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Wir kommen jetzt auf den dritten Punkt, das sind die

Im Dokument BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET (Seite 25-49)

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Wir

kommen

jetztaufdendrittenPunkt, das sind die

internationalen Schwierigkeiten, dieunsaus derAufhebung des Identitätsnachweises erwachsen sind. Solche hatten sich einerseitsin unserm Handelsverkehr mit der Schweiz und andrerseits in unsern handelspolitischen Beziehungen zu Rußland herausgestellt

Dieersterendürftenbei einerErneuerungdes Handels-vertrages mit der Schweizwohl keine weiteren Schwierig-keiten bereiten, als daßDeutschland zugestehenmuß,das offiziell

angenommene

Ausbeuteverhältnisbeim Vermahlen daraufhin nachzuprüfen, ob es den Tatsachen entspreche, und daß es sich dazu verstehenmuß, ein den Tatsachen entsprechendes Ausbeuteverhältnis im Vertrage mit der Schweiz binden zu lassen.

Schwieriger scheinen die Verhältnisse mit Rußland zu liegen.*)

Rußland droht bekanntlich seit einiger Zeit damit, einen Roggenzoll einzuführen und ein Auswandiungs verbot für die polnischen Wanderarbeiter zu erlassen.

Rußland istnämlich nicht nur darüber ungehalten, daß es infolge der neuen Entwicklung in Deutschland seinen früheren Hauptabnehmer fürRoggen verloren hat, und daß dieser frühere Hauptabnehmer jetzt selbst auf

dem

Auslandsmarkt als seinKonkurrent auftritt, sondern noch mehr darüber, daß ihm nichteinmal sein eigenerMarkt mehr sicher ist.

Es fragt sich nun, ob es gar keine Mittel gebe, die Aufregung der russischen Landwirtschaft zu beruhigen, ohne daß Rußland gleich genötigt ist, zu Maßregeln zu greifen, die inDeutschland sehrerbitternmüßten, so daß ein so scharferKampf, wie wir ihn imJahre 1893 sahen,

*)Die folgendenAusführungensind vorAusbruchdes Weltkriegess aieder^eschriebenworden.

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wieder ausbrechen müßte. Ichglaube nun, daßes hierfür ein sehr geeignetes Mittel gibt,

um

dieLandwirte aus Russisch-Polen, diehauptsächlich über die deutsche Kon-kurrenz aufgeregt sind, zubefriedigen.

Wo

sich Roggen anbauen läßt, da läßt sich auch Futtergerste und Hafer anbauen. Für beides haben wirim allgemeinen meist einen Mehrbedarf und nur für Haferin Ausnahmejahren eineMehrausfuhr.

Wenn

wirnun dieBestimmung träfen, daß auf Einfuhrscheine, die für dieAusfuhr nachRußland gegebensind,nurrussische

Ware

wiederzollfreieingeführt werden darf, so würde darin eine gtiwisse Begünstigung der russischen Einfuhr liegen, durch die die russische Landwirtschaftwohl sofort wieder beruhigtwerdenwürde.

Damit würdendieinternationalenSchwierigkeitenRußland gegenübermeines Erachtens leicht behoben sein.

Viel wichtiger aber als diese Seite der Wirkungen der Aufhebungdes IdentitätsnachweisesistdieFrage, wie weit sich die Befürchtungen, die

man

an diese knüpfte, erfüllt haben. Eswaren nämlich die folgenden Befürch-tungen ausgesprochen worden:

1. Die Viehzucht könne unter

dem

Mangel geeigneter Futtermittel leiden,

2. dieStaatskassekönneeineEinbuße dadurcherleiden, daß zollpflichtige Futtermittel ausgeführt, zollfreie oder doch mit einem geringeren Zoll belegte Futter-mittel eingeführt würden,

3. derMehlexport könnezurückgehen,

4. die Einfuhrscheinewürden infolge der Erschwerung ihres Absatzes im Preise herabgehen,

5. die Versorgung unseres Volkes mit Brotgetreide könnte schlechterwerden, weil dieGefahr bestände, a)daßdasschlechtereGetreide imLande bleibe, das

bessereins Ausland gehe.

