• Keine Ergebnisse gefunden

Lyme-Borreliose. Erkrankung und Therapie. Diplomarbeit

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Lyme-Borreliose. Erkrankung und Therapie. Diplomarbeit"

Copied!
95
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Lyme-Borreliose

Erkrankung und Therapie

Diplomarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Pharmazie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der

Karl-Franzens-Universität Graz.

Vorgelegt von Anna Elisabeth Pflanzl, Graz, Jänner 2010

Danksagung

Die vorliegende Arbeit entstand am Institut für Pharmazeutische Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz unter der Leitung von

Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Mag. pharm. Klaus Schweiger.

Ich möchte mich bei Herrn Prof. Schweiger für die freundliche Unterstützung und die herzliche Betreuung bedanken.

Ein weiterer Dank gebührt meiner Familie, sowie meinen Freundinnen und Studienkolleginnen, die mich während meiner Studienzeit unterstützt haben.

(2)

In Liebe und Dankbarkeit meiner Mutter gewidmet.

(3)

INHALTSVERZEICHNIS

1 LYME-BORRELIOSE: EINE VIELFÄLTIGE ERKRANKUNG... 2

1.1 Definition... 2

1.2 Entdeckung und Namensgebung der Lyme-Borreliose... 2

1.3 Subtypen von Borrelia burgdorferi und Verbreitung ... 4

2 BORRELIEN ... 6

2.1 Reservoirwirte ... 6

2.2 Aufbau von Bakterien ... 7

2.2.1 Das Genom von Borrelia burgdorferi ... 7

2.2.1.1 Die Änderung der Expression von Oberflächenproteine ... 9

2.2.2 Zellmembran von Bakterien... 9

2.2.3 Zellhülle von Bakterien ... 10

2.2.4 Die Gram-Färbung... 10

2.2.4.1 Durchführung der Gram-Färbung... 11

2.2.5 Die Zellhülle gram-negativer Bakterien... 12

3 DIE ÜBERTRÄGER DER LYME-BORRELIOSE... 13

3.1 Einleitung... 13

3.2 Systematische Einteilung der Zecken... 14

3.3 Der Gemeine Holzbock – Ixodes ricinus ... 16

3.3.1 Körperbau... 16

3.3.2 Entwicklungszyklus und Generationswechsel ... 18

3.3.3 Aktionsradius und Lebensraum ... 20

3.3.4 Die Sinnesorgane ... 21

3.3.5 Der Saugapparat ... 22

3.3.6 Blutmahlzeit und ihre Bedeutung für die Übertragung von Krankheitserregern ... 22

4 KRANKHEITSBILD DER LYME-BORRELIOSE ... 25

4.1 Pathogenese (Entstehung und Entwicklung einer Erkrankung)... 25

4.2 Die Immunantwort... 26

4.2.1 Makrophagenaktivierung ... 26

4.2.2 Zelluläre (T-Zell) Immunantwort... 27

4.2.3 Humorale (B-Zell) Immunantwort... 28

4.3 Klinische Symptomatik... 29

4.3.1 Stadium 1 (Frühmanifestation; lokal) ... 30

4.3.2 Stadium 2 (Frühmanifestation; disseminiert) ... 31

4.3.3 Stadium 3 (Spätmanifestation; disseminiert) ... 33

(4)

4.3.4 Weitere Manifestationen der Lyme-Borreliose... 35

4.3.4.1 Kardioborreliose ... 35

4.3.4.2 Ophthalmologische Manifestationen ... 35

4.3.5 Das Post-Lyme-Syndrom... 35

4.4 Häufigkeiten bestimmter klinischer Symptome der Lyme-Borreliose. 37 4.5 Schwangerschaft und Borreliose ... 37

5 DIAGNOSTIK DER LYME-BORRELIOSE ... 38

5.1 Indirekte Nachweisverfahren ... 39

5.1.1 ELISA zum Nachweis von Antikörper ... 39

5.1.2 Immunfluoreszenztest... 40

5.1.3 Immunoblot (Western Blot) ... 40

5.2 Direkte Nachweisverfahren ... 42

5.2.1 Polymerasekettenreaktion (PCR) ... 42

5.2.2 Kultivierung von Borrelien... 43

5.3 Befundinterpretation... 44

6 THERAPIE DER LYME-BORRELIOSE... 46

6.1 Antibakterielle Wirkung ... 47

6.2 Tetracycline ... 48

6.2.1 Pharmakodynamik der Tetracycline ... 48

6.2.1.1 Wirkungsmechanismus ... 48

6.2.1.2 Wirkungsspektrum ... 49

6.2.2 Pharmakokinetik der Tetracycline... 49

6.2.3 Unerwünschte Wirkungen der Tetracycline ... 50

6.2.4 Wechselwirkungen ... 50

6.2.5 Kontraindikationen ... 51

6.2.6 Indikation und Dosierung ... 51

6.3 β-Lactam-Antibiotika... 51

6.3.1 Pharmakodynamik der β-Lactam-Antibiotika ... 52

6.3.1.1 Wirkungsmechanismus und Wirkungsspektrum ... 52

6.3.1.1.1 Die Resistenzentwicklung... 53

6.3.2 Pharmakokinetik der β-Lactam-Antibiotika ... 53

6.3.3 Unerwünschte Wirkungen der β-Lactam-Antibiotika... 54

6.3.4 Interaktionen... 54

6.3.5 Penicilline ... 55

6.3.5.1 Penicillin G (Benzylpenicillin) und seine Derivate... 55

6.3.5.1.1 Wirkungsmechanismus ... 56

6.3.5.1.2 Pharmakokinetik ... 56

6.3.5.1.3 Nebenwirkungen und Kontraindikationen ... 57

6.3.5.1.4 Indikation und Dosierung... 57

5.3.5.2 Aminopenicilline (Amoxicillin)... 58

5.3.5.3 Indikation und Dosierung ... 58

6.3.6 Cephalosporine ... 59

(5)

6.3.6.1 Pharmakokinetik und Nebenwirkungen... 59

6.3.6.2 Indikation und Dosierung ... 60

6.4 Makrolide (Azithromycin) ... 61

6.4.1 Pharmakodynamik... 61

6.4.1.1 Wirkungsmechanismus und Wirkungsspektrum ... 61

6.4.2 Pharmakokinetik ... 62

6.4.3 Unerwünschte Wirkungen und Interaktionen ... 62

6.4.4 Indikation und Dosierung ... 63

6.5 Die Behandlung während der Schwangerschaft ... 63

6.5.1 Indikation und Dosierung ... 63

6.6 Die Jarisch-Herxheimer-Reaktion... 64

6.7 Gründe für ein Versagen der Therapie ... 65

6.8 Die Gabe von Antibiotika als Vorbeugung einer Infektion nach einem Zeckenstich ... 65

7 KONTROVERSE THERAPIEVERFAHREN ... 66

7.1 Phytotherapie ... 66

7.1.1 Die Katzenkralle (Uncaria tomentosa) ... 66

7.1.2 Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) ... 67

7.2 Die Langzeittherapie ... 68

8 VORBEUGENDE MAßNAHMEN GEGEN EINEN ZECKENSTICH ... 69

8.1 Wie kann man sich vor Zecken schützen? ... 69

8.1.1 Repellentien (Insektenabwehrmittel)... 69

8.1.1.1 DEET (N,N-Diethyltoluamid, N,N-Diethyl-3-methylbenzamid)... 70

8.1.1.2 Icaridin (Picaridin, Hydroxyethylisobutylpiperidincarboxylat, Bayrepel®) ... 71

8.1.1.3 EBAAP (Ethyl-Butylacetylaminopropionat, IR3535) ... 72

8.1.1.4 Permethrin [3-Phenoxybenzyl(1RS)-cis, trans-3-(2,2-dichlorovinyl)- 2, 2-dimethylcyclopropancarboxylat]... 72

8.1.2 Biologische Repellentien ... 73

8.2 Zecken richtig entfernen... 73

8.3 Die „Zeckenschutzimpfung“ – FSME-Impfung ... 74

8.3.1 Die Impfstoffentwicklung... 74

8.3.2 FSME... 76

9 RÜCKFALLFIEBER: EINE WEITERE DURCH BORRELIEN HERVORGERUFENE ERKRANKUNG ... 78

9.1 Verbreitung, Vorkommen und Übertragung der Rückfallfieber- Borrelien ... 79

(6)

9.2 Das Krankheitsbild beim Rückfallfieber... 79

9.3 Diagnose und Therapie des Rückfallfiebers... 80

10 ANDERE BAKTERIELLE INFEKTIONEN DIE DURCH IXODES RICINUS ÜBERTRAGEN WERDEN KÖNNEN ... 81

10.1 Anaplasmose/Ehrlichiose... 81

10.2 Babesiose ... 82

10.3 Rickettsiose ... 82

11 ZUSAMMENFASSUNG ... 83

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 85

LITERATURVERZEICHNIS... 86

QUELLENVERZEICHNIS... 88

(7)

Borreliosen: Definition

Borreliosen sind eine durch Bakterien der Gattung Borrelia verursachte Gruppe von fieberhaften Infektionen, die meist durch Zecken oder Läuse übertragen werden. [17,18] Borrelien sind eine Gattung gram-negativer, beweglicher und flexibler Spiralbakterien, die zur Familie der Spirochäten gezählt werden und deren Name vom französischen Bakteriologen Amédée Borrel (1867-1936) geprägt wurde. [6]

(8)

1 Lyme-Borreliose: Eine vielfältige Erkrankung

1.1 Definition

Die Lyme-Borreliose ist eine multisystemische Infektionskrankheit, die mit verschiedenen dermatologischen, rheumatologischen, kardialen und neurologischen Symptomen einhergehen kann. Sie wird durch die von Zecken übertragene Spirochäte Borrelia burgdorferi ausgelöst. [5,9]

1.2 Entdeckung und Namensgebung der Lyme-Borreliose

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Europa verschiedene klinische Symptome einer Lyme-Borreliose beschrieben, ohne dass ein Übertragungsweg oder Infektionscharakter bekannt war. Man wusste nicht, dass dieselbe kleine Gruppe von Erregern zu verschiedenartigen Symptomen führt. [16]

Im Jahre 1883 berichtete der polnische Arzt Alfred Buchwald über einen Patienten mit diffuser idiopathischer Hautatrophie. Es handelte sich dabei um die erste Beschreibung der chronisch progredienten Dermato-Borreliose. 1902 erfolgte in Frankfurt durch Karl Herxheimer und Kuno Hartmann eine umfangreiche Benennung und Darstellung des Krankheitsbildes als Acrodermatitis chronica atrophicans. [10,14] Der schwedische Arzt Arvid Afzelius (1857-1923) beschrieb im Oktober 1909 seine Beobachtung einer wandernden Hautrötung. Er nannte sie Erythema migrans. Unabhängig davon dokumentierte der Wiener Dermatologe Benjamin Lipschütz (1878-1931) im Jahre 1913 eine Hautrötung an der Stelle eines Zeckenstiches. Diese konnte er über mehrere Monate lang hinweg beobachten. Er erkannte einen Zusammenhang zwischen dem Zeckenstich und der Hautrötung und vermutete, dass die Ursache für die Hauterkrankung in der Speichelflüssigkeit der Zecken zu finden wäre. [5,10] Erst 1945 wurde aufgrund der erfolgreichen Therapie mit den ersten Penicillinen davon ausgegangen, dass Bakterien die Ursache für die Erkrankung sind. [16] Die Untersuchungen des Müncheners Dermatologen Klaus Weber unterstützten diese Behauptung. Er erforschte systematisch alle in Betracht kommenden Erreger und konnte Viren als Ursache der Haut- und Nervenerkrankungen ausschließen.

