DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Rektumtumoren
hat sich bisher nicht nachweisen lassen, ihr Einsatz ist im Rahmen klinischer Studien vertretbar.
3.2.2 Palliative Strahlentherapie:
• Resttumor bei der Operation oder Rezidivtumor: Eine lokale Strahlenbehandlung ist empfeh- lenswert, dies gilt besonders bei Schmerzen.
3.3 Systemische Chemotherapie 3.3.1 Adjuvante systemische Che- motherapie: Eine Wirkung auf das krankheitsfreie Intervall und die Überlebenszeit ist bisher noch nicht nachgewiesen. Der Einsatz wird im Rahmen klinischer Stu- dien derzeit überprüft.
3.3.2 Palliative . systemische Che- motherapie: Bei Resttumor nach der Operation oder Nachweis von Fernmetastasen als palliative Maßnahme vertretbar.
3.4 Lokale Chemotherapie Arterielle oder venöse Leberinfu- sion und Leberperfusion bei nicht entfernbaren Lebermetastasen oder adjuvant stellen Therapie- modalitäten dar, deren Wirksam- keit noch durch klinische Studien definitiv erwiesen werden muß.
4 Nachuntersuchungen
Die Nachuntersuchungen sind in der Tabelle zusammengefaßt.
Literatur bei den Verfassern Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Christian Herfarth
Chirurgische Universitäts- klinik Heidelberg
Kirschnerstraße 1 6900 Heidelberg 1
1 Prätherapeutische Untersuchungen 1.1 Allgemein:
Anamnese, körperliche Untersu- chungen, Test auf okkultes Blut im Stuhl, EKG, Thoraxübersicht, Sonographie.
• Labor:
Blutbild, BSG, Eiweißstatus, Harn- stoff, Kreatinin, Elektrolyte; fakul- tativ: Leberenzyme, Gerinnung.
1.2 Speziell:
rektal digitale Untersuchung; Rek- toskopie, Biopsie.
Cave: vor einer Biopsie im mittle- ren und oberen Rektumdrittel Ko- lonkontrasteinlauf zum Ausschluß weiterer Tumoren oder Polypen;
alternativ: Koloskopie.
1.3 Weitere Untersuchungen (nicht obligat):
a) iv. Urogramm
b) Computertomographie (a und b wünschenswert bei Vor- operationen oder Tumorrezidi- ven).
1.4 Ziel der Untersuchungen 1.4.1 Abklärung der Diagnose:
• Aussage über Metastasierung/
Zweittumoren
• lokal: Sitz, Ausdehnung und Beweglichkeit des Tumors.
1.4.2 Histologie: Art des Tumors (Adeno-Ca., Plattenepithel-Ca.
und andere. Art und Wachstum (exophytisch, ulzerös); Maligni- tätsgrad (Klassifikation 1, 2, 3).
1.4.3 Klärung der allgemeinen Operabilität.
2 Therapieempfehlungen Chirurgische Therapie 2.1 Indikation: gesichertes Mali- gnom bei nachgewiesener Opera- bilität.
2.2 Operationstaktik:
1. Entfernung des Tumors mit lo- koregionären Lymphstationen (kurativer Ei ng riff);
2. Palliativer Eingriff zur Siche- rung der Stuhlpassage (Anus prae-
Bösartige Tumoren des Rektums
Edgar Ungeheuer, Michael Probst,
Eberhard Scherer, Wolfgang Queißer und Klaus Hübner Aus der Chirurgischen Klinik des
Krankenhauses Nordwest, Frankfurt am Main;
aus der Strahlenklinik des Radiologischen Zentrums der Universität Gesamthochschule Essen;
aus der Medizinischen Universitätsklinik Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg;
aus dem Senckenbergischen Zentrum der Pathologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 49 vom 4. Dezember 1985 (69) 3703
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Rektumtumoren
ter sigmoideus) oder zur Vermei- dung von Tumorkomplikationen wie Blutung und Verjauchung.
2.2.1 Kurativer Eingriff:
• oberes Rektumdrittel: Resek- tion mit End-zu-End-Anastomose;
• mittleres Rektumdrittel: mei- stens Resektion, Exstirpation. Re- sektion, wenn der Tumor gut be- weglich ist und die anatomischen Verhältnisse eine Resektion mit ausreichendem Sicherheitsab- stand nach kaudal erlauben (an- zustreben 5 cm);
• unteres Rektumdrittel: Rektum- exstirpation (abdominoperineal);
• Ausnahmen:
1. Ausdehnung der Indikation zur Resektion bei nachgewiesener Metastasierung;
2. lokale Tumorentfernung (chir- urgisch-physikalisch) bei hohem Operationsrisiko (gehört in die Hand des erfahrenen Chirurgen).
