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Archiv "Läsionen kaudaler Hirnnerven" (31.01.1991)

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Läsionen

kaudaler Hirnnerven

Jean-Pierre Malin und Hans Schliack

,ZUR F! RTBILDUNG

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ls kaudale Hirnnerven werden der N. glosso- pharyngeus (IX), der N.

vagus (X), der N. acces- sorius (XI) und der N.

hypoglossus (XII) zusammengefaßt.

Mit Ausnahme des N. hypoglossus sind diese kaudalen Hirnnerven Kie- menbogennerven, das heißt sie in- nervieren in der Wand des Kopf- darmes Körperabschnitte viszeraler Herkunft. Der N. hypoglossus als motorischer Zungennerv ist das Re- likt von ursprünglich zwei oder drei Spinalnerven, deren sensible Wur- zelanteile zurückgebildet sind. Die Hirnnerven entspringen mit zusam- menhängenden Bündeln aus dem Hirnstamm, wobei sich eine mediale von einer lateralen Reihe unter- scheiden läßt. Während der N. hy- poglossus an der Grenze zwischen Pyramide und Olive zur medialen Reihe gehört, liegen N. glossopha- ryngeus, N. vagus und N. accessorius in der lateralen Reihe. Dementspre- chend findet man in der Rautengru- be in vier Reihen angeordnet die Ur- sprungs- beziehungsweise Endkerne.

Diese Hirnnervenkerne bilden in der Medulla oblongata keine zusammen- hängenden Säulen mehr, sondern isolierte Kerngebiete (Abbildung 1).

An der knöchernen Schädelbasis verlassen die Hirnnerven das Schä- delinnere, wobei sich für die kauda- len Hirnnerven besonders enge to- pographische Beziehungen ergeben:

Der N. glossopharyngeus, der N. va- gus und der N. accessorius ziehen ge- meinsam durch das Foramen jugula- re; der N. hypoglossus durch den Ca- nalis hypoglossi (Abbildung 2). Auf- grund dieser engen räumlichen Be- ziehungen sind isolierte Läsionen besonders des N. glossopharyngeus und des N. vagus eher selten, woraus

Isolierte Läsionen der Hirnner- ven IX bis XII (kaudale Gruppe) werden zunächst fast regelhaft als Himstammerkrankungen, zum Beispiel als Multiple Sklerose ver- kannt. Ihre Lokalisation und ihre Ursachen sind bei Kenntnis der Anatomie, sorgfältiger klinischer Untersuchung und gezielter An- wendung moderner Schichtbild- verfahren leicht zu erkennen. Ihre Ursachen sind vielfältig: benigne oder maligne Tumoren mit knö- chernen Veränderungen im Be- reich der Schädelbasis, Traumen (etwa Frakturen der okzipitalen Kondylen) und iatrogene Schädi- gungen, letzteres vor allem im Be- reich des N. accessorius.

sich auch klinisch die Berechtigung ableitet, die kaudalen Hirnnerven zu einer besonderen Gruppe zusam- menzufassen.

Klinische Symptome kaudaler

Hirnnervenläsionen

a) N. glossopharyngeus (N. IX):

Eine einseitige Glossopharyn- geus-Läsion führt zu:

1> Sensibilitätsstörungen am hinte- ren Zungendrittel, der Tonsillenni- Neurologische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Jean-Pierre Mahn) der Ruhr-Universität Bochum, BG-Krankenanstalten Bergmannheil

sche und des oberen Pharynx sowie an einem kleinen Bereich vor dem äußeren Gehörgang;

> abgeschwächtem oder aufgeho- benem Würgreflex;

> Geschmacksstörung am hinteren Zungendrittel;

> Herabhängen des Gaumensegels auf der gelähmten Seite und posi- tivem „Kulissenphänomen": Beim Auslösen des Würgreflexes (weniger deutlich beim Phonieren) verzieht sich die hintere Pharynxwand zur ge- sunden Seite (Abbildung 3). Schluck- störungen werden entweder gar nicht oder in nur sehr geringem Ma- ße bemerkt bei intaktem N. vagus (übergreifende Innervation).

b) Nervus vagus (N. X):

Eine einseitige Vagusläsion führt zu:

> einseitiger Gaumensegelparese mit Herabhängen des weichen Gau- mens (M. uvulae, M. levator veli pa- latini). Der weiche Gaumen hebt sich nicht oder nur wenig beim Aus- lösen des Würgreflexes oder beim Phonieren. Positives Kulissenphäno- men;

> „nasaler" Sprache (fehlende Ab- dichtung der Mund- zur Nasen- höhle);

> Heiserkeit: Bei Läsionen des Va- gusstammes (proximaler Läsionsort) steht das gelähmte Stimmband in In- termediärstellung. Bei Teilläsion („Rekurrensparese" im engeren Sin- ne) steht das Stimmband der betrof- fenenen Seite in Median- bezie- hungsweise Paramedianstellung.