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b) daßdas Ausland uns für unser gutes deutsches Getreide schlechteres zurückliefere,

c) daß Deutschland von Getreide derart entblößt würde, daß im Kriegsfälle die noch vorhandenen Vorräte nicht ausreichten.

Soweit es nun möglich ist, diese Befürchtungen statistisch aufihre Richtigkeit hin zuprüfen, soll dies im Folgenden geschehen.

Wir wollen zunächst der Frage nähertreten, wie weit die Viehzucht unter

dem

Mangel geeigneter Futtermittel gelitten habe.

lieber diese Frage unterrichtet uns dieTabelleI. auf Seite 48, 49.

Ausdieser Tabelle ergibt sich, daßmit

Ausnahme

des Hafers, und auch hier nur mit

Ausnahme

zweier Jahre, nämlich der Jahre 1907 und 1908, vonallen Artenvon Futtermitteln mehr ein- als ausgeführt worden ist, daß also die ausgesprochenen Befürchtungen,

wenn

wir von der genannten kleinen

Ausnahme

absehen, sich nicht erfüllt haben.

Daß

diese Mehrausfuhrzustande kam, lag an Folgendem:

Schon das Jahr 1906 hatte eine sehr gute Haferernte gehabt. DieserfolgteimJahre 1907einenochreichlichere, weil die ausgewinterten Weizenanbauflächen 1907/08 mit Hafer bestellt worden waren. So gingen wir trotz der Ausfuhr desJahres 1907indas Jahr 1908 nochmitgroßen Vorräten hinein. Aus den monatlichen Berichten des Jahres 1908läßt sichsodannersehen, daßdieMehrausfuhr des Jahres 1908imwesentlichenin diejenigenMonatefällt, die noch unter

dem

Einfluß der überaus günstigen Ernte von1907 standen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1908

ist die Mehrausfuhr zwar nur noch eine sehr geringe, aber dochimmerhin nochvorhanden, freilichnurdeshalb, weil aus

dem

Erntejahr 1907 noch immergroße Vorräte

4S Tabelle1

Ein- und Ausfuhr von Hafer,

Jahr

1908 299 806 492 737 —192931 1718426 1843 +1716.583

1909 527 941 300132 4-227 810 2392 425 1826

+2

390 599 1910 457 721 436 530 -f 21 191 2826 320 2061

+2

824 259 1911 628 308 296 271 4-332037 3477980 1854 +3476126

1912 665 935 385 208 +280727 2756 925 1157 4-2 755 768

*)Entnommenaus der Denkschriftundfür dieJahre1910—1912

vorhanden waren unddieErnte des Jahres 1908 eine

dem

Durchschnitt entsprechende war;freilichscheint

man

dabei die vorhandenen Vorräte aufgebraucht zu haben, denn später findet eine sehrstarke Mehreinfuhr statt.

DerGrund, aus

dem

1908eineHafereinfuhr notwendig wurde, belehrt uns aber darüber,daßwirfürsolcheJahre

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TabelleI

Futtergerste, Kleieund Oelkuchen

Jahr

jl ausden StatistischenJahrbüchernergänzt.

i der Landwirtschaftdie.Haferausfuhroffen halten müssen.

Tun wir das nicht, wird

man

in vielen Gegenden

Ost-‘ deutschlands,

wo

derBodenansich

zum

Weizenanbaureich

" genug ist,

wo

aber mit Ueberwinterungsgefahr gerechnet

werden muß,

vom

Weizenanbau ganz absehen und nur Roggenanbauen, derstrengerundlanganhaltender

Winter-i 4

i

t

I

(

50

kälte gegenüber weniger empfindlich ist. Die Gefahr, zu viel Roggen und zu wenig Weizen angebaut zu sehen, würde damit noch größer werden.

