haben schon erwähnt, daß alleMaßregeln, die die Regierung ergriff,
um
aus denjenigen Gegenden, die einenGetreideüberflußerzielten, das Getreidein diejenigen Gegenden abzulenken, welche ihrenBedarf durch eigene Erzeugungnichtzu deckenvermochten, nichtdas Ergebnis hatten,deninländischenGetreidepreisdem
Zollentsprechend über den Weltmarktpreis zu heben, sondern nur dazu führten, in denjenigen Gegenden, in dieman
künstlich deutsches Getreide sehrstark zusammenströmenließ, eine Preisdifferenz zwischendem
deutschen unddem
auslän-dischen Getreide zuungunsten des deutschen Getreides zu erzeugen.Den
Grund zu dieser Erscheinung habe ich schon im Eingang des ersten Kapitels dargelegt. Er lag darin, daß die Müller aus den dort angeführtenGründen zwecksMischungdeutschen Getreides mitausländischemstets einen großen Prozentsatz fremden Getreideshinzukauften und daß dieserProzentsatz größer war, als der Prozent-satz, denDeutschland benötigt,um
das Defizit seines Be-darfs an sich zu decken. So mußtealso immerein Ueber-schuß einheimischen Getreides in Deutschland vorhandensein, solange durch diedeutscheGetreidehandelspolitik die Ausfuhr deutschen Getreides
gehemmt
wurde. Dieser Ueberschußmußtesichaberdort stauen, wohinman
durch künstlicheMaßnahmen
deutsches Getreidezusammenströmenließ, nämlich in Süddeutschland. Die Folge mußte dann
sein, daßinSüddeutschland auswärtiges Getreide zueinem höheren Preise gehandelt wurde als einheimisches.
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Es würde über den
Rahmen
der Arbeit hinausgehen, im einzelnen zuzeigen, wiedieMaßregeln der Regierung, welche das einheimische Getreide nach Süddeutschland zusammendrängten, hauptsächlich die StaffeltarifeunddieHemmung
derAusfuhr einheimischen Getreides durchdie deutsche Getreidehandelspolitik, immer wieder die vor-erwähnte unangenehme Nebenwirkung zeigten. Ichkann michdarauf beschränken, aufdie vortrefflicheDarstellung Maliersinseinen „Studien überdendeutschen Brotgetreide-handel“ hinzuweisen, derdieseFrageausführlich behandelt.Nach AufhebungderStaffeltarife, die den üeberschuß deutschen GetreideskünstlichinSüddeutschland zusammen-gedrängthatten,unddesIdentitätsnachweises, derdie Aus-fuhr des deutschen Getreides
gehemmt
hatte, hörte das künstliche starke Zusammenströmen deutschen Getreides im SüdenDeutschlandsauf, und eswurde hier nichtmehr, wie in der kurzen Zeit des Bestehens der preußischen Staffeltarife nachdem
Süden Deutschlands, eine Preis-differenz zwischendem
deutschen unddem
ausländischen Getreide zuungunsten des deutschen Getreides erzeugt.DasGetreide,welches Deutschland
zumZwecke
derMischung mehreinführte, alsseinemeigentlichenBedarfanfremdem Brotgetreide entsprach, konnte nun nicht mehr den da-durch erzeugtenüeberschußdeutschen Getreidesnachdem
SüdenDeutschlands abdrängen. Die süddeutsche Landwirt-schaftwar vondem
kurzeZeitaufihrlastendenDruckealso wiederbefreit,fürSüddeutschland konnte, wie vor derZeit derEinführung der preußischenStaffeltarife,derSchutzzoll auf Getreide in der Differenz zwischen denInlands- und Auslandspreisen wieder voll zur Geltungkommen.
War
nundiese Wirkung derAufhebung der Staffel-tarife und desIdentitätsnachweises, dieBefreiung der süd-deutschen Landwirtschaft vondem
kurze Zeit auf ihr lastenden Druck, eine beabsichtigte, so haben sich neben1
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ihr nochWirkungen eingestellt, die
man
vorhernicht ins Augegefaßt hatte.Von
solchen könnenwirdreiGruppen feststellen1. den Einfluß der Aufhebungdes Identitätsnachweises aufden Verkehr inden Zollniederlagen,
2. den Einfluß auf den Seetransport einheimischen Getreides,
3. den Einfluß auf die internationalen politischen Ver-hältnisse.
