• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Prävention: Gesundheitsunterricht kann Leben retten" (24.07.1998)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Prävention: Gesundheitsunterricht kann Leben retten" (24.07.1998)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ei meinen Bemühungen um die Einführung von Gesund- heitsunterricht in der Schule sind mir zwei Erlebnisse nie aus dem Sinn gegangen. Bereits rudimentäre Kenntnisse in der Ersten Hilfe hätten in beiden Fällen Leben retten kön- nen:

Eine Abiturklasse macht einen Ausflug. Unterwegs kollabiert eine Schülerin. Sie fällt hin, und anstatt sie liegen zu lassen, unter Umständen noch einmal die Beine anzuheben, wird sie von zwei Freundinnen aufge- hoben und in die nächste Arztpraxis in drei Kilometer Entfernung „ge- schleift“. Dort angekommen, kann der Arzt nur noch den Tod feststellen.

Die Obduktion ergab keinerlei krank- haften Befund, mit Ausnahme einer mangelnden Durchblutung des Herz- Lungen-Kreislaufs.

„Keiner ist in der Lage zu reanimieren“

Zweites Beispiel: Eine Mutter bereitet das Essen für ihre beiden Kinder vor, die im Garten spielen.

Die Mutter hört das Rundfunkpro- gramm und bemerkt plötzlich, daß sie von den Kindern nichts mehr hört. Sie schaut aus dem Fenster und sieht beide Kinder leblos im Swim- mingpool liegen. Sie rast in den Gar- ten und ruft die Nachbarschaft zu- sammen. Mit Hilfe der Nachbarn holt sie beide Kinder aus dem Swim- mingpool und beginnt bei einem Kind mit der Mund-zu-Mund-Beat- mung. Sie schreit den Nachbarn zu:

„Machen Sie doch das gleiche bei meiner anderen Tochter!“ Doch kei- ner ist dazu in der Lage. Das Kind,

das von der Mutter reanimiert wird, überlebt; das andere stirbt.

Wir sind seit vielen Jahren bemüht, die Prävention wieder aus ihrem nahezu zweitausendjährigen Tiefschlaf zu reanimieren. Schipper- ges hat in seinem Buch „Homo Pati- ens“ dargelegt, daß mit der zuneh- menden Technisierung der Medizin grundsätzliches Wissen unserer Diszi- plin vernachlässigt, wenn nicht sogar vergessen wird. Jeder Fortschritt hat seinen Preis: Alte Kenntnisse ver- blassen, tradierte Zusammenhänge treten in den Hintergrund, und über- kommene Fähigkeiten und Sichtwei- sen gehen verloren. Hier wird man an das Goethesche Kompensationsge- setz von 1789 erinnert, wonach es in der Natur keinen Fortschritt ohne Verlust anderen Wissens und anderer Fähigkeiten gibt. Diese Feststellung hat gerade in der heutigen Zeit eine enorme Bedeutung.

Ich möchte einige Beispiele an- führen, wie erfolgreich in den letzten Jahren in der Prävention gearbeitet worden ist. Der seit 1960 gestiftete Hufeland-Preis hat die gesamte Bandbreite präventiver Maßnahmen zu seinem Forschungsziel erhoben.

Er ist in diesem Jahr Mitarbeitern des Kieler Instituts für Human- ernährung und Lebensmittelkunde (Prof. Manfred James Müller so- wie Dipl.-Ökotrophologinnen Inga Körtzinger und Mareike Mast) ver- liehen worden. Prämiert wurde eine Arbeit, bei der Kinder Ernährungs- unterricht in Verbindung mit Bewe- gungsspielen erhalten. Ziel war es, die Kinder an eine gesunde Lebens- weise heranzuführen und Überge- wicht zu vermeiden. Das Ergebnis:

Die betreuten Kinder wußten deut-

lich besser über gesunde Ernährung Bescheid.

Weitere Beispiele sind die Initia- tiven der beiden Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen, die mit Mate- rialmappen zu Gesundheitsförderung, Gesundheitserziehung und Unfall- schutz Themen verständlich aufberei- tet haben. Ärzte-Lehrer-Teams leisten gemeinsame Aufklärungsarbeit zu Gesundheitsthemen wie Ernährung oder Sucht.

