Tabelle 1: Eigenschaften der malignen Tumoren des Dünndarms Typ
Häufigkeit/Lokalisation
Hervorstechende Merkmale
Leitsymptome
Adenokarzinom
> 50% — Duodenum 40%
Jejunum 35%
Ileum 25%
Stenose: 25-35%
Palpabler Tumor: 25-35%
(Duodenum:
Ikterus 75%)
Rezidivierender Subileus
Karzinoid
20-25% — vorwiegend Ileum, Appendix
Kleiner Tumor, LK-Befall, lang- sames Wachstum, 70% asymptoma- tisch; wenn sym- ptomatisch, in 90% Metastasen
Karzinoidsyndrom (nur bei Leber- metastasen):
Flush, Diarrhö, paroxysmale Dyspnoe
Sarkom
— 25% — Duodenum 10%
Jejunum 40%
Ileum 50%
Großer Tumor, Lungen- und Lebermetastasen
Schmerzen, palpabler Tumor, intestinale Blutung
Exulzeration, häufigster gastro- intestinaler Tumor bei
Kindern <10 Jahre
Schmerzen, Subileus, Fieber, Diarrhö, okkulte Blutung Malignes Lymphom
1% — vorwiegend Ileum
Metastasen 10% — keine
Prädilektion
Zervix,
malignes Melanom, Kolon, direkte Infiltration
Subileus
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Dünndarmtumoren
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ie Häufigkeit bösartiger Neubildungen des Dünn- darms wird mit ein bis drei Prozent aller malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes ange- geben. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Der Al- tersgipfel liegt im siebten Dezen- nium. Folgende Tumoren sind zu unterscheiden: das Adenokarzi- nom, Sarkome, davon in über 90 Prozent ein Leiomyosarkom, mali- gne Lymphome, das Karzinoid und Metastasen. Tabelle 1 enthält eine Synopsis ihrer Häufigkeit, Lokalisation, der hervorstechen- den Merkmale und klinischen Leitsymptome.Die anfängliche Symptomatologie ist ausnahmslos uncharakteri- stisch. Die diagnostische Ver- schleppungszeit dauert dement- sprechend 10 bis 12 Monate. In 40 Prozent wird die Diagnose erst in- traoperativ gestellt. Leitsymptome sind Schmerzen, Ileus und Sub- ileus, gelegentlich mit Invagina- tion oder Tumorperforation. Ein Viertel der Kranken weist eine, meist okkulte, intestinale Blutung auf. Bei 40 Prozent findet sich anamnestisch ein Gewichtsver- lust. Bei den häufig periampullä- ren Duodenalkarzinomen ist diffe- rentialdiagnostisch an ein primä- res Papillenkarzinom zu denken.
Tumoren des eigentlichen Dünn- darms können jede andere Ursa- che einer mechanischen Behin- derung der Darmpassage vortäu- schen. Das für das Karzinoid typi- sche Syndrom tritt erst bei Leber- metastasierung auf.
1 Prätherapeutische Untersuchungen
1.1 Anamnese und allgemeine Un- tersuchung.
1.2 Laboruntersuchungen:
• präoperative Routinediagno- stik
Bösartige Tumoren des Dünndarms
Albrecht Encke und Dieter Kurt Hossfeld Aus der Abteilung für Allgemeinchirurgie im Zentrum Chirurgie der
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main;
aus der Abteilung für Hämatologie und Onkologie der Universität Hamburg
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 48 vom 27. November 1985 (39) 3601
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Dünndarmtumoren
• Serotonin- oder 5-Hydroxyin- dolessigsäure im 24-Stunden-Urin (bei Karzinoidverdacht).
1.3 Röntgenuntersuchungen:
• Doppelkontrastdarstellung mit- tels Enteroklysma nach Sellink
• Lunge in zwei Ebenen
• bei stärkeren Blutungen abdo- minelle Angiographie.
1.4 Endoskopische Untersuchun- gen:
• bei Verdacht auf Duodenaltu- mor Duodenoskopie.
1.5 Sonographie zum intraabdo- minellen Tumornachweis und Ausschluß von Lebermetastasen.
Gegebenenfalls zur weiteren Ab- klärung Computertomographie.
