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3

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15 Sperling, Michel, 1893-

Das deutsche getreide-einfuhrschein-system.

Dissertation ••• eingereicht von Michel Sperling

••• Berlin, 1916«

109 p. 3l|- cm«

Thesis, Giessen.

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I

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Das deutsche Getreide- Einfuhrschein-System

Dissertation

zur Erlangung der Doktorwürde

bei der Philosophischen Fakultät derGroßherzoglich Hessischen Ludwigs-Universität

zu

Gießen

eingereichtvon

Midiel Sperling, geboren in Berlin

iiii

BERLIN

1916

(4)

Druckfertig Gießen,9.Oktober1916.

Der Dekan Kalbfleisch.

Genehmig-tdurch das Prüfungskollegium

am

9.Aug-ust 1916

Referent: Dr. Skaiweit.

(5)

I

ch,MichelSperling, binam23.Oktober1893alsSohndesKaufmanns Waldemar Sperling geboren, bin evangelischer Konfession und preußischer Staatsangehöriger. BiszurUnter-Prima besuchteich das Friedrich-WerderscheGymnasium und von daan

das Friedrich- WerderscheGymnasiumwurde in einen entferntenStadtteilverlegt

das Sophiengymnasium,woich auch imHerbst 1911 meinReife- zeugnis erhielt.

Ich bezog dann die Universität Heidelberg, wo ich mich ein Semesterlaug mit Jurabeschäftigte und bei denProfessorenEnde- mann, Gradenwitz undv.Lilienthal hörte. Ich studiertedann4Semester inBerlinundhörte beidenProfessoren und Dozenten Bernhard,Bort- kiewicz, Brunner, Harnack,Jastrow,Liszt,Keubecker, Oppenheimer, Kipp, ErichSchmidt,Schmoller, Seckelundv.Wilamowitz-Moellendorff.

Im Frühjahr1914kamichnachGießen,und besuchtedieVorlesungen der Professoren Gisevius, SkaiweitundSievers. BeiBeginndes Krieges rückte ich sofort aus,wurdeaberimSommer1916 für dasmündliche Examenbeurlaubt.

MeinePromotionsschrifthabe ichmirselbst gewählt.

Vorwort

Die vorliegende Arbeit istvor Ausbruch des großen Krieges geschrieben. Daher

kommt

es, daß kleine Teile, die damals einegroße Wichtigkeit besaßen, heute alsvon den EreignissenundErfahrungen überholtangesehenwerden müssen, so z.B. derVorschlag zur Regelung der Zoll- schwierigkeiten mit Rußland auf friedlichem, zolltech- nischem Wege.

GegeneinenspeziellenEinwandaber,dermirgemacht werden könnte,

muß

ich mich von vornherein wenden.

Man

könntesagen, derKrieghätte gezeigt, daßauch unser inländisches Getreide ohne Beimischung eines gewissen Prozentsatzes ausländischenGetreideseinbackfähigesMehl liefern kann. Darauf

muß

erwidert werden, daß erstens die Ausbeute unsres inländischen Weizens ohne irgend- welche Beimischung ausländischen Weizens geringer ist, weil eine allgemeine Erfahrung lehrt, daß gemischter Weizen eine reichere Ausbeute liefert als ungemischter, und daßzweitens nach

dem

KriegedieGeschmacksrichtung desVolkesvoraussichtlich wieder einestärkereNachfrage nachdem vor

dem

Krieg üblichen Weizenbrot bewirken wird; aus diesen beiden Gründen werdenwir wohl nach

dem

Kriegauch wieder ausländischenWeizen importieren müssen.

(6)

f

Die Voraussagen der Arbeitaber, dieWirkungendes Einfuhrscheinsystems habe Deutschland in die Lage ver- setzt,jedwedenfürGetreidebau geeignetenAckermöglichst intensiv für unsre Volksernährung nutzbringend zu ver- werten, haben sich erfüllt.

Die Anregungen der Arbeit schließlichzurAnlegung einesKriegsgetreideschatzes

kommen

zwar nun leider ver- spätet, dürften aber auchfür die Getreidepolitiknach

dem

Kriege Beachtung verdienen.

Bad Nauheim,

im August 1916.

TEIL

I.

Die Einführung des deutschen Getreide-Einfuhrscheinsystems

*)Die für diesen Teilgebrauchten Quellen sindam Ende auf Seite 36f.angeführt.

(7)

A'^

im Jahre 1879 das Deutsche Reich

zum

erstenmal einen

— wenn

auchnochnichtsehrhohen

Getreide- zoll einführte, da erhoben sich gleich zweigroße Fragen, einmal,wie unter diesen Verhältnissen der großeTransit- liandel der ostdeutschen Hafenstädte, vor allem also KönigsbergsundDanzigs, aufrecht erhaltenbleiben könne, und zweitens, was aus

dem

Veredlungsverkehr, wie wir ihn ebenfalls besonders an diesen Plätzen gehabt hatten, unterdenvollständiggeänderten Verhältnissenwerdensollte.

DieDringlichkeit, dieseFragen zulösen, wurde noch größer, als in den Jahren 1884 und 1887dieGetreidezölle ganz bedeutend, nämlich bis aufdendrei-undfünffachen Betrag der ursprünglichen Zollsätze,gesteigert wurden.

Zudiesen beidenProblemen

kam

aberauch nochein drittes, von dessen Vorhandensein

man

lange überhaupt nichtsgeahnthatte. Dieseswarabergerade daswichtigste, und die beiden ersten ließen sich überhaupt nicht lösen, so lange

man

nicht ahnte, daß in der gesamten Frage nochdiesesdritteProblemsteckte; alleMaßregelnnämlich, die

man

fürBeseitigungder beidenerstenMißständeergriffen hatte, zeitigtenimmersehrunangenehme Nebenwirkungen, ohne daß

man

sich doch darüber klar zu werden ver- mochte, woher denn diesekämen. DiesedritteSchwierig- keit nun, die schon über ein Jahrzehntvorlag, ohne daß

man

ihr

Wesen

bis dahin richtigerkannt hatte,lag darin, daß die Müller zu

dem

deutschen Getreide stets einen großen ProzentsatzfremdenMehls hinzukauften,weilsieder Meinung waren, daß das deutsche Getreidegemischt eine

(8)

10

reichereAusbeuteliefere,alsimungemischten Zustande,und weilsieferner dieAnsichtvertraten,daßdas gemischte Ge- treideeinMehl liefere, das

dem

GeschmackdesPublikums mehrentsprechealsdas ungemischte. DieseAnschauungder Müller entspricht einer richtigen Beobachtung, ohne daß darinjedoch irgendeinVorwurf gegendasdeutsche Getreide liegt; es istnämlich einealte Erfahrung, daßgemischtes Getreide eine reichere Ausbeuteliefert als ungemischtes, und daß sichderGeschmackjeden BrotesdurchMischung einheimischen Getreides mitfremdemwesentlichverbessern läßt. Dieser Prozentsatz des zur Mischung benötigten Getreidesist aber größeralsderProzentsatz,denDeutsch- land benötigt,

um

das Defizit seines Bedarfs an sichzu decken. So

muß

alsobei gehemmter AusfuhrinDeutsch- land stets einUeberfluß an Getreide vorhanden sein, und es kann dieser Ueberfluß nur dadurch wieder beseitigt werden, daßein Teil des im Inlande erzeugten Getreides ausgeführtwird. Mit andrenWorten: ObwohlDeutschland nicht so viel Getreide erzeugt, als es zurDeckung des heimischen Bedarfs braucht, zwingen die angeführten Gründe gleichwohl zur Ausfuhr.

Da

es an der Erkenntnis dieserTatsache mangelte, so mußten alleMaßregeln, die

man

in denersten zehn Jahren zurUeberwindungderbereitserkannten Schwierig- keiten anwandte, immer wieder ungeahnte, unangenehme Nebenwirkungen haben.

Um

den Durchgangsverkehrinder bisherigenHöheauf- recht erhaltenzu können,traf

man

folgende Einrichtungen

:

1. Die Einrichtung von Freihäfen.

2. die Anlegung zollfreier Niederlagen mit und ohne amtlichen Mitverschluß,

3. die Einrichtungvon Zollkonten.

