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Archiv "Nächtlicher Fluglärm: Er macht doch krank" (28.10.2011)

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L

ärm ist lästig, er kann zu Schlaf- störungen führen, die Konzen- trationsfähigkeit beeinträchtigen so- wie Gehörschäden hervorrufen. Die Beschränkung von Industrielärm, das Tragen von Schallschutz und das Verbot des Errichtens von Schulen, Kindergärten und Kran- kenhäusern in lärmbelasteten Re- gionen wurden deswegen gesetzlich geregelt und praktisch umgesetzt.

Die gesetzliche Grundlage für den Schutz vor Fluglärm aus dem Jahr 1999 lautet (Luft VG, § 29 b): „Flug- platzunternehmen, Luftfahrzeughal- ter sind verpflichtet, unvermeidbare Geräusche auf ein Minimum zu be- schränken . . ., um die Bevölkerung vor Gefahren . . . durch Lärm zu schützen.“ Als Grenze hinsichtlich der Fluglärmbelästigung gilt ein Dauerschallpegel, bei dem sich 25 Prozent oder mehr der Bevölke- rung „erheblich belästigt“ fühlen.

Hypertonie durch Lärm Die arterielle Hypertonie als ge- sundheitliche Auswirkung von Lärm steht unter den heutigen zivilisatori- schen Bedingungen in der Bundes- republik Deutschland und den Nach- barländern im Vordergrund. Zahlrei- che Studien seit 1968 beschreiben übereinstimmend diese Assoziation.

In der Gesetzgebung aber wird diese Feststellung bisher kaum berück- sichtigt. Gerade in jüngerer Zeit ha- ben große Kohortenstudien (Längs- schnittuntersuchungen von Kollekti- ven über mehrere Jahre) den Befund so untermauert, dass begründete Zweifel an einem Zusammenhang

nicht mehr möglich sind. Auch Un- tersuchungen (2004 und 2007), in denen geprüft wurde, ob zwischen Lärmbelastung und der Einnahme blutdrucksenkender Medikamente ei- ne Beziehung besteht, zeigen hoch- signifikante positive Korrelationen.

Fluglärm ist demnach als ursäch- lich für arterielle Hypertonie an - zusehen. Die Blutdruckerhöhung kann dabei auch ohne subjektive Belästigung oder Schlafstörungen auftreten, „das Ohr schläft nicht“.

Darüber hinaus wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das vermehrte Auftreten auch an derer Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie von Depressionen beschrieben. Die Datenlage hierzu war bis vor wenigen Jahren noch unsicher. So berichtete das Umweltbundesamt 2005 über nur schwache Beziehungen zwischen Straßenlärm und dem vermehrten Auftreten von Herzinfarkten. Im Jahr 2010 dagegen wurde von derselben Fachbehörde der Zusammenhang zwischen nächtlichem Fluglärm, Myokardinfarkt und Schlaganfall als signifikant und gesichert beschrieben.

Die neueren Studien lösten – nicht zuletzt wegen der möglichen gesetzgeberischen Konsequenzen – heftige Diskussionen aus. Bemän- gelt wurde vor allem, dass nicht auszuschließen ist, dass zwischen den vom Lärm mehr oder weniger stark betroffenen Bevölkerungs- gruppen möglicherweise Unter- schiede hinsichtlich der klassischen Risikofaktoren bestehen.

Zwei weitere Untersuchungen aus dem Ausland stützen zusätz-

lich den Zusammenhang von Lärm und Gesundheitsschäden. In einer Schweizerischen Kohortenstudie (Bern 2010) wurde nicht die Morbi- dität (Erkrankungshäufigkeit), son- dern die Sterblichkeit an Herz- Kreislauf-Erkrankungen untersucht.

Die Sterberegister der Gesamtbevöl- kerung wurden im Vergleich mit den individuellen Lärmbelastungen über fünf Jahre verfolgt. Dabei fand man einen Zusammenhang zwischen In- farktsterblichkeit und Straßenlärm und eine noch deutlichere Bezie- hung zum Fluglärm. Wurden nur die Personen betrachtet, die 15 Jahre oder länger am selben Ort wohnten, war die Zunahme der Sterblichkeit bei Personen mit starker Fluglärm- belastung von 60 dB(A) signifikant und betrug 50 Prozent.

Ärztliche Konsequenzen

Eine ebenfalls über fünf Jahre durchgeführte Kohortenstudie aus Dänemark (2011), die besonders auf Straßenlärmbelastung konzentriert war, fand einen hochsignifikant ge- sicherten Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und der Häufigkeit von Schlaganfällen. Der ursächliche Zusammenhang erscheint auch hier plausibel, weil die Hypertonie als klassischer Risikofaktor nicht nur für Myokardinfarkt, sondern auch für Schlaganfall zu sehen ist.

Die Datenlage verdichtet sich also zunehmend in die Richtung, dass Lärm nicht nur zu Belästigungen, Schlafstörungen, Gehörschäden und Einschränkung der kognitiven Leis- tungsfähigkeit führt, sondern auch zu vermehrtem Auftreten von Hyperto- nie, Herzinfarkt und Schlaganfall.

All dies zeigt, dass es an der Zeit ist, ärztliche Konsequenzen zu ziehen.

Denn es handelt sich nicht um seltene, sondern um die häufigsten Erkran- kungen überhaupt. Ein vor kurzem in der Landesärztekammer Rheinland- Pfalz gebildeter Arbeitskreis von Ärz- ten aus sechs Bundesländern hat aus den dargestellten Gründen ein gene - relles Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr gefordert.