Kann

aber statt aus-gewintertenWeizens neben SommerweizenHaferangebaut werden, weil

man

mit seiner Ausfuhrmöglichkeit rechnen darf, so wird der Landwirt auch der rauheren Gegenden Ostdeutschlandssich leichter

zum

Weizenanbauentschließen, weil die wirtschaftlichenFolgen einer Auswinterung des Weizens sehrherabgemindert werden. Zur Förderung der Weizenanbaufläche müssen wir also

dem

Landwirt die Möglichkeit einer Mehrausfuhr von Hafer offenhalten.

Nach den bisherigen Erfahrungen dürfen wir sagen, daß er davon nur in den Jahren einer Weizenauswinterung Gebrauchmachen wird.

Vielwichtiger aberals diesedurcheine

außergewöhn-lich gute Haferernte geschaffenen Verhältnisse ist das Moment, daß unter

dem

EinflußderZölleunddes Einfuhr-scheinsystems die Intensität des Haferanbaus sich ganz außerordentlich gehoben hat. Als Durchschnitt des Er-trages vor

dem

Jahre 1894 kann

man

pro ha 12

V

2 dz.

annehmen, während wir jetzt als Durchschnitt 19 dz.

an-nehmen

dürfen, d. i. eine Ertragssteigerung von reichlich 507o-

Da

die Anbaufläche sich

um

10®

seit 1894 ge-hobenhat,so ergibt sichalsSteigerung des Gesamtertrages desHaferanbaueseine solchevon65"y. DerGesamtertrag betrug in den Jahren vor 1894 durchschnittlich 4,8

Milli-onen To., und er beträgt jetzt durc^hschnittlich reichlich 8 Millionen To. Wir können also mit

dem

indirekten Ein-fluß, den die Zollpolitik und das Einfuhrscheinsystem auf den Haferanbau und damit auf die Viehzucht ausgeübt hat, noch zufriedener sein, als mit

dem

Einfluß auf den Roggenanbau,dessen Erträgesich nur

um

50®o gesteigert hatten, lieber den Haferanbau seit 1890 unterrichtet uns die folgende Tabelle.

51 TabelleII

Die Anbaufläche, die Erträge pro ha und die Gesamt erträge von Hafer

1890 3904020 12,6 4913544

1891 4154683 12,7 5279340

1892 3987719 11,9 4743036

1893 3906 969 10,7 4180457

1894 3916726 16,8 6580 100

1895 4028692 15,5 6244473

1896 3979643 15,0 5969 465

1897 3999052 14,3 5718644

1898 3996521 16,9 6754120

1899 3999244 17,2 6882687

1900 4122818 17,2 7091 930

1901 4411412 16,0 7050153

1902 4156290 18,0 6467250

1903 4290398 18,4 7873385

1904 4189681 16,6 6936003

1905 4182054 15,7 6546 502

1906 4221533 20,0 8431379

1907 4377115 20,9 9149138

1908 4275305 18,0 7694833

1909 4309967 21,2 9125816

1910 4289387 18,4 7900376

1911 4327701 17,8 7704101

1912 4387404 19,4 8520183

*)Zusammengestellt ausden StatistischenJahrbüchern.

4*

Man

erhebt nun aber gegen das Einfuhrscheinsystem noch den speziellenVorwurf, unser schöner Hafer gehe ins Ausland und die andren billigeren und schlechteren Futtersorten würden dagegen eingetauscht.

Zunächst haben wir schon gesehen, daß bis auf die Jahre 1907und1908, d.i.bisaufdieJahre, diedurcheine ganz außergewöhnlich große Hafererntebeeinflußt waren, eineMehrausfuhrvonHafer überhauptnichtstattgefunden hat.