Wirhatten ursprünglich inDeutschland zweizollfreie Gebiete, das eine war das hamburgische Staatsgebiet

11

zusammen

mitAltona,das zweitewardasbremischeStaats- gebiet

zusammen

mit einigen preußischen Plätzen, die Bremerhaven benachbart waren. Gewiß wardadurch für den Transithandel die größte Freiheit gewahrt, aber es stellte sichbaldfür diese Gebiete selbst eine sehrunan- genehmeFolgeheraus. DerStaatssäckel der betreffenden Staaten mußte esgewissermaßenbüßen, daßdereinzelne Staatsangehörige sehrvieleProdukteinfolgederZollfreiheit billig beziehen konnte.

Da

nämlich die Zolleinnahmen in die Reichskasse flössen, so mußten die betreffenden Staaten für die aus

dem

Reichszollgebietausgeschiedenen Landesteilenach

dem

Verhältnis der VolkszahleinAversum an das Reichzahlen. Dazu

kam

nunabernocheinezweite sehr unangenehme Folge.

Da

die betreffenden Landes- teile außerhalb der Zollgrenzen lagen, fehlte ihnen das Hinterland,undsievermochteninfolgedessenkeineIndustrie zu entwickeln.

Um

diesem Uebelstande abzuhelfen,legte

man

auf

dem

in der Elbe gelegenen Kuhwärder einen Freihafen an;

dadurch sicherte

man Hamburg

weiter die Vorteile eines ungestörten Transithandels, ohne daß es die bisherigen Schädigungen des Ausschlusses aus

dem

deutschen Zoll- gebiet nochlängerzu erdulden brauchte.

Die schnelleBevölkerungszunahme, die

Hamburg

und Altona seitdem erfahren haben, bewies, daß die Kosten für die Anlage des Freihafens nicht umsonst aufgewandt waren.

Dem

Vorbilde Hamburgs folgte Bremen. Auch hier fand sich in der Nähe der Weser ein geeignetes Terrain zur Anlage eines Freihafengebietes.

Es ist bekannt, daß die Idee des Freihafengebietes dann nicht nur für allegrößeren deutschen Hafenplätze verwirklicht worden ist, sondern auch über Deutschlands Grenzen hinaus

Nachahmung

gefunden hat. Erinnert sei

(9)

12

an die beiden großen Freihafengebiete von Kopenhagen und Marseille.

GeradedieVerallgemeinerung dieser

Maßnahme

auch auf solche deutschen Hafenplätze, die vorher nicht zoll- freie Plätzegewesen waren,

kam dem

deutschen Transit- handel mit Getreide sehr zu statten. Die Freihäfen in Königsberg und Danzighaben sich wesentlich durch die F'eihafengebiete ihrealteBedeutungalswichtigerussische Gätreideausfuhrplätze zu wahren vermocht.

Gewissermaßen als kleineFreihafengebietekann

man

die zweiten Vorkehrungen zur Erleichterung des Transit- handels, die zollfreien Niederlagen,ansehen. JedeWare, dieindie zollfreienNiederlagen mit amtlichen Mitverschluß eiagebrachtwird,undjedeWare,diesieverläßt,

muß

genau gebucht werden. Verläßt eine solche

Ware

eine solche

N

ederlassung, so istfür sie derZoll zu erlegen, sofern si3 nicht unterZollaufsichtentwederinsAusland oder in eile andere zollfreie Niederlage überführtwird.

Bequemersind die zollfreienNiederlagenohneamtlichen Mitverschluß. BeiihnenwerdennurdieEingänge gebucht imd von den Ausgängen nur diejenigen, die unter Zoll- aufsichtentweder wieder insAusland oder in ein anderes T-ansitlagergehen. Dagegenbleiben dieAusgängeindas Zollgebietzunächstganzunberücksichtigt,dafürfindetaber alle Jahre einmal eine Bestandsaufnahme statt; für die

1)fferenz zwischen

dem

Ist-Bestand und

dem

Soll-Bestand

muß

dannderZollbezahltwerden. Darinlagzunächst keine bosondre Begünstigungdieser Transitlager.

Da man vom

Hiiidel nämlich nicht verlangen kann, daß er den Zoll schon bezahle, bevor er das Geld für die

Ware

selbst eihaltenhat, sowerdenfüralleWaren, diefürdenHandel eiigehen,die Zöllekreditiert. FrüherwarnundieseKredit- fr st6 Monate.

Wenn

dieTransitlagerohneamtlichenMit- v(rsciiluß den Zoll jährlich einmal zu bezahlen haben, so

13

entsprichtdasimDurchschnittebenfallseinemhalbjährlichen Zollkredit. HeuteliegtdarinscheinbareineVergünstigung, doch wechseln die

Waren

in derTat so schnell, daß eine Vergünstigung

kaum

vorliegen möchte und die Zollver- waltung infolge der sehr verringerten Kontrollkosten doch keinen Schaden erleidet.

Die sogenannten Zollkonten sind von diesen Transit- lagernohneamtlichenMitverschlußnureineAbart.

Während

dieTransitlagerohneamtlichenMitverschluß einemPrivat-

mann

gehören, der seine Speicher jedem darbietet, der ausländische

Waren

eine Zeitlang lagern will, bis er sich darüberklarist,wohinersieweiterversendenwill,werden die Zollkontenfür solcheSpeicher geführt, die irgend ein Großunternehmernur fürseine eigenen Zweckehält.

Wir haben noch einer besonderen Art von Transit- lagernzu gedenken, das sind diegemischtenTransitlager.

Um

diesen Ausdruck zu verstehen, müssen wir auf das Zolltarifgesetz

vom

Jahre 1879 (15. Juli) zurückgreifen.

Dieses besagtin § 7 Nr. 1.

„Fürdie inNr. 9 des Tarifs (d.h.Getreide aller Art)aufgeführten

Waren

werden,

wenn

sieausschließ- lich

zum

AbsatzinsZollauslandbestimmtsind,Transit- lager ohne amtlichen Mitverschluß, in welchen die Behandlung und

Umpackung

der gelagerten

Ware

uneingeschränkt und ohne Anmeldung und ihre Mischung mit inländischer

Ware

zulässigist, mit der Maßgabe bewilligt, daß bei der Ausfuhr dieser ge- mischten

Ware

der in der Mischung enthaltene Prozentsatz vonausländischer

Ware

als die zollfreie

Menge

derDurchfuhr anzusehen ist.

Für

Waren

der bezeichneten Art, welche

zum

Absatz entwederin das Zollausland oder indasZoll- inland bestimmt sind, können solche Transitlager bewilligtwerden.“

(10)

14

DerBundesrat hatte bis 1890für ca. 30 Hauptplätze de5 Handels und des Absatzes solche Transitlager zuge- lajsen. Diese Transitlager pflegt

man

nun gemischte zu nennen. Sie sind sowohlvon Seiten der landwirtschaft- licnen Presse wievonSeiten derjenigenParteien, diesich dit!Vertretunglandwirtschaftlicher Interessenbesondersan- gelegensein lassen,vielfachenAngriffenausgesetztgewesen.

Eswurde behauptet, dieseLager

besonders diejenigen^

die im Innern des Landes lägen

würden von den H{ndlern dazu benutzt,

um

durchdieDrohung, die

Waren

indenfreienVerkehrzubringen, eineDrohung, dieweiter gar nicht ausgesprochenwerden brauche, sondern schon in den Lagern selbst gegeben sei, einen Druck auf die Preise auszuüben.

Um

diesem Preisdruck zu begegnen, wurden in den Organen der Landwirtschaft und der ihr nahestehenden Tfgespresse die verschiedensten Vorschläge gemacht, so z.B.auchder, denTagesmietszinsfür dieLagerräumetäg- lich wachsen zu lassen,

um

so die Kaufleute zu zwihgen, di}

Ware

wieder möglichst bald ausdenSpeichern heraus- zubringen.

Schon daß dieserVorschlag in denBlättern, die mit der Landwirtschaft Fühlung hatten, seinerzeit ernstlich erirtertwerdenkonnte,zeigtuns,welche Erbitterunggegen

di jseTransitlager in den 80er und selbst nochim Beginn der90er Jahre in den Kreisen derLandwirte herrschte.

