DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
ÜBERSICHTSAUFSATZ
SERIE: MALIGNE TUMOREN UND SYSTEMERKRANKUNGEN
1 Prätherapeutische Untersuchungen
1.1 Anamnese und allgemeine körperliche Untersuchung.
1.2 Laboruntersuchungen (prä- operative Routine-Diagnostik, CEA).
1.3 Röntgenuntersuchungen und andere bildgebende Verfahren:
• Ultraschall,
• Computertomographie (beide Untersuchungen eventuell mit perkutaner Tumorpunktion, Zyto- logie),
• Magen-Darm-Passage, hypoto- ne Duodenographie,
• Cholangiographie (iv-Cholan- giographie, PTC, eventuell in Ver- bindung mit Einlage einer trans- hepatischen Choledochus-Draina- ge zur passageren Gallenwegs- entlastung).
• Angiographie (Zöliako-Mesen- terikographie mit venöser Phase).
1.4 Endoskopische Untersuchun- gen:
• Gastroskopie,
• ERCP (eventuell mit transpapil- lärer Einlage einer Choledochus- Drainage zur passageren Gallen- wegsentlastung).
Es ist zu beachten, daß auf Ma- gen-Darm-Passage oder hypotone Duodenographie zugunsten der Gastroskopie verzichtet werden kann. Im Rahmen einer Gallen- wegsdarstellung, sei es durch PTC oder ERC beim ikterischen Patienten, kann eine entlastende Drainage in den Ductus choledo- chus eingelegt werden.
Die Angiographie, das heißt Zölia- ko-Mesenterikographie, dient we- niger dem Malignomnachweis als vielmehr dem Ausschluß einer Tu- morinfiltration großer Gefäßstäm- me (Tumorresektion nicht mehr möglich oder sinnvoll) sowie der Darstellung von Gefäßanomalien im Oberbauch vor geplanten Pan- kreasresektionen.
2 Pathologisch-anatomische Diagnostik
2.1 Prätherapeutisch:
• Sicherung der Malignitätsdia- gnose.
2.2 Postoperativ:
• Erfassung der makroskopi- schen und mikroskopischen Tu- morausdehnungen mit Klassifika- tion nach dem pT pN pM-Schema.
2.3 Postoperativ:
Eindruck des Chirurgen und Er- fassung des pathologisch-anato- mischen Befundes:
• Erfassung der makroskopi- schen und mikroskopischen Resi- dualtumoren,
• R 0: Kein Residualtumor,
• R 1: Mikroskopische Residual- tumoranteile,
• R 2: Makroskopisch erkennba- re Residualtumoren (während der Operation bereits erfaßbar).
Die präoperative Sicherung der Malignität eines Pankreastumors ist lediglich an Hand zytologischer Untersuchungen von perkutan aspirierten Tumorpunktaten oder endoskopisch gewonnenem Pan- kreassaft möglich. Diese erlauben kein Grading.
Eine Laparotomie sollte bei allen Patienten, denen eine Pankreas- resektion zumutbar ist, erfolgen — vorausgesetzt, daß nicht von vorn- herein eindeutige Inoperabilität, wie zum Beispiel Metastasen- nachweis, gegeben ist. Bei dieser Laparotomie kann die Diagnose
„Karzinom" durch Nadelbiopsie (gefahrloser als etwa durch Keil- exzision) im Schnellschnittverfah- ren gesichert werden.
Aber selbst bei negativem Histolo- gieergebnis ist die Radikalopera- tion eines symptomatischen Pan- kreastumors anzustreben, voraus- gesetzt, daß dies mit vertretbarem Operationsrisiko möglich ist.
3 Therapeutische Empfehlungen
3.1 Chirurgische Therapie 3.1.1 Potentiell kurativ operable Tumoren:
Kriterium: „Mobiler Tumor"
Empfehlungen zur standardisierten Tumortherapie:
Bösartige Tumoren
des exokrinen Pankreas
Michael Trede, Wolfgang Queißer und Rolf Sauer Aus der Chirurgischen Universitätsklinik
und der Medizinischen Universitätsklinik Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg;
aus der Strahlentherapeutischen Klinik der
Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
3526 (46) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
Untersuchungstermine (Monate)
1. Jahr 2 - 6 - 12
ab 2. Jahr 3 - 6 - 9 - 12 Zwischenanamnese
Körperliche Untersuchung
Labor: BSG, Hb, Leukozyten, alkali- sche Phosphatase und gGT, Bilirubin, C EA
Sonographie CT-Oberbauch Röntgen Lunge
x x x x x x x x x x x x x x x
x x x x x x
x x x Folgende Nachsorgeuntersuchungen werden empfohlen:
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Pankreastumoren
aze
Bei der intraoperativen Inspektion keine tiefreichende Infiltration im Retroperitoneum, vor allem keine breite Gefäßinfiltration oder Tu- morverschluß großer Gefäße, Pe- ritonealkarzinose, Fern(meist Le- ber)-metastasierung oder blasto- matöse Okkupation nichtregionä- rer Lymphknoten signalisieren ebenfalls Inoperabilität.