Beidseitige Vaguslähmungen sind bedrohlich, da das Schlucken unmöglich wird und beim Trinkver- such Flüssigkeit aus der Nase läuft oder in die Trachea übertritt (Aspi- rationspneumonie). Bei doppelseiti-

(2)

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288 C)ehirnnerven.

ger Vaguslähmung ist die Sprache aphonisch, und es kommt meistens auch zu Dyspnoe, gelegentlich zu Tachykardien.

c) Nervus accessorius (N. XI):

Eine einseitige Accessorius-Lä- sion führt zu:

atrophisierender Lähmung des M. sternocleidomastoideus, Läh- mung des mittleren und unteren An- teils des M. trapezius (gelegentlich auch Parese des oberen Trapezi- usanteils, mit Innervation aus Asten des Plexus cervicalis). „Schaukelstel- lung der Scapula" (Abbildung 4);

I> fehlenden Sensibilitätsstörungen;

oft aber Angabe von Mißempfindun- gen oder Schmerzen im Schulter- -Arm-Bereich.

d) N. hypoglossus (N. XII):

Einseitige Hypoglossusläsion führt zu:

1> Lähmung und Atrophie der be- troffenen Zungenhälfte (M. genio- glossus, M. hyoglossus, M. styloglos- sus sowie der Longitudinal- und Transversalmuskeln als auch der kaudalen Zungenbeinmuskeln). Die

Lamina cribrosa (1)

\

`litt

Canalis opticus (II)

r

Fissura orbitalis sup.

(III, IV, VI, s, V [N. ophthalmicus])

ACanalis caroticus ,,, Foramen rotundurn,,

[N. maxillaris]) Foramen ovale i(1."

(V [N. mandibularis])

Foramen jugulare X, XI)

Canalis hypoglossi (XII)

N. ophthalmicus N. maxillaris N. mandibularis --Ganglion V

N. trigeminus trigerninale

R. motoria

'19‚ t

z

VI N. abducens

VII N. facialis u.

intermedius VIII N. vestibulo-

cochlearis IX N. glosso-

pharyngeus

X N. vagus XI N. accessorius XII N. hypoglossus

Abbildung 1: Kerne der Hirnnerven (aus: H.

Braus, C. Elze: Anatomie des Menschen Bd.

III, 2. Aufl., Springer 1960)

Zunge weicht zur gelähmten Seite ab; Seitwärtsbewegungen der Zunge zur gelähmten Seite hin können nicht oder kaum ausgeführt werden;

I> fehlenden Sensibilitätsstörungen;

1> einseitige Hypoglossuslähmun- gen beeinträchtigen das Sprechen wenig. Bei doppelseitiger Lähmung liegt die Zunge bewegungslos im Mund, das Sprechen ist massiv be- einträchtigt („verwaschene Spra-

Abbildung 2: Die Schädelbasis. Links die Foramina der austretenden Hirnnerven, rechts die abgeschnittenen Hirnnerven (aus: P. Duus: Neurologisch-topische Dia- gnostik, 4. Aufl., Thieme 1987)

N. (Tractus) olfactorius N. (Fasciculus)

opticus III N. oculomotorius IV N. trochlearis

Foramen lacerum

Porus acusticus internes

A-296 (42) Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991

(3)

Abbildung 3: „Kulissenphänomen" (aus M. Mumenthaler: Neurologie, 8. Aufl., Thieme 1986)

Hemiparese, Hemihypästhesie X, XI, XII

Schmidt-Syndrom

Hemiparese, Hemihypästhesie Avellis-Syndrom X

Hemiparese (Ataxie) Jackson-Syndrom XII

(X)

Tabelle : Charakteristika einiger kaudaler Himnerven-Syndrome (aus 1)

Bezeichnung betroffene Hirnnerven Foramen-jugulare-

Syndrom

IX, X, XI Collet-Sicard-

Syndrom

IX, X, XI, XII

Tapia-Syndrom X, XII (XI) (Hemiparese, Hemihypästhesie

Villaret-Syndrom IX, X, XI, XII + homo- lateral

* Tapias ursprüngliche Beobachtungen betrafen rein periphere Hirnnervenläsionen ohne Beteiligung der langen Bahnen. Die Syndrome werden in der Literatur unterschiedlich zitiert.