Wenn man

nun schon nicht generalisieren soll, so darf

man am

wenigsten allgemeineFolgerungen aus Er-scheinungen abnormerJahre ziehen. Wirkönnten unsja

nundamitbegnügen, diesenVorwurfsoalsungerechtfertigt zurückgewiesen zu haben; wirwollen aber noch weiter gehen und dartun, daß es für unsre Verhältnisse sogar gar kein schlechter Tausch ist,

wenn

wir Hafer gegen Gerste eintauschen; denn im allgemeinenstehtunsrer Aus-fuhr vonHafer

die sogenannte starkeAusfuhrbeträgt durchschnittlich 4

57o des Gesamtertrages unsrer Hafer-ernte

eineEinfuhr vonbeinahe viermal so viel Futter-gerstegegenüber. Wir haben den Haferanbau mit einem Zoll von Mk.5pro dz. geschützt, wirgewähren alsoauch beiAusfuhrvonHaferdieentsprechende Ausfuhrvergütung, wir haben aberdieFuttergerste nur mitMk.1.30pro dz.

geschütztund gewährenalso auch nur eineentsprechende Ausfuhrvergütung.*) Der Anreiz des Zollsystems, Hafer

*)Schonim ersten Teilwurde darauf hingewiesen, daßinfolge des mitOesterreich abgeschlossenen Handelsvertrages von Deutsch-land für ausgeführte Gerste allgemeinnur Mk. 1.30 prodz.als Aus-fuhrvergütung gewährt wird. Dadurch ist die von 1894bis 1906 ziemlichregeAusfuhrdeutscher BraugerstenachdemAusland, haupt-sächlichnach England und Dänemark, wosie sich einer ziemlichen Beliebtheit erfreute,vollkommen unterbunden worden. Indieser Be-ziehungwäreeineReformdesEinfuhrscheinsystems dringend wünschens-wert. Freilich könnte sie keine Veranlassung geben, den Handels-vertragmit Oesterreich zukündigen,wennOesterreich ihn nicht selbst

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anzubauen, ist alsoviermal so groß, als der, Futtergerste anzubauen.

Nun

istaber bei den deutschen Verhältnissen auch aus klimatischen und physikalischen Gründen der

Anbau

vonFuttergerste ein viel prekärerer, als der von Hafer; er ist der Gefahr des Mißratens viel mehr aus-gesetzt,alsdieser. Eskannalso nichtwunder nehmen,

wenn

die Landwirte deshalb

dem

in der Zollpolitik gegebenen Anreiz, Haferstatt Futtergerste anzubauen, gerne folgen.

Die Gerste hat nun aber als Futtermittel für uns an Bedeutung gewonnen. Der Grunddafürist, wie

Beckmann

aufSeite 82 seiner Abhandlung über das Einfuhrschein-system sagt, derfolgende: „Das geeignete Futter für das deutsche Schwein ältererZüchtung war schweres Roggen-mehl (sic!); das heutige, frühreife, feinknochige Schwein verlangt Gerstenmehl (siel). Daher sinkt der Roggenver-brauch für tierischeZwecke, es steigt derGerstenkonsum zu enormerHöhe. Die Schweinehaltung ist heute mehr und mehrein kaufmännischesUnternehmenmit schnellem KapitalumschlagundfreierAusdehnungsmöglichkeit gewor-den; auch der Kleinbetrieb hat sich ihm mehr und mehr zugewandt. Diese Entwicklung istin jeder Beziehung er-freulich und beweist einen erfreulichen Fortschritt der landwirtschaftlichenProduktion. Wollten wiralso jenes Ar-gumentzugeben,daßdas Einfuhrscheinsystem den Gersten-konsum und damit die ganze Entwicklung der Schweine-haltung verursache, so läge darin eingroßesLob undkein Vorwurf.

Nun

aber ist die geeignetste Beschaffung der kündigensollte. Solltees aber dazukommen,dann müßteimneuen Handelsverträge die Klausel auf die österreichischeGrenze beschränkt werden. Esistzuzugeben, daßdieUnterscheidung zwischen Futter-undBraugerste zolltechnisch bei derAusfuhr schwerer durchzuführen sein würde,als beider Einfuhr, ln einer so wichtigenFrage aber müßtebeieinigermaßen gutemWillenschoneinWegderDurchführung gefunden werden.

