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Archiv "Zulassung von Medizinprodukten: Auf verschlungenen Wegen" (30.11.2012)

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ZULASSUNG VON MEDIZINPRODUKTEN

Auf verschlungenen Wegen

Britische Journalisten haben im Rahmen einer verdeckten Recherche die formale Zulassung für eine fiktive Hüftendoprothese erhalten. Dies sei ein weiterer Beweis dafür, dass das Medizinproduktrecht überarbeitet werden müsse, so der Autor.

E

s ist eine unglaubliche Ge- schichte, aber dennoch wahr:

Journalisten des „British Medical Journal“ und der Tageszeitung „Daily Telegraph“ haben kürzlich die Zu- sage einer europäischen Marktzu- lassung für eine nichtexistierende Hüftgelenkprothese erhalten – ledig - lich eine Werksbegehung sowie die Dokumentation des Herstellungs- prozesses standen noch aus (BMJ 2012;345: e7090 vom 24. Oktober).

Die Journalisten hatten sich als Ver- treter der fiktiven Firma Changi ausgegeben, deren Endoprothese ei- ne verbesserte Stabilität und mehr Bewegungsfreiheit biete.

Die investigative Recherche der britischen Journalisten, der bis En- de des Monats zu kommentieren - de EU-Kommissions-Vorschlag zur Über arbeitung des europäischen Medizinprodukterechts sowie der Prozessauftakt um die minderwerti- gen Brustimplantate der Firma PIP vor dem Landgericht Karlsruhe (13.

November) geben Anlass zu einer erneuten Reflexion über die gängi- gen Zulassungsmodalitäten.

Benannte Stellen handeln im Dienst des Kunden

Derzeit werden Medizinprodukte für den europäischen Markt durch mehr als 70 „Benannte Stellen“ zu- gelassen. Vor Vergabe des CE- Zeichens prüfen diese Stellen aber nicht etwa das Produkt, sondern eine technische Dokumentation, die Auf- schluss über Beschaffenheit, Zweck und Herstellungsprozess gibt. Zwar werden bei Medizinprodukten mit hohem Gefahrenpotenzial (Klasse III) klinische Studien verlangt, ein- gereicht werden können aber auch Veröffentlichungen zu baugleichen Produkten.

Für ihre Recherche hatten die bri- tischen Journalisten ein Dossier zu

einer metallenen Hüftendoprothese erstellt, die baugleichen Produkten nachempfunden war, welche bereits 2010 weltweit vom Markt genom- men worden waren (DePuy ASR XL acetabular system). Dieser Um- stand war aus den eingereichten Unterlagen ebenso erkennbar wie die Gefahr von Metallabrieb. Trotz- dem hat ein slowakisches Unter - nehmen letztlich versichert, dass die eingereichten Unterlagen eine Marktzulassung ermöglichen.

Keine der 14 angeschriebenen

„Benannten Stellen“ in fünf Län- dern hatte bis zur Veröffentlichung mitgeteilt, dass eine Zertifizierung nicht möglich sei. „Wir werden vom Hersteller bezahlt und sind daher an einer erfolgreichen Zu - lassung interessiert“, gab der Mit- arbeiter des südkoreanischen Bü- ros einer tschechischen Benann- ten Stelle zu. Ein Mitarbeiter in Tschechien bestätigte gar, dass man auf der Seite des Herstellers und

Die Recherche hat offenbart:

Die Zulassung von Medizinprodukten in Europa richtet sich nicht nach dem Patientennut-

zen, sondern nach ökonomischen Interessen.

Fotos: Fotolia/catsnfrogs; Fotolia/rdnzl

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nicht sein, dass immer höhere An- forderungen an Behandlungs- und langfristige Ergebnisqualität allein von den Ärzten geschultert werden sollen, die Bewertung von Qualität, Effizienz und Sicherheit von Medi- zinprodukten vor ihrer Zulassung dagegen weiterhin eine untergeord- nete Rolle spielt. Ärzte und Patien- ten bleiben dann auch künftig da- rauf angewiesen, dass eine Häufung von negativen Vorkommnissen auf- fällt und die zuständige Aufsichts- behörde aktiv wird.

Entsprechend der aktuellen Rechts - lage erfahren Ärzte und Verbände von Problemen erst, wenn entweder der Hersteller oder das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor Komplikatio- nen mit einem Produkt warnt. Durch eine stärkere Einbindung der Fach- gesellschaften bei der Bewertung der Vorkommnismeldungen und eine transparente Darstellung der Sachlage an die Ärzte über verschie- dene Kanäle ließe sich die Sensibili- tät der Anwender erhöhen.

Bedenkliche Entwicklungen wür- den so frühzeitig erkannt, breiter kommuniziert und damit sicher auch das vielfach kritisierte Meldeverhal- ten der Ärzte optimiert. Die Forde- rung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen, zumindest sämtliche Zulas- sungsunterlagen in der europäischen Datenbank EUDAMED zur Ver - fügung zu stellen, ist ausdrücklich zu unterstützen.