2 Pathologisch-anatomische Diagnostik
2.1 Prätherapeutisch:
Sicherung der Malignitätsdiagno- se und histologischen Artdiagno- se allenfalls bei Duodenaltumoren möglich. In der Regel Abklärung erst durch intraoperative Schnell- schnittuntersuchung.
2.2 Postoperativ:
Erfassung der makroskopischen und mikroskopischen Tumoraus- dehnung (pT, pN, ggf. M Leber)•
2.3 Das histologische Grading ist bisher ohne therapeutische Kon- sequenz.
3 Therapeutische Empfehlungen 3.1 Chirurgische Therapie
3.1.1 Potentiell kurativ operable Tumoren (mit und ohne Befall der regionalen Lymphknoten)
a) Ausgedehnte Darmresektion unter keilförmiger Mitnahme des Mesenteriums bis an den Haupt-
stamm der Mesenterialgefäße.
Isolierte Entfernung der Lymph- knoten im Bereich des Haupt- stammes der A. mesenterica su- perior. Keine paraaortale Lymph- adenektomie.
b) Bei Duodenaltumoren Duode- nopankreatektomie (Whipple).
Bei hohem Operationsrisiko und keinem, papillennahem Tumor gegebenenfalls lokale Tumorexzi- sion und Papillenplastik.
3.1.2 Nur palliativ operable Tumo- ren: Wenn immer möglich, Resek- tion des Primärtumors (Heuspro- phylaxe). Dies gilt auch für Patien- ten mit Peritonealkarzinose, wenn die Anastomose in einem tumor- freien Darmabschnitt hergestellt werden kann.
3.1.3 Lokal inoperable Tumoren:
Prinzip: Umgehungsanastomose Duodenum: Gastroenterostomie Jejunum-Ileum: Entero-Enterosto-
mie
distales Ileum: Ileotransversosto- mie
Verschlußikterus: Biliodigestive Anastomose (Cholezysto-/Chole- docho-Jejunostomie).
3.1.4 Lokal regionales Rezidiv:
Behandlung entsprechend 3.1.1 bis 3.1.3. Wenn möglich erneute Darmresektion, andernfalls Wie- derherstellung der Darmpassage durch Umgehungsoperation. Eine Ileostomie sollte stets vermieden werden.
3.1.5 Synchrone und metachrone Leber- oder Lungenmetastasie- rung: Es liegen bisher keine Befun- de vor, die eine chirurgische Ent- fernung von Leber- oder Lungen- metastasen bei Adenokarzinomen des Dünndarms rechtfertigen. Bei isolierten Sarkommetastasen in Lunge und Leber mag eine Resek- tion indiziert sein. Bei in die Leber metastasierten, dann in der Regel mit systemischen Symptomen
(Flush, Durchfälle) einhergehen- den Karzinoiden zunächst Erwä- gung operativer Verfahren: Partiel- le Hepatektomie bei auf einen Le- berlappen beschränkter Metasta- sierung, Enukleation bei bilatera- ler Metastasierung. Durch Reduk- tion von serotoninproduzieren- dem Gewebe wird damit in Einzel- fällen eine beträchtliche Minde- rung der Symptome erreicht. Bei Inoperabilität systemische oder besser intraarterielle Chemothera- pie, gegebenenfalls mit temporä- rer Okklusion oder Embolisierung der Arteria hepatica (Bengmark). —
Bei malignen Lymphomen ist die Chemotherapie die Methode der Wahl.
3.2 Strahlentherapie
Die Ergebnisse der additiven und palliativen Strahlentherapie beim Adenokarzinom des Dünndarms sind bisher enttäuschend. Die Strahlentherapie befindet sich hier allenfalls im klinisch experi- mentellen Stadium. Bei Sarkomen erreicht man gelegentlich eine gute Rückbildung, weshalb sie von einzelnen Autoren als additive und palliative Maßnahme empfoh- len wird. Beim malignen Lym- phom ist die Strahlentherapie bei ausgedehntem, inoperablem Pri- märtumor als palliative Lokalbe- handlung indiziert. Karzinoide sprechen auf die alleinige Ra- diotherapie nicht an. Durch die Kombination mit „radiosensibili- sierenden" Zytostatika können die Resultate möglicherweise ver- bessert werden.