Horner- kontralaterale Syndrom Symptome ehe"), wobei am besten noch die La-

biallaute artikuliert werden. Kauen, Schlucken und Trinken gelingen nur mühsam.

Syndrome kaudaler Hirnnervenläsionen

Die Symptome kombinierter kaudaler Hirnnervenläsionen (Hirn- nerven IX, X und XI) sind so charak- teristisch, daß sich die Bezeichnung

„Foramen-jugulare-Syndrom" einge- bürgert hat. Das klassische Fora- men-jugulare-Syndrom besteht aus einer einseitigen Lähmung des M.

sternocleidomastoideus und M. tra- pezius (N. XI), einer Gaumensegel- parese mit Kulissenphänomen, Re- kurrensparese (Heiserkeit), einer Hypästhesie am weichen Gaumen, am Rachen und in der Tonsillenni- sehe sowie herabgesetztem Würg- reflex und schließlich einer Ge- schmacksstörung im hinteren Zun- gendrittel (N. IX, X). Die klinisch- topographische Bedeutung des Fora- men-jugulare-Syndroms wurde 1918 von M. Vernet erkannt (9), und auf ihn geht auch der Ausdruck „Kulis-

senphänomen" („Signe du rideau de Vernet") zurück. Als „Siebenmann- Syndrom" wird ein traumatisches Foramen-jugulare-Syndrom bezeich- net, bei dem Frakturen der Schädel- basis das Foramen jugulare errei- chen (3, 8).

Gesellt sich zum Foramen-jugu- lare-Syndrom noch eine einseitige periphere Hypoglossus-Lähmung hinzu, spricht man vom „Collet-Si- card-Syndrom".

Dabei erstreckt sich die Läsion über das Foramen jugulare hinaus in den Bereich der Okzipital-Kondylen (Canalis condylaris, Canalis hypo- glossi). Bei dem verwandten Syn- drom (Tapia-Syndrom, Schmidt-Syn- drom, Villaret-Syndrom etc.) liegt die Schädigung im Hirnnervenkern- gebiet der Medulla oblongata, so daß zusätzlich zu den peripheren Hirn- nervenausfällen Symptome der lan- gen Bahnen zu finden sind. Als

„Garcin-Syndrom" wurde ursprüng- lich die einseitige Lähmung aller Hirnnerven bezeichnet („Hemibasis- Syndrom"). Gelegentlich wird auch dann, wenn einzelne Hirnnerven ausgespart bleiben, bereits vom Gar- ein-Syndrom gesprochen. Trotz der eindrucksvollen Hirnnervenausfälle fehlen hier in der Regel Hirndruck- zeichen, eine Hemiparese oder eine Kleinhirnataxie. Nur gelegentlich findet man eine Stauungspapille. Ty- pische Ursache ist ein infiltrierend wachsender Tumor der Schädelbasis, meistens vom Rhinopharynx ausge- hend (7). In Tabelle 1 sind die Cha- rakteristika einiger kaudaler Hirn- nervensyndrome zusammengefaßt.

Ätiologie kaudaler Hirnnervenausfälle

Isoliert werden von den kauda- len Hirnnerven aus den genannten topographisch-anatomischen Grün- den am ehesten der N. accessorius und der N. hypoglossus lädiert, wäh- rend N. glossopharyngicus und N. va-

(4)

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Abbildung 4: Computertomogramme eines 55jährigen Mannes mit metastasierendem Pro- statakarzinom. atrophische Zungenlähmung rechts. Die Pfeile zeigen die Hypo- glossus-Kanäle. Der linke zeigt normale Konturen, der rechte ist durch osteolytische Meta- stasen gestört

gus meistens gemeinsam geschädigt sind. Als Ausnahme wäre hier an die seltene Glossopharyngicus-Neural- gie zu erinnern (7).

N. accessorius (XI):

Spontane, isolierte Akzessorius- Lähmungen als Folge von Schädel- basistumoren, Meningiosis blastoma- tosa oder Glomustumoren am Fora- men jugulare sind selten. Am häufig- sten wird der N. accessorius bei Ope- rationen im Halsbereich geschädigt.