Erfreulicherweise haben sich auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereini- gung erstmals im Jahre 1995 im Rah- men der Ärztlichen Präventionswo- che bemüht, die Bevölkerung auf die- se Entwicklung hinzuweisen und das Engagement der Ärzteschaft zu de- monstrieren. In diesem Jahr stehen die Ärztlichen Präventionstage in der Woche vom 28. September bis 4. Ok- tober unter dem Motto „Ärztliche Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen“. Ich verbinde hiermit die Hoffnung, daß die Zu- sammenarbeit von Pädagogen und Medizinern weiter verbessert wird, um der Jugend das zu vermitteln, was notwendigerweise im täglichen Le- ben immer wieder erforderlich wer- den kann.

Jugendliche werden zum Schulsanitäter ausgebildet

Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang auch ein vom Jugendrotkreuz im Landes- verband Westfalen-Lippe entwickel- tes Konzept, das Kinder und Jugendli- che an die Erste Hilfe heranführt und Jugendliche als Schulsanitäter ausbil- det. Kinder im Alter ab zirka fünf Jah- ren sollen für alltägliche Gefahren- quellen sensibilisiert werden. Dar- über hinaus soll das kindliche Selbstbe- wußtsein gefördert werden, um in kri- tischen Situationen angemessen han- deln zu können. Mit der Ausbildung zum Schulsanitäter sollen verunglück- te Schüler schnellstmöglich durch gut ausgebildete Mitschüler versorgt wer- den. Die Schüler qualifizieren sich für diesen Dienst, indem sie einen Erste- Hilfe-Lehrgang mit sechzehn Unter- richtsstunden absolvieren. Die Aus- bildung hält ein Leben lang vor. Fer- A-1828 (20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 30, 24. Juli 1998

P O L I T I K AKTUELL

Prävention

Gesundheitsunterricht kann Leben retten

Ziel muß es sein, Kindern und

Jugendlichen vom Vorschulalter an medizinische Grundkenntnisse zu vermitteln.

B

(2)

A-1829

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 30, 24. Juli 1998 (21) ner ist diese Tätigkeit mit sehr viel

Freude für die Kinder und Jugendli- chen verbunden, und sie stärkt deren Selbstbewußtsein, Mitverantwortung und soziale Verhaltensweisen.

Wie wichtig ein solcher Dienst werden kann, habe ich in meinen Bei- spielen versucht zu belegen. Jährlich werden der Schülerunfallversiche- rung über eine Million Unfälle gemel- det, die aufgrund ihres Schweregrades einen Arztbesuch erforderlich mach- ten. Die tatsächliche Unfallzahl liegt noch weit höher.

Unser Ziel muß es sein, durch Systematisierung des Gesundheits- unterrichts das Niveau der Ersten Hilfe zu erreichen. In einer zehn- jährigen Ausbildung, die im Vor- schulalter beginnen sollte, müssen Kindern und Jugendlichen Grund- kenntnisse der Medizin und der Or- ganfunktionen vermittelt werden.

Man kann sogar, wie wir ausgerech- net haben, auf diesem Wege auch das Niveau der kleinen Krankenpflege vermitteln, so daß man im Verlauf ei- ner Schülergeneration in jeder Fami- lie jemanden hat, der auch in der kleinen Krankenpflege alten und pflegebedürftigen Familienmitglie- dern fakultativ helfen kann. Prakti- sche Gesundheitsförderung schlägt mit den hier aufgezeigten Schwer- punkten einen Bogen zwischen Ju- gend und Alter, ganz im Sinne einer vielleicht heute noch nicht hinrei- chend entwickelten Gemeinschafts- aufgabe Gesundheitsförderung.

Die dargestellten Methoden können auch dazu beitragen, unsere immer stärker entsolidarisierte Ge- sellschaft in eine neue Verantwor- tungsgesellschaft zu führen. Es ist dringend geboten, der Jugend so früh wie möglich einen ideologiefrei- en Raum zu erschließen, in dem sie für sich und für die Gemeinschaft In- teresse und Verantwortung ent- wickeln kann. Dadurch können ihr Fähigkeiten vermittelt werden, die eine wirkliche Alternative zu der immer wieder postulierten Perspek- tivlosigkeit und Langeweile darstel- len.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Horst R. Bourmer Lärchenweg 1

50767 Köln

er Berichtsbogen der Gesund- heitsuntersuchung „Check up 35“, in den der untersuchende Arzt Angaben zu verhaltensbeding- ten Risikofaktoren des Patienten ein- tragen muß, enthält häufig falsch negative Befunde. Dies ergab eine Studie der Philipps-Universität Mar- burg in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die kassenärztli- che Versorgung, das die Daten der Gesundheitsuntersuchung auswertet, um die GKV-Leistung zu evaluieren (§ 25 SGB V).