(9)

In der Ortschaft Old Lyme im US-Bundesstaat Connecticut häuften sich Mitte der siebziger Jahre Meldungen über entzündliche Gelenkerkrankungen, die bei Kindern und Erwachsenen bis zu 100-mal häufiger als in anderen Landesregionen auftraten. Einige der Betroffenen konnten sich daran erinnern, von einer Zecke gestochen worden zu sein. [5,16] Aufgrund der Häufigkeit dieser Erkrankung in dem Ort Lyme, wurde sie vorerst Lyme-Krankheit genannt. [20]

Dem Biologen Willy Burgdorfer von den Rocky Mountain Laboratories (US- Bundesstatt Montana) gelang es im Jahre 1981 im Rahmen einer Studie über Rickettsien (Erreger des Fleckenfiebers) im Darm von Zecken der Gattung Ixodes den Erreger der Lyme-Krankheit nachzuweisen. Da es sich bei den entdeckten Erregern um eine neue Borrelienart handelte, wurden sie - ihm zu Ehren - 1984 Borrelia burgdorferi genannt. Dabei handelt es sich um ein Bakterium, das schraubenförmig ist und zur Familie der Spirochäten gehört. [5,16]

Die Krankheit mit ihren verschiedenen Manifestationen von jetzt an „Lyme- Borreliose“ zu nennen, wurde 1985 beim internationalen Symposium „Lyme Disease and Related Disorders“ in Wien beschlossen. [5] In den folgenden Jahren wurde die Erregeroberfläche erforscht und so über 40 Antigene, vor allem an der Bakterienoberfläche (Osp-Proteine), sowie an den Flagellen und Zytoplasmazylinder, gefunden. Bis heute konnten mittlerweile über zehn verschiedene Borrelienspezies nachgewiesen werden, die wissenschaftlich unter Borrelia burgdorferi sensu lato zusammengefasst werden. Als Genospezies werden einzelne Mitglieder dieses Erregerkomplexes bezeichnet. [14,16]

In den USA waren 1998 die klinischen Studien der ersten beiden Impfstoffe, die auf der Verabreichung von rekombinanten OspA-Antigenen basierten, gegen die Lyme-Borreliose beendet. Ein Impfstoff wurde 1999 von der US Gesundheitsbehörde FDA zugelassen. Da ihm im nachhinein nicht haltbare Nebenwirkungen zugeschrieben wurden, wurde er 2002 wegen ungenügendem Absatz wieder vom Markt genommen. [14]

(10)

1.3 Subtypen von Borrelia burgdorferi und Verbreitung

Abbildung 1: Weltweite Verbreitungsgebiete von Schildzecken bzw. der verschiedenen Genospezies

Vorerst wurde der von Willy Burgdorfer 1981 entdeckte und 1984 als neue Borrelienart identifizierte Erreger der Lyme-Borreliose als einheitliche Art angesehen. Bisher konnten 11 Genospezies durch molekulargenetische Analysen nachgewiesen werden. Davon sind die Genotypen Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia afzelii und Borrelia garinii humanpathogen. [5] Auch Borrelia spielmani und Borrelia bisettii können den Menschen infizieren und eine Lyme- Borreliose auslösen.

Die einzelnen Subtypen treten regional in unterschiedlicher Häufigkeit auf und unterscheiden sich in ihrer geographischen Verteilung. In der nördlichen Hemisphäre ist die Lyme-Borreliose die häufigste durch Zecken auf den Menschen übertragbare Erkrankung. Auf der Südhalbkugel tritt sie nicht auf. Am häufigsten kommen in Mitteleuropa Borrelia afzelii, Borrelia garinii, sowie in letzter Zeit auch Borrelia spielmani und Borrelia bisettii vor. Borrelia burgdorferi sensu stricto ist wahrscheinlich in Nordamerika die einzig vorkommende Genospezies. In Europa kommt diese eher selten vor.

Die einzelnen Subtypen verursachen bevorzugt bestimmte Krankheitsbilder einer Lyme-Borreliose (relativer Organotropismus). So führt eine Infektion mit Borrelia

(11)

afzelii häufig zu einem dermatologischen Krankheitsbild, eine Ansteckung mit Borrelia garinii verursacht in vielen Fällen neurologische Symptomatik und eine Infektion mit Borrelia burgdorferi sensu stricto führt unbehandelt zu einer Arthritis im Kniegelenk, was vor allem für Nordamerika und die dortige „Lyme Disease“

charakteristisch ist. Borrelia spielmani steht erst am Anfang seiner Erforschung, führt aber neben einem Erythem auch zu chronischen Hautveränderungen.

Erschwerend für die Diagnostik dieser vier Erregertypen ist, dass sie auf ihrer Oberfläche viele heterogene Eiweiße, sogenannte Oberflächenproteine, tragen.

Im asiatischen Raum findet man überwiegend die Genospezies Borrelia afzelii und Borrelia garinii. [16]

(12)

2 Borrelien

Borrelien gehören zur Familie der Spirochäten. Sie sind eine Gattung flexibler, gram-negativer und beweglicher Spiralbakterien mit einer Länge von 10-30 μm, einer Dicke von 0,25-0,5 µm und mit einer nicht konstanten Anzahl von unregelmäßig ausgebildeten Windungen. Diese Windungen werden durch Flagellenbündel gebildet. Bis zu 18 Flagellen umgeben den Protoplasmazylinder und sind an beiden Enden fixiert. Durch Kontraktion der Flagellen werden die Bakterien zusammengezogen und in der Folge in eine rotierende Bewegung versetzt. Die Flagellen und der Protoplasmazylinder sind von einer äußeren Membran umgeben. Diese Membran besitzt unterschiedliche Lipoproteine, die sogenannten outer surface proteins (Osp`s), die auch als Pathogenitätsfaktoren dienen. Klinische große Bedeutung haben die Gattungen Borrelia (Erreger der Borreliose) und Treponema (Erreger der Syphilis). [6,14,36]

Abbildung 2: Borrelia burgdorferi im Querschnitt

2.1 Reservoirwirte

Das Hauptreservoir der humanpathogenen Borrelien ist Rotwild und wild lebende kleine Nagetiere, wie z. B.: Mäuse. Die Zecken infizieren sich bei diesen Tieren und übertragen dann ihrerseits wieder den Erreger auf den Menschen. [6]

(13)

2.2 Aufbau von Bakterien

Bakterien gehören zu den Prokaryonten, sie sind zur selbständigen Vermehrung fähig und besitzen keinen Zellkern. [7] Die Erbsubstanz (DNA) liegt als lineare doppelsträngige oder zirkuläre DNA vor. Als sogenanntes Bakterienchromosom wird die eigentliche bakterielle DNA, die für das jeweilige Bakterium charakteristisch ist, bezeichnet. Dieses Bakterienchromosom liegt ohne Kernmembran im Zytoplasma. Es kann an einer oder mehreren Stellen mit der Zytoplasmamembran verbunden sein und wird als Kernäquivalent oder Nukleotid bezeichnet. Das Nukleotid wird nicht durch die Gramfärbung optisch hervorgerufen, sondern durch die Giemsa-Färbung.

Plasmide sind zirkulär-doppelsträngige DNA-Moleküle. Die Anzahl und Größe kann pro Bakterium sehr variieren. Die verfügbaren Plasmide werden bei der Zellteilung zufällig mit dem Zytoplasma auf die beiden Tochterzellen aufgeteilt.

Medizinisch relevante Plasmide sind unter anderem die Resistenztransferfaktoren (RTF). Sie tragen Gene, die für die Entwicklung einer Resistenz von Bakterien gegenüber antibiotischen Substanzen, wie z. B.: Penicillin, Tetracyclin, verantwortlich sind. [6,8]

Unter Stressbedingungen ist es Borrelia burgdorferi möglich seine Morphologie zu ändern. Dies kann der Fall sein, wenn das umgebende Milieu den Erfordernissen des Bakteriums nicht mehr entspricht. Experimentell konnte das erreicht werden durch Entzug von Sauerstoff oder Fettsäuren, aber auch durch die Anwesenheit von antibakteriell wirksamen Substanzen wie Penicillin, Tetracycline oder Ceftriaxon. In der Folge entwickeln sich atypische Formen, die für das Immunsystem nicht erkennbar und für Antibiotika nicht angreifbar sind. Umstritten bleibt jedoch, ob diese Formen eine klinische Bedeutung haben. [14]

2.2.1 Das Genom von Borrelia burgdorferi

Das Genom von Borrelia burgdorferi konnte entschlüsselt werden und hat eine Länge von 1521 kbp (Kilobasenpaaren). Es setzt sich aus 12 linearen und 9 zirkulären Plasmiden sowie aus einem linearen Chromosom zusammen. Das Genom unterliegt einem ständigen Wandel durch kurz- oder längerfristige

(14)

Veränderungen und es kann ein Sequenzaustausch zwischen den Genomteilen stattfinden. [14]

„Das Genom stellt für die Kodierung der Lipoproteine 4,9% der chromosomalen und 14,5% der Plasmid-DNA zur Verfügung. Auf dem Chromosom konnten 41, auf den Plasmiden 91 Gene lokalisiert werden, die vermutlich Lipoproteine kodieren.“

(Satz Norbert, Klinik der Lyme-Borreliose, 2009, S. 41, s. Abschn. 1.4)

Ein großer Teil der Antigene sind Lipoproteine. Sie sind an der Oberfläche lokalisiert, wie z. B.: p21-24, p31-33, 34-36 oder VlsE. Andere sind an den Flagellen lokalisiert, wie z. B.: p14.

p14 ist ein spezifisches Antigen für Borrelia burgdorferi. Es ist ein Polypeptid und stimuliert zu Beginn der Infektion die Bildung von IgM-Antikörpern.

p21-24 (OspC) wird in der saugenden Zecke, bei der Übertragung auf den Wirt und zu Beginn der Infektion gebildet. Es ist ein heterogenes, spezifisches Oberflächenprotein.

p31-33 (OspA) bewirkt die Bildung von Antikörpern, die im späteren Verlauf der Infektion gebildet werden.

p34-36 (OspB) bewirkt wie OspA die Bildung von Spätantikörpern.