So sonderbar dieserVorschlag auch sein mochte, er zeigt uns doch, daßdiese gemischten Transitlager

die aisgebildetsten

Maßnahmen

jener Zeit zurAufrechterhal- tulgdes Transitverkehrs

unangenehme Nebenwirkungen

zeitigten, die unbeabsichtigt waren;

man

hatte eben noch niiht dieNotwendigkeit einerAusfuhrdeutschen Getreides trotz mangelnder inländischerProduktion eingesehen.

15

Wie

wir gleich sehen werden, konnte ausdemselben Grunde auch das zweite Problem, die Aufrechterhaltung des VeredlungsVerkehrs in den Hafenstädten nicht be- friedigend gelöst werden.

Um

nämlich diesen Veredelungsverkehr

dieExport- mühlen

nicht untergehen zu lassen, zugleichaberauch,

um

den Verkehrin den Transitlagern zu erleichtern, ver- langte schon im Jahre 1880 ein Antrag des bekannten Parteiführers EugenRichter dieAufhebungdes Identitäts- nachweises für Transitlager und Exportmühlen. Gegen diesen Antrag waren die landwirtschaftlichen Kreise, weil siein ihm eine Bevorzugung dervon ihnen gefürchteten Transitlagersahen, unddie Parteien, die sich dieErhaltung einesselbständigenMittelstandeszurHauptaufgabemachten, weil sie für die kleinen Mühlen fürchteten, da sie mit Recht der Meinung waren, die Großmühlen würden da- durch begünstigtwerden; beidenMüllern fand der Antrag überdies nur eine sehr laue Aufnahme, da sie die Auf- hebung des Identitätsnachweises auf jeden Fall nur für Mehl abernicht fürGetreide wünschten; so fand derAn- tragnur aufwenigenSeitenAnklang und wurde abgelehnt.

Gleichzeitig mit

dem

Antrag von Eugen Richter lag ein Antrag des Sezessionistenführers und Abgeordneten fürDanzig Rickertvor, derdieBeseitigung des Identitäts- nachweises nur für die Transitlager wünschte. Er fand

Annahme

da für ihn auch die Vertreterder Mittelstands- interessen,vorallenanderenalsoauchdiegroße Zentrums- partei, stimmten.

Zugleich mit diesen beiden Anträgenwar aber auch von den beiden vereinigten konservativen Parteien (als Antragstellerzeichneten GrafStollberg, FreiherrvonHeere-

mann

und von Kardorff) vorgeschlagen worden, die Auf- hebungdes Identitätsnachweises nurfür dieExportmühlen durchzuführen. Dieser Antrag fand ebenfalls Annahme,

(11)

16

’veil für ihn auch die derLandwirtscliaft nahestehenden Parteien stimmten.

So hatte die Abstimmung also das merkwürdige Er- gebnis, daß für einen Antrag, der zwei Forderungen mit- unanderverband, sich eine Majorität nichtgefundenhatte, laß aber fürAnträge, die ihn zerlegten, eine Majorität dchfand, weilzu denen, die fürden kombinierten Antrag gewesen waren, bei der Zerlegung sich noch weitere An- länger hinzufanden. Die Regierung konnte daraus ent- lehmen, daß sie füreinen Gesetzentwurf, der nur einen Teil derForderungen erfüllte,in jedemFall eine Majorität

“inden würde, aber nicht für eine Kombination beider

\nträge.

Die Regierunglegtenun inder nächsten Session einen aesetzentwiu’f vor, der mit der Klausel der sogenannten Aequivalenz und der Identität der Person für Export- iiiühlen den Identitätsnachweis aufhob. Die Klausel der sogenannten Aequivalenz besagte, daß für ausgeführtes Mehl nureinErlaubnisschein für diezollfreieEinfuhreiner entsprechend gleichen

Menge

ausländischen Getreides ge- währt werden sollte. Die Klausel derIdentität der Person besagte, daßdieseEinfuhrscheinenichtübertragbar waren, mit andern Worten, weder Inhaber- noch geborene Ordre- papiere, sondern nur Recta-Papiere waren. Es konntealso nur derjenige von der EinfuhrerlaubnisGebrauch machen, zudessen Gunsten der Schein ausgestellt war, d. h. der Getreidemüller, der das Mehl ausgeführt hatte.

DerGesetzentwurf der Regierung

kam

erst nach den Etatsberatungen

am

Ende der Session zur Beratungund wurde so erst

am

23.Juni 1882 im Reichsgesetzblattals Gesetz verkündet.

Die Wirkung dieserEinrichtung stellte sich zunächst als eine versteckte Ausfuhrprämie fürMehl dar, das, so- weit es nur immermöglich war, aus deutschemGetreide

r

17

gemahlenwar. Wiebereitserwähnt wurde

empfiehlt es sich nach Ansicht der Bäcker, das inländische Getreide,

um

dasausihm gewonnene Mehlschmackhafter zumachen, mit ausländischem Getreide zu mischen,und ergibtdiese Mischung eine bessere Ausbeute, als das inländische Ge- treide für sich selbst ergeben würde.

UnserinländischesGetreide ergänzt ebennachAnsicht der Bäcker bei richtigerMischung gut das ausländische Getreide.

Da

nun Großmühlen leichter in derLage sind, mit Exporteuren Verbindungen anzuknüpfen, als kleine Mühlen, weil der Exporteur seinen Importbedarf gerne in großen Posten deckt, so

kam

dieseExportbonifikationfast ausschließlich den Großmühlen zugute. DieTendenz des Exports, den Großbetrieb zu fördern, wurden durch diese versteckten Exportprämien alsonoch wesentlich gestärkt.

Unter diesen Umständen mußtein denGrenzgebietenund besonders in derNähe der Exportplätze derGroßmühlen- betrieb bald ein solches Uebergewicht bekommen, daß er allekleinen Mühlen wirtschaftlicherdrückte.

Die von den Vertretern der Interessen eines selb- ständigen Mittelstandes so sehrbefürchteteKonzentration des Mühlengewerbes und die Vernichtung vieler kleiner Müllerwar alsoin derTat eineunmittelbare Folge dieses Gesetzes.

Die Absicht, den Transithandel und den Veredlungs- verkehr

dieExportmühlen

aufrechtzuerhalten,war daher nur teilweise gelungen. Sowohl die Transitlager wie die Aufhebung des Identitätsnachweises für Mehl

alleinzeitigten unliebsame Folgeerscheinungen.

Nunmehr

glaubte

man

dieRettungin derAufhebung desIdentitäts- nachweises auch für die Transitlagerzusehen. Deswegen wiederholte der Abgeordnete Rickert seinen Antrag auf Beseitigung des Identitätsnachweises für die Transitlager.

DerReichstag lehnte ihn nur der vorgerücktenZeitwegen

2

I

(12)

18 19

iib, da eineKommissionsberatimg bei der Geschäftslage des Hauses nichtmehr möglich war; er

nahm

aber eine Kesolution Heeremann an, die von der Regierung eine entsprechende Gesetzesvorlage wünschte. In

dem

Bundes- rat scheint aberfür diese Resolution eine Majorität nicht vorhanden gewesen zu sein, wenigstens unterblieb in der nächsten Session eine entsprechende Regierungsvorlage.

DerAbgeordneteRickert ließ sich aber durch die ab- lehnende Haltung der Regierung nicht abschrecken. Bei derErhöhungdes Getreidezollesim Jahre 1887

nahm

er, diesmal

zusammen

mit

dem

Abgeordneten von Heeremann, seinen Antrag wieder auf, doch blieb dieser diesmal in der Kommission stecken. Er stieß übrigens jetzt nicht nur auf den Widerspruch der Abgeordneten, die die land- wirtschaftlichen Interessenwahrnahmen,sondern auch auf den des Getreidehandels. Das erklärt sich aus folgenden Gründen

:

Infolge der Zollerhöhungen, die zu einem nichtunbe- trächtlichen Teilauf den Zwischenhandel abgewälztworden waren, hatte sich im Getreidehandel ein ganz ungemein starkerKonzentrationsprozeßvollzogen.

Am

BerlinerMarkt war

zum

Beispiel Ende der 80er Jahre nur noch ein Zehntel der Firmen tätig, die

am

Ende der 70erJahre dort gearbeitet hatten, obgleich dieBedeutungdesBerliner Marktes an sich in keiner Weise zurückgegangen war.

