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pjauptgrundderAufhebungdes Identitätsnachweises war, wie wir sahen, der Getreideüberfluß in Deutschland, weil das Bedürfnis unsrer Müller nach Mischungsgetreide, fürdas ich dieGründeschon eingangs deserstenKapitels dargelegt habe, größer ist als unser Konsumbedürfnis.
Dieser Getreideüberfluß nimmtaber JahrfürJahr zu, je
mehr wir uns
dem
Ideal nähern, unsern Inlandsbedarf selbst zu decken.Nun
könnteman
uns den Einwurfmachen, daß wir diesem Ueberschuß deutschen Weizens dadurch abhelfen könnten, daß wirden Weizenbau zugunsten des Roggen-baus einschränkten.Man
könnte darauf hinweisen, daß wir in den Jahren 1893 und 1894 und dann wieder in den Jahren 1899 und 1900schon eine bedeutend größere Anbaufläche für Weizen gehabt hätten als gegen-wärtig. Die Erfahrungen aber, dieman
in allen diesen Jahren mit der Forcierung derAusdehnung der Anbau-fläche gemacht hat, waren nicht dazu angetan, die Landwirte zu bewegen, Boden und Klima, die sich nach alter Erfahrung mehrzum
Roggenbau alszum
Weizenbau eignen, doch zu jenem heranzuziehen. Der Weizenertragbleibtderart hinterdem
Roggenertragzurück, daßdafürder besserePreisunddiegünstigerenBedingungen in derZeitverteilung beiderBearbeitung desBodenseinen ausreichenden Ersatz nicht zu bieten vermögen.Man
könnte ja nun freilich gegen diese Argumentation ein-wenden, daß geradedurch siederBeweis erbracht werde, wie sehr den Vorschlägen beizustimmen sei, die darauf hinzielen, eine größere Preisdifferenz zwischen Roggen—
96—
und Weizen hervorzurufen.
Man
könntez.B. darauf hin-weisen, daß der Vorschlag, der für die aufdie Ausfuhr vonRoggen ausgestellten Einfuhrscheine die Fungibilität aufhebenwill,geeignetsei,aufeineAusdehnungder Weizen-anbaufläche auf Kosten derRoggenanbauflachehinzuwirken, weil durch eine größere Preisdifferenz zwischenWeizen und Roggen es eher rentabel erscheinen möchte, den Weizenanbauvordem
Roggenanbau den Vorzugzu geben.Das möchte wohl in der Tat erreichtwerden.
Womit
aber würdenwirdieErreichungdieses Zieleszu bezahlenhaben?Einmalwürdenwir einen geringeren Gesamtertrag an Brot-getreide haben, weilstatt des ertragreicherenRoggensder auf jenen FlächenvielwenigerertragreicheWeizengebaut werdenwürde. Fernerwürdenwir einen geringeren Gesamt-ertrag an Brotgetreide haben, weileinmaldieFlächen,die heutenoch unterdenungünstigstenBedingungenmitRoggen
bestelltwerden, künftighin garnichtmehrmitBrotgetreide besät,zweitens aber auch wenigerintensivbearbeitetwürden.
DasZiel, eine verhältnismäßigkleineAusdehnungder Weizenanbaufläche zu erreichen, würde demnach teuer erkauft werden. Im allergünstigsten Falle würde es sich, wie aus unsrer TabelleIV ersichtlich ist,
um
150000 ha bei einerGesamtausdehnung vonca.1950000ha, alsoum
ca. 7 0 handeln, unsre Weizenproduktion würde sich
um
ca.6%
heben, während unsre Roggenproduktionum
ca. 5^0zurückginge. Wir würden, da Weizen einen viel kleineren Teil unsrer Ernte ausmacht, unsren Gesamt-ertrag der Ernte einerseits zwar
um
ca. 2*^o vermehren, andrerseits aberum
ca. 3^2*^/o vermindern, also einen Schaden vonca.1^2 7o im Durchschnitt haben. Dazukäme
dann noch, daßin Zukunft jedeAnregung zur Steigerung der Intensität auf den Roggenböden fortfallen würde.Noch viel weniger aber als die Bestrebungen, den Roggenanbau zugunsten des Weizenanbaus zu hemmen,
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verdienen die Bestrebungen den Roggenanbau zugunsten des Anbaus von Futtergetreide oder Futtermitteln ein-zuschränken, Unterstützung.
