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Archiv "Arzneimittelrabatte: Neue Verträge für Originalpräparate" (18.01.2008)

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A74 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 318. Januar 2008

P O L I T I K

S

eit Tagen wird über Sinn oder Unsinn des von der Regie- rung geplanten Gesundheitsfonds und dem damit verbundenen Ein- heitsbeitrag gestritten. Fest steht:

Kommt der Fonds, nehmen Konkur- renz und Wettbewerbsdruck unter den Kassen erheblich zu. Entspre- chend sind AOK, Barmer & Co.

bemüht, sich schon jetzt gut aufzu- stellen. Ein Mittel sind dabei mit den Pharmafirmen ausgehandelte Rabattverträge für Generika.

Erst seit April letzten Jahres ge- setzlich zulässig, ist deren Zahl sprunghaft gestiegen. Mehr als 7 500 Verträge gibt es derzeit. Ei- nen Preisnachlass bekommen die Kassen damit bei circa 17 000 ge- nerischen Arzneimitteln. Während Generikarabatte zurzeit vor allem durch juristische Auseinanderset- zungen über Auschreibepflichten Aufsehen erregen, gehen erste Kas- sen schon den nächsten Schritt. Mit Rabattverträgen wagen sie sich an den 16 Milliarden Euro schweren Markt für patentgeschützte Ori- ginalpräparate heran.

Noch gibt es erst ein rundes Dut- zend Rabattverträge für die innova- tiven Arzneimittel. „Aber von der

Tendenz her nimmt es zu“, sagt Rolf Fricker, Geschäftsführer und Pharmaexperte der Unternehmens- beratung Booz Allen Hamilton. Seit Oktober 2007 etwa gewährt der Pharmakonzern Pfizer der Deut- schen BKK Rabatte für den Cho- lesterinsenker Sortis. Versicherte bekommen das Medikament somit erstattet und sparen sich die norma- lerweise anfallende Zuzahlung von bis zu 100 Euro pro Packung.

Arzneimittel mit

„Geld-zurück-Garantie“

Aber auch für Pfizer lohnt sich das Geschäft. Die Absatzzahlen steigen, und der Konzern musste den hohen Listenpreis für Sortis in Deutsch- land nicht senken. Dieser ist als Re- ferenzpreis für die Auslandsmärkte wichtig. Auch für Ärzte biete der Vertrag Vorteile, ist der Arzneimit- telexperte von der Deutschen BKK, Andreas Manthey, überzeugt: „Sie können Sortis weiter verschreiben und so Umstellungen und Irritatio- nen bei den Patienten vermeiden.“

Bei Pfizer sollen dem Sortis-Rabatt- Vertrag, den man lieber „Versor- gungsvertrag“ nennt, weitere fol- gen. Man sei mit vielen Kassen im

Gespräch, sagt der Leiter der Abtei- lung „Access“ bei Pfizer Deutsch- land, Klaus Schlüter.

Interessant für die forschenden Arzneimittelhersteller sind Rabatt- verträge auch, wenn ihre Produkte durch geänderte Arzneimittelricht- linien unter Druck geraten oder der Patentschutz bald ausläuft. Profi- tieren konnte davon die AOK Rheinland/Hamburg. Sie hat mit dem Arzneimittelhersteller Jans- sen-Cilag im März letzten Jahres einen Rabattvertrag für das Arznei- mittel Risperdal ausgehandelt, des- sen Patentschutz Ende Dezember 2007 ausgelaufen ist. Risperdal wird für die Behandlung von Pati- enten mit Schizophrenie oder schweren Verhaltensstörungen an- gewandt.

Für Bernd Voss, Pharmazeut und Mitglied der Vertragsabteilung der AOK, hat das zwei Vorteile: Zum ei- nen bekomme man Rabatt für das in der AOK Rheinland/Hamburg um- satzstärkste Medikament. Rund ein Drittel der jährlich durch Risperdal anfallenden Kosten von zwölf Mil- lionen Euro sollte der Vertrag für 2007 einsparen. Zum anderen „müs- sen Ärzte nach dem Generika-Ein-

ARZNEIMITTELRABATTE

Neue Verträge für Originalpräparate

Nach noch nicht einmal neun Monaten haben Rabattverträge die Generika- branche ordentlich umgekrempelt. Verstärkt halten Rabatte nun auch Einzug bei patentgeschützten Arzneimitteln – mit innovativen Verträgen.

Foto:KEYSTONE

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tritt von Risperdal ihre Patienten nicht umstellen. Sie können sehr wirtschaftlich das Originalpräparat weiter verordnen“, sagt Voss.

Absatzgarantie durch Verhandlungspfade

Zunehmend werden die Rabatte bei patentgeschützten Originalpräpara- ten auch in komplexere Vertragsmo- delle eingebettet, zum Beispiel in sogenannte Risk-sharing-Ansätze:

Bleibt der erwartete Therapieerfolg aus, verzichtet der Arzneimittelher- steller auf den Umsatz. Die Geld- zurück-Garantie, die man bisher eher von Milchprodukten oder Jeans- hosen kennt, haben der Pharma- konzern Novartis, die Barmer Er- satzkasse und die DAK mit dem Osteoporosemittel Aclasta ins deut- sche Gesundheitswesen eingeführt.

Treten trotz Anwendung des Medi- kaments innerhalb eines Jahres Knochenbrüche auf, will Novartis die Kosten für das Medikament in voller Höhe erstatten. Mit der DAK hat Novartis einen ähnlichen Ver- trag über drei Immunsuppressiva nach Nierentransplantationen ge- schlossen.