DerGrund lag darin, daßderGewinndes Zwischenhandels ungefähr auf ein Fünftel des alten Zwischengewinns ge- sunkenwar. Einen Teil des Zollsmußte damals zurEr- haltung des alten Umfangs seines Handels der Getreide- händler auf sich nehmen, da kurze Zeit nach derBis- marckschen Erhöhung der Getreidezölle der Weltmarkt- preis starkstieg. DeutschlandsGetreidehandelspolitikwird nuneinmalvon einem merkwürdigenMißgeschickindieser Beziehung verfolgt; immer

wenn

wir unsern Zollerhöhen.

steigen zufällig gleichzeitig die Weltmarktpreise so, daß unsere inneren Getreidepreise aus doppeltem Grunde in die Höhe gehen; so war es nach unsern Zollerhöhungen imJahre 1887 und 1906. Versuchenwir aber einmal den Getreidezoll herabzusetzen, wie imJahre 1892, so erleben gleichzeitig die Weltmarktpreise eine derartige Deroute, daß unsere Getreidepreise aus doppeltem Grunde wieder stark fallen.

Dadurch nun, daß dieGetreidehändler einen Teil des Zollesaufsich

nehmen

mußten,mußtesichinihrenReihen ein großer Konzentrationsprozeß vollziehenund siefürch- teten wohl auch nicht mit Unrecht,

daß dieserKonzen- trationsprozeß noch weitereFortschritte machen könnte,

wenn

durchdie

Annahme

desAntrages RickertdieTransit- lager begünstigt würden. Deshalb verhielten sich jetzt auch die Getreidehändler gegen den Antrag Rickert sehr kühl. IhrAblehnungsgrund war freilich ein ganz andrer als der der Landwirte.

Während

das Interesse für den Antrag Rickert im Schwinden begriffen war, tauchte jetzt ein andrerGe- danke auf, nämlich der, die Aufhebung des Identitäts- nachweises für Getreide zu verallgemeinern.

Einen dahingehenden Antrag hattendieAbgeordneten Graf Stollberg, von Schlieckmann, Graf Behr-Behrenhoff und von Kardorff gestellt. Ebenfalls zur gleichen Zeit stellte der nationalliberaleAbgeordnete

Hammacher

einen Antrag in

dem

gleichen Sinne,dervon

dem

konservativen Anträge nur in einem Punkte abwich.

Beide Anträge wurden derselben Kommission über- wiesen wie der Antrag Rickert und teilten sein Schicksal.

p]s konnte aberkeinemZweifel unterliegen, daßdieseAn- träge sich größerer Sympathien erfreuten als jener.

Nach

dem

konservativen Antragsolltefür jede Getreide- ausfuhr, obsie nun inNatura oder inMehlerfolgte,ohne

2*

(13)

20

jedenNachweis derIdentität eine

dem

Zollauf das Getreide entsprechende Zollrückvergütunginbar ausgezahlt werden.

I]s sollte alsodie Regelungder Frage derAufhebung des Identitätsnachweises nichtnur ganz unabhängig von den

'

’ransitlagern erfolgen, mitdenen

man

sie bisher stets in

Verbindung bringen zu müssen geglaubt hatte; es sollte auch von der Klausel der Identität der Person und der Aequivalenz, wie sie das Gesetz von 1882 fürden Mehl- export vorgesehen hatte, ganz abgesehen werden.

Daß

der konservative Antrag die Aufhebung des Identitäts- nachweises ganz unabhängig vondenTransitlagern regeln wollte, erregte

am

wenigstenBedenken. So sehr

man

an dieser Verbindung auch immer festgehalten hatte, das leuchtete bald ein, daß die Trennung dieserVerbindung

<lieFrage derAufhebungdes Identitätsnachweises erleich- lern würde, weil sie es den Vertretern derlandwirtschaft- lichen Interessen ermöglichte, fürden Antrag zu stimmen, Hodurch ihm nach den früheren Abstimmungen die An-

nahme

gesichert schien.

Daß man

abervonderIdentität

([erPersonund vonder Aequivalenzklauselabsehenwollte, das erregte schwere Bedenken. DererstePunkt, daßder Antrag von derIdentität derPerson absehen wollte, trug

:

um

erstenmaldazubei,den

Keim

der Uneinigkeitzwischen den Landwirten des Ostens undNordenseinerseitsunddes Südens und Westens andrerseits zu legen. Die letzteren behaupteten nämlich, der Ueberfluß vonGetreideimOsten undNorden, derbis dahin die Ursache gewesen war, daß

in diesen Teilen Deutschlands der Zoll nicht ganz zur Geltung

gekommen

war,werde nuninihrGebiet abgelenkt

H

erden,und dann werdeinganz Deutschland derZollnicht

’*'oll zur Geltung gelangen.

DieseEinwändegegenden konservativen Antragwaren dasersteZeichendafür,daßsichallmählich dieErkenntnis in zwar noch sehr schwachen Umrissen, durchzuringen

21

begann, daß trotz der notwendigen Getreideeinfuhrdoch auf

dem

deutschen Markte ein Ueberfluß herrsche, nur war

man

sich desGrundes dieserErscheinung noch nicht bewußt.

Der zweite Punkt,daß

man

nämlichdieAequivalenz- klauselaiifgeben wollte, rief alleKonsumentenkreisegegen den Antrag auf. EsIneß, das Getreidewerde bald so ver- teuert werden, daß derPreis auf

dem

deutschen Markte den Weltmarktpreis, besonders im Westen Deutschlands in denIndustriebezirken, noch mehrals

um

denZollüber- steige. Viele von den Reichstagsabgeordneten, die früher für die Aufhebung gestimmt hatten, erhoben gegen diese Seite des Antrages die höchsten Bedenken.

Wenn

also einerseits seine

Annahme

insofern gesichert scheinen konnte, weil jetzt die Vertreter derlandwirtschaftlichen Interessen für ihn gestimmt hätten,

wenn

es zurAb- stimmung

gekommen

wäre, so schien andrerseits seine

Annahme

wieder dadurch gefährdet, daß viele Anhänger frühererAnträge für die Aufhebung des Identitätsnach- weises ihm wohl die Zustimmung versagt hätten.

Zu den beiden besagten schweren Bedenken

kamen

nunaber noch zweiweitere. DerStaatssekretärdesReichs- schatzamtes erhob Einspruch gegen die Barauszahlung;

hinterihm aber stand einmütig der Bundesrat; denn jede Verminderungder Staatseinnahmen bedeuteteeineErhöhung derMatrikularbeiträgebezw.eineVerminderungder Ueber- weisungen aus

dem

Reichssäckel. Nach

dem

berühmt gewordenen Ausspruch Bismarcks aber hatten sich die Einzelstaaten schon in den Gedanken eingelebt, .,Kost- gänger des Reiches“ zu sein.

Die Aufhebungdes Identitätsnachweises fürGetreide anstatt fürMehl wurde endlich noch vonden Müllern be- kämpft. Ein zurBlütegebrachtesVeredlungsgewerbe werde

(14)

22

(adurch,

wenn man

die Ausfuhr des Rohproduktes begünstige, wieder ruiniert werden. Viele Handels- und

(iewerbekammern griffen diesen Gedanken auf,

um

den konservativen Antrag, in

dem

sieschonansicheineFeind-

eeligkeit gegen denHandelwitterten, zu bekämpfen. Frei- Hch konnte den Müllern entgegengehalten werden, daßsie

(inerseits diefrüheren Entschädigungenjaweiter

bekommen

sollten und zwar noch in einer bequemeren

Form

als

1rüher, nämlich bar statt inEinfuhrscheinen, diesieimmer

(rst wieder selbst in Getreide umsetzen mußten, daß j.ndrerseits aber der Beweis erbracht sei, daßdie Auf- liebung des Identitätsnachweises für Mehl nicht genügt liabe,

um

den deutschen Osten so zu entlasten, daß der Schutzzollvoll zur Geltunggelange, daß

man

also,

um

die bVirkung derAufhebung des Identitätsnachweises in ge- nügendem

Maße

zuerreichen,diesedurch Verallgemeinerung erweitern müsse, daßaber ihr Sonderinteresse nicht

dem

ellgemeinen Interessevorangehen dürfe. Eines freilichist

]ichtig, daß sich nämlich an der russischen Grenze die Befürchtungen der Müller in einem noch stärkeren

Maße

rrfüllt haben, als wohl anfangs von ihnen selbst ange- ]iommen wurde. Ich habe diesen Punkt schon einmal rrwähnt und werde auf ihn im zweiten Teil noch einzu- gehen haben.

