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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998 (1)
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bzocker“, „Scheinheilige“lauten die Kosenamen, die Kassenärzte und Kranken- kassen derzeit füreinander übrig haben. Die Stimmung ist hochgra- dig gereizt. Schuld daran trägt der IGEL, ein Katalog von rund 70 ärztlichen Leistungen, die nicht Bestandteil des gesetzlichen Lei- stungskatalogs sind und somit auch nicht von den Kassen erstattet wer- den. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) hat diesen vor- gelegt, um klarzustellen, daß die- se medizinisch empfehlenswerten oder vertretbaren (Wunsch-)Lei- stungen privat liquidiert werden müssen (dazu auch DÄ, Heft 11/1998).
„Was geht das die Kassen an, wo sie ohnehin nicht zahlen“, mag sich mancher fragen. Hans- Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsit-
zender des AOK-Bundesverban- des, wittert eine heimliche Umge- staltung der medizinischen Versor- gungslandschaft: die GKV zahlt nur noch die Grundversorgung, al- les andere zahlt der Patient. Ah- rens begründet seine Furcht damit, daß die IGEL-Liste unter ande- rem Leistungen verzeichnet, deren Aufnahme in den gesetzlichen Lei- stungskatalog gerade im Bundes- ausschuß der Ärzte und Kranken- kassen diskutiert wird. Über eine solche Aufnahme neuer medizini- scher Verfahren werde künftig nur schwer eine Einigung mit den Kas- senärzten erzielt werden können, wenn diese „erst einmal das schnel- le Geld der Privatliquidation vor Augen haben“, unkt Ahrens. Für die Kassen dient die Liste einzig dazu, den Ärzten neue, lukrative Einnahmequellen zu erschließen.
Der KBV-Vorsitzende Win- fried Schorre weist derartige Vor- würfe scharf zurück. Der IGEL- Katalog diene nicht der Leistungs- ausgrenzung, sondern der Klarstel- lung. Dazu zwinge schon die deso- late Finanzlage der GKV. Die Liste schaffe Transparenz für Ärzte, Kassen und Patienten, die darüber informiert werden, daß sie Leistun- gen nachfragen, die nicht solida- risch finanziert werden sollten. „So trägt der IGEL sogar zur finanziel- len Entlastung der Solidargemein- schaft bei“, sagte Schorre. „Solan- ge die Kassen bei ihren Versicher- ten den Eindruck erwecken konn- ten, daß solche Wunschleistungen von ihnen bezahlt würden, waren ihnen die entsprechenden Untersu- chungen als kostenlose Service- Leistungen der Ärzte hochwill- kommen.“ Heike Korzilius
IGEL – ein Nützling
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ie Vereinigung Deutsch- lands sei das größte Glück seines Lebens, bekannte erst kürzlich ein angesehener Arzt und Ärztepolitiker aus den neuen Bundesländern. Hört man die Flut von Klagen in Ost und West über die fehlende oder gar verfehlte In- tegration Deutschlands, so könnte man meinen, jener glückliche Arzt stünde allein. Wir hoffen indes, daß viele so denken und fühlen und sich durch die Rhythmus- störungen im Einigungsprozeß nicht irremachen lassen.Die anfängliche Euphorie ist freilich verflogen, und grauer All- tag, ausgedrückt vornehmlich in fi- nanziellen Schwierigkeiten, be- herrscht das Feld. Ausdruck von West-Frust ist das jüngste Geran- gel um die Regionalisierung der Krankenversicherung, gemeint war eine Aufkündigung des Soli-
darpaktes. Die gesamtdeutsche Solidarität hat noch einmal ob- siegt; ein auf drei Jahre befriste- ter Risikostrukturausgleich wurde vom Gesetzgeber beschlossen – ein Hoffnungsschimmer.
Ost-Frust: Nennen wir bei- spielhaft die Aktionstage in Bran- denburg oder andernorts die Mon- tagsdemonstrationen, anknüpfend an große Vorbilder der Wendezeit.
Diesmal geht es um die Anglei- chung von ärztlichen Einkommen im Osten an jene im Westen.
Ausdruck östlicher Unzufrie- denheit ist auch der für den 18.
April nach Leipzig einberufene Kassenärztetag Ost, veranstaltet von den fünf Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundes- länder. Werten wir eine solche de- monstrative Veranstaltung nicht als Ausdruck von Separatismus.
Ein Geschmäckle, um diesen Aus-
druck aus südwestdeutschen Gefil- den zu verwenden, hat die Sache aber schon. Aufgabe der Veran- stalter wird es sein, die ostdeut- schen Interessen hervorzukehren, ohne die gesamtdeutsche Interes- senlage zu vernachlässigen.
Das Deutsche Ärzteblatt bringt in diesem Heft eine Repor- tage, die einige Schlaglichter auf Befindlichkeiten in den neuen Bundesländern wirft. Letzten En- des ändert das Beschreiben von Zuständen indes nicht die Lage. Es kommt darauf an, was in den Köp- fen vor sich geht und wie aus Ideen und Absichten Realität wird.
Mancher, der heute klagt, soll- te sich in einer Stunde der Wahr- heit einmal fragen, ob ihm die deutsche Einigung wirklich nur oder überwiegend Lasten aufer- legt hat, sondern nicht auch Glück gebracht hat. Norbert Jachertz