A1346 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 26⏐⏐26. Juni 2009
P O L I T I K
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oran es liegt, dass es in der Krebsforschung in Deutsch- land viele strukturelle Schwach- punkte gibt, war unter den Experten der Diskussionsveranstaltung „Ärz- teblatt-Wortwechsel“, die vor gut zwei Jahren dem Thema „Klinische Krebsforschung“ gewidmet war, un- umstritten: mangelnde Interaktion zwischen Universitäten und außer- universitären Einrichtungen, das Feh- len langfristiger Förderprogramme zur Finanzierung klinischer Studien und eine zu geringe Synergienutzung der vorhandenen Strukturen.Was besser gemacht werden könnte, brachte Prof. Dr. med. Ot- mar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungs- zentrums in Heidelberg (DKFZ), auf den Punkt: „Wir müssen neue Allianzen schaffen.“ Notwendig sei eine konzertierte Aktion von For- schung, Medizin und Wirtschaft.
Auf diesem Weg ist Wiestler nun einen großen Schritt vorangekom- men. Mit einem „Nationalen Kon- sortium für Translationale Krebs- forschung“ sollen Patienten schnel- ler Fortschritte im Kampf gegen Tumorerkrankungen zugänglich ge- macht werden. „Ziel der Initiative ist es, unter Federführung unseres Zentrums die translationale, also die anwendungsnahe Krebsforschung in Deutschland zu koordinieren“, teilte Wiestler Mitte Juni bei der Vorstellung der Kooperation mit.
„Jährlich erkranken mehr als 436 000 Menschen in Deutschland neu an Krebs, 210 000 Patienten sterben jedes Jahr daran. Deshalb ist es wichtig, aktuelle Ergebnisse der Krebsforschung noch schneller in die Patientenversorgung zu überführen“, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Für die gemeinsame Initiative des Bundes- forschungsministeriums, der Deut- schen Krebshilfe und des Deutschen
Krebsforschungszentrums stehen jährlich 40 Millionen Euro zur Verfü- gung. Mit dem Geld sollen For- schungseinheiten an bundesweit ver- netzten Partnerstandorten gefördert werden. Dazu wird das DKFZ als Kernzentrum mit voraussichtlich fünf bis sechs ausgewählten Partnern an Universitätskliniken kooperieren.
Eine international besetzte Jury soll bis Anfang 2010 geeignete For- schungsstandorte auswählen. Das Ausschreibungsverfahren hierfür wird derzeit noch ausgearbeitet.
Konkret ist geplant, Brückenbe- reiche für das Konsortium in Heidel- berg aufzubauen, beispielsweise auf den Gebieten Molekulare Diagnos- tik, Immuntherapie und Translati- onsforschung. Den Partnerkliniken
werden alle bestehenden For- schungsbereiche und Forschungsin- frastrukturen im DKFZ geöffnet. Sie werden außerdem Partner des Krebs- informationsdienstes im Rahmen eines Nationalen Referenzzentrums für Krebsinformation.
Vorgesehen sind auch engere Ko- operationen bei der Weiterbildung sowie Möglichkeiten zum Tausch von Personal. Gemeinsam sollen Studien auf den Gebieten Diagnose, Therapie, Früherkennung und Prävention von Krebserkrankungen vorgenommen werden. Zudem ist geplant, Koordinierungsstellen im DKFZ in den Bereichen Genomik und Proteomik, Immunmonitoring, Imaging, Systembiologie und klini- sche Studien aufzubauen.
Unterdessen gab Schavan be- kannt, dass Kooperationen bei der Krebsforschung in einem weiteren Projekt auch auf internationaler Ebene gestärkt werden sollen. So ermöglichen das Forschungsminis- terium und die Deutsche Krebshilfe die Beteiligung eines Deutschen Forschungskonsortiums am „Inter- national Cancer Genome Consorti- um“ (ICGC). Beide Partner stellen 15 Millionen Euro über fünf Jahre zur Verfügung. Ziel der ICGC ist es, die genetischen Veränderungen in Tumoren aller menschlichen Organ- systeme zu analysieren, um neue Anwendungen in den Bereichen Diagnose, Therapie und Prävention für die jeweiligen Krebserkrankun- gen zu ermöglichen.
Beantragt werden kann die Förde- rung eines Konsortiums mit Fokus auf Tumoren bei Kindern. Im Hin- blick auf das Portfolio der im Rah- men des ICGC bearbeiteten Tumor- arten und die hohe Sterblichkeit bei einigen pädiatrischen Tumoren sieht die Krebshilfe hier die aussichtsreichs- te Möglichkeit einer Beteiligung. I Samir Rabbata
KREBSINITIATIVE
Mehr Kooperation soll Leben retten
Grundlagenforscher und Kliniker wollen sich im Kampf gegen den Krebs stärker vernetzen.
Patienten sollen so schneller von Fortschritten in der Forschung profitieren.
„ Es ist wichtig, Ergebnisse der Krebsforschung schneller in die Patientenversorgung zu überführen. “
Foto:Photothek