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Die Behandlung der Gicht

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ARS MEDICI 19 2006 F O R T B I L D U N G

Dank moderner Medikamente lässt sich die Gicht heute sehr gut therapieren. Doch sind auch nicht medikamentöse Massnahmen wie Alkoholrestriktion und Abbau von Übergewicht von Bedeutung. Was im akuten Gichtanfall und bei chronischer Gicht zu tun ist, fassen Experten im «American Journal of Managed Care» zusammen.

T H E A M E R I C A N J O U R N A L O F M A N AG E D C A R E

Purine spielen bei vielen physiologischen Vorgängen eine Schlüsselrolle. So sind sie wichtige Bestandteile von Neuro- transmittern, Antioxidanzien und Nukleinsäuren. Beim Men- schen ist die Harnsäure das Endprodukt des Purinabbaus. Zwei Drittel der täglich anfallenden Harnsäure werden endogen ge- bildet, ein Drittel der Harnsäure stammt aus der Nahrung. Die Harnsäureausscheidung erfolgt überwiegend über die Nieren, ein Teil wird über den Gastrointestinaltrakt eliminiert. Bei primärer Gicht ist die Hyperurikämie meist auf eine zu geringe renale Harnsäuresekretion zurückzuführen (90% der Patien- ten), in 10 Prozent ist sie Folge einer endogenen Überproduk- tion von Harnsäure. Bei Hyperurikämie kann es zur Ausfällung von Uratkristallen und zu heftigen Entzündungsreaktionen kommen (akuter Gichtanfall).

Verschiedene Faktoren wie Bluthochdruck, die Einnahme von Thiazid- oder Schleifendiuretika, Übergewicht, hoher Alkohol- konsum und der Verzehr grosser Fleischmengen tragen zur Entwicklung der Hyperurikämie beziehungsweise Gicht bei.

Bei sehr vielen Gichtpatienten liegt eine Hyperinsulinämie oder eine Insulinresistenz vor.

Modifikation des Lebensstils und Einfluss von Medikamenten

Der Verzehr von purinreichem Fleisch und Meeresfrüchten geht mit einem erhöhten Gichtrisiko einher, während purinreiche Gemüsesorten wie zum Beispiel Spinat das Gichtrisiko offen- sichtlich nicht erhöhen. In einer Pilotstudie mit männlichen Gichtpatienten erwies sich eine Diät mit mässiger Kalorien- und Kohlenhydratrestriktion und mit einem erhöhten Anteil an Pro- teinen und ungesättigten Fettsäuren als vorteilhaft: Die Harn- säurespiegel sanken, und akute Gichtanfälle gingen signifikant zurück. Ausserdem kam es zur Gewichtsabnahme.

Zwischen Alkoholkonsum und Gicht besteht ein enger Zu- sammenhang. Patienten mit Hyperurikämie sollten auf Alkohol verzichten oder den Alkoholkonsum zumindest stark ein- schränken.

Bluthochdruck führt zu einer reduzierten renalen Harnsäureaus- scheidung, und Thiazid- und Schleifendiuretika, die häufig zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt werden, erhöhen die Harnsäurespiegel im Serum zusätzlich. Niedrig dosierte Acetyl- salicylsäure (ASS) drosselt die renale Harnsäureexkretion, wäh- rend hohe ASS-Dosen urikosurisch wirken. Letzteres trifft auch für Östrogen, Losartan (Cosaar®) und Fenofibrat (Lipanthyl®) zu.

Die Behandlung der Gicht

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■ Der akute Gichtanfall kann bei ansonsten gesunden Patienten mit einem nicht steroidalen Antirheuma- tikum oder mit oralem Colchicin behandelt werden.

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■ Liegt eine Niereninsuffizienz vor, sollte im akuten Gichtanfall ein Kortikosteroid (z.B. Prednison) ver- abreicht werden.

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■ Bei Monarthritis kommt eine intraartikuläre Kortiko- steroidinjektion in Betracht.

■ Für die Dauerbehandlung der chronischen Gicht ist meist Allopurinol das Mittel der Wahl. Liegt eine Allergie auf Allopurinol vor, kommen Urikosurika wie z.B. Probenecid infrage.

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D I E B E H A N D L U N G D E R G I C H T D I E B E H A N D L U N G D E R G I C H T

ARS MEDICI 19 2006

915 Pharmakotherapie der akuten Gicht

Wichtigstes Behandlungsziel im akuten Gichtanfall ist es, die Schmerzen und Entzündungsvorgänge rasch zu beheben. Bei den meisten Patienten mit akutem Gichtanfall, die ansonsten gesund sind, gilt ein nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) als Mittel der ersten Wahl. Die meisten NSAR haben sich als etwa gleich wirksam erwiesen. Die Behandlung sollte mög- lichst früh einsetzen, wobei das NSAR in den ersten 24 bis 48 Stunden höher dosiert wird. Lässt die Symptomatik nach, kann die NSAR-Dosis reduziert werden. Der Einsatz der NSAR wird durch die bekannten Nebenwirkungen limitiert. In folgen- den Situationen sollten NSAR mit Vorsicht beziehungsweise gar nicht eingesetzt werden: bei signifikanter Beeinträchtigung der Nierenfunktion, schlecht kontrollierter Herzinsuffizienz, Leber- funktionsstörung, unter Antikoagulanzientherapie oder bei aktivem peptischem Ulkus in der Vorgeschichte.