Wo

ein Willeist,daistaucheinWeg.

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zum Konsum

nötigen Gersleninengen ausländisclierBezug;

denn das Ausland erzeugt eine billige Gerste, deren Ein-fuhrein niedriger Zollsatz nicht erschwert. Damitist die Unabhängigkeit der Gersteneinfuhr

vom

Einfuhrschein’

System nachgewiesen; sie hängt nicht mit

dem

Einfuhr-scheinsystem, sondernmit

dem

Zollsystemzusammen.

Um

die Einfuhr von Gerste zu bezahlen,

muß

die Landwirt-schaft andre Produkte, an denen sie Ueberschuß hat, exportieren, z.B. Roggen und Hafer. Aus diesem Grunde vollzieht sich nach natürlichen Gesetzen der Austausch zwischen Roggen, Hafer und Gerste. BeiFehlen des Ein-fuhrscheiiisystems würde sich diese Verschiebung in der-selben Weise vollziehen.“

Wir

kommen

nun zu der Frage, wie weit sich die Befürchtung bestätigt habe, daß die Staatskasse dadurch einen Schaden erleiden könne, daß zollpflichtige Futter-mittel ausgeführt, zollfreieoder doch miteinemgeringeren Zoll belegte Futtermittel aber eingeführt würden.

Voneinerwirklichen Schädigung der Staatskassekann

ja nun freilich erst dann die Rede sein,

wenn

die Zoll-einfuhrscheine auf die ini Gesetz von 1902 genannten

Waren

einen höheren Betrag ausgemacht hätten, als für die betreffenden

Waren

Zölle einkamen. Denn

wenn

auch Zolleinfuhrscheine für dieAusfuhr der betreffenden

Waren

zur Begleichung vonKaffee- und Petroleumeinfuhr benutzt wurden, so hätten sie doch zur Begleichung der Einfuhr von solchen

Waren

benutzt werden können, dieunter das Gesetz von1902fielen.

Was

alsovonZolleinfuhrscheinen zurBegleichung vonKaffee-undPetroleumeinfuhr benutzt wurde, das wurde mehr gezahlt an Einfuhrzöllen für die im Gesetz von 1902 genannten Waren. Die Reichskasse erlitt alsoin Wahrheitkeinen Ausfall. Es war nur eine Bequemlichkeit für diejenigen Kreise, die mit diesen Scheinen zu tunhatten, daßsie sie ziirnImportvonKaffee

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und Petroleum benutzen konnten und nicht allein

zum

Import der unter das Gesetz

vom

Jahre 1902 fallenden Waren.

Wenn

trotzdem im Jahre 1911 die schon

am

Ende des ersten Kapitels genannteNeuordnung des Ein-fuhrscheinsystems vorgenommen wurde, so geschah das nur,

um

derAgitation einen zwar fadenscheinigen, aber doch sehr gern benutzten, weil scheinbar überzeugenden Vorwand zu nehmen. DerEffektder ganzenUmänderung warja auch nur der, daß die betreffenden Handelskreise gezwungen wurden, den Verkehr mit diesen Einfuhr-scheinen sorgfältiger zu organisieren, als es bisher ge-schehen war.

Seit der Neuregelung

vom

Jahre 1911 ist nun auch denGegnern des Einfuhrscheinsystems nach derSeite hin, daß die Staatskasse dadurch geschädigt würde, jeder einigermaßenplausible Vorwand

genommen

worden. Der besteBeweis dafür ist darinzu sehen, daßseitdemsolche Einwendungen gegen das Einfuhrscheinsystem weder in tler Literatur noch in den Reichstags Verhandlungensich finden. Nach dieser Seite hin kann also dieFrage heute als endgültig gelöst betrachtet werden.