Die Möglichkeit zur lokalen Tu- mortherapie befindet sich in der Diskussion, sie wird nach den vor- liegenden Untersuchungen in Zu- kunft ausgedehnt werden;
• Problemfälle: Polypenkarzino- me mit geringer Infiltrationstiefe — eine Therapieempfehlung kann hier nicht generell gegeben wer- den, da die Faktoren des Einzel- falles die Entscheidung maßgeb- lich beeinflussen. Je höher das Al- ter und je geringer die Malignität und die Ausdehnung des Tumors sind, desto eher sollten lokale Maßnahmen Anwendung finden (Sphinktererhaltung).
2.2.2 Palliativer Eingriff:
Resektion (siehe Ausnahmen):
• individuelle Entscheidung zur Anlage eines Anus praeter bei nachgewiesener Metastasierung und/oder Inoperabilität;
• lokale Tumorbehandlung:
Ausnahme: isolierte Lebermeta- stasen können synchron oder mit geringem zeitlichen Abstand re- seziert werden;
• Diskontinuitätsresektion und Anlage eines Anus praeter.
2.2.3 Therapie des metastasier- ten Rektumkarzinoms:
1. Die Schmerzbehandlung mit Analgetika oder Blockadetherapie steht im Vordergrund, um die Le- bensqualität der Tumorpatienten zu verbessern. Alle adjuvanten Maßnahmen müssen in ihrer Wer- tigkeit an der begrenzten Lebens- erwartung gemessen werden.
2. Strahlentherapie:
Eine Behandlung von inoperablen Tumoren oder Rezidiven des Rek- tums und unteren Sigmas mit Strahlendosen von 40 Gy in vier Wochen führt unter Umständen zu einer guten analgetischen Wir- kung und Beeinflussung von Blu- tungen, Schleimabgang und Te- nesmen.
3. Chemotherapie:
Die zytostatische Therapie kann als Mono- oder sequentielle The- rapie bei 20 bis 30 Prozent An- sprechrate Tumorregressionen bewirken. Die Behandlung muß in onkologischen Zentren durchge- führt werden. Die lokale intraarte- rielle Zytostatikatherapie (Perfu- sion, Pumpenimplantation) kann derzeit, auch in ihren Stellenwert gegenüber der systemischen The- rapie, nicht beurteilt werden.
3 Beurteilung und Prognose 3.1 Intraoperativ:
Austastung des Abdomens mit Beurteilung der Leber, der regio- nären Lymphknotenstationen und des lokalen Tumorbefundes. Nach Entfernung des Tumors Beurtei- lung des Sicherheitsabstandes
nach distal. Wünschenswert ist ei- ne Schnellschnittuntersuchung des Tumorquerschnitts, um gra- ding und staging beurteilen zu können.
3.2 Postoperativ:
histologische Aufarbeitung der Tumoren mit genauer Klassifika- tion nach TNM (pTNM = postope- rativ). Die Vereinheitlichung der Klassifikation ist erstrebenswert, um den Informationsfluß zu den nachbehandelnden Ärzten kom- primiert zu ermöglichen; außer- dem ist die wissenschaftliche Aus- wertung leichter möglich.
3.3 Prognose:
Die Prognose ist verknüpft mit grading und staging der Tumoren, auch deshalb ist eine einheitliche Nomenklatur erforderlich.
4 Adjuvante Therapie 4.1 Strahlentherapie:
• Präoperative Bestrahlung:
Es wird in Studien über eine Ver- minderung der lokalen Rezidive berichtet. Die Rate der Fernmeta- stasierung scheint nicht beein- flußbar.
• Postoperative Bestrahlung:
Als alleinige Therapie oder in Kombination mit Chemotherapie ist der Einsatz bei weitfortge- schrittenen Tumoren berechtigt.
Analkarzinome scheinen nach neueren Untersuchungen mit ei- ner Nachbestrahlung eine besse- re Prognose zu besitzen.
4.2 Chemotherapie:
Eine postoperative adjuvante zy- tostatische Behandlung (5-Fluo- rouracil, Nitrosoharnstoffe, Mito- mycin C) hat im Vergleich zu un- behandelten Kontrollgruppen zu keiner Verlängerung der Rezidiv- freiheitsperiode und der Überle- benszeit geführt und kann auf- grund der vorliegenden Erfahrun- gen nicht empfohlen werden. I>
3704 (70) Heft 49 vom 4. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
Rektumtumoren
5 Nachsorge
5.1 Nachuntersuchungen:
e
in den ersten 2 Jahren nach der Operation: alle 3 Monatee
im 3. bis 5. Jahr: alle 6 Monate• danach: jährlich.
5.2 Diagnostik:
5.2.1 Klinische chung
Nachuntersu-
5.2.2 Labor: karzino-embryonales Antigen (CEA), Test auf okkultes Blut
5.2.3 Endoskopie: bei Rektumre- sektionen ist eine Rektoskopie ausreichend. Einmal jährlich ist eine Kaloskopie mit Kontrolle des gesamten Kolonrahmens zu emp- fehlen.