Im Rahmen größerer Eingriffe ist die Opferung des Nerven im Interes- se einer radikalen Tumorentfernung oft nicht vermeidbar. Dagegen ist bei Lymphknotenbiopsien im seitlichen Halsdreieck die iatrogene Schädi- gung des Nerven durch Quetschung, Zerrung oder Ligation eine grund- sätzlich aber nicht immer vermeidba- re Komplikation, die einer besonde- ren Aufklärungspflicht unterliegt, zumal die Ergebnisse spontaner Reinnervation unbefriedigend sind (4). Deutlich seltener als die iatroge- ne Schädigung sind Drucklähmun- gen oder radiogene Läsionen nach Bestrahlungen in der seitlichen Hals- region (7).

Zusammen mit dem N. glosso- pharyngicus und N. vagus bezie-

an typischer Stelle nachweisbar ist.

Auch periphere Zungen- oder Zun- gengrundtumoren (Plattenepithel- karzinom) können die Nervenfasern infiltrierend erfassen. Die Erken- nung der Hypoglossuslähmung kann dann durch den Lokalbefund er- schwert werden, da durch Ödem und mechanische Zungenverlagerung die typische Atrophie und das Fasziku- lieren verdeckt sein können (5).

Weitere Ursachen der isolierten Hypoglossuslähmung sind entzündli- che Erkrankungen (basale Meningi- tis, phlegmonöse Angina, infektiöse Mononukleose, Morbus Boeck), vas- kuläre Läsionen (extremes „Kin- king" der Arteria carotis) oder Trau- men (Schußverletzungen, Frakturen in der Nähe des Condylus occipitalis, Canalis hypoglossi). Von den iatro- genen Schädigungen ist an erster Stelle die Läsion des Hypoglossus nach Thrombendarteriektomien der extrakraniellen A. carotis zu nennen, seltener nach Tonsillektomien (5).

Differentialdiagnostisch ist bei dop- pelseitiger Hypoglossus-Lähmung immer an eine amyotrophe Lateral- sklerose mit Bulbärparalyse oder ei- ne bulbäre Myasthenie zu denken.

Kombinierte kaudale Hirnnerven

Die hier in Frage kommenden Syndrome sind in Tabelle 1 aufge- führt. Bei der Suche nach der Ursa- che multipler kaudaler Hirnnerven- hungsweise dem N. hypoglossus tre-

ten Akzessorius-Lähmungen beim Foramen-jugulare-Syndrom oder verwandten Syndromen auf.

N. hypoglossus (XII):

Eine isolierte ein- oder doppel- seitige, sich fortschreitend entwik- kelnde Hypoglossus-Lähmung ist auf einen Tumor (Clivuschordom, Me- stastasen, Neurinom) zurückzufüh- ren, sofern nicht eine lokalisierte Lä- sion (Trauma, chirurgischer Eingriff) Tabelle 2: Ätiologie des Foramen-jugulare- und Collet-Sicard- Syndroms (aus 1)

Tumoren (extra- oder intrakranielle, extra- und intrakraniell)

—Glomus-jugulare-Tumoren

—Neurinome, Meningeome, Cholesteatome, Chon- drome, Epidermoid-Tumoren, Karzinome, und Sar- kome des Rhinopharynx, Metastasen

—Plasmozytom

Traumen — ausgedehnte Schädelbasisfrakturen (Siebenmann-Syndrom)

—Schußverletzungen

—Hieb- und Stichverletzungen

vaskuläre — Thrombose der Vena jugularis interna Erkrankungen — Phlebitiden

—Aneurysmen der A. carotis interna

—fibromuskuläre Dysplasie

entzündliche — tuberkulöse und syphilitische Meningitis Erkrankungen — Sarkoidose

—chronische Otitiden

—Pharynx-Phlegmone andere basiläre Impression

A-300 (48) Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991

(5)

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läsionen ist auf das Erkrankungstem- po zu achten. So ist bei einem akut aufgetretenen Foramen-jugulare- oder Collet-Sicard-Syndrom zu- nächst an ein Trauma oder eine vas- kuläre Erkrankung zu denken. Der Nachweis entsprechender Frakturli- nien an der Schädelbasis, in der Nä- he des Foramen jugulare, des Cana- lis hypoglossi, der Kondylen oder der Atlasregion ist mit konventionellen Röntgenaufnahmen oft mühsam (6) und wird heute durch die axiale Computertomographie mit Einstel- lung spezieller Knochenfenster bei modernen, hochauflösenden Gerä- ten erheblich erleichtert. Bei einem sich langsam progredient entwik- kelnden Syndrom wird man in erster Linie an einen Tumor denken. Die Tumoren können intrakraniell ent- springen und durch das Foramen ju- gulare nach außen wachsen oder von extrakraniell sich in den Foramen ju- gulare entwickeln. Auch rein extra- oder intrakranielle Lokalisationen sind möglich, was für die Wahl eines eventuell operativen Zuganges prak- tische Bedeutung hat. Während bei den extrakraniellen Tumoren die Karzinome überwiegen, ist bei den intra- beziehungsweise intra- und ex- trakraniellen Tumoren außer an Glomus-jugulare-Tumoren auch an Neurinome, Chordome, Chondrome, Meningiome, Cholesteatome, Epi- dermid-Tumoren und Sarkome oder Karzinome des Rhinopharynx zu denken (1).

