• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Immobilisation: Wenn Bettruhe krank macht" (25.01.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Immobilisation: Wenn Bettruhe krank macht" (25.01.2008)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A146 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

M E D I Z I N R E P O R T

D

er endoskopische Eingriff am Meniskus des 40-jährigen Mannes verlief problemlos. Der Pa- tient wurde heparinisiert und mit Stützstrümpfen ins Bett gelegt. Vier Tage lang sollte er Bettruhe halten – was ihm schwerfiel. Als er aufste- hen durfte, war seine Beinmuskula- tur deutlich schwächer geworden.

Er fühlte sich instabil. Nach Eingrif- fen wie diesem ist Immobilisation nicht mehr die Regel. Dennoch:

„Unsere stationären Patienten lie- gen zu lange im Bett“, konstatiert der Kardiologe und Sportmediziner, Prof. Dr. med. Herbert Löllgen, vom Sana-Klinikum in Remscheid.

Dabei kann langes Liegen nicht nur subjektiv beschwerlich sein, es birgt gesundheitliche Risiken, wie zahlreiche Studien belegen. „Bett- ruhe ist indiziert bei einer akuten Erkrankung oder unmittelbar nach einer Operation. Aber Bettruhe per se kann krank machen, dieses Risiko muss gegenüber dem der Mobilisie- rung sorgfältig abgewogen werden“, appellierte Löllgen an die Ärzteschaft.

Das Wissen über iatrogene Effekte der Bettruhe müsse fester Bestandteil des Medizinstudiums werden.

Mobilisation innerhalb von sechs Stunden

Auch nach diagnostischen Untersu- chungen bleiben viele Menschen zu lange liegen. In einer Metaanalyse von 24 Studien bei Patienten, die nach einer Lumbalpunktion, Spinal- anästhesie oder Herzkatheterunter- suchung Bettruhe hielten, war die Rate an Komplikationen in acht Stu- dien signifikant erhöht (Lancet 1999; 354: 1229–33). „Nach den meisten invasiven diagnostischen Eingriffen – Gewebeentnahmen wie einer Leberbiopsie zum Beispiel – sollten die Patienten innerhalb von etwa sechs Stunden mobilisiert wer- den“, sagte Löllgen.

Bettruhe habe negative Wirkungen auf die Kreislauffunktion mit vermin- derter peripherer Perfusion, die Herz- frequenz steige in Ruhe und bei Be- lastung an, die maximale Sauerstoff- kapazität und das Herzzeitvolumen nähmen ab, das Blutvolumen reduzie- re sich, was zu orthostatischen Störun- gen führe, die Muskulatur atrophiere, und zwar um 15 Prozent pro Woche.

Mögliche Folgen: erhöhte Sturzge-

fahr bei Mobilisierung, Thrombosen und Lungenembolien, Pneumonien, Infekte und Kreislaufstörungen.

„Selbst bei manifester Thrombo- se konnte bisher in keiner Studie be- legt werden, dass Bettruhe das Er- gebnis der Behandlung verbessert oder Lungenembolien verhindert“, meinte Löllgen. Dagegen sei nach- gewiesen, dass frühe Mobilisierung bei effektiver Antikoagulation den Verlauf günstig beeinflusse. Wenn die akute Antikoagulation bei einer Venenthrombose wirke (kontrolliert über die Gerinnungsparameter), gelte es, den Patienten auf die Beine zu stellen. 60 bis 70 Prozent der Pa- tienten außerhalb der intensivmedi- zinischen Abteilungen sind Schät- zungen zufolge wenigstens teilwei- se mobil, 80 bis 90 Prozent aber lie- gen überwiegend im Bett.

Die iatrogenen Effekte langen Liegens führen vor allem bei älte- ren Menschen zu späterer Immo- bilisation und Pflegebedürftigkeit:

Bleiben stationäre Patienten für vier Wochen immobil, steigt das Risiko für Pflegebedürftigkeit um das 61-Fache, bei teilweiser körperli- cher Aktivität dagegen nur um das Fünffache (JAMA 2004; 292:

2115–24).

