DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Hämatemesis und Melaena
Eine äußerst elegante, bei den meisten diagnostisch Tätigen lei- der wenig bekannte Methode stellt bei Verdacht auf Meckelsches Di- vertikel die Darstellung der ekto- pen Magenschleimhaut mittels Technetiumpertechnetat dar, dem Nuklid, das für die konventionelle Schilddrüsenszintigraphie stets verfügbar ist.
Das Nuklid wird in die Belegzellen der Magenschleimhaut eingela- gert (2) und gestattet insbesonde- re bei Kindern und Adoleszenten die Diagnose binnen 30 Minuten.
Dieser Untersuchungsgang ist seit Mitte der siebziger Jahre etabliert (2, 3, 4), in unserer Abteilung ge- hört er zum Standardprogramm.
Eine weitere Methode, die beson- ders bei mehr distalen intestinalen Blutungen erfolgversprechend ist, ist die szintigraphische Untersu- chung mittels radioaktiv markier- tem Sulfurkolloid, ebenfalls einer Substanz der Grundausstattung jedes Nuklearmediziners. Der Ge- dankengang ist einfach:
Nach Bolusinjektion des Nuklids wird dieses an der Blutungsstelle in den Darm austreten und als De- pot liegenbleiben, der Rest wird binnen zehn Minuten von Leber und Milz gerafft, damit wird die Blutung fast ohne Hintergrund dargestellt; die geringe Aufnahme in das RES des Knochenmarks ge- stattet ein „anatomical landmar- king".
Im Tierversuch ist eine Blutung von 0,1 ml pro Minute als erkenn- bar beschrieben worden (5), beim Menschen dürften 0,5 bis 1 ml pro Minute als realistisch angesehen werden.
Als Vorbereitung für diese Unter- suchungen kann im Fall der Ma- genschleimhautszintigraphie eine Prämedikation von Cimetidin empfohlen werden, bei Blutungen im Dünndarm ist eine Verabrei- chung von Glucagon beziehungs- weise Butylscopolamin zu kurzfri- stiger Hypotonie und Verringe- rung der Peristaltik hilfreich.
Die Aussage, daß diese Untersu- chungsgänge „an spezielle nu- klearmedizinische Einrichtungen gebunden" seien, kann so nicht stehenbleiben. In jedem mittleren Krankenhaus sollte eine Szintilla- tionskamera zur Verfügung ste- hen, die verwendeten Radiophar- maka sind vorhanden, die Unter- suchungen bedeuten keinen Ein- griff für die meist ohnehin ge- schwächten Patienten. Aus die- sem Grund ist den von uns ge- schilderten Methoden ein Platz bereits im Vorfeld der Diagnostik zu wünschen.
Professor Dr. med. F. Wolf Dr. med. H. Feistel
Institut und Poliklinik für Nuklearmedizin
der Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12
8520 Erlangen
Stellungnahme II
Zu dem Beitrag von Heribert Frotz habe ich eine Ergänzung beizu- steuern (gilt für kurzfristige Blut- verluste von mehr als 900 ml):
Direkt nach der Diagnose der ga- strointestinalen Blutung — also bei allen Zuständen, bei denen Blut durch den Darm läuft — steht je- dem Patienten eine prophylakti- sche Gabe von Vitamin K zu, zum Beispiel 10 mg Konaktion s. c. Das erspart Patient und Therapeut viel Ärger, denn normalerweise fällt bei diesen Zuständen bereits in- nerhalb von 24 Stunden der Quickwert ab. Es gibt eben kein besseres Abführmittel als eigenes Blut, und auch die bakterizide Wir- kung übertrifft im Darm die besten Breitbandantibiotika — die brau- chen immerhin im Durchschnitt vier Tage, um eine im Quick er- kennbare K-Avitaminose zu erzeu- gen. Der Effekt des „Darmhun- gers" bei parenteraler Ernährung tritt im Durchschnitt nach sieben Tagen ein, auch eine Möglichkeit, die man bei der Therapie von „GI- Blutungen" beachten sollte.
Mit einer Ampulle Vitamin K blei- ben die Faktoren II, VII, IX und X im Normalbereich, die plasmatische Gerinnung wird nicht beeinträch- tigt, und die häufige Frage: „Ist das jetzt eine Verbrauchskoagulo- pathie?" wird wesentlich seltener an das Gerinnungslabor gestellt.
Und damit wird die Therapie nicht nur sicherer, sondern auch deut- lich billiger. 10 mg s. c. (cave i. v.!) reichen für mindestens eine Wo- che.
Dr. med. Hartmut Cardeneo Europaallee 28
2000 Norderstedt
Schlußwort
Zu Stellungnahme I:
Zu Recht verweisen Wolf und Fei- stel auf die Notwendigkeit, alle diagnostischen Verfahren bei der Suche nach gastrointestinalen Blutungsquellen einzusetzen.
Hierzu gehören selbstverständlich auch nuklearmedizinische Mög- lichkeiten, deren Anwendungsbe- reich ständig verbessert wurde.
Dennoch — diese Untersuchungs- gänge sind an nuklearmedizini- sche Einrichtungen gebunden. Es ist vielleicht zu bedauern, aber lei- der haben nur wenige Kranken- häuser eine Szintillationskamera, die Voraussetzung für diese Unter- suchungstechnik ist.
Die sogenannte Gamma-Kamera ist an die Verordnung von Großge- räten gebunden, so daß leider die- se Einschränkung bestehenblei- ben muß. Zu konsiliarischen Un- tersuchungen im Notfall eignet sich dieses Verfahren aufgrund der Transportnotwendigkeit natür- lich ebenfalls nicht.
Professor Dr. med. Heribert Frotz Marien-Krankenhaus
Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität zu Köln
Dr.-Robert-Koch-Straße 18 5060 Bergisch Gladbach 2
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 51/52 vom 19. Dezember 1986 (41) 3613