Dagegen könnte die Frage zweifelhaft erscheinen, ob eine Schädigung der Reichskasse nicht schon dann vor-liege,

wenn

von einem derjenigen Produkte, für deren Ausfuhr Einfuhrscheine ausgestellt werden, mehr ausge-führt als eingefülirt wird. Zunächst

muß

aber darauf hingewiesen werden, daß unter denjenigen Gegnern des Einfuhrscheinsystems, dieeineSchädigung der Reichskasse durch dies System annehmen, die gemäßigteren eine Schädigung der Reichskasse doch immer nur insoweit an-nehmen, als nicht an Stelle des ausgeführten Produktes ein Produkt eingeführt wird, das mit einem mindestens ebenso hohen Zoll belegt ist.

Demgemäß

werdenwireine Schädigung der Reichskasse durch die Mehrausfuhr von

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Roggen nicht annehmen dürfen; denn der Mehrausfuhr von Roggen steht eine entsprechende Mehreinfuhr von Weizen gegenüber.

Da

nun Weizen nicht nur den gleichen sondern sogar einen

um

5 Mark für die Tonne höheren Zoll zu zahlen hat, so erleidet die deutsche Reichskasse durch dieMehrausfuhrvonRoggen nichtnur keinen Schaden sondern hat sogar bei jederTonne Mehr-ausfuhr einenGewinn von5Markzu verzeichnen. Anders steht es für den Fall der Mehrausfuhr vonHafer. Der Mehrausfuhrvon Hafer entspricht eine Mehreinfuhr von Futtergerste. Für den Hafer wird ein auf 50 Mark für die Tonne lautender Einfuhrschein ausgestellt, während für dieTonneFuttergerstenur einEinfuhrzoll von1,30M.

gezahlt wird. Mithinerleidet dasReich beijedem Doppel-zentnerMehrausfuhrvonHafer einenVerlustvori3,70Mark.

Stellt

man

sich einmal, wie es auch die Denkschrift des Ministers tut, auf denoben gekennzeichneten Boden, so

muß man

diese Schädigung der Reichskasse zugeben.

Wenn

ichnunauchselbstnichtdieserAnsichtbin,sondern mehrderMeinungzuneige, daßvon (iinerSchädigung der Reichskasse erst danndieRedeseinkönne,

wenn

die Zoll-einfuhrscheine auf die im Gesetz von 1902 genannten

Waren zusammen

einenhöheren Betrag ausmachen, als für die betreffenden

Waren

Zölle einkommen, so willich doch derAnschauungderGegnerdesEinfuhrscheinsystems biszu diesemPunkt entgegenkommen. Es

muß

aberdann zugegeben werden, daß bis

zum

Ende des Jahres 1912, d. i. bis zu

dem

Zeitpunkt,

wo

bisher zuverlässiges amt-liches Materialvorliegt, nur ein einzigesMal derFall

vor-gekommen

ist, daß Deutschland in einem landwirtschaft-lichenBetriebsjahremehrHaferexportierte,alsimportierte ln diesem Jahre war dies, wie ich schon öfter hervor-zuheben Gelegenheit hatte, im wesentlichen dadurch be-dingt, daß die Landwirte in ausgewintertenWeizen Hafer

L

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einsäten.

Was

also Deutschland damals an Hafer mehr ausführte, daß mußte es anWeizen mehr einführen. Die deutsche Reichskasse erlitt auch damals keine Einbuße, sondern erzielte sogarfür jedeTonne noch einenGewinn von 5 Mark. Voraussichtlichwerden wir auch inZukunft nur dann eineMehrausfuhr vonHafer festzustellen haben,

wenn

der Winterweizen ausgewintert ist und eine Nach-saat vonHafer notwendigwird. Ich kann mich alsotrotz allergegenteiligenBehauptungen nichtzu der Ansicht be-kennen,alshabeseiner ZeitdurchdieMehrausfuhrvonHafer eineSchädigung der Reichskassestattgefunden, nochkann ich der Befürchtung

Raum

geben, daß in Zukunft einmal eine wirkliche Schädigung der Reichskasse durch eine Mehrausfuhr von Haferstattfinden werde.

