Auch 1988 stammen über 80 Prozent aller in diesem Jahr regi- strierten Fälle aus den „klassi- schen" Risikogruppen der homo- und bisexuellen Männer und i. v.
Drogenabhängigen (Tabelle 2). Der relative Anteil der Drogenabhängi- gen hat jedoch deutlich von 9,7 Pro- zent bis Ende 1987 auf 12,9 Prozent der gemeldeten im Jahr 1988 zuge- nommen. Bewertbare Veränderun- gen in den übrigen Gruppen sind, nicht zuletzt wegen der geringen Fallzahlen, nicht erkennbar. Von den bis heute bekannten 190 AIDS- Fällen bei Frauen wurden 89 (47 Prozent) 1988 registriert. Wie bisher wurde bei der Hälfte der Frauen mit AIDS, Drogenabhängigkeit als In- fektionsrisiko genannt. Die Alters- verteilung der AIDS-Kranken hat sich weder bei Männern noch bei Frauen verändert (Tabelle 4).
Bei den zur Diagnose AIDS führenden Krankheiten (Tabelle 3) haben die opportunistischen Infek- tionen 1988 anteilmäßig zugenom- men (vor 1988: 68,2 Prozent; 1988:
73,9 Prozent). Das Kaposi-Sarkom führt seltener als Erstmanifestation zur Diagnose AIDS (vor 1988: 19,2
Prozent; 1988: 14,1 Prozent). In 33 Fällen wurde entsprechend der er- weiterten Falldefinition erstmals 1988 ein Wasting-Syndrom als erste Manifestation von AIDS mitgeteilt.
Es fällt auf, daß im internationa- len Vergleich HIV-bedingte Erkran- kungen des ZNS in der Bundesrepu- blik häufiger gemeldet werden. Die Bewertung neurologischer Sympto- me als Erstmanifestation ist kompli- ziert und in der CDC-Falldefinition nicht eindeutig definiert. Gelegent- lich können neurologische Sympto- me bedingt sein durch opportunisti- sche Infektionen oder Malignome des Gehirns, werden aber zunächst als HIV-Enzephalopathie gedeutet und dann gegebenenfalls als solche registriert. In anderen Fällen mag es schwierig sein, bei Vorliegen einer HIV-Infektion Enzephalopathien anderer Genese (Alkohol- und Me- dikamentenabusus, Drogenkonsum) von der HIV-Enzephalopathie abzu- grenzen.
Seit Einrichtung des AIDS-Fall- registers haben 335 Ärztinnen und Ärzte oder Kliniken AIDS-Fälle ge- meldet. Elf Ärzte oder Kliniken meldeten insgesamt 1666 Fälle (60
Prozent). Je einen oder zwei Fälle meldeten 239 Ärzte. Der große An- teil von Einzelmeldungen unter- stützt die Annahme, daß der über- wiegende Teil der AIDS-Fälle ge- meldet wird. In diesem Zusammen- hang ist bemerkenswert, daß heute etwa 30 Prozent aller Meldungen Pa- tienten betreffen, die bereits früher von anderer Seite gemeldet wurden und bereits registriert waren. Die Erkennung dieser Mehrfachmeldun- gen wird allein über den gewählten Patientenkode möglich.
Für die vereinfachte, standardi- sierte und anonymisierte Meldung von manifesten AIDS-Erkrankungs- und -Todesfällen sind die an die neue Falldefinition angepaßten Fall- berichtsbögen erhältlich bei den ört- lichen Gesundheitsämtern, den zu- ständigen Seuchenreferenten der Länder oder direkt bei:
AIDS-Zentrum
im Bundesgesundheitsamt
— Epidemiologie — Reichpietschufer 74 1000 Berlin 30
Telefon: 0 30/25 00 94-20/21
Positiver Haemoccult-Test — Was tun?
Die Stuhluntersuchung auf ok- kultes Blut gehört inzwischen in ei- ner Reihe von Ländern zu den ge- setzlich geregelten Krebsfrüherken- nungsmaßnahmen. Nach wie vor be- steht jedoch keine Einigkeit dar- über, wie ein Haemoccult-positiver Patient weiter abgeklärt werden soll- te. Eine komplette Kolondiagnostik wird nur bei etwa zwei Dritteln aller Patienten durchgeführt, häufig be- gnügt man sich mit einer Sigmoido- skopie.
Amerikanische Autoren haben an einem mathematischen Modell eine Kosten-Nutzen-Analyse durch- gerechnet, wobei starre und flexible Sigmoidoskopie, Doppelkontrast- einlauf und Koloskopie analysiert wurden. Auch wenn die optimale Strategie von örtlichen Gegeben- heiten abhängt, ist die primäre Ko-
loskopie der häufig durchgeführten Kombination von starrer Sigmoido- skopie und Kontrasteinlauf sowohl hinsichtlich der Kosten als auch der Ausbeute eindeutig überlegen, wo- bei noch zu berücksichtigen ist, daß im Rahmen der koloskopischen Un- tersuchungen entdeckte benigne Po- lypen in gleicher Sitzung entfernt werden können.
Unter Zugrundelegung der Hy- pothese, daß fünf Prozent aller Adenome im Verlauf von acht Jah- ren maligne entarten, wurde ein Ko- sten-Nutzen-Verhältnis (pro verhin- derter Todesfall) von 27 994 US- Dollar je Koloskopie errechnet. Die entsprechenden Kostenrelationen für starre Sigmoidoskopie und Kon- trasteinlauf lagen bei 32 181 US- Dollar, für die ausschließlich starre Sigmoidoskopie bei 68 332 US-Dol-
lar und für die flexible Sigmoidosko- pie bei 32 386 US-Dollar.
Bei positivem Haemoccult-Test sollte deshalb zur Lokalisation der Blutungsquelle bei jedem Patienten primär eine Koloskopie durchge- führt werden.
Barry, M. J., A. G. Mulley, M. J. Richter:
Effect of Workup Strategy an the Cost-Ef- fectiveness of Fecal Occult Blood Screen- ing for Colorectal Cancer. Gastroenterol- ogy 93: 301-310, 1987.
General Internal Medicine and Gastroin- testinal Units, Massachusetts General Hospital, and the Department of Medi- cine, Harvard Medical School, Boston, Massachusetts.
A-254 (50) Dt. Ärztebl. 86, Heft 5, 2. Februar 1989