Von den gefäßbedingten Syn- dromen sei außer an Aneurysmen an die Thrombose der Vena jugularis interna erinnert, die eine konse- quente Angiographiediagnostik (Ju- gularisvenographie) erfordert, ob- wohl sich durch hochauflösende CT-Geräte mit Bolus-Injektion ein Teil dieser Gefäßprozesse heute leichter als früher darstellen läßt.

Bei den seltenen kranialen Polyneu- ropathien sind gelegentlich schwer- punktmäßig oder sogar primär die kaudalen Hirnnerven betroffen (2).

Auch an andere systemische neuro- logische Erkrankungen (amyotrophe Lateralsklerose mit Bulbärparalyse, multiple Sklerose) ist differentialdia- gnostisch zu denken.

Besonders wichtig ist es, die pri- mär bulbäre Myasthenie rechtzeitig

Abbildung 5 a-c: Linksseitiger Glomus-Tu mor. Klinisch: linksseitige pulssynchrone Ohrengeräusche, mäßig ausgeprägte Funk- tionsstömngen des N. accessorius, linkssei- tige atrophische Zungenlähmung. Im CT er- kennt man die knöcherne Destruktion im Bereich des Foramen jugulare. Die Angio- gramme zeigen in typischer Weise den Glo- mus-Tumor mit funktionell erweiterter Arte- ria pharyngea ascendens und Arteria auri- cularis

zu erfassen. Das Ermüdungs- be- ziehungsweise Erholungsphänomen, das heißt vor allem Verschlechterun- gen des Schluckvorganges, ist nicht immer deutlich, am ehesten beim Frühstück nach der Nachtruhe er- kennbar. Der Tensilon-Test bestätigt die Diagnose, die Krankheit ist gut therapierbar. In Tabelle 2 sind die wichtigsten Ursachen zusammenge- faßt.

Literatur

1. Malin, J.-P.-; Haas, J.: Schliack, H.; Vogel- sang, H.: Zur Ätiologie des Foramen-jugula- re- und des Collet-Sicard-Syndroms. Akt.

Neurol. 11 (1984) 50-53

2. Malin, J.-P.; Schliack, H.: Kraniale Polyneu- ropathien. Akt. Neurol. 13 (1986) 92-98 3. Mumenthaler, M.: Neurologie, 8. Aufl., Thie-

me, Stuttgart-New York, 1986

4. Müller-Vahl, H.: Akzessoriuslähmungen.

Akt. Neurol. 10 (1983) 18-23

5. Schliack, H.; Malin, J.-P.: Läsionen des Ner- vus hypoglossus. Akt. Neurol. 10 (1983) 24-28

6. Schliack, H.; Schaefer, P.: Hypoglossus- und Akzessoriuslähmung bei einer Fraktur des Condylus occipitalis. Nervenarzt 36 (1965) 362-364

7. Schmidt, D.; Malin, J.-P.: Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme Verlag, Stuttgart-New York, 1986

8. Svien, H. J.; Baker, H. L.; Rivers, M. H.: Ju- gular foramen syndrome and allied syndro- mes. Neurology 13 (1963) 797-809 9. Vernet, M.: Syndrome du trou de.chirn post-

erieur. Rev. neurol. 2 (1918) 117-148

Die Abbildungen 4 und 5 a-c verdanken wir Herrn Professor Dr. med. Hartmut Becker, Leiter der Abteilung für Neurora- diologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Anschriften der Verfassen

Prof. Dr. med. Jean-Pierre Malin Neurologische Klinik und Poliklinik der Ruhr-Unversität Bochum BG-Krankenanstalten Bergmannsheil Gilsingstraße 14 W-4630 Bochum 1

Prof. Dr. med. Hans Schliack Am Ortfelde 95

W-3004 Isernhagen 2 NB

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