Wir gehen zuerstauf denEinfluß ein, den die Auf-hebung desIdentitätsnachweises auf den Verkehr inden Zollniederlagen gehabthat.
Eine Erleichterungführte dieAufhebungdes Identitäts-nachweises für die privaten Getreideniederlagen ohne amtlichen Zollverschluß und ohne amtliche Bewachung herbei. Seit der Aufhebung des Identitätsnachweises ist derInhaber einer solchen privatenGetreideniederlage, dem, wie wir schon früher bemerkten, der Inhabereiner eigenen Kontoniederlage ohneamtlichen Zollverschlußund ohne amtliche Bewachung gleichsteht, berechtigt, anstatt dieDifferenz zwischen
dem
buchmäßigen Bestand unddem
wirklichen Bestand durch Erlegung des Zolles zu decken, zur Ersetzung dieser Differenz einheimisches Ge-treide in seinLager aufzunehmen, das dann später wie ausländisches behandelt wird.Während
ferner in den reinen Privatlagern sonst einVeredlungsverfahren, soweit es den Nachweis der Identität erschwert, wegen der besondrenKontrolle, die für dieseLager stattfindet, nicht möglich ist, kann in rein privaten Getreideniederlagen so-wohl die Vermengung wie selbst die Vermahlung ohne weiteresvorgenommen
werden. Lexis betont in seinem Aufsatz „Identitätsnachweis“ indem
Handwörterbuch der Staatswissenschaften inder III.Auflage, den Einfluß, den dieAufhebung des Identitätsnachweises aufdiegemischten44
Privat-Transitlager gehabt habe. Er hebt hervor, daßdie LandwirteunddieHandelskammernimportierender Bezirke siealsunnötig bezeichneten,währenddieHandelskammern exportierender Bezirke dies bestritten, weil siefür diese noch ihre Berechtigung hätten. Das ist unzweifelhaft richtig. Daraus würde sich ergeben, daß diegemischten Privat-Transitlager zwar nicht aufzuheben, aber auf die exportierenden Bezirke zu beschränken seien.
Mit
dem
Einfluß, den die Aufhebung des Identitäts-nachweisesfürGetreide auf den Seetransport einheimischen Getreides gehabthat,beschäftigt sichinsbesondereFriedrich Beckmanninseinem indenVolkswirtschaftlichen Abhand-lungen der Badischen Hochschulen (Neue F'olge Heft1) erschienenen Buche „Einfuhrscheinsysteme“ Seite 64ff.Er hebt hervor, daß gegen das Einfuhrscheinsystem von seiten derWiesbadener
Kammer
in dervonder DresdenerGewerbekammer
imJahre 1908 herausgegebenenSammlung
vonGutachten derVorwurf gemacht worden sei, daß der Händler,um
sich die Vorteileder Einfuhrscheine zusichern, das Getreide nach Hollandverschiffe, an dessen Landes-grenze es dann beim Wiedereintritt in Deutschland vonneuem
verzolltwerden müsse. Hier trete es so recht zu Tage, daß mit den Einfuhrscheinenzum
Nachteil des konsumierendendeutschenPublikumsdie reineGeldmacherei getrieben werde.Beckmann
weist mit Recht darauf hin, worauf sich diese sogenannte „Geldmacherei“ be-schränkt.Wenn
derExporteur das Getreide als nachdem
Auslandeverschifft bezeichne, so spareer dieKosten, die mitdem
Nachweis derIdentität bei derEinfuhr,um
das Getreidezollfrei wieder einführen zu können, verbunden seien. Solche Kosten seien an sichnicht gering, und daßman
sie sich,wenn
sie unter den heutigen Verhältnissen vollkommenunnötigseien,zu ersparensuche,seidurchaus verständlich.\
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