Januarsession 2013 2012.1136 1
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Der Grosse Rat des Kantons Bern
Le Grand Conseil
du canton de Berne
Wortlautdokument
Donnerstag (Nachmittag), 24. Januar 2013
Polizei- und Militärdirektion
Vorstoss-Nr: 174-2012
Vorstossart: Motion
Eingereicht am: 03.09.2012
Eingereicht von: Linder (Bern, Grüne) (Sprecher/ -in)
Imboden (Bern, Grüne) Weitere Unterschriften: 13
Dringlichkeit:
Datum Beantwortung: 12.12.2012
RRB-Nr: 1779/2012
Direktion: POM
Genügend Unterkünfte für Asylsuchende in Kooperation mit den Gemeinden zur Verfügung stellen
Der Regierungsrat wird beauftragt,
1. zu gewährleisten, dass im Kanton Bern genügend geeignete Unterkünfte für Asylsuchende zur Verfügung stehen;
2. dafür zu sorgen, dass im Grundsatz nur geeignete überirdische Anlagen benutzt werden;
3. sicherzustellen, dass insbesondere für Kinder, Frauen und Familien auf unterirdische Anlagen verzichtet wird und den besonderen Bedürfnissen (Schule, Betreuung usw.) Rechnung getragen wird;
4. mit geeigneten Mitteln Gemeinden und Private zu motivieren, geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und allfällige Widerstände abzubauen;
5. für sinnvolle Unterkünfte des VBS eine enge Kooperation mit den VBS-Verantwortlichen zu suchen.
Begründung:
Die Unterbringung von Asylsuchenden ist eine wichtige Aufgabe, bei der Bund und Kantone zusammenarbeiten müssen. Der Kanton Bern muss gemäss seiner Bevölkerungszahl 13,5 Prozent der Asylsuchenden unterbringen. Wie seit längerem sichtbar ist, steigt die Zahl der Asylsuchenden, die in der Schweiz Schutz suchen. Der Kanton Bern musste im Sommer 2012 wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeiten beim Bund einen Zuweisungsstopp beantragen. Eine Entschärfung der Situation ist nicht in Sicht.
Im grossen Kanton Bern existieren laut Migrationsdienst des Kantons Bern durchwegs Gebäude (öffentliche Liegenschaften, VBS), die als Unterkünfte für Asylsuchende genutzt werden könnten.
Unterirdische Räumlichkeiten sind für längerfristige Unterbringung kaum geeignet und sollten nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. Es sollte aber grundsätzlich davon abgesehen werden, dass Frauen und Kinder darin untergebracht werden.
Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden ist sehr wichtig, denn ohne Kooperation stehen wir von einer schier unbewältigbaren Aufgabe. Es braucht hier von Seiten der Regierung Überzeugungsarbeit, damit die Verantwortlichen und alle Beteiligten Hand bieten, um Lösungen zu finden.
Antwort des Regierungsrats
Geschäfts-Nr.: 2012.1136 Seite 2/3
Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine so genannte Richtlinienmotion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrats gemäss Artikel 53 Absatz 3 des Gesetzes vom 8. November 1988 über den Grossen Rat (Grossratsgesetz, GRG; BSG 151.21). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrags, und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat.
Für die Unterbringung von Personen des Asylbereichs ist im Kanton Bern die Polizei- und Militärdirektion (POM) zuständig. Sie erfolgt in zwei Phasen: Während der ersten Phase sind die Asylsuchenden in Kollektivunterkünften, so genannten Durchgangszentren, untergebracht. Dabei sollen die Asylsuchenden auf ein eigenverantwortliches Leben in der zweiten Phase (Privatwohnungen) vorbereitet werden. Asylsuchende mit rechtskräftig abgewiesenem Asyl- oder mit Wegweisungsentscheid sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen, sie haben bei Bedarf Anspruch auf Nothilfe. Diese beinhaltet eine Unterbringung in einer Kollektivunterkunft (so genannte Sachabgabezentren).
Die Kosten für die Kollektivunterkünfte der Kantone werden vom Bund mittels einer Pauschale vollständig abgegolten. Für die Bundesunterkünfte trägt der Bund die vollumfängliche Verantwortung und Finanzierung.