Daß
eine solche Ein-schränkung odereineEinschränkung zugunstenvon Dauer-weiden nicht überallwünschenswertsei, brauche ich hier wohl nicht noch einmal auszuführen. Ich beziehe mich hier auf die Ausführungen vonBeckmann
in seinem jüngsten Aufsatze. Es wird ferner hier auch nur darauf hingewiesenwerdenbrauchen, daßErsetzung des Roggon-anbaus durchAnbau
von andren Futtermitteln nur da noch möglich sein würde,wo
wir Betriebssysteme haben, die den Getreidebau noch stark begünstigen. Alle Be-strebungenalso,die dieRoggenmehrausfuhrzuunterbinden versuchen, dürfen meines ErachtensvonderGesetzgebung nichtunterstütztwerden.Dasselbe gilt von den Bestrebungen, die vielleicht einmal
vorkommende
Hafermehrausfuhr durchAufhebung derFungibilität für die aufdieHaferausfuhrausgestellten Einfuhrscheinezu unterbinden. Ichbrauchemichmitdieser Frageum
so weniger zu beschäftigen, als der Urheber diesesVorschlages, Beckmann, ja hier nach seinen Aus-führungen im zweiten Aufsatz offenbar selbst andrer Ansicht geworden ist. Nur auf einen Punkt möchte ich hier noch einmal hinweisen. Wir haben bisher nur in einem Jahre eine Mehrausfuhr von Hafer gehabt. In diesem Jahre war nebeneiner sehr guten Haferernte Ver-anlassung dazu abernoch der Umstand, daßvielfachHafer in ausgewintertenWeizen gesätwordenwar.Würden
wir dieHaferausfuhr unterbinden,würdenwiralsoden Weizen-anbau zu einem noch prekäreren machen. Das möchte sichmit den Bestrebungen, denWeizenanbau aufKosten desRoggenanbau zu fördern, doch wohlkaum
vertragen.Die Vorschläge, die aufeineVerhinderung der Hafermehr-ausfuhr hinzielen, erscheinenmir
demgemäß
noch weniger98
annehmbarals die, die derRoggenmehrausfuhr entgegen-arbeiten wollen.
Wenn
ich mich so einerseits gegendiebeiden Haupt-gruppen von VerändrungsVorschlägen wenden muß, die dieVerhinderung der Mehrausfuhr von Roggen undHafer bezwecken, so halte ich eineErgänzungdes Einfuhrschein-systems andrerseits doch für dringend notwendig. Die Erfahrungen in den beiden aufeinanderfolgenden Früh-jahren von 1908 und 1909 haben gezeigt, daß das Ein-fuhrscheinsystem an sich die sehr übleWirkung haben kann,unsimFrühjahrderartvonGetreide zuentblößen,daß dieserMangel an Getreideim Kriegsfälle zu einer außer-ordentlich schweren Katastrophe führen könnte. Unter diesenUmständenfragtessich, obdieVorsichtsmaßregeln, die bisher getroffen sind, der Wiederkehr solcher Er-scheinung zu begegnen, ausreichend sind.Von
solchen Maßregeln sind, wie erwähnt, zwei ge-troffen worden. Es ist dieVerwendbarkeit der Einfuhr-scheine eingeschränkt worden, undes istihre Gültigkeits-dauer verkürzt worden.Daß
die erste Maßregel an der Sache ansich nichtsändernwürde undzwar, wie wir sagen müssen, glücklicherweise nichts ändern würde, istschon ausgeführt worden. Nurdiezweite Maßregel,dieVerkürzung der Gültigkeitsdauer der Einführungsscheine, könntealsoals VorbeugungsmittelinBetrachtkommen. Daß
sieein solches Palliativmittel inderTatseinkann, erweisen dieVorgänge ausdem
Jahre1908/09, weildannderErsatz für dieAusfuhr der ersten Hälfte desJahres schon früher wieder hätte nach Deutschland hereinkommen müssen, die Entblößung also denvollenUmfang