Wie

dem

nun aber auch sein mochte, das Eine war

klar, der anfangs mit vielenSympathien aufgenommene Antrag erregte bei näherer Beleuchtung immer mehr An-

!toß, sodaß es zweifelhaft sein mußte, ob erbei seiner Viedereinbringung imReichstag und imBundesrat durch- gehen würde.

Von

diesem konservativen Antrag unterschied sich der desnationalliberalenAbgeordneten

Hammacher

nurin

‘inem Punkte: er wollte nichtbar Geld beider Ausfuhr :;ahlen, sondern Einfuhrvollmachten geben.

23

DieseAbweichung stellte zwar eine kleine Verbesse- rung gegenüber

dem

konservativen Antragdar, war aber nicht bedeutend genug,

um

die Bedenken gegen die ver- suchte Lösungder Frage zu beheben.

Um

nun zu einer Klärung dieser Frage zu gelangen, regteBismarck ihreBesprechung in

dem

gerade

um

diese Zeit tagenden deutschen Landwirtschaftsrate an. Hier gerieten nun aber die nord- und ostdeutschen Landwirte mit den süd- und westdeutschen ziemlich scharf anein- ander, sodaß der deutsche Landwirtschaftsrat nur zu

dem

Beschluß gelangte, die verbündeten Regierungen

um

eine Prüfung der Frage zu ersuchen.

Schon nach einigenMonaten lebte dieFrage der Auf- liebung des Identitätsnachweises fürGetreide im Reichs- tage jedoch wiederauf, wardochbei der durch denhohen ZollerzeugtenDifferenzzwischen Inlands-und Auslandspreis, wenngleich die Preisdifferenz nichtvoll der Zollhöhe ent- sprach, weilwegender Ueberfüllung des deutschen Marktes derZoll nicht vollkommen zur Geltung gelangen konnte, ohne Aufhebungdes Identitätsnachweises an eineAusfuhr deutschen Getreides außer in Mehlform überhaupt nicht mehr zu denken. Schon im Februar 1888 erneuerte der Abgeordnete

Ampach

den Antrag Rickert in einer etwas abgeänderten Form. Diesmal

kam

der Antrag bis zur zweiten Beratung, währenddieserzogihnaber der Antrag- stellerselbst zurück. Stattdessen

kam

einAntragAmpaclr Benningsen zurAnnahme, der dieRegierungersuchte, die Frage eingehend zu prüfen und

dem

Reichstage in der nächsten Session über das Ergebnis der Prüfung einen Bericht vorzulegen.

Als anfangs des Jahres 1889 beider Reichsregierung imReichstage angefragt wurde, obsie in einePrüfungder Frage derAufhebungdes IdentitätsnachweisesfürGetreide eingetreten und was das Ergebnis dieserPrüfung sei, da

(15)

24

(rwiderte ein RegierungsVertreter, daß sich vier große Hedenken gegeneine jedeRegelung im Sinne derAufhebung

(les Identitätsnachweises gezeigt hätten. Dieseviergroßen Hedenken seien die folgenden:

1. derGegensatz zwischen der Landwirtschaft des Ostens und Nordens, die den Getreideüberfluß produziere undihnabzuschieben gedenke,undder Landwirtschaft des Südens und Westens, die dem Marktselbt ver- sorgen wolle und sich gegen jene Konkurrenz wie gegen eine ausländische wehre,

2. derGegensatz der Müllerund derLandwirte, dajene für ihr Veredlungsgewerbe fürchteten,

3. der Gegensatz der Produzenten und Konsumenten, da die Gefahr einer zu starken Ausfuhr des Ge- treides drohe,

4. das finanzielle Interesse, da die starke Ausfuhr mit

dem

Gelde des deutschen Steuerzahlerswerdebezahlt werden müssen.

Unter diesen Umständen habe sich füreine weitere Auf- hebung des Identitätsnachweises über den

Umfang

des Gesetzes von 1882 kein gangbarer

Weg

ergeben.

DieseAuskunft der ReichsregierungkannalsAbschluß derersten Periode derVerhandlungen überdieFrage der Aufhebung des Identitätsnachweises angesehen werden;

ie ist in derBismarckschen Zeit nicht wieder aufgelebt und schien mit dieser letzten Besprechung im Reichstag

tndgiltigzur Ruhegelangt zu sein.

Aber schon bald nach der Berufung Caprivis lebte

{ie Frage der Aufhebung des Identitätsnachweiseswieder

{uf. Ende des Jahres1890 hattendie beiden preußischen UachministerienfürLandwirtschaft,

Domänen

undForsten

<inerseits und für Handel und Gewerbe andrerseits einen

^'011 preußischer Seite

dem

Bundesrat zu unterbreitenden

25

Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Identitäts- nachweises für Getreide, ausgearbeitet. Dieser Entwurf sah nach

dem

Vorbilde des konservativen Antrags von 1887 zwar von der Verbindung der Aufhebung des Identitätsnachweises mit den Transitlagern ganz ab, hielt aber an den Klauseln der Identität der Person und der Aequivalenz fest und wollte außerdem die Gültigkeit der Erlaubnisscheine auf eine bestimmte Zeit beschränken. Die beiden Fachminister legten ihren Ent- wurf ineinerSitzung des preußischen Gesamtministeriums zur Beratung vor.

Da

wurden sie von

dem

preußischen MinisterpräsidentenundMinisterderauswärtigen Angelegen- heiten,

dem

gleichzeitigenReichskanzlervonCaprividurch die Nachricht überrascht, daß Verhandlungen über die Erneuerung des Handelsvertrages mit Oesterreich einge- leitet seien, und daßdie Einbringungdieses preußischen Antrages beimBundesrat in dieseVerhandlungen störend eingreifen würde.

Die in der Sitzung des Gesamtministeriums ange- kündigten Verhandlungen mitOesterreich und zugleicher Zeit mit Belgien und der Schweiz gelangten im Anfang des Jahres 1891

zum

Abschluß und wurden gleichzeitig

dem

Reichstagevorgelegt. DabeiwurdedieLandwirtschaft vollständig davon überrascht, daß die Reichsregierung Oesterreich-Ungarngegenüber ineineBindung und Herab- setzung einer Reihe wichtiger agrarischer Zölle gewilligt hatte. SowarenvorallenDingendie ZölleaufBrotgetreide von Mark5,00 aufMark 3,50 per 100 Kilo herabgesetzt worden, und bei den Handelsverträgen mitRußland und Rumänien mußte auch diesen Ländern die Herabsetzung der Zölle schon der Meistbegünstigungsklausel wegen zu- gebilligt werden.

Im preußischen Landtage wurde, offenbar

um

alle agrarischgesinntenpreußischenReichtagsabgeordnetenfür

(16)

26

(liäseVorlagen zu gewinnen, einGesetzentwurf, betreffend di8 Einführung von Staffeltarifen für Getreidesendungen von

dem

Osten nach

dem

Westen, eingebracht.

Es

muß

anerkannt werden, daß die rechnerischen

V

)raussetzungen, aufdenendieseVorlageberuhte,sowohl

v<)involkswirtschaftlichen wie

vom

reinerwerbswirtschaft- lichenGesichtspunkt aus richtigwaren. Esläßt sich nicht bezweifeln, daß beim Versand auf weite Strecken die S)edition unddieFahrkosten besonders berechnetwerden

m

üssen, und daß eineBerechnung,dievondiesemGrund-

si tznichtausgeht, volkswirtschaftlichalseineUngerechtig- keit, erwerbswirtschaftlichalseineVerkehrtheit bezeichnet werden muß. Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, waren die Staffeltarife selbst in keiner Weisealsunrichtig zu bezeichnen; doch war

man

von derfalschen Voraus- s(dzung ausgegangen, daßdieUeberhäufungdesdeutschen Varktes, insbesondere mit Brotgetreide, nur eine lokale sei, und daß es deshalb wichtig sei, den Ueberfluß des ejiien Teiles in den andern Teil abzulenken. Erst die E-fahrung, die

man

mit der Einführung der Staffeltarife nachte, daß nämlich nun ein Getreideüberfluß sich in dim Gebiete herausstellte, in das

man

den Ueberfluß ab- deitet hatte, belehrte dieReichsbehördenunddie Politiker, d e sich mit dieserFrage speziell beschäftigten, darüber, d iß der Ueberfluß kein lokaler sei, sondern für ganz Deutschlandvorhandensei,undnunerslwurdediesonder- bire Erscheinunguntersucht, woher es denn

komme,

daß Deutschland, w'ährend es doch Getreide importieren mußte, stetig einen Getreideüberfluß habe, und erst nach ein- g diendenErkundigungenbeiden Interessenkreisen wurde difür der schon eingangs dieses Kapitels*) dargelegte Grundaufgedeckt.