VlsE (variable major protein-like sequence, expressed) kommt bei allen Borrelia burgdorferi Spezies vor. Es besitzt die Fähigkeit seine Oberfläche ständig zu verändern. Dadurch kann es dem Immunsystem des Wirtes entgehen. Das Protein setzt sich zum einen aus einer geschützten Region zusammen, dessen Domänen in der Bakterienmembran liegen und zum anderen aus den äußeren Domänen, die aus variablen und invariablen Regionen bestehen. Die variablen Regionen umgeben den Kern und befinden sich an der Außenfläche. Im Inneren des Kernes befinden sich die invariablen Regionen. Aus den sogenannten variable major protein-like sequences (vls) besteht die DNA, die für die verschiedenen VlsE kodiert. Eine spezifische vlsE- DNA wird für die Expression der VlsE-Proteine zusammengestellt. Dazu werden sechs zufällig ausgewählte variable Regionen mit sechs invariablen Regionen, die fix mitgenommen werden, ergänzt. Dadurch ergibt sich eine unbegrenzte Variationsbreite der Proteinoberfläche. [14]

(15)

2.2.1.1 Die Änderung der Expression von Oberflächenproteine

Im Laufe einer Infektion mit Borrelia burgdorferi ändert der Erreger bis zu über zehnmal seine Oberfläche. Diese Antigenität ist eine Methode, um dem Immunsystem zu entgehen. Das Bakterium trägt für jede Antigenvariante ein Gen.

Die kurzfristigen Veränderungen werden nicht durch Genmutation erreicht, sondern durch wechselnde Aktivierung oder Rekombination der Gene.

Diese Oberflächenveränderungen können auch bei der Lyme-Borreliose maßgeblich für den schubweisen Verlauf sein, für den Übergang in eine chronische Form oder für die unterschiedlich starken Reaktionen des Gewebes auf das Bakterium. Es wird angenommen, dass den meisten von Borrelia burgdorferi gebildeten Oberflächenproteine eine bestimmte Funktion zukommt.

Bisher ist darüber nur wenig bekannt. [14]

2.2.2 Zellmembran von Bakterien

Die Zytoplasmamembran (Zellmembran) besteht aus einer Doppelschichtstruktur aus Lipiden mit hydrophilen Lipidgrenzschichten nach außen und hydrophoben Fettsäureketten dazwischen. In die Doppelschicht sind etliche Membranproteinmoleküle eingelagert. Diese können entweder auf der Membran aufgelagert sein oder die Membran ganz durchqueren. Die bakterielle Zytoplasmamembran beinhaltet außerdem die Enzyme für die oxidative und nicht oxidative Phosphorylierung (ATP-Synthese) und für den Elektronentransport. Von den bakterienspezifischen Enzymen, die auf der Zellwand aufliegen oder auch teilweise in ihr verankert sind, weisen einige hohe Affinität für β-Lactam-Antibiotika auf, man nennt sie penicillinbindende Proteine (PBP). Zu den enzymatischen Funktionen der PBP zählen Endopeptidase-, Transpeptidase-, Carboxypeptidase- und Transglykosylpeptidaseaktivität. Das sind Enzymeigenschaften, die für die Synthese und Modifizierung der Peptidoglykanschicht (Murein) bakterieller Zellwände einen großen Stellenwert haben. Die Wirkung der β-Lactam-Antibiotika z. B.: beruht darauf, dass sie mit den PBP stabile, kovalente Komplexe bilden und dadurch die PBP dauerhaft blockieren. Es kommt zu Fehlern in der Zellwandbiogenese, was zum Tod der Bakterien führt. [6]

(16)

2.2.3 Zellhülle von Bakterien

Die Zellhülle der Bakterien besteht aus einem netzwerkartig angelegten und als Sack ausgebildeten Riesenmolekül (Sacculus). Es wird als Peptidoglykan oder Murein bezeichnet und ist ein Heteropolymer. Zur Bildung müssen Glykopeptidpolymere aus N-Acetyl-Muraminsäure und N-Acetyl-Glucosamin untereinander vernetzt werden. Dies erfolgt bei gram-negativen Bakterien durch Peptidbindungen. Die Zellhülle erfüllt unterschiedliche Funktionen. Sie dient als mechanischer Schutz vor Schwankungen des osmotischen Druckes im Milieu und ist für die Formgebung der Bakterien verantwortlich. Besonders bei gram- negativen Bakterien dient sie als Permeabilitätsbarriere. Manche antibakteriell wirksame Substanzen sind gegenüber gram-positiven Bakterien gut wirksam, dafür gegenüber gram-negativen überhaupt nicht und wenn, dann nur in hohen Konzentrationen. Verantwortlich dafür ist die geringe Permeabilität der äußeren Membran. Weiters ist die Zellhülle Träger von Virulenzfaktoren. Diese Außenstrukturen behindern unter anderem die Phagozytose. Weiters vermittelt im Falle einer Infektion die Zellhülle den ersten und unmittelbaren Kontakt mit dem Wirtsorganismus und dessen Immunsystem. Fast alle Bestandteile der Zellhülle sind in der Lage, das spezifische und unspezifische Immunsystem zu beeinflussen. [6,8]

2.2.4 Die Gram-Färbung

Die Gram-Färbung ist nach dem dänischen Arzt Hans Christian J. Gram (1853- 1938) benannt. Er veröffentlichte 1884 eine Färbemethode, die er entwickelt hatte, um Bakterien in Gewebeschnitten besser sichtbar zu machen. Erst Jahre später stellte sich heraus, dass man mit dieser Methode die meisten für die Medizin relevanten Bakterien, je nach Dicke der Peptidoglykanschicht, schnell und einfach in zwei Gruppen einteilen kann. In die gram-negativen und in die gram-positiven.

Der Farbstoff Gentianaviolett wird je nach Dicke der Peptidoglykanschicht mit unterschiedlicher Affinität gebunden. Die Bakterien unterscheiden sich nicht nur in ihrem Färbeverhalten, sondern auch in ihren Virulenzeigenschaften und in ihrer Antibiotikaempfindlichkeit. [6,8]

(17)

2.2.4.1 Durchführung der Gram-Färbung

Jod bildet mit basischen Anilinfarbstoffen (z. B.: Gentianaviolett oder Methylviolett) Komplexe. Mit Hilfe von Alkohol können die Farbstoffkomplexe aus bakteriellen Zellwänden mit nur einer Peptidoglykanschicht (Murein) herausgelöst werden. Bei Bakterien mit mehreren Peptidoglykanschichten können sie nicht mehr herausgelöst werden.

Zunächst wird auf das hitzefixierte Präparat Gentianaviolett aufgetragen und nach einer kurzen Einwirkzeit mit Wasser wieder abgespült. Anschließend wird Lugolsche Lösung (jodhaltig) auf das Präparat gegeben. Nach einer kurzen Einwirkzeit wird diese ebenfalls abgewaschen. Danach wäscht man das Präparat mit 96%igem Alkohol, bis keine Farbe mehr abgeht. Bei Bakterien mit mehreren Peptidoglykanschichten in der Zellwand ist die Entfärbung mit Alkohol erfolglos, da zwischen den Peptidoglykanschichten der blaue Farbstoff festsitzt. Diese Bakterien werden daher als gram-positiv (blau) bezeichnet. Im Anschluss wird das Präparat mit Fuchsin behandelt und danach wieder gewaschen. Bakterien mit nur einer Peptidoglykanschicht wurden im vorherigen Schritt entfärbt und durch die Behandlung mit Fuchsin jetzt rot gefärbt. Das heißt, sie sind gram-negativ (rot).

[8,37]

Abbildung 3: Zellwandaufbau gram-negativer und gram-positiver Bakterien (PBP = Penicillin- Bindeproteine, LPS = Lipopolysaccharide)

(18)

2.2.5 Die Zellhülle gram-negativer Bakterien

Bei gram-negativen Bakterien besteht die Mureinschicht aus einer dünnen oligomolekularen Schicht von Molekülen. Eine äußere Membran ist der Mureinschicht aufgelagert. Die innere Hälfte der Membran ist aus Phospholipiden aufgebaut und in der äußeren Lamellenhälfte liegen Lipopolysaccharide (LPS), auch Endotoxine genannt. Dabei handelt es sich um integrale Bestandteile der Bakterienzelle, die beim Zerfall der Bakterien frei werden. Unter dem Begriff LPS werden die drei makromolekularen Anteile (O-Antigen, Kernpolysaccharid und Lipid A) zusammengefasst. Das Lipid A (Lipidanker) ist für die toxische Wirkung verantwortlich. Zusätzlich befinden sich in der äußeren Membran Porine. Das sind Proteine mit Porenfunktion. Sie sind für die Permeabilität z. B.: für Ionen wie Natrium oder Kalium verantwortlich. [6,8]

(19)

3 Die Überträger der Lyme-Borreliose

3.1 Einleitung

Zecken sind Spinnentiere und als sogenannte Ektoparasiten (Außenparasiten) saugen sie Lymphe, Blut und Gewebebrei. Dabei können sie Krankheitserreger aufnehmen und auch auf Mensch oder Tier übertragen. [16] Bis heute zählen die Zecken als die einzigen erwiesenen Überträger von Borrelia burgdorferi sensu lato. [14]

Zecken werden schon seit langen Zeiten als lästige Begleiter der Landwirbeltiere betrachtet. In 50 Millionen Jahre altem Bernstein wurden eingeschlossene Zecken aufgefunden, die an den heutigen Gemeinen Holzbock erinnern. Schon seit 100 Millionen Jahren gibt es Zecken und weltweit kommen ca. 850 verschiedene Zeckenarten vor. Für die Human- und Veterinärmedizin sind nur wenige Arten von großer Wichtigkeit. [16] Zwischen 1889 und 1893 gelang es dem amerikanischen Pathologen Theobald Smith (1859-1934) und dessen Mitarbeiter Frederick Kilbourne (1858-1936) erstmals den experimentellen Nachweis zu erbringen, dass Zecken potentielle Überträger von Krankheitserregern sind. [5]

Aus der großen Gruppe der Bakterien stammen wichtige von Zecken übertragene Krankheitserreger. Hier sind die Borrelien, die zur Familie der Spirochäten (Gattung Borrelia) gehören, am bedeutsamsten. Sie rufen die in den nördlich gemäßigten Klimazonen weit verbreitete Lyme-Borreliose hervor.