nichthätte annehmenkönnen;daßsie aber ein ausreichendes Schutzmittel doch nicht ist, er-weisen die beiden Male, bei denen die starke Ausfuhr stattfand, nämlicham
Ende eines Erntejahres.Man
könntenundaran denken, der RegierungdieErmächtigung99
zu erteilen, das Einfuhrscheinsystem jedesmal zu suspen-dieren,
wenn am
EndeeinesErntejahressichgefahrdrohende starke Ausfuhren bemerkbar machen. Es liefe dieser Vorschlag ja auf die verschiedenen gerade damals ge-machtenAnträge hinaus. Ich möchte mich aber gegen dieAnnahme
solcher Anträge ganz entschieden aus-sprechen. Sie würden, wieman
hiervon in früheren Zeiten,wenn
auch nicht bei uns, so doch inEnglandund Frankreich, genügendeErfahrungengemacht hat, vonder Spekulation in der wüstestenWeise ausgenutzt werden, und die ganzeAendrung würdeschließlichdarauf hinaus-laufen, daßman
den Teufel durch Beelzebub ausgetrieben hätte.Wenn
aber das Einfuhrscheinsystem an sich so vielegute unleugbare Folgen gezeitigt hat,wenn
die ge-troffenen Vorsichtsmaßregeln nicht als ausreichend be-zeichnet werden können,wenn
andre vorgeschlagene höchstwahrscheinlich gerade den entgegengesetztenErfolg haben würden,von dem, wasman
sich davonverspricht, und sie alle das System an sich teilweise beeinträchtigen würden, so müssen wir dieAbwendung
der in Rede stehenden Gefahrin einer Einrichtung suchen, die nebendem
Einfuhrscheinsystem in der Art getroffen wird, daßsie dieses selbst in keinerWeise
hemmt
und vondiesem System ganz unabhängig ist. Alseine solcheEinrichtung möchte sich nun die allmähliche Aufspeicherung eines Getreidereservefonds empfehlen. Wir haben in so vielen andrenPunkteneineFürsorge fürdenKriegsfall getroffen, wir haben in Friedenszeiten unsern Kriegsschatz, ohne daßdie wirtschaftlicheEntwicklung daruntergelitten hätte, von 120Millionen auf 360Millionen vermehrt, wirsindin der ganzen sonstigen Ausrüstung des Heeres mit allem Notwendigen versehen,warum
legen wiruns nicht auch nach fridericianischem Vorbild Getreidespeicher an, die ausreichen, das ganze mobilisierte Heer aufein Jahr mit100
—
Getreide zu versorgen? Es müßte diese Anlage in der Weisegeschehen, daßdievorhandenenVorräte jedesJahr teilweisefürdasHeerverwandt, teilweiseverkauftwürden und jedes Jahr durch neue Vori’äte ersetzt würden. Es
kommen
im Welthandel immer wieder Jahre mit sehr geringen Weltmarktpreisen vor, und solche Jahre sollten zurallmählichenAnlegungsolcherSpeicher benutzt werden.Eswürdediese Politikaußerdemnoch denVorzughaben, zu einerGleichmäßigkeit derPreiseungemeinbeizutragen,
wenn
dieallmählicheAufspeicherungimmernurinJahren mit nie-drigenWeltmarktpreisen erfolgte. Dadurch wäredieletzte Lücke,dieinderVersorgungdesVolkesinKriegszeitennoch vorhanden sein könnte, ebenfalls ausgefüllt, und wir könnten einerKriegsgefahr mit einer noch geringeren Be-sorgnis begegnen. Es bedeutet aber auch eine weitere große Friedenssicherung, denn jemehr dasAuslandweiß, daß wir fürden Kriegsfall vorbereitet sind, desto mehr schreckt es vor einem Angriff auf Deutschland zurück.
