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Archiv "Ursachen vielfältig" (14.03.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 11

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14. März 2014 195

M E D I Z I N

DISKUSSION

Neue Wege gehen

Die Autoren beklagen, dass „trotz des weit verbreite- ten Einsatzes von Orthesen (...) für viele Indikationen an der Wirbelsäule hochwertige kontrollierte Studien, die eine Effektivität nachweisen (fehlen)“ (1).

Seit mehr als 40 Jahren habe ich Patienten mit frakturerzeugenden Osteoporosen behandelt, Studien zur Aufklärung der Pathophysiologie und Therapie dieser Volkskrankheit durchgeführt. Das war anfangs sehr mühsam, war doch unter Spezialisten für Krankheiten von Knochen und Gelenken die Mei- nung weit verbreitet, dass es sich bei den Osteoporo- sen um eine hinzunehmende Alterserscheinung han- dele, um eine Modekrankheit und dass man derarti- ges nicht therapieren müsse und könne.

Die klinische Erfahrung lehrte dabei, dass die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel ungeeignet seien, was unter anderem seinen Niederschlag darin fand, dass die Compliance von Seiten der Patienten mise- rabel war. Die Mehrzahl der teuer maß angefertigten und weitgehend immobilisierenden Orthesen lande- ten nach kurzer Zeit auf, in oder hinter dem Kleider- schrank.

Dies stimulierte uns, eine Orthese speziell für Pa- tienten mit osteoporotischen Wirbelfrakturen zu ent- wickeln, obwohl wir doch als Internisten, wie uns von Seiten der „echten Fachleute“ versichert wurde, keineswegs dazu berechtigt seien.

Nachdem wir als Internisten gewohnt sind, neue Behandlungsmethoden klinischen Studien zum Be- leg einer Wirkung zu unterwerfen, hatten wir uns dies natürlich auch im Hinblick auf die Wirkung der neuen Orthese (Spinomed R) vorgenommen, obwohl damals die „echten Fachleute“ die Meinung vertra- ten, klinische Studien seien bei Orthesen überflüssig und außerdem gar nicht möglich. Das hat uns nicht gehindert und als Resultat unserer Studien entstan- den zwei Originalarbeiten, die in einer der führenden Fachzeitschriften publiziert wurden (2, 3).

Die Situation ist also nicht ganz so desolat, wie die Autoren der Arbeit fürchten. Man müsste nur weitere Studien planen und durchführen. Das wird jedoch die Aufgabe der Spezialisten für die übrigen Krankheiten der Knochen und Gelenke sein, denn als Internisten wollen wir uns natürlich nicht auf das Feld der Arthrosen, Skoliose und enge Spinalkanäle begeben. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0195a

Ursachen vielfältig

Der vorliegende Übersichtsartikel bedarf einer kriti- schen Diskussion (1). Im Hinblick auf die Analyse der Literatur ist der Artikel nicht zu beanstanden.

Ein Kernproblem von derartigen Metaanalysen ist, dass die Evidenz nur anhand einer selektierten Anzahl methodisch „hochwertiger“ Studien beurteilt wird. Fehlen diese, so wird schnell eine mangelnde Evidenz unterstellt. Methodisch hochwertige Studien sind aber bei der Vielfalt an Ursachen der Rücken- schmerzen schwierig. In vielen Studien vermisst man eine genaue Definition der Krankheitsbilder, ei- ne klare Fokussierung auf spezifische Krankheitsen- titäten, eine genaue Beschreibung der Orthese, ins- besondere aber auch eine klare Indikation. So ist es beispielsweise ein erheblicher Unterschied, ob bei einem Wirbelbogengelenkssyndrom eine lordosie- rende oder entlordosierende Lumbalorthese verord- net wird. Oft werden auch chronische, unspezifische Rückenschmerzen (oft mit psychischen Komorbidi- täten) und spezifische Ursachen zusammen in einer Studie untersucht.

Auch wie in der vorliegenden Arbeit des Kollegen Zarghooni kommt es oft zu einer Übergewichtung der anglo-amerikanischen Literatur. Deutschsprachi- ge Literatur, die durchaus vorhanden ist, wird selten berücksichtigt, so auch hier.