Ergänzend weist der Regierungsrat darauf hin, dass die Gemeinden mit dem Inkrafttreten des Einführungsgesetzes vom 20. Januar 2009 zum Ausländer- und zum Asylgesetz (EG AuG und AsylG; BSG 122.20) per 1. Januar 2010 von ihren bisherigen Pflichten im Bereich der Sozialhilfe für Asylsuchende entlastet wurden. Die Gemeinden unterstützen die POM, beziehungsweise die von ihnen in Leistungsverträgen verpflichteten Trägerinnen und Träger, bei der Beschaffung von Wohnraum für Asylsuchende, sofern das Angebot auf dem freien Wohnungsmarkt ungenügend ist (Art. 4 Abs. 5 EG AuG und AsylG).
Ende September 2012 wies der Kanton Bern insgesamt 1958 Plätze in 24 Kollektivunterkünften auf, davon 1098 Plätze in 15 Durchgangszentren, 600 Plätze in sechs unterirdischen Notunterkünften, 210 Plätze in zwei Sachabgabezentren für abgewiesene Asylsuchende und 50 Plätze im Zentrum für unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Die Auslastungsquote der Zentren liegt bei über 98 Prozent. Ende August 2012 befanden sich 5955 Personen des Asylbereichs im Kanton Bern.
Folglich sind rund ein Drittel der Asylsuchenden im Kanton Bern in Kollektivunterkünften untergebracht.
Aufgrund der Prognosen der Bundesamtes für Migration, wonach 2013 wiederum mit 30'000 neuen Asylgesuchen zu rechnen ist, werden dem Kanton Bern im Verlaufe des nächsten Jahres gemäss dem Verteilschlüssel 4050 Personen neu zugewiesen. Ein Anstieg des Bedarfs an Kollektivunterkunftsplätzen ist deshalb absehbar. Die zusätzlichen Miet- und Unterhaltkosten, die auf den Kanton Bern mit der Beschaffung von weiteren Kollektivunterkunftsplätzen zukommen, können mit der Globalpauschale des Bundes gedeckt werden.
Die POM ist bestrebt, gemeinsam mit den Gemeinden für die Unterbringung in Kollektivunterkünften oberirdische Anlagen zu finden. Der Bedarf an Unterbringungsplätzen ist momentan und bis auf Weiteres so hoch, dass die POM nicht auf die sechs bestehenden unterirdischen Zentren verzichten kann. Diese Notunterkünfte sind aber ausdrücklich als vorübergehende Lösung gedacht. Ebenso ist die POM bestrebt, Kinder, alleinstehende Frauen und Familien nicht oder nur möglichst kurz in unterirdischen Zentren unterzubringen.
Geschäfts-Nr.: 2012.1136 Seite 3/3
Die Bundesversammlung hat mit Beschluss vom 28. September 2012 über die "Dringlichen Änderungen des Asylgesetzes" rechtliche Erleichterungen zur Nutzung von Anlagen und Bauten des Bundes ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen zur Unterbringung Asylsuchender geschaffen. Da die Nutzung von Anlagen und Bauten des Bundes auf bernischem Territorium auch eine positive Wirkung auf den Verteilschlüssel hätte, zeigt sich der Regierungsrat grundsätzlich für allfällige Bestrebungen des Bundes aufgeschlossen. Nebenbei erhofft sich der Regierungsrat von dieser Änderung eine Signalwirkung für die Nutzung ähnlicher Anlagen und Bauten des VBS oder des Kantons für kantonale Zwecke. Insofern sind bereits Bestrebungen im Gange, Gemeinden und Private zu motivieren, geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Ebenso steht die POM mit dem VBS in Kontakt, um sinnvolle Unterkunftsmöglichkeiten zu suchen.
Der Regierungsrat beantragt deshalb, die Motion anzunehmen.
39 2012.1136 Motion 174-2012 Linder (Bern, Grüne)
Genügend Unterkünfte für Asylsuchende in Kooperation mit den Gemeinden zur Verfügung stellen
Der Regierungsrat beantragt:
Annahme
Präsidentin. Der Regierungsrat beantragt Annahme der Motion. Wird dies aus der Mitte des Rats bestritten? – Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab.
Abstimmung
Der Grosse Rat beschliesst:
Annahme
Ja 77
Nein 42
Enthalten 1
Präsidentin. Der Rat hat die Motion mit 77 gegen 42 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.