Aus der Gruppe der Viren ist vor allem das Virus der Frühsommer- Meningoenzephalitis (FSME) zu nennen. Es kann zu schweren Erkrankungen des zentralen Nervensystems führen. Auch einzellige Parasiten wie z. B.: die Babesien der Gattung Babesia (Verwandte der Malariaerreger) sind zu nennen. In Europa treten sie nur selten beim Menschen auf. [16]

(20)

3.2 Systematische Einteilung der Zecken

Zecken gehören nicht zu den Insekten, sondern zu den Spinnentieren.

Sie werden zu den Arthropoden und zur Subklasse der Milben (Acari) gezählt. Die Überfamilie der Zecken (Ixodoidae) wird in die beiden Familien der Schildzecken (Ixodidae) mit ca. 650 Arten und der Lederzecken (Argasidae) zu der ca. 200 Arten gehören, gegliedert. [13,16]

Abbildung 4: Eine Übersicht über die systematische Einteilung der Zecken

Die beiden großen Familien differenzieren sich in ihrer Morphologie, in Einzelheiten ihres Lebenszyklus und in ihren Lebensbereichen. [21] Es gibt in beiden Familien Arten, die ihr Vorkommen, ihren Lebenszyklus und ihr Verhalten auf ganz bestimmte Wirtsarten angepasst haben (Spezialisten) und andere, die ein breites Wirtsspektrum haben (Generalisten). Als Überträger wichtiger Krankheitserreger auf den Menschen kommen Vertreter beider Familien in Frage.

[16] Allen Zecken gemeinsam ist, dass sie sich vom Blut von Wirbeltieren ernähren.

(21)

Die Leder- oder Argas-Zecke saugt in kurzer Zeit (Minuten bis Stunden) wiederholt relativ kleine Mengen an Blut. Im Gegensatz dazu nehmen die Schildzecken von derselben Körperstelle des Wirtes, nur einmal in jedem Entwicklungsstadium (Larve, Nymphe, erwachsene weibliche Zecke), über mehrere Tage eine große Blutmahlzeit zu sich. Männliche Zecken hingegen können nur eine geringe Masse Blut aufnehmen. [22]

Bei der Schildzecke entwickelt sich nach dem Eistadium die Larve, darauf bildet sich die Nymphe und dann die erwachsene Zecke. Die Lederzecken hingegen durchlaufen mehrere Nymphenstadien. Die Weibchen der Lederzecken legen ihre Eier nach jeweils einer nur mäßig umfassenden Blutmahlzeit in einigen Schüben von etlichen Hundert ab. Die Schildzeckenweibchen legen im Gegensatz dazu nur einmalig, nach einer äußerst ausgiebigen Blutmahlzeit, mehr als tausend Eier ab.

Einige Arten legen sogar mehr als 10.000 Eier ab. Die Schildzecken kommen so auf zwei oder drei große Blutmahlzeiten. Die Lederzecken kommen demgegenüber auf bis zu zehn. Sie kommen deshalb auf so viele Blutmahlzeiten, weil jedes Nymphenstadium eine Blutmahlzeit aufnimmt und das Weibchen zwischen den Eiablagerungen auch jedes mal einen Wirt befällt. Durch die Anzahl an Blutmahlzeiten und der großen Hungerfähigkeit zwischen den Mahlzeiten, kann es vorkommen, dass manche Lederzeckenarten 10 Jahre alt werden. [16]

Hauptvektoren (Überträger) von Borrelia burgdorferi auf den Menschen sind Zecken der Gattung Ixodes ricinus (Europa), I. scapularis und I. pacificus (USA) und I. persulcatus (Asien). [9]

Aus medizinischer Sicht ist vor allem der in weiten Teilen Europas verbreitete Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) von Bedeutung. Er gehört zur Familie der Schildzecken. [16]

Abbildung 5: Ixodes ricinus

(22)

3.3 Der Gemeine Holzbock – Ixodes ricinus

Die wissenschaftliche Bezeichnung des Gemeinen Holzbockes, Ixodes ricinus, bezieht sich auf die äußere Ähnlichkeit des mit Blut vollgesogenen Weibchens mit dem Samen der Rizinus-Pflanze.

Abbildung 6: Ein mit Blut vollgesogenes Weibchen

Umgangssprachlich wird er auch Holzbock, Laubbock, Wald- oder Schildzecke genannt. Das Wort Zecke kommt aus dem altgermanischen und bedeutet

„Zwicker“. [15,16]

3.3.1 Körperbau

Der Holzbock kann durchschnittlich Größen zwischen 2,5 und 4,5 Millimeter erreichen, wobei die Weibchen meist größer sind, als die Männchen. [14] Es gibt einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus.

Männliche Tiere dieser Gattung sind mit einer besonders ausgeprägten Form des Chitinschildes (Scutum) ausgestattet, das nahezu den gesamten Rücken bedeckt.

Dadurch erscheinen die erwachsenen Männchen als schwarze Zecke. Gebildet wird dieses durch sklerotisierte Endocuticula. Das Schild wird von Bündeln ausgedehnter Porenkanäle durchzogen. Weibliche Zecken dieser Gattung besitzen auch ein Chitinschild, dieses ist aber kleiner und es bedeckt nur einen kleinen Teil des Rückens. Ein erwachsenes nüchternes Weibchen erkennt man an seinem großen, roten Abdomen.

(23)

Der Körper lässt sich in die Vorderseite, das Gnathosoma, welches die verhältnismäßig großen Saug- und Stechwerkzeuge enthält und den restlichen Körper, das Idiosoma einteilen. Die Augen (wenn vorhanden) und das Gehirn liegen auf dem Idiosoma.

In den drei Entwicklungsstadien verändert sich besonders die Größe. Die Larve ist fast durchsichtig und kaum größer als einen Millimeter. Charakteristisch für die Larve ist, dass sie nur sechs der acht Beine besitzt.

Erst im zweiten Entwicklungsschritt dem Nymphenstadium entwickelt sich das vierte Beinpaar. Jedes der Beine besteht aus sieben Segmenten. Der letzte Entwicklungsschritt ist der zum geschlechtsreifen erwachsenen Tier. Die einzelnen Stadien schließen mit einer Häutung ab. [14,24]

An der Unterseite des Tieres, hinter dem Ansatz des letzten Beinpaares, kann man die beiden Atemöffnungen erkennen. Diese fehlen im Larvenstadium. Etwa in der Mitte des Körpers lässt sich bei den erwachsenen Tieren die Geschlechtsöffnung feststellen.

Abbildung 7: Die verschiedenen Entwicklungsstadien der Zecke

Im Körperinneren befinden sich große, paarige Speicheldrüsen, die für den Wasserhaushalt der Zecke wichtig sind, aber auch bei der Erregerübertragung eine Rolle spielen. Bei der hungrigen Zecke kommen FSME-Viren in den Speicheldrüsen vor. Ebenso erfolgt die Übertragung von Borrelien über dieses Organ. In den langen Phasen zwischen den Blutmahlzeiten befinden sich in der

(24)

infizierten Zecke im Mitteldarm die „ruhenden“ Borrelien. Dieser nimmt auch die vergleichsweise großen Blutmahlzeiten auf. [16] Der Verdauungstrakt des Gemeinen Holzbockes besteht aus drei Teilen, dem Vorder-, Mittel- und Hinterdarm.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Milbenarten verfügt er über ein Blutgefäßsystem und ein kleines Herz. Dieses pumpt das Blut in eine kurze Aorta.

Von der Aorta gehen acht Abzweigungen weg, die jeweils in einem der acht Beine enden. [24]

3.3.2 Entwicklungszyklus und Generationswechsel

Der Lebenszyklus des Gemeinen Holzbockes verläuft vom Ei bis zur geschlechtsreifen Zecke über drei Entwicklungsstadien und dauert je nach Wirtsangebot und Klima zwei bis sechs Jahre.

Das ausgewachsene Weibchen legt ihre 2000-3000 Eier bevorzugt im herbstlichen Laub ab und stirbt dann. [4,16] Durch das Genésche Organ ist das Weibchen in der Lage, die Eier mit einer wachsartigen Substanz mit Hilfe einer Drüse zu umhüllen und sie so vor dem Austrocknen zu bewahren. [24,65] Aus diesen Eiern schlüpfen im nächsten Frühjahr ein Millimeter lange Larven, die je sechs Beine besitzen. Für die Larven kommen verschiedene Wirte wie Mäuse, Eichhörnchen oder Igel für die Blutmahlzeit in Frage. Normalerweise setzen sie sich an dünnhäutigen Körperstellen wie z. B.: rund um die Augen oder an den Ohren fest und saugen für 4-5 Tage. Etwa 1 Prozent der Larven wird infiziert von mit Borrelien befallenen Kleintieren. [10,16]

Die Zecke verlässt nach Beendigung ihrer Blutmahlzeit den Wirt. Nach einigen Wochen bzw. Monaten ist die Entwicklung zur achtbeinigen Nymphe beendet. Sie findet ihren Abschluss mit der Häutung. Das Blutsaugen als Nymphe dauert ca. 3- 5 Tage.

Zur Entwicklung von erwachsenen weiblichen und männlichen Tieren kommt es nach einer weiteren Blutmahlzeit. Um ausreichend Bau- und Nährstoffe für die Produktion der Eier zu bekommen, nimmt nur das Weibchen noch eine große Blutmahlzeit auf. Das weibliche Tier wird während des Saugaktes oder auch schon davor von einem oder mehreren männlichen Tieren begattet. Kurz nach der

(25)

Paarung stirbt das Männchen, das Weibchen erst nach der Eiablage. Der Zyklus wiederholt sich.