In der Arbeit ist zudem kritisch zu sehen, dass multiple Krankheitsbilder in einer Übersichtsarbeit behandelt werden. Des Weiteren fällt auf, dass die Wertungen der Autoren teilweise nicht nachvollzieh- bar sind. So wird im Artikel zum chronischen Zervi- zu dem Beitrag

Orthesenbehandlung bei akuten

und chronischen Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule

von Dr. med. Kourosh Zarghooni, Dr. med. Frank Beyer, Dr. med. Jan Siewe, Prof. Dr. med. Peer Eysel in Heft 44/2013

LITERATUR

1. Zarghooni K, Beyer F, Siewe J, Eysel P: The orthotic treatment of acute and chronic disease of the cervical and lumbar spine. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(44): 737–42.

2. Pfeifer M, Begerow B; Minne HW: Effects of a new spinal orthosis on posture, trunk strength and quality of life in woman with postmeno- pausal osteoporosis. Am J Phys Med Rehabil 2004, 63: 177–86.

3. Pfeifer M, Kohlwey L, Begerow B, Minne HW: Effects of two newly developed spinal orthosis on trunk muscle strength, posture and quality of life in woman with postmenopausal osteoporosis – a ran- domized trial. Am J Phys Med Rehabil 2011; 90: 1–11.

Prof. Dr. med. habil. Helmut W. Minne Halberstadt

claudia.weber@endokrinologie-weber.de

Interessenkonflikt

Spinomed R wurde von der Bad Pyrmonter AG um Prof. . Minne in Zusammenarbeit mit betroffenen Patienten und dem Unternehmen medi entwickelt und getestet.

Prof. Minne hat eine Patent bezüglich Spinomed und erhält jährlich Lizenzgebühren. Er bekam Erstattung von Teilnahmegebühren, Reise- und Übernachtungskosten vom Dachverband deutschsprachiger osteologisch tätiger Gesellschaften (DVO). Er erhielt Honorare für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien und für ein vom ihn initiiertes Forschungsvorhaben von Spinomed.

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M E D I Z I N

kobrachialsyndrom referiert, dass eine Vergleichs- studie gegenüber einer Kontrollgruppe signifikante Reduktionen der Schmerzsymptomatik nach sechs Wochen gezeigt hätte, allerdings nicht als Langzeit- erfolg. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Orthesen bei derartigen Syndromen daher nicht indi- ziert seien. Da man aber weiß, dass radikuläre Zervi- kobrachialsyndrome durchaus für einen kurzen Zeit- raum deutlich exazerbieren können, ist diese Schlussfolgerung fragwürdig, wenn man sieht, dass Orthesen effektiv waren.

Resümierend hätte man sich eine kritischere Aus- einandersetzung gewünscht.

Die Orthesenbehandlung ist eine empirisch seit Jahrzehnten bewährte Behandlungsmethode, was auch die angesprochenen Verordnungszahlen unter- streichen.

Auch empirisches Erfahrungswissen hat weiter ei- ne Berechtigung und das Fehlen von hochmethodo- logischen Studien bedeutet allenfalls, dass For- schungsbedarf besteht. Keinesfalls darf man aus die- ser Übersichtsarbeit die Aussage ziehen, dass Orthe- sen generell unwirksam sind.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0195b LITERATUR

1. Zarghooni K, Beyer F, Siewe J, Eysel P: The orthotic treatment of acute and chronic disease of the cervical and lumbar spine.

Dtsch Arztebl Int 2013; 110(44): 737–42.

Prof. Dr. med. Bernhard Greitemann Rothenfelde

michaela.joswig@drv-westfalen.de

Interessenkonflikt

Prof. Greitemann erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit von der Firma Bauerfeind.

Schlusswort

Wir bedanken uns bei Prof. Greitemann und Prof.

