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Kreativität & Wahnsinn

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82 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2014 | www.pta-aktuell.de

A

ls Sohn eines

Pfarrers am 30.

März 1853 in Groot-Zundert, einem Landstädtchen in den Niederlanden geboren, wurde er nach streng christlichen Werten erzogen. Trotz guter Noten verließ er die Schule im März 1868 aus unbekanntem Grund, machte eine Ausbildung in der Den Haager Filiale der Kunsthandlung Goupil & Cie, lernte dort die etablierte Kunst kennen und beurteilen. Als pro- fessioneller Kunsthändler in London und Paris tätig, verlor er jedoch anscheinend schnell Interesse an diesem Beruf, war als Verkäufer auffällig und un- geeignet. Er versuchte sich als Hilfslehrer, brach ein Volonta- riat in einer Buchhandlung ab, wollte schließlich protestanti- scher Pfarrer – wie sein Vater – werden. Aber auch das Theo- logiestudium war seine Sache nicht. Als Hilfsprediger wurde er allerdings probeweise bis Juli 1879 bei den Bergleuten von Borinage, einem Ort im belgi- schen Steinkohlerevier, ange- stellt und identifizierte sich hier sehr stark mit der hart arbei- tenden, in ärmlichen Verhält- nissen lebenden Bevölkerung.

Während dieser Tätigkeit be- gann er zu malen, sich auto- didaktisch wesentliche Tech- niken beizubringen, indem er von ihm bewunderte Zeichnun- gen und Drucke kopierte. Im Herbst 1880 entschied er sich

– angeregt durch seinen Bru- der – Maler zu werden. Seitdem kam dieser weitgehend und durchaus großzügig für seinen Unterhalt auf. Dennoch reichte das Geld nie. Vincent van Gogh beschenkte Bedürftige freigebig und konnte offenbar mit Geld nicht umgehen.

Zehn Jahre als Maler Sein Selbststudium intensivierte er durch Besuche an der Kunst- akademie in Brüssel (1880) sowie bei seinem angeheira- teten Cousin, dem damals be- kannten Maler Anton Mauve in Den Haag (1881/82). Dort verbrachte er im Sommer 1882 auch sechs Wochen im Krankenhaus zur Behandlung der Geschlechtskrankheit Go- norrhö (Tripper) mit Chinin und Einspritzungen von Alaun- wasser. 1884 bis 1885 – nach der Trennung von seiner von Familie und Gesellschaft nicht akzeptierten Liaison mit der Prostituierten Clasina Hoor- nik (sein Modell Sien) – lebte Vincent van Gogh nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in der niederländischen Provinz Drenthe wieder bei seinen El- tern in Nuenen. Ende 1885 ging er nach Antwerpen und vertiefte beim Studium an der Kunstakademie unter ande- rem seine Fähigkeiten im Fi- gurmalen. Er galt dort aber als Sonderling und Außenseiter, sparte lieber am Essen als an Malutensilien, klagte über ge-

sundheitliche Probleme und Schwäche aufgrund Mange- lernährung. 1886 zog er für zwei Jahre zu seinem Bruder in das damalige Zentrum der Kunstwelt: Paris. Dort lernte er nicht nur den Impressio- nismus, neue Maltechniken, das Arbeiten mit helleren Far- ben, sondern auch zahlreiche andere Maler und Künstler wie etwa Paul Gauguin, Henri de Toulouse-Lautrec oder Claude Monet kennen. Im Feb- ruar 1888 zog es Vincent van Gogh aber ins südfranzösische Arles, um dort „die blauen und heiteren Farben“ des Südens zu

finden. Er mietete im „Gelben Haus“ ein Atelier, wollte hier eine Künstlerkolonie schaffen.

In anderthalb Jahren produ- zierte er fast zweihundert Ge- mälde, darunter die bekannten Sonnenblumenbilder. Anerken- nung blieb ihm jedoch weiter- hin versagt, seine Gesundheit litt deutlich, er war erschöpft und wurde von tiefen Depressi- onen geplagt.

Streit, Suff, Syphilis Van Gogh, das wahnsinnige Genie:

Dieser Ruf hat zur Faszination um seine Person erheblich bei- getragen. Er selbst nannte sich in Briefen „neurotisch“, „wüst“

und „zerstört“. Er besuchte re- gelmäßig Bordelle, steckte sich mit Syphilis an, trank gerne große Mengen des Kräuter- schnaps Absinth. In sein „Ate- lier des Südens“ folgte ihm nach langem Zögern im Oktober 1888 nur Paul Gaugin. Ein Zu- sammenleben, das schnell kon- fliktbeladen war und nach nur zwei Monaten am 23. Dezember mit einem bis heute nicht völ- lig geklärten Vorfall endete, in dessen Verlauf sich Van Gogh nach einem Streit mit Gauguin, der wohl nach Paris zurück- kehren wollte, einen Teil sei- nes linken Ohres abgeschnitten haben soll. Auch sein Sauf- und Malerkumpan Gauguin selbst kommt allerdings – davon sind deutsche Kunsthistoriker nach über zehnjähriger Recherche überzeugt – als Täter in Frage.