Prof. Dr. med. Martin Kaltenbach Dr.-Ing. Christian Maschke

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit4311

NÄCHTLICHER FLUGLÄRM

Er macht doch krank

Die Datenlage verdichtet sich, dass Lärm zu vermehrtem Auftreten von Hypertonie, Herzinfarkt und Schlaganfall führt.

Richtlinie der WHO Von der WHO wurde die Grenze für den nächtlichen Fluglärm (Störung des Schlafs) im Jahr 2009 von 45 auf 40 dB(A) redu- ziert. Dieser Lärmpe- gel von 40 dB(A) ent- spricht zwar lediglich

einem leisen Sum- men, solange es sich

um ein Dauerge- räusch handelt. Für die Beurteilung von intermittierenden Schallereignissen, wie sie zum Beispiel durch Kraftfahrzeuge oder Flugzeuge her-

vorgerufen werden, stellt der Wert eine rechnerische Ver- gleichsgröße dar, in

der die physiologi- schen Auswirkungen der einzelnen Lärm- ereignisse berück- sichtigt sind.

Foto: picture alliance

A 2266 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 43

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28. Oktober 2011

P O L I T I K

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 43/2011, ZU

NÄCHTLICHER FLUGLÄRM

Er macht doch krank

Die Datenlage verdichtet sich, dass Lärm zu vermehrtem Auftreten von Hypertonie, Herzinfarkt und Schlaganfall führt.

LITERATUR

1. Babisch W, Beule B, Schust M, Kersten N, Ising H: Traffic noise and risk of myocardi- al infarction (NaRoMI). Epidemiology 2005; 16: 33–40.

2. Eriksson C, Rosenlund M, Pershagen G, Hilding A, Ostenson C-G, Bluhm G: Aircraft noise and incidence of hypertension. Epi- demiology 2007; 18: 716–72.

3. Gangwisch JE, et al.: Short Sleep Duration as a Risk Factor for Hypertension; Hyper- tension 2006: 47.

4. Graff C, Bockmühl F, Tietze V: (Lärmbelas- tung und arterielle (essentielle) Hyperto- niekrankheit beim Menschen. In: Nitsch- koff, S; Kriwizkaja, G.: Lärmbelastung, akustischer Reiz und neurovegetative Stö- rungen. 1968.

5. Greiser: Risikofaktor nächtlicher Fluglärm.

Abschlussbericht über eine Fall-Kontroll- Studie zu kardiovaskulären und psy- chischen Erkrankungen im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn. Schriftenreihe Um- welt & Gesundheit 01/2010, Umweltbun- desamt 2010.

6. Greiser E, Janhsen K, Greiser C: Beein- trächtigung durch Fluglärm: Arzneimittel- verbrauch als Indikator für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Förderkennzeichen 205 51 100, Umweltbundesamt 2006.

7. Huss A, Spoerri A, Egger M, Röösli M: Air- craft Noise, Air Pollution, and Mortality From Myocardial Infarction. Epidemiology 2010; 21(6): 829–83.

8. Jarup L, Babisch W, Houthuijs D, Persha- gen G, Katsouyanni K, Cadum E, Dudley M-L, Savigny P, Seiffert I, Swart W, Breu- gelmans O, Bluhm G, Selander J, Harala- bidis A, Dimakopoulou K, Sourtzi P, Velo- nakis M, Vigna-Taglianti F: Hypertension and Exposure to Noise near Airports – the HYENA study. Environmental Health Per- spectives 2008, Vol. 116, Nr. 3: 329–33.

9. Kaltenbach M, Maschke C, Klinke R: Ge- sundheitliche Auswirkungen von Fluglärm.

Dtsch Arztebl 105(31–32), 548–56.

10. LuftVG (2007): Luftverkehrsgesetz. BGBl. I

S.698 (zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. August 2009, BGBl. I S. 2942).

11. Öhrström E, Barregård L: Undersökning av hälsoeffekter av buller fran vägtrafik, tag och flyg i Lerums kommun (Untersuchung von Gesundheitsbeeinträchtigungen her- vorgerufen durch Straßenverkehrs-, Zug- und Fluglärm in der Gemeinde Lerum).

Technical Report, Västra Götalandsregio- nens Miljömedicinska Centrum & Sahl- grenska akademin. Gothenburg, Sweden 2005.

12. Sørensen Mette, Martin Hvidberg2, Zorana J. Andersen, Rikke B. Nordsborg,Kenneth G. Lillelund , Jørgen Jakobsen, Anne Tjøn- neland, Kim Overvad, Ole Raaschou-Niel- sen : Road traffic noise and stroke: a pro- spective cohort study. European Heart Journal Advance Access published Janua- ry 25, 2011

13. Stansfeld SA, Berglund B, Clark C, Lopez- Barrio I, Fischer P, Ohrström E, Haines MM, Head J, Hygge S, van Kamp I, Berry BF: Aircraft and road traffic noise and chil- drens cognition and health: a cross-natio- nal study. Lancet 2005; VOL: 365 (9475);

p. 1942–9.

14. Umweltbundesamt 2010: Umweltbundes- amt (2009): Night Noise Guidelines als of- fizielles WHO-Dokument veröffentlicht. Te- legramm: Umwelt & Gesundheit, Ausgabe 06/2009.

15. WHO (1999): Guidelines for Community Noise (edited by Berglund B, Lindvall T, Schwela DH). World Health Organization, Genf

16. WHO: Night Noise Guidlines for Europe.

World Health Organisation Regional office for Europa, Kopenhagen 2009.

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