo- rektalen Früherkennung — mit na- hezu identischen Zahlen, wie sie inzwischen auch anderweitig er- arbeitet wurden, nämlich mit ei- ner Sensitivität des Tests von 50 bis 60 Prozent und der Tastunter- suchung von 10 Prozent. Ebenso ist dort noch einmal die verbale Klassifizierung des Testes als

„Methode, Personen herauszufin- den, bei denen weitere Untersu- chungen sich lohnen", abge- druckt.

Es ist auch in aller Kürze darge- legt, daß kontrollierte Studien lau- fen, aber nicht abgeschlossen sind, und daß die Befürwortung des kolorektalen Screenings sich vor allem darauf stützt, daß prakti- kable Alternativen ausstehen. Ich glaube, in diesem letzten Punkt sind sich die Epidemiologen in ih- ren Standpunkten sehr viel näher- gerückt. Hier bleibt letzten Endes ein gesundheitspolitischer Be- wertungsspielraum. Voll unter- stütze ich das Anliegen, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Hersteller des Tests anhalten möge, die Informa- tion der Ärzte sachgerecht zu ge- stalten, insbesondere überhöhte Angaben der Tests zur Testsicher- heit zu korrigieren. Dies habe ich mit meiner damaligen Publika- tion, die an die deutschen Kassen- ärzte ging, angestrebt.

Daß die Effektivität des Scree- nings in einer Bevölkerung, die bereits mehrfach durchunter- sucht worden ist, sich in der Wei- se verändert, daß die kumula- tive Gesamtsensitivität steigt und die kumulative Gesamtspezifität sinkt, ist ein unter Epidemiologen seit langem gutbekanntes Phäno- men, das auch an Hand der Da- ten des gesetzlichen Krebsfrüh- erkennungsprogramms belegt und publiziert wurde (Sammel- band Frühmorgen, 1984). Dort ist im übrigen auch auf die elementa- re Bedeutung der Prädiktionswer- te für die Effektivitätsbeurteilung in der Praxis hingewiesen.

Professor Dr. med.

Friedrich Wilhelm Schwartz Abteilung Epidemiologie und Sozialmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover

Konstanty-Gutschow-Straße 8 3000 Hannover 61

Allgemeines Schlußwort

Wenn ein Screening-Verfahren unter ausschließlich mathema- tisch-statistischen Gesichtspunk- ten, das heißt rein theoretisch am Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 6 vom 5. Februar 1986 (69) 337

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