Da

endlichwußte

man

dennauch, daß

*)vergl. S.9unten.

27

dem

Ueberfluß nur durcheine teilweiseAblenkungdeutschen Brotgetreides insAusland abgeholfen werden konnte, und da stellte sich dann als einziges Mittel dieserAblenkung die Aufhebung des Identitätsnachweises heraus.

Als im Februar des Jahres 1894 die Verhandlungen mit Rußland

zum

Abschluß gelangten, gaben die süd- deutschen Staaten nur unter derBedingungim Bundesrat

dem

Vertrage ihre Zustimmung, daß die preußischen Staffeltarife aufgehoben würden.

Man

konnte damit rechnen, daß auch im Reichstage fast alle süddeutschen Abgeordneten einsiimmig

dem

Vertrage ihre Zustimmung versagen würden,

wenn

die preußischen Staffeltarife be- stehenblieben. Zugleicher Zeitabermußte

man

besonders der ostdeutschen Landwirtschaft für die Aufhebung der Staffeltarife und für die auch Rußland eingeräumteZoll- herabsetzung und Zollbindung einen großen Ersatz ge- wdihren, und diesen fand

man

in

dem

gleichzeitigmit

dem

russischen Vertragsentwurf eingebrachten Gesetzentwmrf, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises für Getreide.

DerEntwurf

nahm

sich den von den beidenRessort- ministerienPreußens imJahre 1891 ausgearbeiteten Vor- schlag

zum

Vorbilde. DerReichstag sahschließlich dieNot- wendigkeitein,

dem

die deutsche, besondersdie schlesische und die sächsische Industrie schwer schädigenden Zoll- kriege mit Rußland ein Ende zu machen, und

nahm

des- halb notgedrungen die beiden von der Regierung ein- gebrachten Vorlagen an. Zu gleicher Zeit willigte das preußischeAbgeordnetenhausindieAufhebungderStaffel- tarife, besonders da als Ersatz für dieses Gesetz eine andre Vorlage gemacht wurde, durch welche eisenbahn- tarifarischdie ZufuhrvonGetreide nach den preußischen Ausfuhrhäfen begünstigt wurde, so daß also dieseVorlage

(17)

28

eine wichtigeErgänzungdesGesetzes, betreffend dieAuf- hebung des Identitätsnachweises, bildete.

An dem

Gesetz, betreffend dieAufhebung des Iden-

tiätsnachweises für Getreide, hatte der Reichstag nur einige, nichtsehr wesentlicheAenderungen vorgenommen.

S)

kam am

14.April 1894 das Gesetzzur Annahme, das den Ziffern 1, 3 und 4 des § 7 des Zolltarifgesetzes die f(IgendeFassung gab:

1. Bei der Ausfuhr vonWeizen, Roggen,Hafer,Hülsen- früchten, Gerste, Raps und Rübsaat aus

dem

freien VerkehrdesZollinlandswerden,

wenn

dieausgeführte '

Menge

wenigstens 500 kg beträgt, auf Antrag des Warenführers Bescheinigungen (Einfuhrscheine) er-

teilt,welche den Inhaberberechtig(jn, innerhalbeiner

vom

Bundesrat auflängstens6Monatezubemessenden Frist eine

dem

Zollwert der Einfuhrscheine ent- sprechende

Menge

dernämlichenWarengattung ohne Zollentrichtung einzuführen. Abfertigung zur Aus- fuhr mit

dem

Anspruch aufErteilungvon Einfuhr- scheinenfindet nur bei den

vom

Bundesrat zu be- stimmenden Zollstellen statt.

Für die^vorbezeichneten Waren,

wenn

sie aus- schließlich

zum

Absätze in das Zollausland bestimmt sind,werdenTransitlagerohneamtlichen Mitverschluß, in welchen die Behandlung und

Umpackung

derge- lagerten

Waren

uneingeschränktund ohneAnmeldung und die Mischung derselben mit inländischer

Ware

zulässig ist, mit der Maßgabe bewilligt, daß die zur Ausfuhr abgefertigten Warenmengen, soweit sie den jeweiligen Lagerbestandin ausländischer

Ware

nicht überschreiten,vondiesem Bestände abzuschreiben,im übrigen aberalsinländische

Waren

zubehandelnsind.

Für

Waren

der bezeichnetenArt,welche

zum

Ab- sätze entweder in das Zollausland oder in das

29

Zollinlandbestimmtsind, könnensolcheLagermitder fernerenMaßgabebewilligtwerden,daßdie aus

dem

Lager

zum

Eingang in den freien Verkehr des Zoll- inlands abgefertigten Warenmengen, soweit sie den jeweiligen Lagerbestand an inländischer

Ware

nicht übersteigen, von diesem Bestände zollfrei abzu- schreiben, im übrigen aberals ausländische

Waren

zu behandelnsind.

Für die sonstigen in der

Nummer

9 des Tarifs aufgeführten, vorstehend nicht erwähnten Waren,

wenn

sie ausschließlich

zum

Absätze insZollausland bestimmt sind, werden Transitlagerohne amtlichen Mitverschluß, in welchen dieBehandlung und

Um-

packung der gelagerten

Waren

uneingeschränkt und ohneAnmeldung und dieMischung derselben mitin- ländischer

Ware

zulässig ist, mit der Maßgabe be- willigt, daßbeiderAusfuhrdiesergemischten

Waren

der in derMischung enthaltene Prozentsatz von aus- ländischer

Ware

als die zollfreie

Menge

der Durch- fuhr anzusehen ist. Für

Waren

der bezeichneten Art, welche

zum

Absätze entweder in das Zollaus- land oder in das Zollinland bestimmt sind, können solche Transitlager bewilligt werden.

ImSinne der vorstehenden Bestimmungen steht die

Aufnahme

in eine öffentlicheNiederlage oder in ein Transitlager unter amtlichem Mitverschluß der Ausfuhr gleich.

3.

Den

Inhabernvon Mühlen oder Mälzereien wird für die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Fabrikate eineErleichternng dahin gewährt, daßihnen derEin- gangszoll für eine derAusfuhr entsprechende

Menge

des zur Mühle oder zur Mälzerei gebrachten aus- ländischen Getreides nachgelassen wird. Der Aus- fuhr der Fabrikate steht die Niederlegung derselben

(18)

30

in eine Zollniederlage unter amtlichem Verschluß gleich, lieberdas hierbei in Rechnung zu stellende Ausbeuteverhältnis trifft der BundesratBestimmung.

Das zurMühle oder zur Mälzerei zollamtlich abge- fertigte ausländische sowie auch sonstige Getreide, welches in die der Steuerbehörd(i zurLagerung des erstbezeichneten Getreides angemeldeten

Räume

ein- gebracht ist, darfin unverarbeitetem Zustande nur mitGenehmigungder Steuerbehörde veräußert werden, Zuwiderhandlungen hiergegenwerdenmiteinerGeld- strafe bis zu eintausend Markgeahndet.

Inhabern vonMühlen oder Mälzereien, welchen dievorbezeichnete Erleichterung gewährtist, werden bei der Ausfuhr ihrer Fabrikate Einfuhrscheine (Ziffer 1) über eine entsprechende Getreidemenge erteilt, sofern sie diese Vergünstigung an Stelle des inAbsatz1 vorgesehenenErlasses des Eingangszolles füreinederAusfuhrentsprechende

Menge

zurMühle oder Mälzerei gebrachten ausländischen Getreides beantragen.

