Pro Familia beklagt Gewalt in Familien
POTSDAM. Die Deut- sche Gesellschaft für Famili- enplanung und Sexualbera- tung, Pro Familia, hat auf ei- ner Fachtagung die wachsen- de Gewalt in Familien be- klagt, die mit steigenden Ar- beitslosenzahlen einhergehe.
In jeder dritten Lebensge- meinschaft werde geprügelt, sagte die Psychologin Monika Gerstendörfer. Die Opfer sei- en vor allem Frauen und Kin- der; Frauen fielen Vergewal- tigungen und sexuellen Nö- tigungen in ihrem sozialen Nahraum am ehesten zum Opfer. Die Folgen seien kör- perliche und seelische Verlet- zungen, langfristige Angstzu- stände, panische Angst vor AIDS und unerwünschten Schwangerschaften.
Immer mehr Menschen reagierten auf ihre Ausgren- zung aus dem Erwerbsleben mit Gewalt. Ursache dafür seien eine ungleiche Ressour- cenverteilung von Lebens- chancen und asymmetrische Machtverhältnisse in der Ge- sellschaft. Daher gelte es, Chancen für eine bessere Le- bensqualität bei der Umset- zung unterschiedlichster Le- benspläne zu eröffnen. SG
Krankenhausdirektoren besorgt über Situation der Reha-Kliniken
REINBEK. In gleichlau- tenden Schreiben an Mini- sterpräsidentin Heide Simo- nis und Sozialministerin Hei- de Moser hat die Landes- gruppe Schleswig-Holstein im Verband der Kranken- hausdirektoren Deutschlands (VKD) auf die prekäre Situa- tion der Rehabilitationsklini- ken hingewiesen. Mehr als 50 Prozent der Kliniken hätten bereits Kurzarbeit angemel- det, und in jeder vierten Reha-Einrichtung werde ein Sozialplan aufgestellt. Zum Sommer dieses Jahres müsse mit den ersten Schließungen einzelner Kliniken gerechnet werden. In Schleswig-Hol- stein gibt es derzeit zirka 90
Rehabilitationseinrichtungen mit rund 12 000 Betten.
Wie der VKD weiter mit- teilte, sei der Rehabilitations- bereich insbesondere durch die Verkürzung der Maßnah- men von bisher vier auf drei Wochen, die Anrechnung von zwei Urlaubstagen pro Woche und die Erhöhung der Zuzahlung von täglich 12 DM auf 25 DM betroffen. Mehr als 70 Prozent aller Kliniken seien von Auslastungsrück- gängen um mehr als 30 Pro- zent betroffen.
Die Krankenhausdirekto- ren forderten die schleswig- holsteinische Landesregie- rung auf, durch entsprechen- de Initiativen, gegebenenfalls auch über den Bundesrat, die Auswirkungen der Gesund- heitsreformgesetzgebung auf die Rehabilitationskliniken auf ein erträgliches und ver- antwortbares Maß zurückzu-
führen. HK
Alkohol- und
Nikotinkonsum in Ost und West fast gleich
ERFURT. Ost- und West- deutsche konsumieren nahe- zu gleiche Mengen an Alko- hol, Medikamenten und Ni- kotin. Dies teilte der Ge- schäftsführer des Fachver- bandes Drogen und Rausch- mittel, Jost Leune, beim 20.
Bundesdrogenkongreß in Er- furt mit. Nach einer Studie des Bundesgesundheitsmini- steriums von 1995 konsumie- ren etwa 25 Prozent der Män- ner in den neuen Bundeslän- dern Alkohol in schädlichen Mengen, im Westen seien es 15 Prozent. Bei Frauen liege dieser Wert in Ost und West bei zehn Prozent.
Bundesweit nehmen 16 Prozent der Befragten einmal pro Woche Medikamente, ein Wert, der mit dem Alter an- steigt. Ebenfalls kaum Unter- schiede gebe es beim Niko- tinkonsum: In den alten wie in den neuen Bundesländern raucht die Hälfte der Bevöl- kerung.
Anders sieht es beim Kon- sum von Drogen wie Ha- schisch, Marihuana und
Ecstasy aus. Gaben 5,4 Pro- zent der Befragten im Westen an, in den vergangenen zwölf Monaten eine illegale Droge genommen zu haben, liegt dieser Prozentsatz im Osten bei knapp zwei Prozent. Un- terschiede gebe es aber beim Konsum von Modedrogen.
Schlucken im Westen 50 Pro- zent der Drogenkonsumen- ten Ecstasy, sind es im Osten 86 Prozent. afp
Ausland
Clinton entschuldigt sich für medizinisches Experiment
WASHINGTON. US- Präsident Bill Clinton hat sich offiziell für ein rassistisches Medizinexperiment entschul- digt, an dem rund 400 schwarze Bürger unwissent- lich beteiligt waren. Die Gesundheitsbehörden hatten von 1932 bis 1972 in der Kleinstadt Tuskegee im Bun- desstaat Alabama 399 an Syphilis erkrankte Schwar- ze als „Versuchskaninchen“
mißbraucht: Sie wurden nicht über ihren Zustand aufge- klärt und erhielten auch kei- ne Medikamente. Ziel war es, den unbeeinflußten Verlauf
der Geschlechtskrankheit zu beobachten. 128 Menschen starben während des Experi-
ments. afp/HK
Fortschritte im Kampf gegen Polio
WASHINGTON. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Kampf gegen die Kinderlähmung in Afrika nach eigenen Angaben große Erfolge erzielt. Innerhalb von 15 Monaten seien drei Viertel der Kinder bis zu fünf Jahren gegen Polio geimpft worden, heißt es in einem Bericht, der vom US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDS) in Atlanta veröffent- licht wurde. Die Impfkampa- gne werde es voraussichtlich ermöglichen, die Kinderläh- mung bis zum Jahr 2000 zu be- siegen. Für die Impfungen fal- len Kosten von weniger als ei- ner DM je Kind an.
Zwischen Januar 1996 und März 1997 wurden den Angaben zufolge 74 Millio- nen Kinder in Afrika geimpft.
Die Impfkampagne wurde in 27 afrikanischen Ländern be- reits abgeschlossen. In die- sem Jahr soll das Programm noch in zehn weiteren Län- dern anlaufen. afp A-1547 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 23, 6. Juni 1997 (31)
P O L I T I K NACHRICHTEN
Über die Dichte des sozialen Netzes gehen die Meinungen (und die finanziellen Möglichkeiten) in Europa weit auseinander. Während die Finnen und die Dänen mehr als ein Drittel ihrer Wirtschaftsleistung für Soziales verwenden, sind es in Portugal und Griechenland unter 20 Prozent. Deutschland wendet für die soziale Sicherung knapp 31 Prozent seiner Wirtschaftsleistung auf. Im Durchschnitt der EU werden rund 44 Prozent der Ausgaben für Sozialschutz für die Altersversor- gung und Hinterbliebene aufgewendet. Auf Arbeitslosigkeit und Förderung der Beschäftigung entfallen gut neun Prozent der Ausgaben.