Die mit Spannung erwar- teten Ergebnisse der ersten europäischen Studie zur Be- handlung von Patienten mit sekundär-progredienter Mul- tipler Sklerose (MS) sind so- wohl auf dem 8. Kongreß der European Neurological So- ciety in Nizza vorgestellt als auch in Lancet (1998; 352:
1491 ff.) publiziert worden.
Demnach kann die fort- schreitende Behinderung der Patienten durch zweitägliche subkutane Injektionen von acht Mio. I. E. Interferon be- ta-1b (IFNB-1b, Betaferon®, Schering AG) um neun bis zwölf Monate verzögert wer- den. Bis zu 40 Prozent der MS-Kranken leiden nach Schätzungen unter der sekun- där-progredienten Form, für die es bisher keine Therapie gab. Jetzt hat die Europäische Kommission auf Basis dieser Daten Betaferon®die Zulas- sung für diese Indikation er- teilt.
Die doppelblinde, rando- misierte und plazebokontrol- lierte Studie mit 718 Patien- ten war ursprünglich auf eine Dauer von drei Jahren ange- legt, wie einer der Studienlei- ter, Carlo Pozzilli (Rom), er- klärt hat. Nachdem jedoch ei- ne Interimsanalyse einen ein- deutigen Vorteil für IFNB-1b ergeben hatte, war schließlich auch den Patienten der Plazebo-Gruppe die aktive Substanz angeboten worden.
Zu diesem Zeitpunkt waren alle Patienten mindestens 24 Monate und durchschnittlich rund 800 Tage behandelt wor- den.
Einen statistisch hochsi- gnifikanten Vorteil von IFNB- 1b zeigt die Analyse bezüglich des primären Endpunktes der Studie. Gemessen wurde die Zeitdauer bis zur Verschlech- terung anhand der Expanded Disability Status Scale (EDSS).
Als Verschlechterung definiert
wurde dabei eine Erhöhung des EDSS-Wertes um minde- stens einen Punkt beziehungs- weise um 0,5 Punkte für EDSS-Ausgangswerte ab 6,0.
Die besondere Gewichtung der EDSS-Werte ab 6,0 be- gründete Pozzilli damit, daß in diesem Bereich die Bewe- gungsfähigkeit verlorengeht und die Abhängigkeit von Pflegern beginnt.
Daten, die die Wirksam- keit von IFNB-1b bezüglich dieser Parameter belegen, präsentierte der Neurologe Chris Polman (Amsterdam).
So waren zum Studienende mit 24,6 Prozent signifikant mehr Patienten in der Plaze- bo-Gruppe auf einen Roll- stuhl angewiesen als in der Verum-Gruppe (16,7 Prozent).
Umgerechnet entspricht dies einer zeitlichen Verzögerung um durchschnittlich neun Mo- nate.
Zu den sekundären End- punkten der Studie zählte die Anzahl der Krankheitsschü- be, deren Reduktion um 31 Prozent statistisch hochsigni- fikant war. Auch die Zahl der MS-bedingten Klinikaufent- halte ging unter IFNB-1b zurück (Verum-Gruppe 33,6 Prozent versus 42,2 Prozent Plazebo-Patienten).
Mit EDSS-Ausgangswer- ten zwischen 3,0 und 6,5 hat- ten Patienten mit stark unter- schiedlichen Behinderungen an der Studie teilgenommen.
„Der Behandlungseffekt war jedoch über den gesamten Be- reich und für alle Subgruppen konsistent“, betonte Polman.
Es handele sich wahrschein- lich um eine der größten Stu- dien zur Behandlung der Multiplen Sklerose.
Die noch nicht komplett ausgewerteten Ergebnisse der Magnetresonanztomo- graphie präsentierte David
Miller (London). Signifikante Vorteile für IFNB-1b zeigten sich hier bereits einen Monat nach Beginn der Behandlung.
Während das Volumen der sichtbaren MS-Herde unter Plazebo nach zwei Jahren um acht Prozent zugenommen hatte, fand sich unter Verum eine Abnahme um fünf Pro- zent.
