Gleichschaltung
erläutert Haedenkamp seine Vor- stellungen vom "Umbau des ärztli- chen Standes": autoritär und zen- tralistisch geleitet, aufbauend auf den alten Traditionen, aber im Geist der neuen Zeit. Die Neuge- staltung werde vom Hartmann- bund aus anzufassen sein. Seine Unterorgane hätten schon jetzt gesetzliche Aufgaben zu erfüllen.
Sie gewährleisteten dem Staate die Durchführung eines ordnungs- mäßigen Dienstes in der Kranken- versicherung. Es sei sinnvoll, die kassenärztlichen Vereinigungen und die Ortsgruppen des Hart- mannbundes (die beide eng ver- bunden waren) zusammenzu- schließen. Wörtlich: "Faßt man die neuen Ortsgruppen innerhalb ei- nes Landes oder einer Provinz zu Verbänden zusammen, so ergibt sich die Möglichkeit, an dieser Stelle bereits den Zusammen- schluß mit den Kammern zu voll- ziehen. Löst man die Kammern zu- nächst auf, so kann die Führung der Landes- und Provinzialverbän- de die Aufgaben der Kammer übernehmen." Die Berufsgerichts- barkeit lasse sich ohne Schwierig- keiten noch einbauen - und dann stehe das Gerüst der Reichsärzte- kammer fertig da.
Haedenkamp hat mit seinen Ge- danken die spätere Organisations- form im "Dritten Reich" besser ge- troffen als die Ärzteführer vom Ärztevereinsbund. Die neue Ein- heitsorganisation hieß zwar Reichsärztekammer, und die Kas- senärztliche Vereinigung Deutsch- lands war deren Untergliederung- aber die hatte das Sagen.
Die lange schwelende Kassenarzt- frage wurde unter den neuen Her- ren mithin "endgültig, für zwölf Jahre jedenfalls, gelöst. Der Hart- mannbund wurde unter ihnen zwar genauso wie der Ärztever- einsbund aufgelöst, seine Kassen- arztpolitik wurde aber nach der Gleichschaltung mit strenger Ko:n- sequenz vollzogen. Von den neu- en Herren, im Geist der alten. Der Chronist fragt sich heute, 50 Jahre nach der Gleichschaltung, wer da- mals wen überlistet hat.
Norbert Jachertz
ÖTV plädiert für
"integrierte"
Gesamtversorgung
Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat von der Bundesregie- rung gefordert, die geplante No- vellierung des Krankenhausfinan- zierungsgesetzes (KHG) von 1972/
81 zu "nutzen", um eine umfas- sende Strukturreform im Gesund- heitswesen anzubahnen. Die Ge- werkschaft kritisiert in ihrer am 1. Juli in Stuttgart vorgestellten
"Stellungnahme der Gewerk- schaft ÖTV zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung" die bisher praktizierte amtliche Ko- stendämpfungspolitik.
Ähnlich wie im Gesundheitspoliti- schen Programm des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und in der vielzitierten WSI-Streit- schrift von 1971 schlägt die ÖTV wieder einmal ein "integriertes",
"koordiniertes" und "gestuftes
System" der Versorgung vor, das sowohl die ambulante als auch die stationäre Versorgung miteinan- der verknüpft und die Versorgung mit gemeinsamen Einrichtungen und sozialen Diensten sicherstellt.
Trotz Beibehaltung der staatlichen Planungskompetenz und der Fi- nanzierungsverantwortung der öf- fentlichen Hand für die Vorhaltung im stationären Bereich müsse ein wesentliches und ursprüngliches Mitspracherecht bei der Planung und Organisation dem Kranken- hausträger und den im Kranken- haus Beschäftigten eingeräumt werden. Die ÖTV leitet aus diesem Postulat ein "qualifiziertes Mitbe- stimmungsrecht" sowohl von in- nen als auch von außen ab. Die Delegation der Verantwortung auf den "Ausführungsbereich" und die Stärkung der Mitbestimmung der Beschäftigten seien wesentli- che Voraussetzungen für ein "lei- stungsorientiertes und wirtschaft- liches Verhalten aller Beteiligten", heißt es im ÖTV-Programm.
Im einzelnen postuliert die ÖTV:
Die öffentliche Hand (Bund, Län-
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der und Gemeinden) müßte in aus- reichender Form für die Finanzie- rung der Investitions- und Vorhal- tekosten aufkommen. Das gelten- de System der dualen Finanzie- rung müsse rechtlich besser abge- sichert und die Finanzmanipula- tionen an der Schnittstelle zwi- schen staatlicher Investitionsför- derung und Finanzierung über Be- nutzerentgelten ausgeschiossen werden. Insbesondere müßten die Pflegesätze von inl(estiven Kosten- bestandteilen entlastet werden; dafür müsse die öffentliche Hand einspringen.
Dazu zählt die ÖTV:
..,. Instandsetzungs- und lnstand- haltungskosten, Kosten für Wirt- schaftsgüter mit einer durch- schnittlichen Nutzungsdauer bis zu drei Jahren, Kosten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung, für die Forschung und Lehre sowie sonstige Vorhaltekosten (ein- sr::hließlich der darauf entfallen- den Personalkosten, etwa für Not- und Katastrophenfälle, für deren Vorhaltung übergeordnete Ge- sichtspunkte ausschlaggebend seien).
Von weiteren Einzelforderungen einmal abgesehen, gilt der ÖTV als wesentliches Element eines inte- grierten durchgängigen Systems die Verknüpfung von stationärer, teilstationärer und ambulanter Versorgung und öffentlichem Dienst. Die "Öffnung der Kranken- häuser" für die ambulatorische Behandlung und Nachsorge ist für die ÖTV ein wichtiger Programm- punkt. Last not least: Das Privatli- qu idationsrecht leitender Kran- kenhausärzte soll abgeschafft oder nur dann zugelassen werden, wenn dies die Inanspruchnahme der Infrastruktur des Krankenhau- ses zuläßt und ein kastendecken- der Finanzausgleich gezahlt wird.
Die Einführung von sogenannten Positivlisten für Arznei- und Heil- mittel sowie für medizinische Ge- räte wird als "unerläßlich" be-
zeichnet. HC
Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 30/31 vom 1. August 1983 65