3.3 Chemotherapie
Eine etablierte, effektive Che- motherapie als palliative Maßnah- me bei inoperablem Adenokarzi- nom gibt es nicht. Daher ist eine adjuvante Chemotherapie bei in kurativer Absicht operierten Pa-
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I
Untersuchungs- termine nach Radikaloperation (Monate)1. Jahr 3 6 9 12
3. Jahr 36
4. Jahr 48
5. Jahr 60 2. Jahr
15 18 21 24 Intervallanamnese
Klinische Untersuchung
X X X X
X X X X x x x
Labor: BSG, Hb, Leukozyten, Ge- samteiweiß, alkali- sche Phosphatase, CEA, GPT, Gamma- GT, Haemoccu lt.
Bei Karzinoid 5-Hy- droxyindol-
essigsäure im Urin (Malignes Lymphom siehe speziellen Beitrag)
X X X X x x x x x
Lebersonogramm x x x x Abdominelle CT x x x x
x x x x
x x
x x
x x
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Dünndarmtumoren
tienten nicht indiziert. Beim meta- stasierten Karzinoid ist eine Che- motherapie gerechtfertigt, wenn es sich um einen erwiesenerma- ßen schnell wachsenden, inope- rablen und erheblich symptomati- schen Prozeß handelt. Vorüberge- hende partielle Tumorrückbil- dung mit teils beträchtlicher Mil- derung der Symptomatik bei 20 bis 50 Prozent der Patienten. Zur Chemotherapie des inoperablen Leiomyosarkoms existieren keine größeren Erfahrungen. Die unvoll- ständig resezierbaren Hodgkin- oder Non-Hodgkin-Lymphom-Pa- tienten werden auf der Grundlage der histopathologischen Klassifi- kation und der Ausdehnung der Erkrankung entsprechend den Richtlinien der primär nodalen Lymphome behandelt. Der Wert einer adjuvanten Chemotherapie bei malignen Lymphomen des Dünndarms ist derzeit nicht abzu- schätzen.
4 Nachuntersuchungen
5 Prognose, Risikofaktoren Angesichts der späten klinischen Symptomatik und Diagnosestel- lung ist die Prognose einge- schränkt. Beim Adenokarzinom von Duodenum, Jejunum und Ileum werden durchschnittliche Resektionsraten von 72 Prozent, 76 Prozent und 82 Prozent und Fünfjahresüberlebensraten bei Radikaloperation von ca. 20 Pro- zent für alle drei Darmabschnitte angegeben. Bei palliativen Ein- griffen und Umgehungsanasto- mosen liegt die durchschnittliche Überlebenszeit unter sechs Mo- naten.
Karzinoide treten in 30 Prozent multipel auf und sind bei Auftre- ten der klinischen Symptomatik schon bis zu 90 Prozent metasta- siert. Dennoch liegt die Fünfjah- resüberlebenszeit aller Erkrank- ten bei 20 Prozent.
Unter den Sarkomen zeigt das häufigste Leiomyosarkom (ca. 90
Prozent) ein relativ langsames Wachstum. Nach Diagnosestel- lung beträgt die Fünfjahresüber- lebensrate dementsprechend et- wa 50 Prozent.
Das maligne Lymphom tritt in 20 Prozent als multiple Darmläsion auf. Beim histologisch nodulären Typ beträgt die Fünfjahresüberle- bensrate aller Patienten etwa 50 Prozent, beim diffusen Typ ca. 25 Prozent. Bei chirurgischer oder radiologischer Behandlung des lokalisierten Non-Hodgkin-Lym- phoms (Stadium I) werden Hei- lungsraten von 70 bis 80 Prozent erreicht.
Als allerdings sehr seltene Risiko- erkrankungen für einen malignen Dünndarmtumor gelten die Zölia- kie, der Morbus Crohn, das Peutz- Jeghers-Syndrom.
Literatur
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Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Albrecht Encke Abteilung für Allgemeinchirurgie der Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 6000 Frankfurt am Main
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