Zwischen den Blutmahlzeiten können die Zecken lange Zeit hungern, indem sie ihren Stoffwechsel verlangsamen. Sie sind in der Lage in diesen Phasen mit Hilfe eines Wasser anziehend wirkenden (hygroskopischen) Speichelsekretes Wasserdampf aus der umgebenden Luft aufzunehmen. Die relative Luftfeuchte soll mindestens 80-85% betragen.

Abbildung 8: Die wichtigsten Wirte für die Blutmahlzeiten der einzelnen Entwicklungsstadien sind dargestellt. Außerhalb des Zyklus befindet sich der Mensch, da auf ihm der Saugakt normalerweise

nicht beendet wird.

Damit die Zecke ihre Art erhalten kann, ist die große Zahl von Eiern notwendig.

Nicht viele Zecken bewältigen den komplexen Entwicklungszyklus. Aus den etwa 1000 Eiern gehen ca. 100 Larven hervor. Aus diesen vielleicht 10 Nymphen und daraus eine erwachsene, geschlechtsreife Zecke. Bei der Übertragung von Krankheitserregern spielen Larven eine kleinere Rolle als die Nymphen und erwachsenen Zecken. Durch das kleine Stechorgan können die Larven die Haut des Menschen nur an sehr dünnen Hautstellen durchdringen. [16]

(26)

Nach einer Blutmahlzeit kommt es immer zum Generationswechsel, der einem bestimmten Schema folgt. Der erste Wechsel erfolgt von der Larve zur Nymphe und der Zweite von der Nymphe zur erwachsenen Zecke.

Anfangs kommt immer die Blutmahlzeit. Sie kann je nach Wechsel unterschiedlich lange dauern. Der Holzbock lässt sich nach dem Blutsaugen einfach zu Boden fallen und sucht sich anschließend ein passendes Versteck. Ideale Bedingungen wie hohe Luftfeuchtigkeit und warme Temperaturen findet er im Laub. Dann beginnt er sich zu häuten. Die Häutung kann einige Tage dauern und oft ist es danach schon zu spät, um im selben Jahr noch einen Wechsel zu schaffen. Daher wird während der kalten Jahrszeit eine Ruhepause gemacht und im nächsten Frühjahr wiederholt sich der Vorgang. [65]

3.3.3 Aktionsradius und Lebensraum

Zecken bevorzugen Orte wo ihre natürlichen Wirte häufig vorkommen.

Waldlichtungen mit hoch gewachsenem Farn oder Gras, sowie Waldränder, aber auch Bachränder mit ausreichend Bewuchs kommen dafür in Frage. Der Vorzug wird Misch- und Laubwälder gegeben. In reinen Tannenwäldern sind sie eher selten anzutreffen. Da sie sehr anpassungsfähig sind, können sie durchaus auch in trockenen Wüstengebieten oder in großen Höhen überleben. Sie benötigen ein Klima mit relativ warmen Temperaturen und mit hoher Luftfeuchtigkeit (80%).

Diese guten Voraussetzungen finden sie bei uns im Frühsommer, also April bis Juni und im Herbst, September und Oktober. In dieser Zeit sind sie am aktivsten.

Im Hochsommer lässt die Aktivität nach, da die Luftfeuchtigkeit zu gering ist und die Gefahr des Austrocknens besteht.

Die Zecken halten sich im Laub, am Strauchwerk oder am Boden auf. Die Larven können bis zu 25 Zentimeter, Nymphen bis zu 50 Zentimeter und eine erwachsene Zecke bis zu 1 Meter an den Pflanzen nach oben klettern. Die Kletterhöhe der Tiere ist von der Feuchtigkeit abhängig. Diese nehmen die Zecken über das sogenannte Hallersche Organ wahr. Mit zunehmender Entfernung vom Boden nimmt die Feuchtigkeit ab. Ist es zu trocken, klettert die Zecke wieder zurück zum Boden. [10,14]

(27)

3.3.4 Die Sinnesorgane

Alle Zeckenarten verfügen über effektive Sinnesorgane, mit deren Hilfe sie zu eindrucksvollen Sinnesleistungen fähig sind. [16] Die meisten davon sind Sinneshärchen (Tasthärchen). Der Gemeine Holzbock verfügt über ein Organ im untersten Segment des vordersten Beinpaares, mit dem es ihm möglich ist, einen potentiellen Wirt zu erkennen. Es dient ihm als Chemorezeptor und wird Haller- Organ bezeichnet. [24,62] Damit werden unter anderem chemische Reize wahrgenommen, wie z. B.: Kohlendioxid, das jeder Wirt ausatmet, aber auch Butter- und Milchsäure, die beim Schwitzen freigesetzt werden oder Ammoniak, das im Urin vorkommt. [61,62] Diese Stoffe werden von Zecken wahrgenommen und sie erkennen, dass ein Wirt in der Nähe sein muss. [16] Das Hallersche Organ ist auch sensibel gegenüber physikalischen und thermischen Reizen. [14] Durch die Erhöhung der Umgebungstemperatur erkennt der lauernde Holzbock, wenn ein Wirt sich nähert. Ebenso werden die Vibrationen, die jeder Wirt auslöst, wahrgenommen. [10] Das Haller-Organ befindet sich an beiden Vorderbeinen. Der Holzbock spreizt in Lauerstellung beide Vorderbeine in Längsrichtung vom Körper ab, wodurch eine gute Wahrnehmung gewährleistet ist. Streift ein Wirt vorbei, hält sich die Zecke an diesem fest. [16,32,63,65]

Abbildung 9: Das Hallersche Organ

(28)

3.3.5 Der Saugapparat

Der Mundbereich des Gemeinen Holzbockes (Gnathosoma) enthält die Saugwerkzeuge, die aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sind. Es ist ein vom restlichen Körper abgegliederter Teil. Die Pedipalpen dienen dem Holzbock als Tastorgan. [24] Dabei handelt es sich um paarig angelegte, mit Sinneshaaren besetzte Teile des Mundwerkzeuges, mit deren Hilfe er die Haut abtasten kann. [23] Hinter den Pedipalpen befinden sich die beiden Cheliceren (scherenartige Mundwerkzeuge, Kieferklaue). [64,72] Mit diesen kann die Zecke die Haut „verletzen“, da sie mit Widerhaken ausgestattet sind. [24] Nach dem Schnitt mit den Mundwerkzeugen kommt das Hypostom (Stechrüssel) zum Einsatz. [64,72] Es handelt sich dabei um einen zungenartigen und mit feinen Widerhaken besetzten Teil des Mundapparates. Dieses wird in die Haut eingeführt. Mit Hilfe dieses Stechrüssels kann der Holzbock Blut saugen. [14,24]

Abbildung 10: Das Gnathosoma von Ixodes ricinus

3.3.6 Blutmahlzeit und ihre Bedeutung für die Übertragung von Krankheitserregern

Bei den Larven des Gemeinen Holzbockes dauert die Blutmahlzeit ca. 4-5 Tage, bei den Nymphen ca. 3-5 Tage und etwa 6-10 Tage bei einem erwachsenen Weibchen. Während dieser Zeit kommt es zu einer gewaltigen Zunahme der Körpermasse. Die Larven können das 10-20-Fache, die Nymphen das 15-40- Fache und ein ausgewachsenes Weibchen sogar das 100-200-Fache des ursprünglichen Gewichtes zunehmen. Erst im letzten Drittel der Blutmahlzeit treten

(29)

die auffallenden Größenveränderungen auf. Die Gewebemengen wie Darm, chitinreiche Körperhülle oder Cuticula müssen erst von der Zecke gebildet werden.

Ohne dieses Wachstum wäre es unmöglich, derartig große Nahrungsmengen aufzunehmen.

Bevor der Gemeine Holzbock jedoch mit der Blutmahlzeit beginnen kann, sucht er auf dem Wirt, eine geeignete Stelle zum Stechen. Das kann das eine mal nur Minuten dauern, das nächste mal Stunden. [16] Die Stelle wird nach zwei wichtigen Kriterien ausgewählt. Das erste Kriterium ist die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur. Nicht selten findet man Zecken in den Kniekehlen, der Leistengegend, in Haaransätzen oder auch manchmal hinter den Ohren. Das zweite Kriterium ist dünne Haut. Ist die Haut zu dick, kann der Stechapparat nicht durch sie hindurch dringen. Zunächst krallt sich die Zecke in der Haut fest und kann so den nötigen Widerstand zum Stechen aufbringen.

Dann wird mit Hilfe der Cheliceren ein „Loch“ in die Haut geschnitten und danach das Hypostom eingeführt. [65] Zecken stechen keine Blutgefäße an, wie z. B.: die weibliche Stechmücke. [16] Zecken ernähren sich von der austretenden Lymphflüssigkeit, von Blut und Gewebeflüssigkeit.

Der Gemeine Holzbock gibt nach dem Einstich ein Sekret in die Wunde ab, das aus verschiedenen Komponenten besteht. Es beinhaltet unter anderem einen Gerinnungshemmer, der einen guten Blutfluss ermöglicht und ein Verstopfen des Saugapparates verhindern soll. Eine wichtige Komponente des Sekrets ist das Betäubungsmittel. Es bewirkt, dass die Einstichstelle unempfindlich wird und der Wirt das Hypostom nicht bemerkt. Aufgrund der langen Blutmahlzeit, sie kann bis zu einer Woche dauern, enthält das Sekret einen entzündungshemmenden Wirkstoff. Dieser soll an der Einstichstelle die Stimulierung der körpereigenen Immunabwehr vermeiden. [65,66] Die Pedipalpen, die beim Saugvorgang umgeklappt werden können, sind kreisförmig um das Hypostom angeordnet. Sie liegen direkt auf der Haut und werden von einer klebrigen Masse, [65] dem sogenannten „Zeckenzement“, der letzten wichtigen Komponente des Sekretes, festgehalten. Dieser „Zeckenzement“ hat den Schildzecken der Familie Ixodiae und somit auch dem Gemeinen Holzbock ihren wissenschaftlichen Namen gegeben. Die Römer stellten aus der Mistel (ixos) Klebstoff her. [16] Durch diesen Klebstoff lässt sich der frisch angesogene Zeck sehr schwer entfernen. Es wäre wahrscheinlicher, dass man das Gnathosoma abreißt, als das sich diese

(30)

Verbindung auflösen könnte. Gleichzeitig wird die Wunde dadurch verschlossen und so das Risiko einer Infektion reduziert. [65]

Hat der Holzbock Blut aufgenommen, ist er bestrebt, dieses einzudicken und damit nährstoffreicher zu machen. Deshalb entzieht er dem Blut Wasser. [16] Bei der Blutaufnahme spuckt und würgt die Zecke immer wieder unverdauliche Nahrungsreste in den Wirt zurück. Vor allem bei diesem Vorgang können Krankheitserreger, die sich bei einer infizierten Zecke im Darm befinden, auf den Wirt übertragen werden. [66]

Borrelia burgdorferi exprimiert im Mitteldarm der Zecke das äußere Oberflächenprotein OspA (outer surface protein A). Dieses vermittelt die Haftung an das Darmepithel. Das frisch aufgenommene Blut bewirkt, dass nicht mehr OspA gebildet wird, sondern OspC. Dadurch gelangen die Borrelien nach einer Passage durch die Darmwand in die Körperflüssigkeit der Zecke (Hämolymphe) und über die Speicheldrüsen in den Stichkanal und so in den Wirt. Dies geschieht mitunter nicht sofort, sondern erst Stunden später. Bei Borreliose gilt in der Regel ein Zeitfenster von 8 bis 24 Stunden nach dem Einstich. Wenn sich der Erreger im Wirt gegen den Widerstand der Immunabwehr in größerer Zahl etabliert hat, kann eine klinische Erkrankung entstehen. Im Gegensatz dazu werden die FSME-Viren schon in den ersten Stunden des Saugaktes auf den Wirt übertragen.