Minne für ihre Leserbriefe, die auch unser Ansinnen auf die Notwendigkeit der weiteren klinischen Prü- fung der Orthesentherapie, bei den in unserem Arti- kel diskutierten Krankheitsbildern der Wirbelsäule hinzuweisen, unterstreichen.

Die Studie von Kuijper et al. zeigte als einzige randomisierte kontrollierte Studie (RCT) bei Patien- ten mit akuter Zervikobrachialgie einen ähnlichen Effekt mit einer semirigiden Orthese nach drei und sechs Wochen Therapiedauer im Vergleich zu einer krankengymnastischen Behandlung. Für weiche Or- thesen oder bei chronischen Halswirbelsäulensyn- dromen konnte bisher keine Wirksamkeit bewiesen werden.

Aus Platzgründen haben wir auf eine Betrachtung der Frakturen in unserem Artikel verzichtet. Herr Prof. Minne weist zu Recht darauf hin, dass bisher zwei RCTs zur Behandlung akuter osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen existieren, die einen positiven Effekt für die Spinomed-R-Orthese zeigen. Longo und Autoren erwähnen eine dieser Studien in ihrem systematischen Review aus 2012 (1) als einzige RCT

auf diesem Gebiet. Insofern sind diese Studien ein Musterbeispiel für gute klinische Studien mit Orthe- sen.

Klinische Studien sind zur Beurteilung der Effek- tivität medizinischer Behandlungsmaßnahmen uner- lässlich. Auch die jüngere Geschichte der Medizin zeigt zahlreiche Beispiele empirisch begründeter Be- handlungsmaßnahmen, die sich als nutzlos oder gar schädlich erwiesen haben (2). Klinische und biome- chanische Studien zur Orthesenbehandlung an der Wirbelsäule sind zwar vielfach publiziert worden, sind jedoch häufig methodisch nicht geeignet um die Wirksamkeit der Orthesenbehandlung zu belegen und fließen aus diesem Grund nicht in die Metaana- lysen und systematischen Reviews ein. Eine Besse- rung der Situation ist bei einem aktuellen Blick in die großen Studienregister (Deutsches Register klini- scher Studien, ClinicalTrials.gov) nicht zu erwarten, weil zur Beurteilung von Orthesen an der Wirbelsäu- le, außer bei Skoliosen und Frakturen, derzeit keine Studien registriert wurden. Bei der Masse an Verord- nungen allein in Deutschland wäre es ein Leichtes, hochwertige Studien zur Beurteilung der offenen Fragestellungen durchzuführen. Die von Prof. Grei- temann angesprochenen Probleme der Inhomogeni- tät der Diagnosen und Patientengruppen kann durch ein adäquates Studiendesign berücksichtigt werden.

Die Motivation für hochwertige Studien ist seitens der Industrie aus verständlichen Gründen, bei vor- handener Zulassung und der hohen Anzahl an Ver- ordnungen, gering. Somit ist es unsere ärztliche Ver- antwortung die Orthesentherapie an der Wirbelsäule kritisch zu hinterfragen. Leider trifft für die klini- sche Forschung der Orthesentherapie an der Wirbel- säule der Satz von Altmann aus 1994 immer noch zu:

Wir brauchen weniger Forschung, gute Forschung und Forschung aus guten Gründen (3).

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0196 LITERATUR

1. Longo UG, Loppini M, Denaro L, Maffulli N, Denaro V: Conservative management of patients with an osteoporotic vertebral fracture:

A review of the literature. J Bone Joint Surg Br 2012; 94: 152–7.

2. Editorial commentary. Why fair tests are needed. 2007. Available at:

www.jameslindlibrary.org.

3. Altman DG: The scandal of poor medical research. BMJ 1994; 308:

283–4.

4. Zarghooni K, Beyer F, Siewe J, Eysel P: The orthotic treatment of acute and chronic disease of the cervical and lumbar spine. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(44): 737–42.

Dr. med. Kourosh Zarghooni

Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Uniklinik Köln

kourosh.zarghooni@uk-koeln.de

Interessenkonflikt

Dr. Zarghooni erhielt Gelder für ein von ihn initiiertes Forschungsvorhaben von der Bauerfeind AG.

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