Auch denInhabern von Mühlen oderMälzereien, welchen die im Absatz 1 bezeichnete Erleichterung nichtgewährt ist, werden auf Antrag bei derAus- fuhr ihrer Fabrikate Einfuhrscheine (Ziffer 1) über eine entsprechende Getreidemenge erteilt.

4. Die näherenAnordnungen, insbesondere inbezug auf die

Form

derEinfuhrscheine, auf die Beschaffenheit (Mindestqualität)der mit

dem

Anspruch aufErteilung vonEinfuhrscheinen ausgeführten

Waren

undaufdie an die Lagerinhaber zu stellenden Anforderungen,

trifft der Bundesrat.

Derselbe wird Vorschriftenerlassen,durchwelche die Verwendung der Einfuhrscheine nach Maßgabe ihresZollwertesauch zur BegleichungvonZollgefällen

31

für andre als die in den Ziffern1 und3genannten Warenunterdenvon ihmfestzusetzendenBedingungen gestattet wird.

Am

1.Mai1894trat das Gesetz in Kraft. Rechtzeitig hatte der Bundesrat zu Ziffer4 Absatz 2 des § 7 des Zolltarifgesetzesdienötigen

An

weisungsVorschriften erlassen.

Die Einfuhrscheine sollten im ganzen eine Geltungsdauer von 10 Monaten erhalten. Sie sollten in den ersten 4 Monaten nach Maßgabe ihres Zollwertes ausschließlich zur zollfreien Einfuhr der nämlichen Getreidegattung verwendbar sein,

in den folgenden 2Monaten

nach

Wahl

entweder zur zollfreienEinfuhr dernäm- lichenGetreidegattung oder zur BegleichungvonZoll- gefällen fürErdnüsseund frischeErdmandeln, Nutz- holz von Buchsbaum, Gedern, Kokos, Ebenholz, Ma- hagoni,Südfrüchte,GewürzeallerArt,nichtbesonders genannt, Heringe, gesalzene, Kaffee, roher, Kakaoii

Bohnen, Kakaoschalen, Kaviar und Kaviarsurrogate, Oliven, frische und getrocknete Schalen von Süd- früchten, unreife Pomeranzen, auch in Salzwasser eingelegt, Johannisbrot, Muschel- oderSchaltiereaus der See, Austern,

Hummern

und Schildkröten, Reis, geschälterundungeschälter, Tee, OlivenölinFässern, Baumwollsamenöl in Fässern, Fischspeck, Tran, Petroleum, mineralische Schmieröle;

in den letzten 4 Monaten

ausschließlichzurZollentrichtung für dievorgenannten nichtzu Getreide gehörigen Waren.

Dieses Gesetz befriedigte zunächstalleKreise,und es schien, als obdie langen

Kämpfe

nun ruhen sollten. So berichtete z. B. schon im Herbste des Jahres 1894 das besonders interessierteVorsteheramt der Kaufmannschaft

in Königsberg, daß jetzt der Preisunterschied zwischen

(19)

V

32

nländischem und unverzolltem russischem Brotgetreide

;ogar höher sei, als der Zoll, sodaß in den Preisenjetzt luch die verschiedene Qualitätder

Waren zum

Ausdruck comme, dasselbe sei auch bei Gerste, Hafer und Rund- Getreide der Fall. Ostpreußen habe ferner nicht mehr

lötig, auf einem komplizierten Wasser- und Landwege meinen Ueberfluß nach Westdeutschland abzuschieben; es cönne ihn vielmehr an die nähergelegenen ausländischen

r^lätze, also vor allen Dingen an die skandinavischen

LänderundEngland, abgeben. Es bestehefernerzwischen Königsberg und Mannheim,

um

nur einen der wichtigsten

\bsatzplätze zu nennen, eine durchaus normale Preis- üfferenz,nämlichdie,welche derHöheder Transportkosten zwischen beiden Plätzen entspreche. Kurz gesagt, die Preise auf

dem

Königsberger Markte seien jetzt durchaus tiormal.

Andrerseits schrieb dieHandelskammerin

Mannheim

in ihrem Bericht, der Druck, den das ostdeutsche Brot- getreide ausgeübt habe, habe jetzt wieder nachgelassen und das inländische Brotgetreide sei nicht nur

um

die Höhe desZollsatzes teurer als ausländischesBrotgetreide, sondern auch noch

um

so viel, daß die verschiedene Qualität dabeivoll zur Geltung

komme. Man

war also in allenTeilen Deutschlands, imWesten wie im Osten, mit derNeuordnung der Verhältnisse durchauszufrieden.

Nur die Vertreter der landwirtschaftlichen Interessen waren nochnicht voll befriedigt, doch richteten sich ihre Angriffe wedergegen die Aufhebung des Identitätsnach- weises noch gegendieAufhebungderStaffeltarife,sondern gegendievonihnen,wie wirdiesschonobenausführten, so sehr gehaßten gemischten Transitlager. Auf diese Frage näher einzugehen, gehört aber nicht in den Zusammen- hang dieser Arbeit.

Allmählich aber tauchten doch wieder neue

Wünsche

auf. Eswurdebeantragt, den Kreis derWaren, bei deren Ausfuhr Einfuhrscheine erteilt werden könnten, zu er- weitern. So sollten z. B. Buchweizen, dessen

Anbau

eine Zeit lang sehr beliebt war, ferner Erzeugnisse der Oel- müllerei, endlich Preßhefe und Weizenstärke unter jene

Waren

aufgenommen werden. Ferner wurde beantragt, dieVerwendungder Einfuhrscheine auch zur Begleichung von Zoll für andre Getreidearten als die, über die sie lauteten, zuzulassen.

Als der Bundesrat aber durch seine Bevollmächtigten im Reichstage kategorisch erklären ließ, erwünschenicht, daß an den getroffenenBestimmungen irgendwiegerüttelt würde, da unterblieben alleweiteren Abänderungsanträge im Reichstag.

DieVertreter der landwirtschaftlichen Interessen aber verfolgten mit allen Mitteln ihre

Wünsche

weiter, nämlich die Zölle wieder herauf zu setzen und eine Erweiterung der Aufhebung des Identitätsnachweises diirchzuführen;

sie forderten immer eindringlicher, daßdieEinfuhrscheine auch zur Begleichung von Zoll für andere Getreidearten, wie die, über die sie lauteten, zuzulassen seien.

Die Regierung

kam

im Entwurf

zum

neuenZolltarif- gesetze im Jahre 1902 diesen

Wünschen

entgegen. Der Entwurf

nahm

einerseits in den Kreis der Waren, bei deren Ausfuhr Einfuhrscheineerteiltwerdenkönnten, auch die Erzeugnisse der Oelmüllerei und Buchweizen, aber nicht Preßhefe und Weizenstärke auf, andrerseits aber ließ er

und das war der Haupterfolg der

Wünsche

der Landwirtschaft

zur Erleichterung der Ausfuhr dieVer- wendbarkeit der Scheine bei der Einfuhr aller inBetracht

kommenden

Fruchtarten zuohneRücksicht darauf, worauf

sie lauteten. Andrerseits ist nach den bnndesratlichen

•t

*>

(20)

34

Ausführungsbestimmungen die Liste der nicht landwirt- schaftlichen Produkte, für die die EinfuhrscheineVerwen- dungfinden können, auf KaffeeundPetroleum beschränkt worden.Nach

dem

Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn dürfen ferner für Gerste Einfuhrscheine nur auf den Be- trag von 1,30 nicht von 4,00 Markausgestellt werden.

Die Vorschläge des Entwurfswurden

vom

Reichstage angenommen, ohne zu bedeutenden Debatten in der Kommission oder im Plenum Anlaß geboten zu haben.

AufdieUebergangsbestimmungen,diegetroffenwurden,

um

zu verhüten, daß die Zolldifferenz zwischen denalten und den neuenSätzeninder Uebergangszeit mißbräuchlich ausgenutzt wurde, wollen wirhier nichtweiter eingehen, da sie nureine kurze, vorübergehendeBedeutunggehabt haben und in der Zukunft höchstens nurals Vorbildfür neue Uebergangszeiten in Betracht

kommen

könnten.