Gaugin soll im Streit mit van Gogh und möglicherweise pro- voziert durch dessen Verhalten zum Degen gegriffen und damit das linke Ohr seines Kollegen abgetrennt haben. In jedem Fall sorgte Vincent van Gogh

Die Lebensgeschichte des Malers Vincent van Gogh ist außer-

gewöhnlich und menschlich bewegend. Seine Krankheitsgeschichte und sein Tod geben bis heute Rätsel auf.

Kreativität & Wahnsinn

PRAXIS KRANKHEITEN BERÜHMTER PERSÖNLICHKEITEN

VORSCHAU

In unserer neuen Serie

„Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:

+ Papst Johannes Paul II.

(Parkinson) + Sven Hannavald

(Burnout/psycholo- gische Krankheiten) + Evita

(Gebärmutterkrebs) + Sigmund Freud

(Gaumenkrebs) + Ludwig II (Hirnhautent-

zündung und Folgen) + Friedrich Nietzsche (pa-

ranoide Schizophrenie)

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2014 | www.pta-aktuell.de

für reichlich Aufruhr, da er blutüberströmt sein abgetrenn- tes Ohrteil im Bordell bei seiner Lieblingsprostituierten ablie- ferte und sich anschließend bei sich zu Hause ins Bett legte, wo ihn die Polizei schließlich fand.

Wegen des Blutverlustes wurde er rund zwei Wochen anschlie- ßend im Krankenhaus von Arles behandelt, weitere mehr- tägige Krankenhausaufenthalte wegen „Nervenzusammenbrü- chen“ und Anfällen folgten.

Nach Angaben des Patienten waren diese verbunden mit Wahnvorstellungen, Albträu- men sowie Depressionen. Die Bürger der Stadt ließen ihn, da sie sich vor Vincent van Goghs unheimlichem Verhalten fürchteten, im Hospital sogar zwangsinternieren.

Van Gogh war krank. Zu sei- nen Lebzeiten gingen die Ärzte davon aus, er leide unter einer speziellen Form der Epilepsie.

Erwiesen ist: Er war deprimiert und suizidgefährdet, zeigte sogar Symptome psychotischer Störungen. Mal waren van Goghs schlechte Phasen nach ein paar Tagen vorüber, mal dauerten sie mehrere Wochen.

Freiwillig entschied sich Vin- cent van Gogh im Mai 1889, in die privat geführte, unweit in Saint-Rémy-de-Provence gele- gene Nervenheilanstalt Saint- Paul-de-Mausole einweisen zu lassen. Etwa ein Jahr lang blieb er dort, fertigte in dieser Zeit gut 150 Bilder an. Aber auch schwere Anfälle gab es, in deren Verlauf er sogar versuchte, Ter- pentin zu schlucken. Immer

wieder wird in der Literatur spekuliert, ob dies womöglich Selbstmordversuche waren.

Das tragische Ende Nur 19 Monate nach der blutigen Nacht von Arles, van Gogh lebte inzwischen in einer Pen- sion in Auvers-sur-Oise nahe Paris und wurde von dem Kunstfreund und Arzt Dr. Paul Gachet betreut – wofür die-

ser sich gerne Bilder schenken ließ –, ging der Maler in ein Kornfeld – und schleppte sich mit einer Schussverletzung im Oberkörper zurück in sein Zim- mer. Ob Selbstmordversuch oder Unfall – auch dies ist bis heute umstritten. Fakt ist: Die Kugel wurde von zwei hinzuge- zogenen Ärzten, unter anderem Dr. Gachet, nicht entfernt. Van Gogh starb mit 37 Jahren zwei

Tage später am 29. Juli 1890 in seinem Bett an seinen inneren Verletzungen – im Beisein sei- nes Bruders Theo.

Zahlreiche Spekulationen ranken sich um seine Krank- heitsgeschichte. Einige Wis- senschaftler führen van Goghs psychopathologische Symp- tome, wie Halluzinationen und Bewusstseinstörungen, aber auch seine weniger bekannten gastrointestinalen Beschwerden auf seinen intensiven Absinth- konsum in Verbindung mit langjähriger Mangelernährung zurück. ■

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

© Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)

»Er besuchte Bordelle, steckte sich mit

Syphilis an und trank gerne große

Mengen des Kräuterschnaps Absinth.«

Referenzen

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