Unter den ursprünglich 360 Patienten in der Verum- Gruppe gab es 91 Studienab- brecher, davon 26 vor und 65 nach Beginn der Behand- lung. In der Plazebo-Gruppe waren 31 von 358 Patienten vor Beginn der Behandlung ausgeschieden, 67 danach.
Begründet wurde der vorzei- tige Abbruch von Plazebo- Patienten mit ausbleibender Wirkung, bei den Verum-Pa- tienten dagegen mit den von der Therapie der schubför- mig-remittierenden MS be- kannten Nebenwirkungen – vor allem Entzündungen und Nekrosen der Injektions- stellen sowie grippeähnliche Symptome. Michael Simm
A-364 (56) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Interferon beta bei Multipler Sklerose
Auch bei sekundär- progredienter Form
Husten und Bronchitis
Thymianöl wirkt als Bronchikum
In einer durchschnittlichen Herbst- oder Winterwoche haben rund 4,3 Millionen Deut- sche eine Erkältung, Husten, Bronchitis, einen grippalen Infekt oder eine Grippe. Wie ernst dieses winterliche Massenhusten und Nasen- triefen zu nehmen ist, erläuterte der Berliner Gesundheitswissenschaftler Dr. Wolf Kirsch- ner bei einem Pressegespräch der Rhône- Poulenc-Rorer GmbH in Köln.
Pro Woche verkaufen die Apotheken 3,4 Millionen Präparate gegen Erkältungskrank- heiten, über die Hälfte davon über Rezept.
Den Krankenversicherungen entstehen da- durch Ausgaben in Höhe von 3,74 Milliarden DM, der volkswirtschaftliche Schaden be- läuft sich auf rund 20 Milliarden DM.
Um so wichtiger sind Medikamente, die Er- kältungen effektiv lindern. Altbewährt ist zum Beispiel Thymian. Schon in den alten Büchern der Volksmedizin wurde die Pflanze als Mittel bei Husten, Bronchitis, Entzündungen der Mund- und Atemwege und Erkältungskrank- heiten erwähnt. Doch erst in den letzten 20 Jah- ren ist es gelungen, die Hauptinhaltsstoffe des Thymians zu isolieren und zu analysieren: „Vor
allem die Verbindungen im ätherischen Öl – die Phenole Thymol und Carvacrol, die Terpene Cineol, Linalol, Geraniol und Borneol – ma- chen 70 bis 80 Prozent der Wirksamkeit aus“, berichtete Prof. Hildebert Wagner (München).
Pharmakologische Untersuchungen haben ge- zeigt, daß das ätherische Thymianöl antimikro- biell, antiseptisch, stark krampflösend und ent- zündungshemmend wirkt. Eine neue Untersu- chung ergab, daß das ätherische Öl auch das Immunsystem stimuliert; die Werte liegen etwa 20 bis 30 Prozent unter denen von Echinacea.
„Das Wirkprofil von Thymian ist ideal für ein Expektorans, und durch die immunstimulieren- de Wirkung wirkt es bei Erkältungen sowohl präventiv als auch therapeutisch“, so Wagner.
Ob Thymian die bronchiale Reinigung un- terstützt, nahm eine Studie am Fachkranken- haus Kloster Grafschaft in Schmallenberg un- ter die Lupe: 30 Patienten mit einer chroni- schen Bronchitis wurden in einem stabilen Krankheitsintervall untersucht. Die Patienten nahmen eine Woche lang entweder Thymian- saft oder ein Plazebo ein, dann folgte eine ein- wöchige Therapiepause, und in der dritten Wo- che erhielten die Patienten die zuvor noch nicht gegebene Substanz. Das Ergebnis: Die mukoziliäre Klärfunktion stieg nach Einnah- me des Thymian-Saftes von 8,6 Prozent auf 12,5 Prozent pro Stunde. Die Hustenfrequenz blieb jedoch gleich, ebenso die anderen Lun- genfunktionsgrößen. Dorothee Hahne
A-365 Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (57)
K U R Z I N F O R M I E R T Fluoxetin –Die Neuro He- xal GmbH erweitert die Pa- lette antidepressiver Substan- zen um den Wirkstoff Fluoxe- tin. Der selektive Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer ist als Fluneurin® in Form von Hartkapseln zu 20 mg im Handel.