An
eine Störung des Friedens aber durch Deutschland selbst—
das habendie letzten 42 Jahre bewiesen—
istkaum
zudenken. So neu unddeshalbsoweniganheimelnd dieser Vorschlag im ersten Augenblick scheinen möchte, sosehrmöchteerwohleinereingehendenErwägungwürdig erscheinen,undmehr
willdiehiergegebeneAnregungnicht.Dieser Kriegsreservefondsmüßteungefähr 4°o unsres Gesamtbedarfs darstellen. Wir dachten uns das so, daß
in Jahren mit billigenWeltmarkt])reisen dieserFonds
all-mählich aufgespeichert wird, daß der Vorrat des alten Jahres bei Beginn eines neuen Erntejahres gegen neues Getreide eingetauschtwird. Damit
mag
ein ständiger Zins-verlust fürden Wert des aufgespeicherten Getreides, für denWertderAnlagekosten der Speicherundeindauernder Verlust der Arbeitskosten verbunden sein, den die Um-schüttung desGetreidesbeimLagernveranlaßt. Wir haben101
diesenFond als eineArt Kriegsschatz anzusehen,und, wie wirbeidiesem
zum
Zweck derFriedenssicherng den Zins-verlust mitindenKauf nehmen, somüßtenwiresauchbei jenem Getreidereservefondtun. Ein weiterer Verlust der Reichskasse durch denSchwund würdenicht zu befürchten sein, er würde sich durch den Preis bezahlt machen, da das gut abgelagerteKorneinenentsprechendhöherenPreis erzielen dürfte. Natürlich dürfte für diesen Reservefond nurerstklassigesGetreide inBetrachtkommen,
damitbei sachgemäßer Lagerung und Behandlung im Lager jedes VerderbenwährenddiesesJahres ausgeschlossenerscheint.*) Ein Mißstand war ferner, wie wir oben sahen, in jenen Monaten großer Getreideausfuhr ein sehr hoch gesteigerter Preis. Wir sahen,daßdiePreisschwankungen an sich nichtvondem
Einfuhrscheinsystem erzeugt waren, daß sie sichferner fürDeutschlandnurinsofernbemerkbar machten, als gerade in diesen Jahren der Zweck des Einfuhrscheinsystems, den Zoll vollzum
Ausdruck zu bringen, erreichtwurde. Wirsahenferner,daßalseinziges Mittel, in solchen Zeiten den Zweck des Einfuhrschein-systemsnichtzurGeltungzubringen,wenigstensfürRoggen—
freilichunserwichtigstes Brotgetreide—
,beidem
wireine Mehrausfuhrhaben,nichtaberfür dieübrigen wichtigeren Getreidearten,wo
wirimmer, oder doch fast immereine Minderausfuhr haben, die Suspension oder Milderung des Einfuhrscheinsystems in Betrachtkommen
könnte. Wir mußten uns aber gegen dieseMaßregel aussprechen, weil wir nach allen Erfahrungen, dieman
mitdem
gleitenden*)Uebrigens wird dieSchaffungeines Kriegsreservefonds auch in andren Ländern erwogen. AusGetreidehändlerkreisen höreich, daß Frankreicheinen solchen Kriegsreservefond füralleseineFestungen ander westlichenGrenze und ganzinsbesondre fürParisplant, ln denEtat der Stadt Paris sind für diekommendenJahrebereits Geld-mittelfür einständigesLagervon 100000 Sack Mehl(1Sack
=
100 kg) eingestellt.—
102—
1
!