Verbunden mit einer staatlich geprüften Zulassung, inklusive Nut- zenanalyse, einem unabhängigen Zentralregister und Anwendungsbe- obachtungen wäre dies ein Meilen- stein für die Neuorientierung. Der aktuelle Kommissionsvorschlag sieht lediglich eine bessere Bewachung der Benannten Stellen, unangemel- dete Werkskontrollen und ein Zen- tralregister vor und bringt damit schlicht das in diesem Jahr vielzitier- te Mantra des Kontroll- statt Rege- lungsdefizits zu Papier. Im laufen- den Verfahren gegen die Firma PIP hatte der Anwalt der Patientin fünf Parteien verklagt und Medienberich- ten zufolge gefordert, dass „einer haften müsse“, da man die Frauen nicht mit ihrem Schicksal alleinlas-

sen könne. Dem ist grundsätzlich zu- zustimmen, es wird aber nur schwer zu klären sein, wer – außer dem Her- steller – in Haftung zu nehmen wäre.

Der Arzt kann, wie oben darge- stellt, wohl lediglich wegen Aufklä- rungsfehlern in Haftung genommen werden, dies betrifft seinen Kern- verantwortungsbereich. Die Kran- kenkassen sollten im Falle einer unverschuldeten Schädigung der Patientinnen durch insuffiziente Implantate nach einem ästhetischen Eingriff ihre Kostenübernahme bei Komplikationen möglichst großzü- gig auslegen – dies ist aber leider nicht immer der Fall.

Eine verpflichtende Haftpflicht- versicherung für Hersteller könnte hier ebenso Entlastung bringen wie ein Entschädigungsfonds für der - artige Fälle. Weder Patienten noch Ärzten kann die finanzielle Verant- wortung für die Folgen der krimi- nellen Energie eines Einzelnen auf- gebürdet werden.

Positiv sind öffentliche Stellungnahmeverfahren

Bemerkenswert ist im Übrigen das transparente Vorgehen der briti- schen Aufsichtsbehörde „Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ in dieser Sache. Hier wurde ein öffentliches Stellung - nahmeverfahren zum Kommissions- vorschlag eröffnet, das eine breite Beteiligung an der Diskussion er- möglicht und sicher neue Ansätze hervorbringen wird.

Die Versorgung mit und Qualitäts- sicherung von Medizinprodukten ist ein Thema, das dringend auf breiter Basis diskutiert werden müsste. Im Rahmen einer solchen Qualitätsof- fensive könnten deutsche Hersteller von höheren Anforderungen durch- aus profitieren: Die durch Innova - tionen eventuell notwendigen Preis- steigerungen sollten dann auch im Sinne einer qualitativen Verbesse- rung akzeptiert werden – und so kann das teurere Implantat vor dem Hin- tergrund von vermeidbaren Folgekos - ten (Stichwort: Zweiteingriffe) lang - fristig sogar das günstigere sein.

Prof. Dr. med. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven

und Ästhetischen Chirurgen seiner Produkte – nicht auf der Sei-

te des Patienten stehe. Vier äußer- ten immerhin Bedenken.

Diese Vorgänge belegen, dass ei- ne zentrale staatliche Zulassung von Medizinprodukten der Klasse III angezeigt ist.

Niederlassungen in Asien regeln Marktzugang in der EU

Im Kern sind durch die britische Re- cherche drei Hauptprobleme deut- lich geworden: Es ist zwar lediglich gestattet, einen Antrag auf Zulas- sung zu stellen, da die Benannten Stellen aber nicht vernetzt sind, können mehrere Anträge gestellt werden – der Suche nach einer mög- lichst „flexiblen“ Benannten Stelle steht damit nichts im Weg. Hinzu kommt, dass die Stellen zum Teil of- fenbar auch beratend tätig werden, was nicht zulässig ist.

Schließlich agieren Niederlassun- gen von Benannten Stellen aus der Europäischen Union (EU) offenbar völlig legal in Asien und sorgen hier für den europäischen Marktzugang – fernab jeder Kontrolle. Hier werden unverhohlen Beratungen zur Zulas- sung angeboten und Tricks verraten, wie man einem in Asien produzier- ten Produkt den Anschein verleiht, aus einem EU-Land zu kommen.

Auch in Europa scheint der Marktzugang zum Teil weniger am Produkt als am Verfahren zu liegen.

So konstatierte ein Mitarbeiter des TÜV Ungarn, dass die Zulassung, selbst bei problematischen Hüftim- plantaten, nur eine Frage der Zeit sei. Als teuerste Benannte Stelle im Test finde der TÜV, „für jedes Pro- dukt irgendwie einen Weg zur Zer- tifizierung“. Dies sei ein Alleinstel- lungsmerkmal. In einer späteren Stellungnahme verneinte der TÜV diese Aussagen seines Mitarbeiters.

Auf der anderen Seite müssen sich Ärzte und Patienten darauf ver- lassen können, dass zugelassene Medizinprodukte die Anforderun- gen auch erfüllen. Es liegen kein

Pflichtverstoß und auch keine Fahrlässigkeit vor, wenn zugelas-

sene Produkte verwendet wer- den. Dies wird mit dem für En- de November erwarteten Urteil im ersten deutschen PIP-Prozess hoffentlich bestätigt. Es kann

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 48

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30. November 2012 A 2395

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