Ist der Holzbock nach Tagen fertig mit dem Blutsaugen, wird ein Enzym gebildet, das zur Auflösung des Zementes führt. Jetzt fällt er von alleine ab oder er lässt sich leicht entfernen. [9,16]

Abbildung 11: Die Zecke bei der Blutmahlzeit

(31)

4 Krankheitsbild der Lyme-Borreliose

4.1 Pathogenese (Entstehung und Entwicklung einer Erkrankung)

Eine Infektion mit Borrelia burgdorferi kann symptomatisch (Borreliose) oder asymptomatisch (Erregerelimination) verlaufen. Bei symptomatischem Verlauf kommt es nach der Infektion zum Auftreten von typischen lokalen Hautrötungen.

[39]

Im Zuge der Blutmahlzeit wird Borrelia burgdorferi von der infizierten Zecke auf den Menschen übertragen. Der Erreger verändert während der Übertragung seine Oberflächenstruktur. Dadurch kann er sich optimal an die verschiedenen Bedingungen im Wirt anpassen. Die Folge ist, dass das Immunsystem des Menschen nicht imstande ist, zeitnah alle Erreger zu registrieren und zu eliminieren. Zunächst vermehren sich die Borrelien lokal und breiten sich um den Infektionsort herum aus. Dies führt in etwa der Hälfte der Fälle zu dem typischen Zeichen des Erythema migrans (Wanderröte). Zu einer Streuung des Erregers kann es über die Blut- und Lymphbahn binnen weniger Tage kommen. Man geht davon aus, dass Borrelia burgdorferi ein primär extrazellulärer Erreger ist. Studien haben aber auch gezeigt, dass die Spirochäten an humanen Zellen wie endotheliale Zellen, Blutplättchen, Lymphozyten und Fibroblasten haften (Adhärenz) und auch teilweise in diese Zellen eindringen (Invasion) können. Der Erreger ist in der Lage, verschiedene Gewebe des Menschen zu besiedeln. Er kann sich unter anderem im zentralen Nervensystem oder in Gelenken (immunprivilegierte Bereiche) der Immunantwort entziehen. Das erschwert wiederum eine Antibiotikatherapie. [25]

Die äußeren Membranproteine (outer surface proteins; Osp`s) fördern die Invasion, induzieren Entzündungsreaktionen und schützen sich vor der natürlichen Wirtsabwehr (z. B.: Komplement). Bisher wurden OspA bis OspF beschrieben. Die Osp`s werden auf Plasmiden kodiert und besitzen hohe Variabilität. [73] Die Erreger können durch die Variabilität der äußeren Membranproteine der humoralen Immunabwehr entgehen (Immun-escape-Mechanismus). [6]

(32)

Die Inkubationszeit kann je nach klinischer Symptomatik der Erstmanifestation variieren: Tage bis Wochen für Stadium 1, für Stadium 2 Wochen bis Monate und für Stadium 3 oft Monate bis Jahre. Jede einzelne klinische Manifestation kann isoliert, aber auch in unterschiedlichen Kombinationen auftreten. [26]

4.2 Die Immunantwort

Dass unterschiedliche Organe am Krankheitsgeschehen beteiligt sind, ist die Folge der Invasion von Borrelia burgdorferi. Ist man erst einmal infiziert, proliferieren die Spirochäten und wandern zentrifugal. Entzündungsreaktionen werden in Gang gesetzt, die lokale Durchblutung nimmt zu und Entzündungszellen treten ins Gewebe über. [14]

4.2.1 Makrophagenaktivierung

Für den weiteren Verlauf der Infektion ist die zelluläre Immunreaktion von Bedeutung. Da sie die erste Abwehrfront gegen den Erreger in der Haut bildet, hängt es von ihr ab, ob ein Erythema migrans mit Allgemeinsymptomatik einhergeht, ob die Krankheit disseminiert1, ob weitere Organe betroffen werden oder ob die Krankheit ausheilt oder chronisch wird. Die Lipoproteine von Borrelia burgdorferi werden von Toll-artigen Rezeptoren-22 der Makrophagen erkannt, mit Hilfe des CD14-Rezeptors3. Die bei bakteriellen Infektionen in hohen Konzentrationen gebildeten LPB (Lipopolysaccharid bindenden Proteinen) binden die Pam3Cys-Region des Lipoproteins und transportieren sie zum CD14- Rezeptor. Dadurch wird die Zytokinproduktion, vor allem IL-1, IL-6, IL-12, sowie des Tumornekrosefaktors-α (TNF-α) und die Expression von Adhäsionsmolekülen induziert.

Makrophagen können auch über den Fc-Rezeptor stimuliert werden. Sind zu Beginn der Infektion noch keine spezifischen Antikörper vorhanden, die zur

1 über den ganzen Körper oder bestimmte Körperregionen verteilt

2 Toll-like-Rezeptoren, TLR, befinden sich auf der Oberfläche von Makrophagen und erkennen bakterielle Bestandteile, wie z. B.: LPS

3 Cluster of Differentiation; Glykoproteine die zellspezifisch exprimiert werden und LPS binden

(33)

weiteren Stimulation der Makrophagen beitragen, können Substanzen wie Fibronektin oder Kohlenwasserstoff dies übernehmen. Man vermutet, dass Borrelia burgdorferi seine Resistenz gegen die Makrophagen über die Expression von Oberflächenproteinen steuern kann.

Am Anfang der Immunreaktion werden die Borrelien auch von dentritischen Lymphozyten phagozytiert. Nachdem sie aktiviert wurden, kommt es zur Sekretion von IL-12 und IL-8. Die TH1-Differenzierung (Makrophagenaktivierung) wird gefördert und es kommt zur Supprimierung4 der TH2-Reaktion (B-Zellaktivierung, Antikörperbildung). Bei der Inaktivierung und Eliminierung von Borrelien sind auch freie Sauerstoffradikale, wie Superoxide oder Wasserstoffperoxide, beteiligt. Sie werden mit der Aktivierung der Makrophagen gebildet. Wenn die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies und Radikalen zu groß ist und sie nicht mehr durch Antioxidantien neutralisiert werden können, entsteht oxidativer Stress. Dieser fördert die Entzündung und kann Stoffwechselvorgänge der Zelle schädigen.

[14,38,67]

4.2.2 Zelluläre (T-Zell) Immunantwort

Wie bei anderen bakteriellen Erkrankungen beginnt die primäre T- Zellimmunantwort mit der Aktivierung von Lymphozyten. Sie schließt die Produktion und Interaktion von Zytokinen ein. Zu Beginn setzt eine gegen das Bakterium gerichtete TH1-Reaktion ein. Es kommt zur Bildung von proinflammatorischen Zytokinen wie IL-1, IL-2, IL-12, des TNF-α, des Gamma- Interferons und zur Stimulation von TH1-Helferzellen (Makrophagen oder natürliche Killerzellen). Die TH1-Reaktion hat zwar antibakterielle Wirkung, aber gleichzeitig hat der TNF-α und das Gamma-Interferon einen zerstörenden Effekt auf das Gewebe. Deshalb muss unmittelbar eine TH2/TH3-Reaktion einsetzen, die antiinflammatorisch wirkt. Diese blockiert und beendet die TH1-Reaktion durch die Stimulation von B-Zellen (B-Lymphozyten). Diese fördern die Bildung von Immunglobulinen und gleichzeitig die humorale Immunantwort. Voraussetzung für das Abklingen der Infektion und für einen günstigen Ablauf der Erkrankung ist das rechtzeitige einsetzten, das heißt, nicht zu früh und nicht zu spät, der TH2/TH3-

(34)

Antwort. Fällt die TH2/TH3-Reaktion aus, ist sie zu schwach oder setzt sie zu spät ein, entstehen Gewebeschäden und autoimmune Reaktionen mit chronischem Verlauf. Ebenso ist eine zu schwache TH1-Reaktion von Nachteil, da es zu Persistenz und Progression der Erkrankung und zu Organkomplikationen kommt.

Die Borrelien werden ungenügend oder gar nicht eliminiert. [14]

Abbildung 12: Übersicht über das Ungleichgewicht und Gleichgewicht der frühen zellulären Immunantwort, sowie die Folgen auf den weiteren Krankheitsverlauf (* = wichtigste Mediatoren, die

an der Reaktion beteiligt sind)

4.2.3 Humorale (B-Zell) Immunantwort

Etwa drei Wochen nach Beginn der Infektion kommt es zur systemischen IgM- Immunantwort, mit einem Maximum der Aktivität nach 6-8 Wochen. Nach ca.

sechs Wochen werden IgG-Antikörper gebildet. Diese können auch noch über Jahre hinweg nachgewiesen werden. Das heißt, dass IgG-Antikörper im 2. und 3.