Obwohl erste Verträge auf dem Weg sind – noch gibt es Hürden aus dem Weg zu räumen. Größtes Pro- blem für die Hersteller ist, dass ih- nen die Kassen eine Mengenaus- weitung nur schwer garantieren können. „Lukrativ werden die Ver- träge für die Hersteller aber erst, wenn sie die gesunkenen Preise über einen gestiegenen Absatz kom- pensieren können“, sagt der Arznei- mittelexperte Prof. Gerd Glaeske.

Ein Weg, Mengenzuwächse sicher- zustellen, seien Arzneimittellisten im Rahmen der integrierten Versor- gung. Erst dann hätten auch die Kas- sen etwas davon, weil mit steigen- dem Absatz auch die Rabattsätze steigen.

Einen entsprechenden Modell- versuch hat die Deutsche BKK ge- startet. Für Patienten mit Sodbren- nen hat die Kasse mit der Netz- allianz Südniedersachsen und dem Hartmannbund einen Behandlungs- pfad entwickelt, in dem festlegt ist, wann die Patienten ein Medikament erhalten sollen. Mit dem Pharma- unternehmen Astra Zeneca wur-

20 Prozent der Arzneimittel hierzu- lande falsch angewandt werden.

Glaeskes Schätzungen zufolge be- lasten die ungenügende Behandlung und die Nebenwirkungen das deut- sche Gesundheitswesen mit jährlich drei bis fünf Milliarden Euro.

„Wichtiger, als an der Preisschraube zu drehen“, sagt der Unternehmens- berater Fricker, „ist es, die Com- pliance der Patienten zu erhöhen.“

Darum könnten in Zukunft verstärkt sogenannte Mehrwertverträge in den Blickpunkt geraten.

Bei diesen Verträgen, die sich vor allem für chronische Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Atemwegserkrankungen anbieten, geben die Hersteller den Kassen ge- ringere Rabatte. Im Gegenzug bie- ten sie zusätzliche Dienstleistungen wie Ernährungsberatung, Raucher- entwöhnungskurse oder Labortests an. Gut vorstellbar seien Mehrwert- verträge auch in der Onkologie, sagt Pfizer-Mitarbeiter Schlüter: „Dort ist es sinnvoll, zu Kooperationen zu kommen, bei denen die Hersteller die Krankenkassen unterstützen, die Compliance zu fördern, etwa über Reminder-Funktionen oder Schu- lungen.“

Wie viel die gesetzlichen Kran- kenkassen durch die Rabattverträge bei patentgeschützten Arzneien spa- ren werden können, lässt sich schwer abschätzen. „Einsparungen wird es geben, aber keine erdrutsch- artigen wie bei den Generika“, ist Schlüter überzeugt. Dennoch ist er sicher, dass solche Vereinbarungen für seinen Konzern künftig „ein Standbein des Geschäfts“ sein wer- den. Ähnlich sieht das auch Fricker von Booz Allen Hamilton: „Durch den Gesundheitsfonds stehen die Zeichen auf Sturm, die Kassen müs- sen weiter sparen.“ Die Rabattver- träge seien hier ein probates Mittel.

Für die Zukunft sieht er 25 bis 30 Prozent der innovativen Präparate in Kooperationsverträgen, vor allem die, bei denen der Patentschutz vor dem Ablauf steht. „Je mehr Erfah- rungen aber mit dem Instrument Ra- battvertrag gemacht werden, desto mehr neu auf dem Markt befindli- che Medikamente werden mit ein-

bezogen.“ n

Timo Blöß den passend dazu Rabatte für das

patentgeschützte Magenmittel An- tra ausgehandelt. Rund 700 Ärzte nehmen in der Region an dem Mo- dell teil.

Die Verhandlungsposition der Kassen bei den Originalpräparaten sei deutlich schlechter als bei den Generika, sagt Manthey von der Deutschen BKK. „Darum müssen wir den Unternehmen garantieren, dass ihr Medikament vermehrt ver- schrieben wird. Mit den Behand- lungspfaden können wir das errei- chen.“ Die BKK will darum die Zu- sammenarbeit mit Herstellern und Ärztenetzen ausbauen. Im Land- kreis Gifhorn besteht ein weiterer Behandlungspfad für Bluthoch- druck, flankiert von einem Rabatt- vertrag. Verhandlungen für ähnliche Modelle in Wolfsburg und Braun- schweig laufen. „Wenn solche Ver- träge vorhanden sind, ist die Umset- zung der Vereinbarungen in den Arztpraxen gut gewährleistet“, fin- det auch der Pfizer-Experte Schlüter.

Ärzte müssen integriert sein

Auch für den Booz-Allen-Hamilton- Berater Fricker liegt die Zukunft in der Einbindung der Ärzte. Vermehrt entdecke die Pharmaindustrie die

„strategischen Möglichkeiten“, die sich aus neuen Modellen für sie er- geben könnten, wie etwa aus dem geplanten Hausarztvertrag der AOK Baden-Württemberg mit MEDI und dem Hausärzteverband. „Hier wird der Kreis zwischen Herstellern, Kassen und Ärzten geschlossen“, so Fricker. Damit die Verträge für die Industrie lukrativ sind, müssten die teilnehmenden Ärzte dabei „schad- los“ gehalten werden. „Sie müssen Handlungssicherheit durch Thera- pierichtlinien bekommen, und Bud- getdruck sowie Regresse müssen wegfallen – erst dann haben wir eine Win-win-Situation.“ Immerhin: bei der Wirtschaftschaftlichkeitsprü- fung werden die Arzneimittelkosten in den gängigen Modellen um die Rabattpreise korrigiert.

Ein wesentlicher Ansatzpunkt, Arzneimittelkosten zu sparen, könnte künftig auch sein, die falsche Anwendung von Medikamenten zu verhindern. Versorgungsforscher Glaeske geht davon aus, dass 15 bis

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