5.2.4 Röntgenuntersuchungen:
Lunge jährlich, Kontrasteinlauf jährlich (alternativ), Kaloskopie siehe 5.2.3, Computertomogra- phie bei Verdacht auf lokales Tu- morrezidiv, besonders in der sa- kralen Höhle nach Rektumexstir- pation.
6 Therapie der Tumorrezidive Nach Rektumresektion: wenn lo- kal Operabilität gegeben ist (etwa 50 Prozent), erneute Resektion oder Exstirpation.
Nach Rektumexstirpationen: Exzi- sion des lokalen Tumorrezidivs oder palliative Maßnahmen (siehe oben 2.2.2).
Ansch ritt für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Edgar Ungeheuer
Direktor der Chirurgischen Klinik am
Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt am Main 90
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
I
NOTIZENNeuroleptika als Ursache
lür Spätdyskinesien
Zu der Veröffentlichung "Neuro- leptika als Ursache für Spätdyski- nesien: Klinische Relevanz und Prävention" von Barteis in Heft 23 vom 5. 6. 1985, Seite 1788, hat uns Herr Kollege Dr. med. Christoph Nowak, Görisried, einen sehr zu- stimmenden Brief übersandt, des- sen wesentlichen Inhalt wir ohne Schlußwort veröffentlichen:
"Großer Dank gebührt den Verfas- sern für ihre Warnung vor der un- kritischen Neuroleptika-Verord- nung. Dies gilt vor allem für die Verordnung niedrig dosierter Neuroleptika als Tranquilizer-Er- satz. Es ist unverantwortlich, daß bestimmte pharmazeutische Fir- men immer mehr niedrig dosierte Neuroleptika als ,Tranquilizer' an- bieten, und es ist erschütternd, daß gerade jüngere Patienten oft ohne eingehende Diagnostik und damit ohne Indikation über einen langen Zeitraum Neuroleptika er- halten, meist in einer bevorzugten parenteralen Depotform. Beliebt sind auch Kombinationen von niedrig dosierter parenteraler De- pot-Gabe mit zusätzlicher oraler Tranquilizerverordnung. Die von den Patienten oft geschilderten Unruhezustände unter dieser The- rapie werden nicht selten mit ei- ner Dosiserhöhung ,behandelt', anstatt daß an eine Neuroleptika- nebenwirkung gedacht wird.
Grauenvolle Zukunft! Deshalb kann nicht nachdrücklich genug vor einer solchen Medikamenten- verordnung - denn Therapie ist das keine - gewarnt werden, und alle Kollegen sollten wirklich in- ständig gebeten werden, an die Zukunft ihrer Patienten zu denken und die Neuroleptika-Verordnung auf das gewissenhafteste zu prü- fen. Niedrig dosierte Langzeitga- be von Neuroleptika sollte nicht vorkommen!"
Dr. med. Christoph Nowak Weihermoosweg 6
8951 Görisried
AIDS-Virus-Träger:
Anzahl in Frankreich und in den USA
Aufgrund der Ergebnisse der seit 1. August 1985 obligatorischen Aufspürungstests für Antikörper gegen das AIDS-Virus bei Blut- spendern in den französischen Transfusionszentren wurde, wie Dr. Escoffier-Lambiotte, Le Mon- de vom 28. 9. 1985, berichtet, durch Hochrechnung (wörtlich:
Extrapolation) ermittelt, daß ..,. 50 000 Franzosen Träger des AIDS-Virus sind, obwohl das nur eine Minimalschätzung sein kann, da Risikopersonen schon von vornherein von Blutspenden aus- geschlossen werden.
in den Vereinigten Staaten be- trägt die Ansteckungsquote 2;5 Promille. Das sind 10000 bis 25 000 HTLV-111/LAV-positive Blut- spender. Durch Hochrechnung er- hält man hier die Zahl von mehr als 500 000 Antikörperträgern in der gesamten amerikanischen Be- völkerung.
Im Gegensatz zu ihren französi- schen Kollegen verfügen die ame- rikanischen Ärzte ausreichend über Richtlinien, Zirkulare, Führer und Broschüren zu ihrer eigenen Aufklärung und zur Information der Bevölkerung.
Die Kosten für die unentgeltliche Aufspürung von Antikörpern ge- gen das AIDS-Virus werden in Frankreich durch eine pauschale Erhöhung des Preises für die Bluteinheit um 20 Franc gedeckt.
Das Material für den Test Elavia (Pasteur) und den amerikani- schen Abbott-Test wird den Trans- fusionszentren je nach Menge der Bestellung zu 10 bis 12 Franc ge- liefert.
in Frankreich haben Organon (für den Abbott-Test) und Pasteur (für den Elavia-Test) einen Marktanteil von 60 Prozent beziehungsweise
40 Prozent. D
3706 (72) Heft 49 vom 4. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A