Stadium fast immer vorhanden sind. Dagegen lassen sich IgM-Antikörper nur noch selten nachweisen. In der Regel richten sich die nach ca. drei Wochen gebildeten Antikörper gegen das Flagellenprotein (Flagellin). Man findet nur in seltenen Fällen so früh schon Antikörper gegen die äußeren Membranproteine OspA und OspB, aber wesentlich häufiger gegen OspC. [2]

(35)

Abbildung 13: Aufbau eines Antikörpers (Immunglobulin)

4.3 Klinische Symptomatik

Da die Lyme-Borreliose eine Multiorganerkrankung ist, können die klinischen Symptome sehr vielfältig sein. Sie betreffen hauptsächlich die Haut, das periphere und zentrale Nervensystem, die Gelenke, sowie das Herz und die Augen. [5,26]

Es ist möglich, dass Frühmanifestationen der Erkrankung (Stadium 1 und 2) spontan ausheilen oder in seltenen Fällen in eine chronische Infektion mit charakteristischen Spätmanifestationen (Stadium 3) übergehen. [6]

Die Klinik der Lyme-Borreliose lässt sich in drei Phasen einteilen. In eine frühe lokalisierte Phase, in eine frühe disseminierte und in eine späte disseminierte Phase (persistierend bis progredient). [16]

Hat man sich mit dem Erreger infiziert, muss man nicht in jedem Fall alle Stadien der Erkrankung durchlaufen, wie es bei anderen stadienhaft verlaufenden Krankheiten der Fall ist. Es ist durchaus möglich, dass der Erkrankte ohne Entwicklung vorausgegangener Manifestationen mit einem fortgeschrittenen Stadium beginnt. Das Durchlaufen aller drei Phasen ist eher die Ausnahme. Die Intervalle zwischen den einzelnen Stadien können unterschiedlich lange dauern.

[5]

(36)

4.3.1 Stadium 1 (Frühmanifestation; lokal)

Das klassische Erythema migrans (Wanderröte) kann sich im typischen Fall wenige Tage bis Wochen nach der Infektion bilden. [6] Im Normalfall tritt es an der Stelle des Arthropodenstiches auf. Ein kleiner Prozentsatz der Infizierten entwickelt es an einer anderen Stelle (Fernerythem). [5] Es ist eine von der Eintrittsstelle ausgehende und in die Umgebung vordringende konzentrische Hautrötung (von blass bis intensiv rot) mit zentraler Abblassung. [6] Die Größe ist beträchtlichen Schwankungen unterworfen. Meistens weisen die Erytheme einen Durchmesser zwischen 8 und 20 cm auf. [14]

Die Wanderröte ist die häufigste Manifestation und tritt in ca. 80% der Fälle auf.

Die Hauterscheinung kann unbehandelt ausheilen. Die Infektion geht in 10% der Fälle in ein Stadium 2 über. Die Charakteristika des 2. Stadiums können auch auftreten, ohne dass zuvor ein Erythema migrans wahrgenommen wurde. [6]

Manchmal können auch zwei oder mehrere Hautläsionen auftreten. Dies deutet auf eine frühe systemische Verbreitung des Erregers hin. [12] Im Allgemeinen gilt das Erythema migrans als eine selbstlimitierende Erkrankung. Dennoch sollte sofort mit einer Antibiotikatherapie begonnen werden, um das Risiko einer Dissemination zu vermindern. [14]

Abbildung 14: Erythema migrans (Wanderröte)

(37)

Atypische Hautrötungen können ebenfalls vorkommen. Sie sind aber schwieriger zu diagnostizieren. Neben unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Fieber, Müdigkeit, Myalgien, Lymphknotenschwellung und Kopfschmerzen ist das betroffene Hautareal überempfindlich und schmerzhaft. [6]

Vom Erythema migrans ist differentialdiagnostisch die unspezifische Arthropodenstichreaktion zu unterscheiden. Am Einstichsort der Zecke kann es zu einer allergischen Rötung von wenigen Millimetern bis 2 cm kommen. Diese Reaktion tritt sofort auf und klingt innerhalb weniger Tage wieder ab. Sie ist eine entzündliche Reaktion auf den Zeckenspeichel. Das Erythema migrans hat im Vergleich dazu eine Latenzzeit von mindestens drei bis vier Tagen und ist in jedem Fall therapiepflichtig. [5,14,16]

4.3.2 Stadium 2 (Frühmanifestation; disseminiert)

Im zweiten Entwicklungsstadium verlassen die Erreger den Bereich des Zeckenstiches und verteilen sich im Körper. Das häufigste klinische Erscheinungsbild der disseminierten Infektion ist in Europa die lymphozytäre Meningoradikulitis5, das sogenannte Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom6, eine klassische neurologische Manifestation der Lyme-Borreliose. [6,16]

Das Krankheitsbild mit polyradikulären, quälenden und anhaltenden Schmerzen, besonders in der Nacht, kann zwei bis zwölf Wochen nach dem Zeckenstich auftreten. In der Folge kann es zu Lähmungen und Gefühlsstörungen kommen.

Patienten, die unter einer spinalen Meningoradikulitis leiden, zeigen oft Hirnnervenausfälle, vor allem des N. facialis (7. Hirnnerv) (Meningoradiculitis spinalis et cranialis). Normalerweise zeigen Kinder keine radikuläre Symptomatik, jedoch ein- oder beidseitige Fazialisparesen7 und Meningitiszeichen (Meningoradiculitis cranialis).

Seltener manifestieren sich im Stadium 2 multiple Erytheme und das Borrelien- Lymphozytom. Dieses tritt bei Kindern bevorzugt am Ohrläppchen und bei Erwachsenen an der Mamille auf. Weniger oft ist es im Nackenbereich lokalisiert.

5 Meninges = Hirn- und Rückenmarkhäute; Radikulitis = Entzündung der Wurzeln der Spinalnerven

6 Bannwarth-Syndrom = nichteitrige , lymphozytäre Meningoradikulitis mit Beteiligung des peripheren Nervensystems

(38)

[6,17] Es tritt wesentlich seltener auf als das Erythema migrans, in nur etwa 5%

der Fälle. Das Borrelien-Lymphozytom kann, wenn es an der Stelle des Zeckenstiches auftritt, Ausdruck der frühen lokalisierten Phase sein. Meistens ist es aber dem 2. Stadium zuzurechnen. [5] Es handelt sich dabei um eine Flüssigkeitseinlagerung in der Haut. Überwiegend bestehen die Infiltrate aus Lymphozyten. Es bilden sich solitäre (selten multiple) bläuliche oder rote Knoten, die bis zu mehrere Zentimeter groß werden können. [14,17]

Abbildung 15: Lymphozytom am Ohrläppchen

Häufig kommt es im 2. Stadium auch zu wandernden und zum Teil heftigen Muskel- und Gelenkschmerzen.

Bei Schwangeren kann es im Zuge der Dissemination der Borrelien zu einer transplazentaren Übertragung des Erregers kommen. Obwohl das Risiko gering für eine pränatale Infektion ist und eine intrauterine Erkrankung als Folge einer Borrelieninfektion noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist, sollte jede Manifestation der Lyme-Borreliose behandelt werden. [6]

(39)

4.3.3 Stadium 3 (Spätmanifestation; disseminiert)

Charakterisiert ist das 3. Stadium durch einen chronisch-progredienten Krankheitsverlauf. Die Erstinfektion kann Monate bis Jahre zurückliegen. Am häufigsten ist der Bewegungsapparat betroffen, die sogenannte Lyme-Arthritis. Sie äußert sich in Form von Mono- und Oligoarthritiden der großen Gelenke der unteren Extremitäten, die schubweise oder chronisch verlaufen können. Das Kniegelenk ist vor allem bei chronischem Verlauf betroffen. Es entwickeln sich ausgeprägte Gelenkergüsse.

Chronisch erkranken kann auch die Haut (Acrodermatitis chronica atrophicans;

ACA) und sehr selten das Nervensystem (progressive Enzephalomyelitis). [6,26]

Bei der Acrodermatitis chronica atrophicans, handelt es sich um eine chronisch- progressive (stufenweise fortschreitende) Hauterkrankung, die hauptsächlich an den Extremitäten auftritt. Sie verläuft in zwei Stadien. Nach einem entzündlich- ödematösen Stadium geht sie in ein atrophisches über. [27] Der Übergang verläuft fließend. Er kann innerhalb weniger Wochen, aber auch über Monate bzw. Jahre ablaufen. Die entzündliche Periode ist eine Folge der Erregerdissemination und wird eher dem Stadium 2 der Erkrankung zugeordnet. In dieser Phase sind die Veränderungen der ACA noch reversibel. Die folgende atrophische Zeitspanne wird dem Stadium 3 der Lyme-Borreliose zugeordnet und ist durch eine antibiotische Therapie nicht mehr zu heilen. Ob eine Spontanheilung der ACA im 2. Krankheitsstadium vorkommt oder sie immer in ein Stadium 3 übergeht, ist noch nicht bekannt. [14] Die Haut wird durch Atrophie8 der Epidermis und Dermis dünner, wodurch die subkutanen Gefäße deutlich hervor treten. Zusätzlich kommt es zum Verlust der Hautanhangsgebilde. Die verminderte Talgsekretion führt zur Trockenheit der betroffenen Hautstellen. [5] In den meisten Fällen ist nur eines der beiden Beine betroffen. Kinder sind selten von der ACA betroffen. [16]

(40)

Die klinischen Manifestationen an den einzelnen Organen der verschiedenen Stadien sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1

Organ/Organsystem Frühmanifestation (Stadium 1):

Lokalisierte Infektion, Tage bis Wochen nach Zeckenstich Allgemeine Symptome Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Krankheitsgefühl

Haut Erythema migrans

Augen Konjunktivitis Bewegungsapparat Arthralgien

Organ/Organsystem Frühmanifestation (Stadium 2):

Disseminierte Infektion, Wochen bis Monate nach Zeckenstich Haut Multiple Erytheme, Borrelien-Lymphozytom

Nervensystem Meningoradikulitis (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom):

- spinalis - cranialis

- cranialis et spinalis Meningitis, Meningoenzephalitis Bewegungsapparat Myalgien, Arthralgien, Arthritis (selten)

Herz Karditis, atrioventrikulärer Block

Augen Konjunktivitis, Keratitis, Papillenödem, Chorioretinitis, Neuritis N.

optici

Organ/Organsystem Spätmanifestation (Stadium 3):

Persistierende Infektion, Monate bis Jahre nach Zeckenstich Haut Acrodermatitis chronica atrophicans

Nervensystem Polyneurophathie, chronische Enzephalomyelitis Bewegungsapparat Chronische Arthritis

Fettdruck: häufigste Manifestationen

[Vgl: Hahn Helmut, Stefan H. E. Kaufmann, Thomas F. Schulz, Sebastian Suerbaum, Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 6. komplett überarbeitete Auflage 2009, Springer Verlag, S.385]

(41)

4.3.4 Weitere Manifestationen der Lyme-Borreliose

4.3.4.1 Kardioborreliose

Zu einer Manifestation am Herzen kommt es relativ selten, im Gegensatz zur Lyme-Borreliose der Haut, des Bewegungsapparates und des peripheren und zentralen Nervensystems. In Europa sind 0,4-4% der Patienten davon betroffen.