a) Pankreaskopf-Karzinome, das heißt Malignome, die auf das Pan- kreas rechts der V. mesenterica superior lokalisiert sind, können durch Pankreaskopfresektion ent- fernt werden. Bei organüber- schreitenden Tumoren müssen gelegentlich V. mesenterica su- perior oder V. portae tangential oder segmental mitreseziert wer- den. Der Absetzungsrand am Pan- kreas ist durch histologische Ge- frierschnittuntersuchung zu kon- trollieren.
b) Pankreaskopf-Körper-Karzino- me wie auch multizentrische Kar- zinome müssen durch totale Pan- kreatektomie entfernt werden.
c) Pankreasschwanz-Karzinome können selten einmal durch dista- le Pankreasresektion (Hemipan- kreatektomie, subtotale distale Pankreasresektion) entfernt wer- den.
Alle Operationen beinhalten eine weiträumige Lymphadenektomie bis hin zu den juxtaregionären Lymphknoteng ruppen.
3.1.2 Palliative operative Maß- nahmen bei Pankreas-Karzino- men:
Kriterium: „Immobiler Tumor".
Zeichen einer breiten, tiefreichen- den retroperitonealen Infiltration unter Einbeziehung von V. cava, V. portae und/oder V. mesenterica superior, eventuell sogar auch ar-
terieller Gefäße. Tumorkonglome- rat mit Einbeziehung von Magen und/oder Kolon neben peritonea- ler und/oder lymphogener Aus- saat (siehe auch 3.1.1).
Die weitere operative Therapie dient lediglich der Beseitigung belastender Symptome:
a) Ikterus
Umgehung der Choledochusste- nose durch eine möglichst tumor- fern angelegte biliodigestive Ana- stomose, zum Beispiel Hepatiko- Jejunostomie mit ausgeschalteter Jejunumschlinge.
b) Duodenalstenose
Gastroenteroanastomose (eventu- ell auch prophylaktisch anzule- gen).
c) Schmerzen
(Oberbauch, Rückenschmerzen) lntraoperative Infiltration des Ple- xus coeliacus mit 50 Prozent Alko- hol. Dasselbe kann auch (ohne Probe-Laparotomie) CT-gesteuert durch paravertebral eingeführte Kanüle erfolgen.
3.1.3 Pankreas-Karzinom als Zufallsbefund:
Sollte im Rahmen einer Laparoto- mie, zum Beispiel wegen Ikterus, Cholezystolithiasis, vermuteter Choledocholithiasis, ein Pankre- as-Karzinom entdeckt werden, empfiehlt sich die Anlage einer Cholezystostomie ohne weitere Exploration und Mobilisierung des Pankreastumors, falls keine sofortige Duodenopankreatekto- mie möglich ist.
Auf diese Weise werden Leber- und Gallenwege entlastet und entzündliche Veränderungen, Verwachsungen vermieden, die eine eventuelle spätere Resektion erschweren würden.
3.2 Strahlentherapie
3.2.1 Adjuvante Strahlentherapie:
Eine Verbesserung der Überle- bensraten durch eine postoperati- ve adjuvante Strahlentherapie konnte bislang nicht erwiesen werden. Einzelne Publikationen von Fällen mit günstigen Ergeb- nissen einer Bestrahlung auch beim Pankreas-Karzinom (zum Teil intraoperativ durch Elektro- nenbestrahlung oder interstitielle Spickbehandlung) sind allerdings
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Pankreastumoren
bekannt. Der Einsatz dieser Be- handlung im Rahmen klinischer Studien ist daher gerechtfertigt.