Getreidezoll und
dem
Ein- und Ausfuhrprämiensystem seiner Zeit in den verschiedenen Staaten gemacht hat, fürchten mußten, daßdamit der SpekulationTor und Tür geöffnet werden würde. In neuster Zeit hat freilich Adolf Henningsen in einer Monographie „Die gleitende Skala für Getreidezölle“, zu derProf.Harms ausKiel ein Vorwort geschriebenhat,unddieindenvondem
genannten ProfessorherausgegebenenSchriften desInstitutsfür See-verkehrs- undWeltwirtschaft an derUniversität Kiel1912 inJena erschienen ist, dieseBefürchtungen zu widerlegen versucht. Ich möchte mich aber den Ausführungen des Freiburger Professor Diehl indem
neuesten,am
15.Januar 1914 herausgegebenen Heft der Conradschen Jahrbücher anschließen, daß dieser Versuch nicht als gelungen be-zeichnetwerden kann. So sehr wünschenswert esdarum, auch erscheinen möchte,Vorkehrungsmaßregelnzutreffen,um
wenigstens für unser wichtigstes Brotgetreide, den Roggen, in Zeiten hoherPreise di(i Ausfuhr sperren zu können, somuß
doch davon in Friedenszeiten abgeraten werden;inKriegszeiten wäre selbstverständlich dasganze Einfuhrscheinsystemsoforteinzustellen; dasscheintkeiner Erörterung zu bedürfen.Imbesondrenseihiernurnoch hervorgehoben,daßsich uns derofterhobene Vorwurf, wir verkauften das Getreide imFrühherbst billig an das Ausland,
um
es im nächsten Frühjahr teurer zurückzukaufen, als wenig stichhaltig erwiesen hat. Ich möchte hier nurnoch einmal auf die trefflichen Ausführungen Simons in seiner Monographie sowohl wieim Bericht der Königsberger Kaufmannschaft, desReichstagsabgeordnetenHeim unddes Mühlenbesitzers und Getreidehändlers Salo Löwensohnüber diesen Punkt hinweisen.Ebenso sahen wir, daß mit
dem
Einfuhrscheinsystem an sich nichts der Vorwurf zu tun hat, daß wir unser—
103—
schlechtesGetreidebehalten, unser gutes aber ans Ausland verkaufen. Freilich bleibt das schlechteGetreide
am
Pro-duktionsort, weil es die Kosten des Versands nicht zu tragenvermag, undwirverkaufen nur gutes ans Ausland, weil nur solches versandtfähigist, aber doch bei weitem nicht alles gute Getreide geht ins Ausland, sondern nur ein kleiner Prozentsatz von diesem, und andrerseits empfangenwirnur gutes Getreidevom
Auslande,schlechtes nehmen wir nicht an, sondern weisen wirzurück.Daß
das Einfuhrscheinsystem nicht für unsre hohen Fleischpreise verantwortlichzu machen ist, daßdie Vieh-zucht, soweit sie dieFleisch-undMilchversorgungbetrifft, nicht unterdem
Einfuhrscheinsystem zuleidengehabthat,daß sie durch dieseseher gefördertals
gehemmt
ist, hat Dr.Beckmann
in seinem zweiten Aufsatz sotrefflich aus-geführt, daßichdem
nichts zuzusetzen habe.Ferner möchte ich hier noch einmal hinweisen auf die trefflichen Ausführungen des Freiherrn von
Gamp-Massauen im Reichstage, daß die starke Ausdehnungs-möglichkeit des Haferanbaus infolge des Einfuhrschein-systems einerseits und der starken Futtergersteneinfuhr andrerseits auch eine ganz ausgeprägte sozialeSeite hat,indem sie
dem
kleinenMann
einerseitsgroßeGewinneauf Kosten derwohlhabendenKlassenzukommen
läßtund ihm andrerseits ein wichtiges Futtermittel ganz wesentlich verbilligt.Was
ferner dieFrage derSchädigung des Reichssäckels anbelangt, so stehe ichzwar selbst aufdem
Standpunkt, daß von einer Schädigung der Reichsfinanzen durch das Einfuhrscheinsystemso lange keineRede seinkönne, wie dieZolleinnahmen aufdiebetreffendenWaren
denBetrag der Einfuhrscheine noch übertreffen. Esmuß
aberzugegeben werden, daß selbstwarme
Verteidigerdes Einfuhrschein-systems eine Schädigung der Reichskasse in der104