Die neue Regelung des Getreideausfuhrscheinsystems erfuhr Jedoch sehr bald sehr heftige Angriffe. Schwere Bedenken erregte es nämlich, daß die Ausfuhr von Getreide gegen Einfuhrscheine so sehr stark stieg,

währendzugleicher Zeit die Getreidepreisesehr bedeutend emporschnellten. Zwischen beiden Erscheinungen schien eindurchaus unerwünschter

Zusammenhang

zu bestehen.

Auchhielt

man

die Erlaubnis, gegenEinfuhrscheine auch Kaffee und Petroleum einzuführen, als gefährlich für die Reichskasse.

Die Frage wurde zunächstvon den Vertretungen der Gewerbe- und Handelskammern erörtert, gelangte aber allmählich auch vor denReichstag, indemvonMitgliedern dieser Volksvertretung die Publikationen jener Gewerbe- vertretungen

zum

Gegenstand von Interpellationen und Anfragen andie Regierunggemacht wurden.

Da

die Agitation gegen dieimJahre 1902 bezw. 1906 erfolgte Neuregelung des Einfuhrscheinsystems nicht zur

35

Ruhe

kommen

wollte, soentschloßsich dieReichsregierung endlich doch zu einerRevision des Einfuhrscheinsystems.

Es konnte diese Revision im einfachen Verordnungswege erfolgen, da dieRegierung sichüberzeugt hatte, daß nur solche Teile der Neuregelung revisionsbedürftig seien, die sie im einfachen Verordnungswege zu ändern berechtigt war. Die betreffendeVerordnung wurdeerstim

November

des Jahres 1911 veröffentlicht und trat dann schon

am

1.

Dezember desselben Jahres in Kraft. Die wichtigsten Aenderungen waren die folgenden:

1. Die Geltungsdauer wird auf 3 Monate gekürzt, 2. die Gültigkeitsdauer kann im Notfall nur noch

um

einenMonat verlängert werden,

3. dieEinfuhrscheine können nicht mehrfürPetroleum und Kaffeeverwandt werden,

4. sie können für einen schon gestundeten Zoll nicht mehr in Zahlung gegeben werden.

Unter dieserNeuregelung, diedasSystemals solches

kaum

berührt, lebtenwirseit1911biszu Beginn desKrieges.

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3*

(21)

Quellen

Die HauptschriftüberdieEntstehung und Entwicklungder Auf- hebungdes Identitätsnachweisesistdie Denkschrift der Reichsregierung, betreffend den Umfang und die Wirkung der Ausfertigung von Einfuhrscheinen fürausgeführtes Getreide. Diese Schrift ist aber inihrem ersten historischen Teile sokurz und knapp gehalten und beschränkt sich so sehr auf dieWiedergabe dernakten Tatsachen, daßes nichtmöglichist, aus ihrein BildüberdieEntstehung und EntwicklungderAufhebungdes Identitätsnachweises für Getreidezu gewinnen. Selbstaberwenn mannochdasvonihrangeführte Material überdieVerhandlungendes Reichstagsunddiedazu gehörigen Druck- sachendes Reichstags heranzieht,kannmandochkein ausreichendes Bild über den Zusammenhang der einzelnen Tatsachen gewinnen.

Dieswirderstdadurchmöglich,daßmanauch die politische Tages- presse zu Rate zieht. InBetracht kommen besonders die großen Parteiblätter, in erster Linie die Kreuzzeitung, dieDeutscheTages- zeitung, dieGermania,das Berliner Tageblatt, die FrankfurterZeitung, derVorwärts unddiebeiden großenoffiziösenBlätter, dieKölnische Zeitung unddieNorddeutsche AllgemeineZeitung. Dainallen diesen Zeitungenaber, sowie inden Verhandlungendes Reichstags auf die Artikel der wissenschaftlichenFachblätter sowiedie Denkschriften und Jahresberichte von Handelskammern, Gewerbekammern und Interessentenverbänden zurückgegriffen wird,sowaresnötig,für die Darstellungauchdiese zu benutzen.Vonsolchen fachwissenschaftlichen Aufsätzen seienbesonders hervorgehoben; EinAufsatzinSchniollers Jahrbuch, Jahrgang1889, S. 1443ff., betitelt: „Die Aufhebung des Identitätsnachweises im Getreide-Einfuhr-und Ausfuhrhandel“. Der Verfasserwirdnichtgenannt;eshieß nur,daßeinhöhererBeanitei des Landwirtschaftsministeriums ihn veranlaßt habe. Dann i.st ein Aufsatzvon Wiedenfeld inden Conradschen JahrbüchernvomJahre 1894 zunennen,betitelt: „Der deutscheGetreidehandel“. Indiesem wurde auchdiedamals schwebende FragederAufhebungdesIdentitäts- nachweises gestreift. VongroßemEinfluß auf dieGesetzgebung war

37

einAufsatz des Herrn von Mirbach im Jahrgang 1888 desdeutschen Wochenblattes, betitelt: „DerFortfalldes Identitätsnachweises“, der auch alsSonderabdruck erschien. Von Berichten der Handels- und Gewerbekammernmüssen besonders zwei hervorgehoben werden,ein Sonderbericht zum Jahresbericht 1908 derGewerbekammerDresden undder Bericht desVorsteheramtsderKaufmannschaft zuKönipberg

in Ostpreußen,vomJahre1910. Von demSyndikusdieserKaufmann- schaftSimon ist außerdem im Jahre1909inKönigsbergeineMono- graphie „Die Getreideeinfuhrscheine“ veröffentlichtworden, die sich mit den Reichstagsverhandlungenvom22.April 1909 beschäftigt.

Außerdemwäre nochauf die folgendenMonographien aufmerksam zumachen:

Staub, Getreidezöile und Aut'iietmng des Identitälsnachweises.

Berlin 1887,

Kühn,Aufhebungdes Identitätsnachweises, Berlin 1891,

Hailer, Studien über den deutschenBrotgetreidehandel, Jena1901, alsdrittes Heft des erstenBandesdervonProf.Dr.I.Pierstorff herausgegebenen Abhandlungen des Staatswissenschaftlichen Seminarszu Jena,

Tschirschky,NeuordnungdeszollfreienVeredlungsverkehrs, Berlin 1904,

Zarniko,Die wirtschaftlicheLagederostdeutscheniMühlen, Heihgeii- beil,Juni 1909.

Endlichwäre noch hinzuweisenauf die.AufsätzevonLexisbezw.

Rathgen über denIdentitätsnachweisim Handwörterbuchder Staats- wissenschaftenbezw. im Wörterbuchfür Volkswirtschaftslehre.

Die übrige Literaturistim Textselbstangeführt.

J

(22)

TEIL

II.

Die Wirkungen

des Einfuhrscheinsystems

(23)

haben schon erwähnt, daß alleMaßregeln, die die Regierung ergriff,

um

aus denjenigen Gegenden, die einenGetreideüberflußerzielten, das Getreidein diejenigen Gegenden abzulenken, welche ihrenBedarf durch eigene Erzeugungnichtzu deckenvermochten, nichtdas Ergebnis hatten,deninländischenGetreidepreis

dem

Zollentsprechend über den Weltmarktpreis zu heben, sondern nur dazu führten, in denjenigen Gegenden, in die

man

künstlich deutsches Getreide sehrstark zusammenströmenließ, eine Preisdifferenz zwischen

dem

deutschen und

dem

auslän- dischen Getreide zuungunsten des deutschen Getreides zu erzeugen.

Den

Grund zu dieser Erscheinung habe ich schon im Eingang des ersten Kapitels dargelegt. Er lag darin, daß die Müller aus den dort angeführtenGründen zwecksMischungdeutschen Getreides mitausländischemstets einen großen Prozentsatz fremden Getreideshinzukauften und daß dieserProzentsatz größer war, als der Prozent- satz, denDeutschland benötigt,

um

das Defizit seines Be- darfs an sich zu decken. So mußtealso immereinUeber- schuß einheimischen Getreides in Deutschland vorhanden

sein, solange durch diedeutscheGetreidehandelspolitik die Ausfuhr deutschen Getreides

gehemmt

wurde. Dieser Ueberschußmußtesichaberdort stauen, wohin

man

durch künstliche

Maßnahmen

deutsches Getreidezusammenströmen

ließ, nämlich in Süddeutschland. Die Folge mußte dann

sein, daßinSüddeutschland auswärtiges Getreide zueinem höheren Preise gehandelt wurde als einheimisches.

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