3.2.2 Palliative Strahlentherapie:
Bei Inoperabilität oder nach pal- liativer Operation beseitigt die perkutane Strahlenbehandlung mit 45 bis 50 Gy bestehende Schmerzen, lindert unter Umstän- den einen Ikterus oder eine Duo- denalstenose. Eindrucksvolle Tu- morrückbildungen sind durch in- traoperative Radiotherapie oder mit der Implantation von radioakti- ven Substanzen (zum Beispiel Jod 125-Seeds) zu erreichen. Eine si- multane lokale Hyperthermie-An- wendung verstärkt den Strahlen- therapieeffekt.
3.3 Chemotherapie
3.3.1 Adjuvante Chemotherapie:
Eine postoperative chemothera- peutische Behandlung von mit kurativer Zielsetzung resezierten Tumoren ist nicht angezeigt, da gegenwärtig noch kein Beweis für die Verlängerung des krankheits- freien Intervalls und der Überle- benszeit vorliegt.
3.3.2 Palliative Chemotherapie (nach palliativer Operation oder bei Inoperabilität):
Nur für wenige Zytostatika konnte eine Wirksamkeit beim Pankreas- Karzinom nachgewiesen werden (Ansprechraten etwa 20 bis 30 Prozent, keine Lebensverlänge- rung). Ein Chemotherapieversuch sollte ausschließlich mit palliativer Zielsetzung nur in ausgewählten Fällen (guter Allgemeinzustand, Alter unter 60 Jahren, tumor- bedingte Beschwerden, früher Therapiebeginn) durchgeführt werden (zum Beispiel Fluoro- uracil-Monotherapie; 5-Fluoro- uracil-Adriamycin-Mitomycin C [FAM]).
3.4 Nachsorge
Der Wert einer postoperativen Nachsorge kurativ operierter Pa- tienten ist umstritten, da bei Rezi- divnachweis nur sehr begrenzt sy- stematische Therapien zur Verfü- gung stehen (siehe 3.2 und 3.3).
Unter Umständen sind jedoch bei Früherkennung des Rezidivs Maß- nahmen möglich (siehe 3.1.2).
Lebertumoren
Rudolf Pichlmayr und Peter Neuhaus Aus der Abteilung II:
Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie im Zentrum Chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover
1 Vorbemerkungen
Diagnose und Therapie benigner und maligner Lebertumoren er- fordern zunehmend größere Be- achtung: Durch häufigen Einsatz der Sonographie kommen zahlrei- che Zufallsbefunde meist beni- gner Lebertumoren zur Diagnose, deren Dignität abgeklärt werden muß; der regelmäßige Einsatz von CEA oder anderen Tumormarkern in der Nachsorge nach Operation vor allem kolorektaler Karzinome und der Einsatz bildgebender Ver- fahren in der Tumornachsorge decken vermehrt Lebermetasta- sen in noch asymptomatischem Stadium auf. Hier entsteht die Fra- ge des therapeutischen Vorge- hens. Auch primäre Leberma- lignome werden — besonders bei einer Kontrolle von Patienten mit chronischer aggressiver Hepatitis unter Alpha-Fetoprotein-Bestim- mung — häufiger diagnostiziert.
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Michael Trede
Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Mannheim der Ruprecht-Karls-
Universität Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer 6800 Mannheim 1
Wesentliche Fortschritte haben sich also in der primären Erken- nung von Lebertumoren durch bildgebende Verfahren und spe- zielle biochemische Methoden er- geben. Die für die therapeuti- schen Entscheidungen so bedeu- tende Differentialdiagnostik hat ebenfalls durch eine sinnvolle Kombination bildgebender Ver- fahren (besonders Sonographie, CT mit Kontrastmittelbolusinjek- tionen) mit radionuklearmedizini- schen Methoden (Blutpoolunter- suchung mit markierten Erythro- zyten, hepatobiliäres Sequenz- szintigramm und andere) einen meist hohen Sicherheitsgrad be- kommen. Vielfach kann die ultra- schallgeführte Feinnadelpunktion oder eine laparoskopische Punk- tion eine noch bestehende Unsi- cherheit beseitigen. Die Opera- tionsindikation zur Klärung der Di- gnität eines Lebertumors kann so- mit deutlich eingeschränkt wer- den — wenngleich sie in manchen Zweifelsfällen weiterhin besteht.
Die Chirurgie der Leber hat ent- sprechend den zunehmenden Aufgaben und unter weiterer Erar- beitung anatomischer Leberseg- mente und operationstechnischer Maßnahmen wesentliche Fort- schritte erzielt. Sie bekommt of- fensichtlich berechtigterweise zu- nehmende Bedeutung bei der Re- sektion von Metastasen — beson- ders kolorektaler Karzinome — und primärer Lebermalignome.
3528 (50) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A