Gebrechlichkeit, die vor allem auf Kraftmangel basiere, verursache den größten Teil der Stürze bei älteren Menschen, so der Sportmediziner Prof. Dr. med. Klaus Völker (Univer- sität Münster). Herzrhythmusstörun- gen oder Schwindel seien nur zu fünf bis zehn Prozent Auslöser, maximal 20 Prozent würden durch Medika- mente wie Schlafmittel hervorgeru- fen. Bei fünf Prozent der Stürze kom- me es zu Frakturen.

Dabei verbessert körperliches Training selbst in hohem Alter die Muskelkraft. Einer prospektiven, alters- und risikoadaptierten Studie zufolge reduziert schon eine Stunde Tai Chi pro Woche die Sturzhäufig- keit bei Probanden mit einem durch- schnittlichen Alter von 69 Jahren nach vier Monaten um 30 Prozent (Journal of the American Geriatrics Society 2007; 55: 1185–91).

Frühere Untersuchungen hätten eine ähnliche Minderung des Sturz- risikos (um 25 Prozent) durch kör- perliches Training älterer Menschen belegt, erklärte Völker. Dafür sei nicht nur die Zunahme der Muskel- kraft verantwortlich, sondern auch die kognitive Leistungssteigerung durch körperliche Aktivität.

„Lang im Bett liegende Patienten sollten wir uns nicht mehr leisten“, sagte Löllgen. Die Bilanz der ge- sundheitlichen Konsequenzen von Immobilität und ihrer wirtschaftli- chen Folgen sei deutlich negativer als der finanzielle Aufwand für die Mobilisierung in Pflegeeinrichtun- gen und Krankenhäusern. Wenn möglich, sollten Ärzte die Frühmo- bilisation anordnen. Sei eine Bettru- he für längere Zeit notwendig, gelte es, dem Patienten mit einem Bett- ergometer die Möglichkeit zum Training zu geben, auch in Alten-

und Pflegeheimen. n

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

IMMOBILISATION

Wenn Bettruhe krank macht

Ein Plädoyer für Frühmobilisierung beim Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer in Berlin

Viele Patienten liegen viel zu lan- ge im Bett. Dabei kann sich Immobi- lisation als gefähr- liche Maßnahme erweisen.

Foto:Becker & Bredel

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

So gibt es für wetterfühlige Menschen ei- gentlich nur eine Therapie – nämlich die, dass sie sich so häufig wie möglich dem Wetter aussetzen, damit ihr Körper wieder lernt,

des raschen Amtswechsels bei mehr- jähriger Amtszeit der Funktionsträ- ger des Klinikums eher beschränkt ist.“ Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Ländern, ein eigenständiges Bud-

Schorre hatte daraufhin in einem Brief an die Bundesgesundheitsmini- sterin klargestellt, daß es sich hierbei um eine Forderung der KBV handele, nicht jedoch um eine Zusage der

Das Bündnis Gesund- heit 2000 startet seine Informationskampagne zur Gesundheitsreform.. Im Bündnis sind 36 Or- ganisationen der Gesundheitsberufe sowie die Deutsche

Hier kann die Temperatur eurer Handinnenflächen nach der Übung eingetragen werden:. Tragt die

Bei der Dia- gnose Weizensensitivität handelt es sich immer um eine Ausschluss- diagnose nachdem weder die für eine Zöliakie typischen Antikörper noch die bei einer Weizenallergie

Chirurgen, Radiologen und Augenärzte hingegen müssen meist Spezialpro- gramme einsetzen, die auf die besonderen Bedürfnisse die- ser Fachgruppen zugeschnit- ten sind.. Bei

Beisse sprach sich ein- dringlich für die Aufklärung der Patienten und eine groß- zügige Heparin-Prophylaxe aus; Thrombozyten-Aggrega- tionshemmer wie Acetylsali-.. cylsäure wirken