Mehrausfuhr vonHafersehen,soweit der Betrag der darauf ausgestellten Einfuhrscheine nicht durch den Einfuhrzoll eines gleichenGerstenquantums gedecktwird, also zu un-gefähr 70^0- Demgegenüber möchte ich aufBeckmanns Ausführungenhinweisen, daß die Mehrausfuhr vonHafer insovielerleiBeziehungalseinesehr erwünschte Tatsache anzusehen ist, daß durch diese zahlreichen Vorteile für unser Wirtschaftsleben die eventuell einmal mögliche Schädigung der Reichskasse
—
sieist,wenn man
sie über-haupt zugeben will, erst einmal eingetreten—
als aus-geglichengeltenkann. Die Gefahr einer vielleicht einmal eintretenden, auf jedenFall nichtgroßen Schädigung der Reichskasse kannunsalso auch nichtzu einerAenderung des Einfuhrscheinsystems veranlassen. Andrerseits sahen wir, hatder Reichssäckel sogar einenVorteilvonungefähr 2000 000Mark jährlichdavon,wenn
stattRoggens Weizen eingeführt wird.Wir
kommen
nun zu der Schädigung unsrer Mühlen-industrie. Wir sahen, daß eine solche für dieMühlen an der russischen Grenze inder Tat stattgefunden hat. Sie ist aber mehr eine Folge dessen, daß dort die Mühlen mehr als ein Jahrzehnt die einseitige Begünstigung des Einfuhrscheinsystems genossen haben. Dadurch wurden zunächst schon die mehr nachdem
Innern liegenden Mühlen geschädigt, indem an der (}renze neue, mit den neuesten Einrichtungen verseheneGroßmühlenentstanden, mit denen sie nur schwer die Konkurrenz aufzunehmen vermochten; sie wurden dann noch mehrgeschädigt, als nach Verallgemeinerung der Aufhebung des Identitäts-nachweises diese Mühlen genötigt wurden, ihr Arbeits-gebiet fast ganz auf die Befriedigung des Inlands zu verlegen. Durch Erschwerung der Roggenausfuhr würde zwar diesen Mühlen wesentlich geholfen werden; doch wäre meines Erachtens das Ziel, diesen Mühlen wieder—
105—
aufzuhelfen,mitdiesemMittelzuteuer erkauft,desgleichen auch durch eineMühlenumsatzsteuer. Mehr würde, wie dies meines Erachtens derAbgeordnete
Weber
im Reichs-tage ganz richtig ausgeführt hat, den Müllern durch Ein-fügung des Getreides in den Spezialtarif 111 geholfen werden können, weil sie dadurch ihr Rohmaterial aus einem weiteren Umkreise beziehen könnten. Auch aus diesem Grunde würde sich also die Umtarifierung des Getreides empfehlen.Wenn man
fernergerade aufagrarischer Seite beider Einführung des EinfuhrscheinsystemsdieBefürchtung aus-gesprochenhat,dieEinfuhrscheine könnteninfolgeschwerer Absatzmöglichkeit im Preise sinken und so zu einer Ab-schwächung desZolls im Westen führen, so sahen wir, daß diese Befürchtungen in der Zeit bis 1906,wo
die Scheine nicht sofort Fungibilitätbesaßen und diese auch später erst aufUmwegen
erwerben konnten, eine,wenn
auch ganz minimale Berechtigung besaßen, daßdiese Be-fürchtungen aber mit der Neuordnung durch die Ein-führung der sofortigen direkten Fungibilität so gut wie ganz behoben wurde.Während man
aber gerne aufdie vielerlei vermeint-lichen Schäden des Einfuhrscheinsystems hinweist, über-siehtman
vollständig dieungemeinwirkungsvolle Errungen-schaft dieses Systems, daß es in Verbindung mit den Zöllen, die freilich erst durch das Einfuhrscheinsystem völlig zur Geltungkommen
konnten, zueinerungemeinen Steigerung der Intensität und,wenn
auch in geringem Umfange, zu einer Steigerung der Anbaufläche geführt hat. Das letztere istaber nicht indem
Sinne geschehen, daß wirdem
Futtermittelanbau Boden entzogen hätten, oder daß wir aufBöden zurückgegriffen hätten, dernur beiNotstandspreisenrentabel bebaut werdenkönnte, son-dern dadurch, daß wir bisheriges Unland, das aber nach—
106—
der Erschließung sich als sehr gutes Getreideland erwies, unter den Pflug nahmen.
Wir
kommen
nun zuden Abändrungsvorschlägen, die sich uns im Laufe der Arbeit aufdrängten, die, wie ich gleich eingangs erwähnen möchte, in keinem Punkte eineWir