Es kann zu entzündlichen Veränderungen der Herzwand in Form einer Peri-, Myo- oder Pankarditis kommen, aber auch zu Störungen im Reizleitungssystem. [5,14]

Diese äußern sich durch AV-Block, Vorhofflimmern, Tachykardien oder ventrikuläre Extrasystolen. [26] Die Karditis kann wenige Tage bis Monate nach einem Erythema migrans oder dem Zeckenstich auftreten. Zur Diagnose der Lyme-Karditis müssen andere Myokarditiserreger (Influenza-Viren, Zytomegalie- oder HIV-Viren) ausgeschlossen werden. [14] Im Normalfall zeigt eine ausgeheilte Lyme-Borreliose keine Herzbeschwerden. [16]

4.3.4.2 Ophthalmologische Manifestationen

Im Rahmen einer Infektion mit Borrelia burgdorferi tritt eine Erkrankung der Augen meistens im 2. Stadium auf. Betroffen können alle Teile des Auges sein. Die Symptome äußern sich in Form einer Konjunktivitis, Keratitis, einem Papillenödem oder einer Chorioretinitis. Ophthalmologische Symptome sind aber eher selten.

Der Erregernachweis in den Augenstrukturen beim Menschen beschränkt sich auf Einzelfälle. [4,6,16]

4.3.5 Das Post-Lyme-Syndrom

Bei zeitgerechter und adäquater Behandlung mit Antibiotika im 1. und 2. Stadium kann davon ausgegangen werden, dass die Prognose der Lyme-Borreliose auch im Langzeitverlauf gut ist. Eine Heilung in den ersten beiden Stadien dauert lange, vor allem im 2. Stadium kann sie durchschnittlich 1 bis 2 Jahre dauern. Im 3.

(42)

Stadium dagegen kann keine Heilung mehr erwartet werden. Man spricht hier von einer Besserung.

Werden Lyme-Borreliose Patienten mit Antibiotika therapiert, ist eine Heilung nicht garantiert. Bei manchen Erkrankten bleiben Beschwerden bestehen oder es stellen sich andere Beschwerden ein (Symptomwandel). Sie leiden unter psychischen Problemen wie Spannungszustände, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Depressionen aber auch an Muskel- und Gelenkschmerzen. Diese Beschwerden sind nichtinfektiöse Folgeerscheinungen und sprechen auf eine Antibiotikatherapie nicht an. Das Beschwerdebild ist sehr komplex und die Symptome dominieren individuell. Auch unterliegen die Kombinationen der Symptome keiner Gesetzmäßigkeit. [3,14] Wie häufig das Post-Lyme-Syndrom tatsächlich vorkommt, ist noch nicht bekannt. [41]

Der Begriff Post-Lyme-Syndrom blieb lange Zeit umstritten. Heute wird der Begriff von allen Fachleuten weltweit anerkannt. Man versteht darunter ein eigenständiges, nicht infektiöses chronisches Beschwerdebild. Es ist eine Spätfolge (Stadium 3) einer vor sechs bis zwölf Monaten durchgemachten akuten Infektion (Stadium 1 oder 2).

Das Beschwerdebild des Post-Lyme-Syndroms unterscheidet sich von Symptomen des Stadiums 1 und 2. Ein sogenannter Symptom- und Organwandel hat stattgefunden. Dies ist ein markanter Unterschied im Gegensatz zum Stadium 3 der Lyme-Borreliose (chronisch). Hier sind Organe betroffen, die auch schon im akuten Stadium 2 betroffen waren, z. B.: führt eine akute Lyme-Arthritis zu einer chronischen Arthritis. Dass dem Post-Lyme-Syndrom keine Auseinandersetzung des Immunsystems mit den Borrelien zu Grunde liegt, wird heute generell angenommen. [14]

„Die heute wichtigste Hypothese ist, dass B. burgdorferi in der akuten Krankheitsphase immunologische und neurohormonale Prozesse getriggert hat, welche trotz antibiotischer Beseitigung oder Reduzierung der Bakterien persistierende Schmerzen, neurokognitive Beschwerden, Müdigkeit, etc.

unterhalten.“ (Satz Norbert, Klinik der Lyme Borreliose, 2009, S. 502, s. Abschn.

13.5)

(43)

Es wird eine symptomatische Therapie je nach Beschwerden empfohlen. Wenn bisher noch keine intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon durchgeführt wurde, so wird die Gabe von 2g i.v. für 21 bis 28 Tage empfohlen oder Penicillin 4x5 Mio. E i.v. für 21 bis 28 Tage. [14]

4.4 Häufigkeiten bestimmter klinischer Symptome der Lyme-Borreliose

Das Erythema migrans ist die häufigste klinische Erscheinung und tritt in Nordamerika bei ca. 90% der Erkrankten auf. In Europa tritt es je nach geographischem Raum bei 50-90% der Patienten auf. Es betrifft beide Geschlechter (geringes Überwiegen bei Frauen) und alle Altersgruppen. Die klinischen Symptome, die Haut oder andere Organe betreffen, treten bei ca. 10- 30% der Infizierten auf. Sehr häufig sind Geschlechtsunterschiede. So ist das Herz 3-mal häufiger bei Männern als bei Frauen betroffen. Die Acrodermatitis chronica atrophicans tritt bei Frauen doppelt so oft auf wie bei Männern. Das Lymphozytom tritt bei Jungen zweimal häufiger auf als bei Mädchen. [5,16]

4.5 Schwangerschaft und Borreliose

Die Erreger der Lyme-Borreliose können die Plazenta passieren und so ins fötale Blut übertreten. Je früher die Infektion im Verlauf der Schwangerschaft auftritt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Übertragung auf das Kind kommt. Es lässt sich aber nicht belegen, dass eine Infektion der Mutter mit Borrelia burgdorferi dem Kind schadet und es zu Missbildungen oder Komplikationen in der Schwangerschaft kommen kann. Eine Gefährdung des Kindes kann aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Während der Schwangerschaft sind Penicilline und Amoxicillin die bevorzugten Therapeutika.

[14,42]

(44)

5 Diagnostik der Lyme-Borreliose

Ziel der Diagnostik ist eine frühe Erkennung und Therapie der Lyme-Borreliose und die Kontrolle des Behandlungserfolges. Wenn vom Patienten Beschwerden und Symptome angegeben werden und klinische Anzeichen auftreten, die durch eine Borreliose hervorgerufen sein könnten, ist eine gezielte Labordiagnostik sinnvoll. [28] Das heißt, dass der Diagnose Lyme-Borreliose, trotz aller verfügbaren Labortests, eine entsprechende Symptomatik vorausgehen muss. Die Diagnose wird ausschließlich klinisch und im Ausschlussverfahren erstellt. Damit eine Über- und Unterdiagnostizierung vermieden wird, müssen die Borreliose Diagnostikverfahren gezielt angewendet werden (Vortest-Wahrscheinlichkeit;

pretest probability). Folgende Überlegungen haben sich für die Optimierung der

„pretest probability“ bewährt:

1. muss ein klinisches Beschwerdebild vorhanden sein,

2. erhöht ein zeitgleiches Vorhandensein eines Zeckenstiches und/oder eines Erythema migrans die Wahrscheinlichkeit; wobei ein Fehlen von einem der beiden oder von beiden in der Anamnese die Wahrscheinlichkeit nicht mindert,

3. müssen andere Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden,

4. kann je nach Stadium ein pathologischer Labortest die Wahrscheinlichkeit der Diagnose reduzieren oder erhöhen. [14]

Zu den verfügbaren Untersuchungsmöglichkeiten gehören die indirekten Nachweisverfahren, wie Enzyme-linked immuno sorbent assay (ELISA), Immunfluorenszenztest und Immunoblot. Hier wird nicht der Erreger selbst nachgewiesen, sondern sie beruhen darauf, dass spezifische Antikörper gegen Borrelien im Serum und Liquor nachgewiesen werden. Direkte Erregernachweise werden mittels Kultur oder Polymerase Kettenreaktion (PCR) durchgeführt. [5]

Als Untersuchungsmaterial verwendet man Serum und bei einem Verdacht auf Neuroborreliose zusätzlich noch Liquor vom selben Tag für eine Paralleluntersuchung. Punktate sowie Biopsien können für PCR und Kultur verwendet werden. [6]

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In die Kategorie 1 fallen Patienten, die zwar unter Sym ptomen wie Nachtschweiss, Fatigue, Palpitationen, schlech- ter Konzentration, Kopfschmerz, Schwindel, geschwollene

Aus diesem Grund wird empfohlen, bei der Beratung Schwangerer oder bei einem Bera- tungsgespräch zur Empfäng- nisregelung jede Patientin über In- fektionswege und die Gefahren der

Als Frühmanifesta- tionen fand sich in 89 Prozent der Fälle ein isoliertes Erythema migrans (bei weiteren drei Prozent Erythema migrans in Verbindung mit einer

Bei Nachweis von bor- relienspezifischen IgM-Antikörpern im Serum kann trotz Fehlens einer Pleozytose und spezifischer Antikör- per im Liquor eine Verursachung der

Tschörtner kom- men in ihrer Studie zu dem Schluss, dass niedergelassene Ärztinnen zu - friedener mit ihrer Arbeit sind und Familie und Beruf besser vereinbaren können als

Empfehlungen zu einer prophylakti- schen Therpie sind auch deshalb zweifelhaft, da die meisten Zecken- stiche nicht bemerkt werden (bis zu 75 Prozent der Patienten

Die Labordiagnose trägt in der Frühphase der Lyme-Borreliose nur bedingt zur Klärung des Krankheits- bildes bei, da sechs Wochen und mehr vergehen können, bis sich nach der In-

Äu- ßert sich die Allergie während der Schwangerschaft zum ersten Mal, so muss der Arzt durch genaues Erfragen oder durch einen Bluttest die Diagnose si- chern?.