Wir

kommen

nun zu der nächsten Befürchtung, die

man

imJahre 1894 ausgesprochenhatte,daßnämlich durch dieZulassung derAusfuhrunverarbeiteten Getreides unter den günstigen Bedingungen, wie sie vorher nur dasMehl genossenhatte, der Mehlexportund damit dieMühlen,die auf diesen besonders eingerichtetwaren, besondersleiden könnten.

Wie

weit diese Befürchtung sich bewahrheitet habe, darübergibt uns dieTabelleIII auf S.58 Auskunft.

Darnach kann eskeinemZweifelunterliegen, daß bis

zum

Jahre 1902 die Aufhebung des Identitätsnachweises

dem

Mühlenexport schädlich gewesen ist, daß aber die Neuordnung, diedurch das Gesetz

vom

Jahre 1903erfolgte und

dem

Export von Mehl ein neues Ausbeuteverhältnis zu Grunde legte, denMühlenexport wiedergefördert hat, weil es seitdem sich als gewinnbringender herausstellte, Mehl anstattunverarbeitetes Getreide zu exportieren. Das bedeutete abernichts andres, als daß in

dem

zuGrunde gelegten Ausbeuteverhältniseine versteckteAusfuhrprämie

lag. Diese war besonders hochbei der oberstenKlasse, und dieser Umstand führte dazu, daß auf dringliche

58 Tabelle 111

Mehlexport in To.*)

Jaln- To. Jahr To.

1882 92844 1898 141834

1883 136 087 1899 164318

1884 131431 1900 133278

1885 129043 1901 91530

1886 133239 1902 89 484

1887 132179 1903 123192

1888 151128 1904 158 126

1889 145248 1905 207517

1890 116204 1906 138665

1891 108 031 1907 162647

1892 107899 1908 229452

1893 150257 1909 277406

1894 191912 1910 362113

1895 171115 1911 314 797

1896 154566 1912 346 379

1897 165 431

")Zusaminengestelltauscieu StatistischenJalirbüchern.

59

(

Reklamationen der Schweiz dieRegierungEndedes Jahres 1909 sich bewogen fühlte, das Ausbeuteverhältnis für die besteMehlklasse zu ändern. Die Schweiz erklärte freilich damals,sie seidamitnochnichtganzzufrieden,erhobdann aber weiterkeineEinwendungen, und damitscheint diese Frage des Schweizer Mehlkonflikts wenigsten vorläufig er-ledigt.

Ob

wirbeieinerErneuerungdes Handelsvertrages das Ausbeuteverhäitnis einer schärferen Revision werden unterziehen müssen, und ob die Schweiz sich bewogen fühlen wird, die Bestimmungen über das Ausbeutever-hälttiis im Handelsverträge festzulegen, das istschließlich eine Frage derZukunft, die im Jahre 1917 oder einem der folgenden Jahre zulösen sein wird. Keinesfallswerden wir es aus diesem Grunde zu einem Zollkrieg mit der Schweiz dürfen

kommen

lassen. DazuistdieAngelegenheit denn doch zu wenig bedeutend.

Wenn

es nun aber auch scheint, daß seit 1902 die Mühlenindustrie keinen Grund

mehr

zur Klage habe, so müssen wir auch hier wieder, wie schon bei Gelegenheit derPreisfrage sagen, daß die Reichsstatistik, soweit sie große,runde Zahlenfürdasganze JahrundfürDeutschland im ganzen bringt,unsleichttrügerische Bildervorspiegeln

Wenn

es nun aber auch scheint, daß seit 1902 die Mühlenindustrie keinen Grund

mehr

zur Klage habe, so müssen wir auch hier wieder, wie schon bei Gelegenheit derPreisfrage sagen, daß die Reichsstatistik, soweit sie große,runde Zahlenfürdasganze JahrundfürDeutschland im ganzen bringt,unsleichttrügerische Bildervorspiegeln

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