Epilepsie-Hotline – Was tue ich bei einem epileptischen Anfall? Wer kann mich bei all- täglichen Problemen unter- stützen? Das Bedürfnis nach Aufklärung und Hilfestellung ist bei 600 000 bis 800 000 Be- troffenen in Deutschland und ihren Angehörigen gleicher- maßen groß. Antworten und praktische Hinweise gibt eine Hotline der Deutschen Epi- lepsievereinigung, die vom Unternehmen Janssen-Cilag unterstützt wird. Der Service bietet auch Ärzten die Chance, sich umfassend über die Er- krankung und ihre Folgen zu informieren. Interessierte können unter der Telefon- nummer 01 80/1 42 42 42 von montags bis freitags zwischen 10.00 und 16.00 Uhr zum Ortstarif anrufen.
Zymafluor D® mit und ohne Lactose –Novartis Con- sumer Health führt ergän- zend zum herkömmlichen Zymafluor D®500 und 1 000 nun Zymafluor D®500 c. C.
(cum Cellulose) und Zyma- fluor D®1 000 c. C. ein. Hier- bei wurde der Hilfsstoff Lac- tose durch Cellulose ersetzt.
Somit ist das Rachitis- und Kariesprophylaktikum auch für Kinder mit Lactoseintole- ranz geeignet. Novartis weist darauf hin, daß der Wechsel des Ersatzstoffes eine Ände- rung der Zerfallsgeschwin- digkeit und des Auflösungs- verhaltens bedingt.
Thiogamma® Turbo – Wörwag Pharma gibt bekannt, daß die Thiogamma-Reihe durch das Präparat Thiogam- ma®TurboInjecterweitert wur- de. Die Fertigspritze enthält 600 mg alpha-Liponsäure zur Therapie der diabetischen Po- lyneuropathie.
Amisulprid – Der hoch- selektive Dopamin-D2/D3- Rezeptor-Antagonist Amisul- prid wurde jetzt als Solian® (Synthelabo) zur Behand- lung akuter und chronischer schizophrener Störungen zu- gelassen. Solian® wird als Tabletten in den Wirkstär- ken 50 mg und 200 mg ange- boten.
Indikationserweiterung – Das Zytostatikum Taxol® (Bristol Arzneimittel) mit dem Wirkstoff Paclitaxel ist zur Behandlung des fortge- schrittenen nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) zugelassen worden. In zwei Studien war die Kombination Paclitaxel plus Cisplatin einer etablierten Therapie überle- gen.
Immunglobulin –Die An- wendungsgebiete für das in- travenöse Immunglobulin Oc- tagam®(Octapharma GmbH) sind um die Indikationen Ka- wasaki Syndrom, Allogene Knochenmark-Transplantati- on, Kongenitale HIV-Infekti- on bei Kindern und Multiples Myelom erweitert worden.
Das Paul-Ehrlich-Institut hat die Indikationserweiterungen für das mehrfach virusinakti- vierte Octagam® unter der neuen Zulassungsnummer PEI.H.00187.01.1 genehmigt.
Auch Ware mit der bisherigen Zulassungsnummer 485a/93 kann in den neuen Indikatio- nen eingesetzt werden.
Plavix®-Hotline –Für me- dizinische Fragen zum Thema Atherothrombose und deren Behandlung mit Plavix®(Clo- pidogrel) hat die Sanofi Win- throp AG eine Plavix®-Hot- line unter der Telefonnummer 08 00/7 26 63 47 eingerichtet.
Die Hotline ist gebührenfrei und werktags von neun bis 17 Uhr besetzt.
Micardis®– Ab sofort ist der AT1-Blocker Telmisartan zur Therapie der Hypertonie als Micardis®(Boehringer In- gelheim, Glaxo Wellcome) im Handel. Micardis® steht in den Wirkstärken 40 mg und 80 mg zur Verfügung. EB
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