Colchicin wirkt in den ersten 12 bis 24 Stunden des Gichtanfalls am besten. Jedoch weist Colchicin nur ein schmales therapeu- tisches Fenster auf und führt häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Colchicin wird meist oral verabreicht. Die intra- venöse Gabe sollte nur im Krankenhaus erfolgen und von ent- sprechend erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. Patienten mit Leukopenie oder signifikanter Nieren- oder Leberfunktions- störung sollten nicht mit Colchicin behandelt werden.

Falls Kontraindikationen gegen NSAR oder Colchicin vorliegen, können Kortikosteroide eingesetzt werden. Das gilt auch für Patienten, die auf NSAR oder Colchicin nicht ausreichend an- sprechen. Bei Niereninsuffizienz empfehlen die Autoren 30 bis 60 mg Prednison täglich für die ersten ein bis drei Tage. An- schliessend sollte die Dosis reduziert werden. Intraartikuläre Kortikosteroidinjektionen sind besonders vorteilhaft, wenn nur ein oder zwei Gelenke von dem Gichtanfall betroffen sind.

Orale Medikamente, die zur Behandlung des akuten Gichtan- falls eingesetzt werden, sollten in der Dosis reduziert werden, sobald die Symptomatik nachlässt. In den meisten Fällen kann die Medikation innerhalb von zwei Wochen abgesetzt werden.

Erst wenn sich die akuten Beschwerden vollständig zurückge- bildet haben, dürfen harnsäuresenkende Mittel verabreicht werden.

Pharmakotherapie der chronischen Gicht

Es besteht kein allgemeiner Konsens, wann mit einer harnsäu- resenkenden Therapie zu beginnen ist, schreiben die Autoren.

Die meisten Rheumatologen sind der Ansicht, dass eine harn- säuresenkende Therapie eingeleitet werden sollte, wenn der

Patient mindestens zweimal jährlich an einer akuten Gichtarth- ritis leidet oder wenn Uratablagerungen (Tophi) in den Weich- teilen oder Knochen vorliegen. Ziel der antihyperurikämischen Therapie ist es, die Harnsäurespiegel im Serum auf 5 bis 6 mg/dl oder weniger zu senken.

Vor Beginn einer urikosurischen Therapie empfiehlt sich die Be- stimmung der Harnsäureausscheidung im 24-Stunden-Urin.

Während eines akuten Gichtanfalls sollte keine harnsäuresen- kende Behandlung eingeleitet werden. Erleidet ein Patient unter laufender harnsäuresenkender Therapie einen Gichtanfall, sollte das harnsäuresenkende Mittel hingegen nicht abgesetzt werden.

In den meisten Fällen ist das Urikostatikum Allopurinol (Zylo- ric® und Generika) Mittel der Wahl, das die Xanthinoxidase hemmt und zu einer verminderten Harnsäurebildung führt.

Allopurinol wird einmal täglich verabreicht und sollte bei Nie- reninsuffizienz anfangs niedrig dosiert werden. Unter Allopuri- nol kann es zu Nebenwirkungen wie Hautausschlag, Juckreiz, Fieber und Durchfall kommen, auch ist ein dosisabhängiges Allopurinol-Überempfindlichkeitssyndrom beschrieben, das insbesondere bei Niereninsuffizienten beobachtet wird. Zwi- schen Allopurinol und Azathioprin (z.B. Imurek®) beziehungs- weise Ampicillin kann es zu erheblichen Wechselwirkungen kommen.

Patienten mit Allopurinol-Allergie und verminderter Harnsäu- reausscheidung können mit einem Urikosurikum wie Probenecid (Santuril®) behandelt werden, vorausgesetzt, die Nierenfunk- tion ist normal und es liegen keine Nierensteine vor. Zu Beginn der Therapie kann es zu Harnsäureausfällungen in den Nie- rentubuli und zur Harnsteinbildung kommen. Deshalb emp- fehlen die Autoren eine langsame Dosissteigerung und eine hohe Flüssigkeitszufuhr, um ein grosses Harnvolumen zu er- zielen. Darüber hinaus kann der Harn alkalisiert werden.

Wird eine harnsäuresenkende Therapie eingeleitet, sollte – falls keine Kontraindikationen bestehen – zusätzlich Colchicin oder ein NSAR verabreicht werden, um Gichtanfällen vorzubeugen.

Diese Prophylaxe ist über mindestens drei bis sechs Monate durchzuführen.

Nach Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie müssen die Serum-Harnsäurespiegel alle drei bis sechs Monate kontrolliert werden. Die Medikation ist so zu dosieren, dass ein Harnsäure- spiegel von < 6 mg/dl erreicht wird.

Amy C. Cannella et al.: Understanding treatments for gout. The American Journal of Managed Care 2005; Vol. 11 (No. 15), Sup.: S451–S458.

Andrea Wülker

Interessenkonflikte: keine deklariert

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