Vergleich mit

Patientenfragebogen

Die Angaben der Ärzte im Be- richtsbogen wurden mit denen eines Patientenfragebogens und eines Zu- satz-Befundbogens verglichen: Im Pa- tientenfragebogen wurden risiko- trächtige Verhaltensweisen erfragt, wie Ernährungs- und Bewegungsver- halten, Nikotinkonsum und Streßbe- lastung. Im Zusatz-Befundbogen wur- den die aktuellen Werte von Größe und Gewicht der Patienten festgehal- ten. Anhand des Body-Mass-Index klassifizierte man Übergewicht (In- dexwerte zwischen 25 und 30) und Adipositas (Indexwerte > 30). Teilge- nommen haben 799 Patienten zwi- schen 35 und 64 Jahren aus 74 Praxen in Mittelhessen und Thüringen, die zwischen dem dritten Quartal 1995 und dem ersten Quartal 1996 zur Ge- sundheitsuntersuchung kamen. 63 Praxen lieferten verwertbare Daten.

Die Studie erhebt nicht den An- spruch, repräsentativ zu sein, da nur für das Studiendesign motivierte Ärz- te einbezogen wurden.

Die Angaben der Ärzte im Be- richtsbogen waren nur zu einem ge- ringen Teil falsch positiv. Lediglich bei den Risikofaktoren Streßbelastung und körperliche Aktivität kamen Fehleinschätzungen häufiger als in zwei Prozent der Fälle vor.

Den Ergebnissen zufolge liegt das Problem dagegen in den häufigen falsch negativen Angaben. Ihr Pro- zentsatz lag bei vielen Faktoren hoch:

Nikotinkonsum (34 Prozent), Adipo- sitas (17 Prozent), dauerhafte emotio- nale Belastung (61 Prozent), Alkohol- abusus (92 Prozent), Bewegungsman- gel (78 Prozent).

Für viele Ärzte sei es eine lästige Pflichtübung, zusätzlich den Berichts- bogen auszufüllen. Darin vermuten die Autoren eine der Ursachen für die Fehlklassifikationen. Zudem könnten Ärzte „harte Daten“ viel besser be- werten als riskante Lebensweisen ein- schätzen. Hier bestehe erheblicher Nachholbedarf in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung.

Notwendig:

genaue Vorgaben

Ein Manko sei auch, daß verbind- liche Richtlinien für Kategorisierun- gen fehlten. Dies führe zu Unschärfen.

Denn unklare Vorgaben, beispielswei- se um Bewegungsmangel, Streßbela- stung oder Übergewicht einzuschät- zen, verunsicherten die Ärzte häufig beim Ankreuzen der Berichtsbögen.

Um die Risikofaktoren Übergewicht und mangelnde körperliche Aktivi- tät besser bewerten zu können, schla- gen die Autoren vor, Zwischenkatego- rien und genaue Vorgaben einzu- führen. Dr. Sabine Glöser

Gesundheitsuntersuchung „Check up 35“

Für viele Ärzte

eine lästige Pflichtübung

Wie valide sind die ärztlichen Angaben zu

verhaltensbedingten Risikofaktoren? Eine Studie der Universität Marburg gibt darüber Aufschluß.

D

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wir danken Ihnen allen für Ihre jahr- zehntelangen Bemühungen im Rah - men der SIDS-Prävention und wir rufen heute alle Kinderärzte, Frauenärzte, Kinderkrankenpfleger, Hebammen und

Beides verstärkt sich noch, wenn man sich den Inhalt des Stückes kurz vor Augen führt: Ei- ner Mutter gelingt es trotz aller Anstrengungen nicht, ihre Kinder sicher durch die Wirren

Auf dem Markt wunderte ich mich über die vielen Leute und den Lärm, der hier herrschte.. Meine Mutter

2 der „Beitragsordnung der Stadt Paderborn für den Besuch der offenen Ganz- tagsschule im Rahmen eines städtisch geförderten Betreuungsangebots der offenen Ganztagsschule an

wie ich mein Baby pflege wie ich mein Baby füttere was mein Baby essen darf was mein Baby lernt.. was mein Baby von

Ich bin mir sicher, dass alle Mitarbeiter hier im Restaurant zum Kaiser Franz, den Beruf den sie erlernt haben, ernst nehmen und alles daran setzen, dass unsere Gäste sich bei

Sie ist sich bewusst, läuft sie mit den Mädchen zu ihrem Auto, das an einem außenliegenden Platz parkt, gelingt ihr die Entführung nicht, weil die Kinder ihre Mutter

Versandkosten, alle Preise ohne Deko, für Druckfehler keine